Читать книгу Mehr als Freundschaft? - Сандра Грауэр - Страница 3
ОглавлениеProlog
So schnell ich konnte, rannte ich die Korridore der Schule entlang. Mein Herz raste, dass ich meinte, es müsste jeden Moment zerspringen.
Dennoch hatte ich das Gefühl, die Welt wäre stehen geblieben. Alles, was ich sah, sah ich in Zeitlupe: geschockte Gesichter, Angst, Tränen, Ungläubigkeit. Niemand wunderte sich darüber, dass ich durch die Korridore hetzte, oder beschwerte sich gar, wenn ich gegen ihn stieß. Ich blickte nur in geschockte Gesichter. Sie alle versuchten, das Geschehene zu verstehen. Ich rannte gegen den Strom, das wusste ich, aber ich hatte keine Wahl.
Auch ich versuchte, es zu verstehen, zu begreifen. Das konnte nicht wahr sein. Nein, es durfte einfach nicht die Wahrheit sein. Anne musste sich geirrt haben. So etwas würde er nie tun, dafür kannte ich ihn zu gut.
Aber wie gut konnte man einen Menschen wirklich kennen? Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf und jagte mir Angst ein. Leon hatte sich verändert. Und trotzdem.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, und ich befürchtete, meine Knie könnten unter mir nachgeben. Aber eine innere Kraft trieb mich voran. Ich stieß gegen ein junges in Tränen aufgelöstes Mädchen, ohne es wirklich wahrzunehmen, und rannte weiter.
Als ich schließlich um die letzte Ecke bog und mit einigen Sekunden Verzögerung schmerzhaft feststellte, dass es kein Irrtum war, drehte sich für einen Moment alles um mich herum, und mir wurde schlecht.
Alle Stimmen verschwammen und wurden zu einem Ganzen, bis ich sie gar nicht mehr wahrnahm. In meinen Ohren rauschte das Blut, und mein Herz hämmerte so schnell in meiner Brust, dass ich fürchtete, es könnte jeden Moment aufhören zu schlagen.
Nein, ich fürchtete mich nicht davor, ich wünschte es mir in diesem Moment sogar, denn alles wäre leichter zu ertragen gewesen als dieser Anblick.
Dort stand er, Leon, mein bester Freund. Mit einer Waffe in der Hand. Als er mich erblickte und mir direkt in die Augen sah, hätte ich meinen Blick fast abgewandt. Er sah so traurig aus, so verzweifelt, dass ich schlucken musste, um auch nur ein Wort herauszubringen.
»Leon«, sagte ich kaum hörbar. »Leon. Bitte tu das nicht.« Ich musste erneut schlucken, um weiter sprechen zu können. In meinen Augen brannten Tränen, doch ich hielt sie mit aller Macht zurück. Ich musste jetzt stark sein, für Leon. »Es wird alles wieder gut, das versprech ich dir.«
Einen langen Moment sah er mich an, bevor er antwortete. Auf seinen Lippen war der Ansatz eines Lächelns zu sehen. »Das wird es nicht, Mia. Und das weißt du. Aber es ist okay. Leb wohl!«
»Leon, nein«, stammelte ich immer wieder und trat einen Schritt näher an ihn heran. Tränen schossen mir nun endgültig in die Augen und verschleierten meinen Blick, aber ich konnte trotz allem erkennen, dass Leon die Hand mit der Waffe hob und die Mündung gegen seinen Kopf drückte.
»Nein«, schrie ich und rannte auf ihn zu.