Читать книгу Patrickson - Sandra M. Busch - Страница 10
08. März
ОглавлениеDie Morgenzeitung berichtete von Hamsterkäufen. Das neue Virus war nun bereits in mehr als dreitausend Fällen im ganzen Bundesgebiet nachgewiesen worden. Reiserückkehrer hatten dieses wohl unwissend mitgebracht und es war nicht gelungen, alle Einreisenden aus Afrika erfolgreich auf eine mögliche Infektion zu testen. Besonders betroffen waren Städte mit hohem Flugverkehr wie Frankfurt, Berlin und München.
„Unverantwortliche Versäumnisse“ lautete die Schlagzeile. Doch der Gesundheitsminister gab vor, alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Schuld für die Versäumnisse sei schließlich die dürftige Lage zur Erforschung von Test- und Behandlungsmöglichkeiten.
Die Virologen des Robert-Koch-Instituts warnten: Jetzt, Anfang März, drohe noch keine unmittelbare Gefahr. Sobald die Sonne aber an Kraft gewinne, würden die ersten Stechmücken aus dem Winterschlaf erwachen. Ein Lockdown sei nicht zu vermeiden, wenn die Fallzahlen stiegen und sich die Zahl gewaltsamer Übergriffe vergrößern sollte.
Schon bei der letzten Pandemie war das Institut der Wegweiser für Handlungsstrategien.
Deshalb nahm Sophie sich vor, nach der Arbeit einen ausgedehnten Einkauf zu tätigen. Wichtig waren jetzt vor allem Mückenspray, Insektengitter und einige haltbare Vorräte.
Sophie mochte es nicht, allein einkaufen zu gehen. Sie rief ihre Tochter Melanie herbei, die sie häufig bei ihren Einkäufen begleitete.
Melanie genoss das Einkaufen mit ihrer Mutter. Es war die Zeit, in der sie ihre Mutter für sich allein hatte, und bot ihr die Gelegenheit, sich im Markt eigene kleine Wünsche zu erfüllen.
Melanie war 10 und hatte als Einzige aus der Familie rote Haare. Manchmal wunderte sich Sophie, wie unterschiedlich ihre Kinder waren. Sie war ein sehr zuverlässiges Mädchen, das gern Verantwortung übernahm, und hatte in der Regel auch einen guten Überblick von den Dingen, die im Haushalt schnell zu Neige gingen. Außerdem war sie eine echte Bereicherung, wenn es darum ging, die Einkäufe platzsparend einzusortieren.
Zunächst fuhren die beiden den nahegelegenen Discounter an. Da grundsätzlich nie viel Zeit für Notwendigkeiten wie Einkaufen zur Verfügung stand, war dieser immer Sophies erste Wahl. Denn es ging hier besonders schnell. Melanie und Sophie wussten genau, wo sich alles befand.
Doch als sie das Geschäft betraten, traf sie der Schock. Eine gähnende Leere machte sich in den Regalen breit. Alle Lebensmittel, welche ein längeres Haltbarkeitsdatum aufwiesen, wie Nudeln, Reis oder Konserven, waren ausverkauft. Klopapier und Papiertücher waren nicht mehr auffindbar. So etwas hatte Sophie selbst bei der letzten Pandemie vor zehn Jahren nicht gesehen. Hatten die Leute aus der Corona Pandemie nichts gelernt?
Warum dachten die Menschen nie an andere? Es bestand doch keinerlei Grund, Lebensmittel in solchen Mengen zu horten, als würde es in den nächsten Wochen keine mehr geben, und dabei für andere nichts mehr übrig zu lassen.
Sie schritten an den Regalen vorbei und packten wahllos einige Mengen von den wenigen vorhandenen Resten in den Einkaufswagen. Irgendetwas würde sich wohl daraus kochen lassen. Als sie an den Backwaren vorbeikamen, stritten sich zwei Frauen lautstark um das letzte Paket Mehl.
„Ich war vor Ihnen hier“, fauchte eine dunkelhaarige Frau mit Brille. „Ich war aber schneller, also Pech gehabt“, grinste die andere, der es trotz ihrer überzähligen Pfunde gelungen sein musste, das Mehl zu ergattern. Der Dunkelhaarigen stand der Zorn förmlich ins Gesicht geschrieben. Sie riss der deutlich kleineren Frau das Paket aus den Händen und versetzte ihr einen Stoß, der diese auf ihrem Hinterteil landen ließ. Sophie war fassungslos, welchem psychologischen Stress sich Menschen durch eine drohende Pandemie ausgesetzt fühlten, dass bereits ein Paket Mehl zu Handgreiflichkeiten führen konnte. Sie half der Frau auf die Beine und erkundigte sich nach ihrem Befinden.
„Geht schon“, zischte diese, ohne sich zu bedanken, und watschelte zielstrebig zum nächsten Regal.
Noch weniger Glück hatten sie bei ihrer anschließenden Suche nach Mückenspray. Weder Drogerien, Supermärkte noch Apotheken hatten noch Bestände vorzuweisen. Eine eingeschlagene Scheibe und geplünderte Regale einer Apotheke deuteten darauf hin, dass jemandem seine Suche zur Verzweiflung getrieben hatte.
Sophie wusste, dass sie sich wahrscheinlich den Weg in den Baumarkt sparen konnten, um nach Insektengittern oder Vorhängen zu suchen. Doch sie wollte nichts unversucht lassen, um kurz darauf festzustellen, dass sie mit ihren Vermutungen, nichts mehr vorzufinden, richtig gelegen hatte.
„Wann bekommen Sie denn wieder Fliegengitter?“, fragte sie den Verkäufer.
„Im Moment sieht es schlecht aus. Wir haben bereits letzte Woche eine große Lieferung bestellt. Aber da ist wohl vorerst nichts zu machen. Die Leute drehen alle durch, wenn es um ihre Sicherheit geht.“
Sophie machte sich Vorwürfe. Warum hatte sie nicht schneller reagiert? Jetzt musste sie sich eine andere Möglichkeit überlegen, ihre Wohnung vor Mücken zu schützen. Vielleicht gab es Pflanzen, die Mücken fernhielten oder es ließen sich aus alten Stoffen ein paar Vorhänge nähen.