Читать книгу Der Weg nach Roseworthy - Samina Haye - Страница 8
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ОглавлениеMontag, 23.Dezember 2010
Nun begann für Zoe die zweite Therapiewoche und es ging ihr schon ein bisschen besser, doch bei der heutigen Sitzung war alles anders. Da ihre Therapeutin vermutete, noch mehr hinter Zoes Verschlossenheit lüften zu können, waren deren Fragen heute anders aufgestellt als sonst.
„Zoe, da es Ihnen psychisch schon besser geht, möchte ich meine Fragen nun etwas vertiefen“, sagte sie und fragte:
„Ist das in Ordnung für Sie?“ Zoe sah sie an und gab ihr nickend das Okay dazu.
„Sehr gut.“ Lächelte sie und nahm sich ihren Notizblock zur Hand.
„Also, was für meine weitere Behandlung sehr wichtig ist zu wissen: Wie war Ihre Beziehung und Ehe mit Julian?“, fragte sie vorsichtig. Zoe erschrak und wurde steif, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Doch nach einigen Sekunden fasste sie sich und probierte ohne zu Stottern zu antworten.
„Tut mir leid.“ Sie machte eine kurze Pause und sagte leise: „Mit so einer Frage habe ich nicht gerechnet.“
„Sie brauchen sich dafür nicht entschuldigen. Wenn Sie soweit sind, dann sagen Sie´s mir einfach“, meinte sie ehrlich und Zoe atmete tief durch.
„Zwischen Julian und mir begann es harmlos mit einer heißen Affäre, dann aber passierte etwas Unvorhersehbares. Ich wurde schwanger“, erzählte sie und die Psychologin hörte aufmerksam zu und machte sich Notizen.
„Wir stritten wochenlang hin und her, bis wir zu dem Entschluss kamen zu heiraten. Es war eigentlich nur eine Zweckehe. Für Julian waren nur zwei Dinge in seinem Leben wichtig: Das war das Fliegen und seine Affären, die er nebenbei hatte“, brachte Zoe mit zittriger Stimme gerade noch heraus, bevor sie zu weinen begann und die Therapeutin ihr eine Taschentuchbox reichte. Zoe stand auf, ging zum Fenster und sprach weiter.
„Ich wollte gerne ein zweites Kind, doch als Antwort bekam ich von ihm eine Ohrfeige verpasst. Da das noch nicht reichte um mich zu verletzen, kaufte er sich eine noble Wohnung, wo er mit den anderen Frauen abtauchen konnte“, schrie sich Zoe ihren Frust von der Seele.
„Niemand weiß wie Julian wirklich war und keiner weiß etwas von dieser absurden Wohnung. Was soll ich denn damit tun? Ich will und brauche sie nicht. Ich möchte endlich mit dem Ganzen abschließen.“ Nun war es gesagt und Zoe fiel eine große Last von den Schultern.
Die Psychologin schrieb sich Notizen auf ihren Block und als sie aufsah, sah sie Zoe mitfühlend an.
„Das war sehr gut, dass Sie mir das erzählt haben, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass noch ein großer Brocken auf Ihnen lastet“, sagte sie in ruhigem Ton und sprach gleich weiter.
„Leider kann ich Ihnen nicht sagen, wie Sie es am besten machen sollen und was die richtige Entscheidung ist. Entweder Sie überlassen die Entscheidung Julians Eltern, was mit der Wohnung geschieht, oder Sie verhalten sich still, verkaufen die Wohnung und leisten sich später mal einen tollen Urlaub davon. Lassen Sie sich Zeit, vielleicht tut es Ihnen gut mit Ihrer Schwester darüber zu sprechen, aber eines gebe ich Ihnen mit auf den Weg: Hören Sie auf Ihr Herz“, waren die abschließenden Worte dieser Therapiestunde.
Da Zoe nun etwas frische Luft und Ablenkung brauchte, ging sie noch im Park spazieren. Heute Abend, wenn Lina von der Arbeit nach Hause kam, würde sie mit ihr darüber sprechen.
~
Der Nachmittag ging schnell vorüber, sie lenkte sich damit ab, das Haus von oben bis unten zu putzen und nun hörte sie Linas Wagen in die Einfahrt fahren. Ihr Puls beschleunigte sich und die Anspannung stieg, denn wenn sie ihrer Schwester erzählte, wie Julian wirklich war, rastete Lina aus. Doch da musste sie jetzt durch.
Die Haustüre öffnete sich und Lina rief:
„Ich bin wieder da.“
„Ja, ich bin im Wohnzimmer.“ Sie schenkte sich ein Glas Wein nach und nahm einen stärkenden Schluck davon. Lina kam lächelnd herein.
„Wow, na hattest du einen erfolgreichen Tag, da du dir ein Gläschen Wein gönnst?“, fragte sie mit guter Laune, die aber schnell verflog, als sie Zoes verweintes Gesicht sah.
„Was ist los? Du hast geweint, geht es dir nicht gut?“, prasselten die Fragen nur so auf Zoe ein, die nun seufzte.
„Setz dich doch bitte mal zu mir, denn ich muss unbedingt mit dir reden“, gab sie ihr zu Antwort und Lina wurde nervös.
„Okay, ich bin ganz Ohr, aber bitte sag mir sofort was los ist“, flehte sie sie an. Zoe bat Lina, nicht dazwischen zu reden, sondern ihr in Ruhe zuzuhören und sie aussprechen zu lassen. Das Gespräch dauerte lange, Lina hörte ihrer Schwester angespannt zu und wurde von Minute zu Minute böser und aggressiver. Nach über einer halben Stunde platze ihr der Kragen und nichts hielt sie mehr zurück. Sie sprang auf, sodass die Weingläser fast umfielen und begann zu fluchen:
„Warum? Warum hat Julian das getan? Ich verstehe nichts mehr. Du bist eine wunderschöne, zauberhafte und liebenswerte junge Frau, ihr hattet einen wunderbaren gemeinsamen Sohn und er rennt all die Jahre zu anderen Frauen?“ Lina war außer sich vor Wut, doch sie musste sich Zoe zuliebe wieder etwas beruhigen. Nun setzte sie sich zu ihrer weinenden Schwester und nahm sie in die Arme. Minutenlang schwiegen sie und ließen das Gespräch kurz ruhen.
„Es tut mir leid, ich wollte nicht solchen Ärger bereiten“, flüsterte Zoe ihr leise ins Ohr, die nur mehr den Kopf schüttelte.
„Ah, du brauchst dich doch nicht für diesen Idioten entschuldigen. Ich finde es nur schade, dass du all die Jahre nie zu mir gekommen bist, ich hätte dir doch geholfen und dich dabei unterstützt“, sagte sie einfühlsam zu ihrer Schwester, die nun traurig lächelte.
„Doch es bringt nichts, es Julians Eltern zu erzählen, da beginnen wir nur einen Streit und große Unruhe bricht aus. Ich denke, darauf können wir gut verzichten, am besten wird es sein, wenn wir nach den Feiertagen einen Immobilienmakler aufsuchen, der für uns die Wohnung verkauft. Du legst das Geld auf dein Sparbuch und wenn wieder Ruhe in dein Leben eingekehrt ist, machst du mal einen Strandurlaub oder kaufst dir ein neues Auto davon“, meinte Lina ermutigend zu Zoe, die nun erleichtert wirkte.
„Das ist eine gute Idee, so werden wir das machen. Danke, Schwesterherz.“ Sie gab ihr ein Küsschen auf die Wange. Lina stand auf und holte den Brandy aus der Glasvitrine.
„Den haben wir uns jetzt verdient.“ Die Schwestern saßen noch stundenlang zusammen und sprachen ausführlich nochmal über alles, bis die zwei beschwipst auf dem Sofa einschliefen.
Freitag, 24. Dezember 2010
Vor fast einem Monat hatte Zoe mit ihrer Therapie begonnen, und sie musste feststellen, dass es ihr seither um einiges besser ging. Zoe erfreute sich wieder ein bisschen mehr am Leben und sie konnte auch wieder mehr lächeln. Aber vor den bevorstehenden Weihnachtstagen hatte sie leider ein komisches, ungutes Gefühl in sich.
Es war das erste Weihnachten ohne ihren Sohn Nick und ihren Mann Julian.
Die letzten Tage vergingen wie im Flug, und nun früh morgens fuhren Zoe und Lina zu ihrem Elternhaus. Lina freute sich sehr, doch sie bemerkte schon seit Tagen, dass Zoe angespannt wirkte, deshalb setzte Zoes Familie alles daran, ihr den Weihnachtstag so schön wie möglich zu gestalten.
Nachdem der Baum geschmückt und alles soweit fertig war gingen sie warm eingepackt zur Kirche, denn es war ein sehr kalter verschneiter Tag.
Am Abend wurde gespeist und anschließend gab es im Wohnzimmer vorm Kamin die Bescherung der Geschenke. Auch beschlossen sie in dieser gemütlichen Runde, dass dieses Jahr Silvester bei Zoe und Lina zuhause gefeiert wurde.
Die Schwestern hatten vor, sich das eine oder andere Glas Wein zu gönnen, deshalb blieben sie über Nacht bei ihren Eltern. Die beiden schliefen seit Langem wieder mal in ihren alten Kinderzimmern.
Als Zoe alleine im Bett lag kam die Trauer über sie. Sie kuschelte sich in ihre Decke und begann zu weinen, aber so leise, dass es niemand hören konnte. Sie vermisste Nick so sehr, dass sie es kaum aushielt und der morgige Tag bereitete ihr Unbehagen, denn ein Treffen mit den Schwiegereltern stand bevor.
Zoe hatte sie schon seit einigen Wochen nicht mehr gesehen, denn sie ging ihnen aus dem Weg.
Die Erinnerungen waren so stark, dass sie sich fühlte, als würden ihr Körper und ihre Seele in tausend Teile zersplittern.
Doch zum Glück dauerte es nicht lange und sie schlief unter Tränen ein.
~
Nun war der Tag gekommen und Zoe war auf dem Weg zu dem wunderschönen Anwesen ihrer Schwiegereltern.
Sie hatte ein seltsames Gefühl, doch da musste sie jetzt durch. Kurz darauf bog Zoe in die lange Einfahrt, die links und rechts mit herrlichen alten Kastanienbäumen bepflanzt war. Luise und Adam standen im Türrahmen und warteten schon sehnsüchtig auf sie. Die Freude war ihnen anzusehen, das konnte Zoe jedoch von sich nicht behaupten. Doch der Abend verlief gut, sie sprachen über vieles, doch es lag trotzdem eine große Anspannung in der Luft.
Ein paar Stunden später verabschiedete Zoe sich.
Daheim angekommen sah Zoe, dass Lina auf der Couch eingenickt war und deckte sie mit ihrer Lieblingsdecke zu, gab ihr ein Küsschen und begab sich dann auch gleich ins Bett.
Es war ein schöner Tag gewesen. Alles ging ihr nochmal durch den Kopf, aber die Erinnerungen an früher, an ihre Familie waren nun wieder so nah und sehr schmerzhaft.
Sie musste lange weinen, bis sie endlich einschlief.