Читать книгу Mehr als Freundschaft? - Сандра Грауэр - Страница 11
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Montag, 29. April, 18 Uhr Liebes Tagebuch …
Was ist eigentlich mit Leon los? Irgendwie ist er gerade ziemlich komisch drauf. Okay, ich kann schon irgendwie verstehen, dass er wegen der Sache am Samstag sauer ist. Wenn ich mir vorstelle, mich hätte jemand blamiert (auch wenn ich nach wie vor denke, dass Patrick das nicht mit Absicht gemacht hat) und meine Freunde hätten mich dann einfach ziehen lassen und sich schön weiter amüsiert, wäre ich wahrscheinlich auch sauer gewesen. Auch wenn ich finde, dass Leon das Ganze viel zu ernst sieht. Pitt hat schon recht. Leon müsste deutlich lockerer werden, aber wie sollen wir das nur hinkriegen? Er ist nun mal, wie er ist. Aber Moment mal, da fällt mir was ein … Ja, das könnte klappen.
»Hey Leon, hast du Donnerstag nach der Schule schon was vor?«, fragte ich und strich mir eine nasse Strähne aus den Augen. Ich hatte die ersten beiden Stunden frei gehabt und dummerweise meinen Regenschirm zu Hause liegen lassen, sodass ich von der Bushaltestelle aus durch den Regen hatte laufen müssen. Und es regnete in Strömen. Deshalb saßen Leon und Pitt auch drinnen auf einer Fensterbank und aßen dort ihre Pausenbrote.
Nun sah Leon mich überrascht an. »Nö, da hab ich noch nichts vor. Warum fragst du?«
»Das soll 'ne Überraschung werden. Sag einfach ja.«
Pitt zog scharf die Luft ein. »Ich kenn Mias Überraschungen, da wär ich lieber vorsichtig.«
»Hey, das ist nicht fair«, meinte ich und boxte ihn in die Seite. »Na kommt, macht mal Platz, Jungs.«
Die beiden rutschten ein bisschen auseinander, und ich quetschte mich zwischen sie auf die Fensterbank.
»Nun sag schon, was hast du vor?«, wollte Leon wissen.
»Dann ist es ja keine Überraschung mehr.«
»Ich glaube, das werd ich überleben.«
»Ihr zwei seid echt doof«, maulte ich und fischte einen roten Apfel aus meiner Tasche. Eine Weile aß ich schweigend, dann gab ich nach. Ich wollte schließlich, dass Leon mitmachte. Und einfach so würde er nicht zustimmen, dafür kannte ich ihn gut genug. »Na schön, wir machen einen Deal: Ich verrat's dir, und du sagst ja.«
»Das ist aber ein schlechter Deal«, meinte Pitt grinsend.
»Hey, dich hat niemand gefragt. Also, was sagst du, Leon?«
Der überlegte einen Moment, nickte dann aber. »Vorher gibst du ja eh keine Ruhe.«
Ich biss zufrieden in meinen Apfel. »Ich hab mir gestern Abend noch überlegt, wie wir dich selbstbewusster und lockerer kriegen.«
»Und? Hattest du eine Erleuchtung?«
»Quasi. Sei mir nicht böse, Leon, aber du läufst seit dem Kindergarten mit der immer gleichen Frisur rum.«
Pitt lachte, und Leon zog die Schultern hoch. »Na und? Ich weiß nicht, was das mit meinem Selbstbewusstsein zu tun hat.«
»Na ja, die Frisur war für einen Fünfjährigen sicher der letzte Schrei, aber die Zeiten haben sich nun mal geändert und du dich auch.«
»Unwesentlich, aber ja«, stimmte Pitt mir grinsend zu.
»Spar dir deine unqualifizierten Kommentare«, maulte Leon. »Du könntest auch mal wieder zum Frisör gehen oder dir zumindest mal zeigen lassen, wie man einen Kamm benutzt.«
»Hey, der Out of Bed-Look ist gerade ziemlich angesagt. Außerdem macht das die Mädels reihenweise scharf, stimmt's Mia? Die stellen sich dann nämlich vor, wie's wär …«
»Ja, ja, wir können's uns denken«, unterbrach Leon ihn.
Ich betrachtete Pitt einen Moment. Seine Haare waren dunkelblond und wie Leon richtig festgestellt hatte immer ein wenig struppig. Statt ungepflegt wirkte das Ganze aber eher verwegen. Die Augen waren grün, und den Schlafzimmerblick hatte er echt drauf. Außerdem hatte er einen ziemlich durchtrainierten Körper. Ich konnte schon verstehen, dass die Mädels total scharf auf ihn waren, aber das sagte ich ihm lieber nicht. Pitt hatte definitiv schon genug Selbstbewusstsein.
»Wie dem auch sei«, sagte ich zu Leon, »du könntest echt mal 'ne neue Frisur gebrauchen. Und deshalb gehen wir Donnerstag gemeinsam zum Frisör.«
»Das hab ich befürchtet. Und du glaubst wirklich, dass sich mein Leben dann von Grund auf ändert und ich plötzlich der neue Hecht der Schule bin?«
»Deinen Sarkasmus kannst du dir sparen, ja? Außerdem ist das Aussehen unglaublich wichtig. Es hat seinen Grund, dass sich die Mädels aufbrezeln, wenn sie am Wochenende weggehen. Dann fühlt man sich viel selbstbewusster, glaub mir. Und deshalb kriegst du 'ne neue Frisur. Wir verpassen dir ein totales Makeover. Mit deinem Kleidungsstil machen wir weiter, und eventuell könntest du ja Pitt mal zum Fußball begleiten. Du wirst sehen, Leon, so ein bisschen Sport wird dir guttun.«
Lachend sprang Pitt von der Fensterbank und schulterte seinen Rucksack. »Ich seh schon, Mia ist ganz in ihrem Element. Dann lass ich euch mal allein.«
»Wart mal kurz«, meinte Leon. »Was machen wir denn heute Abend.«
»Heute Abend?«
»Ja, wir haben doch bisher immer zusammen in den Mai gefeiert.«
»Tut mir leid, ich hab schon Pläne«, erwiderte Pitt und zuckte die Schultern. »Ich hab ein paar Kumpels vom Fußball versprochen, ihnen beim Maibaumstellen zu helfen.«
»Und wer bekommt in diesem Jahr einen Baum von dir?«, wollte ich wissen.
Pitt grinste. »Mal sehen, das entscheide ich spontan. Wenn du willst, kannst du mitkommen, Leon. Mia muss aber zu Hause bleiben, Damen sind verboten.«
»Ich hab eh schon was anderes vor«, erwiderte ich.
»Und das wäre?«
»Ich geh mit Patrick, Jasmin und den anderen tanzen. Wie sieht's aus, Leon? Bist du dabei?«
»Ja, du hast die Qual der Wahl. Tanzen mit Mia oder Maibaumstellen mit mir?«
»Weder noch«, meinte Leon und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was heißt hier weder noch? Es gibt ja wohl schlechtere Möglichkeiten, in den Mai zu feiern.«
Mir war sofort klar, dass Leon sauer war, aber das war sein Problem. Wir hatten nun mal mehr Freunde und konnten uns nicht immer nur nach ihm richten. Trotzdem versuchte auch ich noch einmal ihn zu überreden. »Jetzt sei doch nicht so. Tanzen gehen ist immer noch besser als allein zu Hause rumzusitzen. Also, wie sieht's aus? Wir können dich abholen, so gegen acht?«
»Ich könnte dich auch so gegen acht abholen«, meinte Pitt.
Leon überlegte einen Moment. »Schon gut, ich bleib zu Hause. Hatte eh ganz vergessen, dass meine Mutter heute Abend kochen wollte und einen Film besorgt.«
»Wenn du meinst«, sagte ich und sprang nun auch von der Fensterbank. »Ich meld mich noch mal bei dir wegen des Frisörtermins.«
»Und was hältst du hiervon?«, fragte ich und zeigte auf das schätzungsweise zwanzigste Bild in einem Frisurenbuch. Und dabei warteten wir erst seit fünf Minuten in dem Frisörsalon. Wie die neunzehn Frisuren zuvor lehnte Leon auch diese mit einer Grimasse ab. Dabei hätte sie ihm meiner Meinung nach gut gestanden.
»Viel zu viel Gel«, meinte er. »Das kauft mir doch keiner ab.«
Ich stöhnte. »Du bist ganz schön anstrengend heute. Ich dachte, wir wollten dir ein totales Makeover verpassen?«
»Also erstens kann in diesem Zusammenhang keine Rede von 'wir' sein, und zweitens, es geht doch darum, dass ich mich verbessere oder etwa nicht? Wenn die anderen sich in Zukunft darüber lustig machen, dass die neue, viel zu coole Frisur überhaupt nicht zu mir Langweiler passt, dann können wir das Ganze auch gleich bleiben lassen.«
Ungewollt zog ich 'ne Schnute und sah mich im Salon um. Eine ältere Frau saß unter einer Trockenhaube, die einen Heidenkrach machte. Wieder eine andere Frau, dieses Mal jünger, bekam gerade die Haare gefärbt. Der Gestank verbreitete sich im ganzen Salon, darunter mischten sich Haarspray und Shampooduft.
Nach einer Weile begann ich dann aber doch, über Leons Worte nachzudenken. Ich stellte mir die Reaktion von Jasmin, Wencke und den anderen auf die zur Debatte stehende Igelfrisur vor, und so weh mir dieser Gedanke auch tat, Leon hatte wohl recht. Sie würden sich über ihn lustig machen. Diese Frisur passte einfach nicht zu ihm, denn so viel wir auch außen an ihm herumdoktern und verändern würden, innen würde er nach wie vor derselbe bleiben. Also vielleicht doch kein totales Makeover? Und dabei hatte ich mich schon so darauf gefreut. »Okay, vielleicht stimmt das sogar«, gab ich schließlich zu.
»Natürlich stimmt das.« Er grinste erleichtert.
Aber so schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. »Weißt du, bisher hab ich gar nicht darüber nachgedacht, aber das Problem liegt daran, dass wir auch deine Einstellung ändern müssen.« Leon verdrehte die Augen, aber ich sprach einfach weiter. »Die coole Frisur passt natürlich nicht zu dir, wenn du weiterhin … Na ja, halt du selbst bist.«
»Au, das tat weh«, meinte Leon, aber er sah nicht wirklich getroffen aus.
»Tschuldigung, so war das nicht gemeint. Aber es ist so, wie Pitt gesagt hat. Du musst viel lockerer werden, dann geht auch die neue Frisur.«
»Und wie soll ich das machen? Man kann sich nicht von heute auf morgen einfach so ändern.«
»Schon klar, aber du kannst es wenigstens versuchen.« Ich unterdrückte einen Seufzer und blätterte eine Weile durch das Buch auf meinem Schoß. Dann sah ich Leon wieder an. »Weißt du, wenn du mit cooler Frisur unsicher auftrittst, dann überträgt sich das natürlich auch auf die anderen, ist doch klar. Wenn du aber selbstbewusst und locker in die Schule kommst, dann kaufen die anderen dir das auch ab.«
»Ach ja?« Skeptisch sah er mich an.
»Ja okay, vielleicht nicht sofort. Aber früher oder später schon.«
Immer noch sah er mich skeptisch an. »Und das glaubst du wirklich?«
»Ja. Ja, das glaub ich wirklich.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Und du solltest endlich mal aufhören, immer so übervorsichtig zu sein. Probier's doch einfach mal aus. Was hast du denn schon zu verlieren? Kann's wirklich noch schlimmer kommen?«
»Schlimmer geht immer.«
»Mann Leon, dann mach deinen Scheiß doch allein.« So langsam wurde ich echt sauer. Ich bemühte mich hier, ihn zu integrieren, und er fand nur Argumente dagegen. Ich wollte aufstehen, doch Leon drückte mich zurück auf den Stuhl.
»War doch nur Spaß«, meinte er, auch wenn er nicht überzeugt aussah. »Wir können gern was Neues ausprobieren, echt, aber vielleicht nicht gleich ganz so krass. Schritt für Schritt, verstehst du?«
»Ich find zwar immer noch, dass die radikale Methode die Beste ist, aber musst du wissen. Wenn du meinst, dass das dann besser klappt.«
»Ja, mein ich. Ich brauch Zeit, um mich an das alles zu gewöhnen, und die Hühner und Patrick sicher auch. Wenn ich von heute auf morgen einen auf cool mache, sind die doch total überfordert und schießen sich direkt auf mich ein.« Er grinste. »Weißt du, ich stell mir das in etwa so vor: Die anderen sehen nach und nach mein verbessertes Ich, können es aber nicht wirklich festmachen und deshalb auch nicht gezielt darauf losgehen. Na, was sagst du?«
»Ja, wenn du meinst. Dann soll die Frisörin mal ihr Glück versuchen«, erwiderte ich nur.