Читать книгу Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung - Sandy Palmer - Страница 7

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Alfred Bekker

DER FISCH


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DIE BEIDEN KLEINEN Angler waren Brüder und saßen schon eine geraume Weile am Seeufer und hielten ihre selbstgebauten Angeln erwartungsvoll in den Händen.

Es waren einfache Holzruten mit Nylon-Schnüren, die eigentlich auf die Rolle mit dem Drachenband gehörten.

Aber der Drachen war ihnen abgestürzt, als ihn das letzte mal hatten steigen lassen und Papa war noch nicht dazu gekommen ihn zu repariern. Außerdem wäre im Augenblick ohnehin kein Wind gewesen und so hatten sie die Drachenschnur auf diese Weise einer sinnvollen Verwendung zugeführt.

Die beiden Kleinen saßen da, schauten auf das Wasser hinaus, beobachteten die Segler und die Windsurfer, die aus der Entfernung mit ihren bunten Segeln fast wie Schmettterlinge wirkten - und warteten.

Die Windsurfer waren an anderen Tagen rasend schnell, aber heute krochen sie nur über den See.

Und auch sie Segelboote bewegten sich kaum. Alles schien an diesem Tag mewhr oder weniger stillzustehen. Die beiden Kleinen warteten, doch nichts geschah.

Sie warteten auf einen Fisch, aber dummerweise wollte einfach kein Fisch an den kleinen Metallha-ken anbeißen, sie aus Papas Schrabenkasten heraus-gesucht und an das Ende der Nylonschnüre gebunden hatte.

"Ich glaube, das wird heute nichts mehr!" meinte Thomas, der Jüngere von beiden. "Würdest du denn an so einem Haken anbeißen, wenn du ein Fisch wärst?"

wandte er sich dann an Michael, der schon acht Jahre war und deshalb glaubte, sehr viel schlauer zu sein als Thomas.

Manchmal war er es allerdings auch.

"Vielleicht sind keine Fische da!" murmelte Michael. "Kann doch sein!"

"Das glaube ich nicht", erwiderte Thomas und deutete mit einer Hand in die Ferne. "Siehst du den Mann mit der grünen Hose dort hinten?"

"Sehe ich."

"Der angelt auch. Seit wir hier sitzen, hat er schon drei Fische aus dem Wasser geholt! Ich habe darauf geachtet!"

Nach einer kurzen Pause meinte Michael dann: "Vielleicht liegt es daran, daß wir keinen Köder haben! Ich habe einfach nicht daran gedacht!"

"Was nehmen wir als Köder!"

"Einen Wurm, eine Made - irgend soetwas!"

Sie legten die Angeln zur Seite und suchten nach kleinen Tieren, die man als Köder benutzen konnte.

Sie fanden einen Regenwurm, den sie brüderlich untereinander teilten. Jeder befestigte eine Hälfte an seinem Angelhaken.

Und dann hieß es erneut ersteinmal warten.

Aber nicht lange. Das Wunder, mit dem schon keiner der beiden mehr gerechnet hatte geschah.

Thomas hatte einen Fisch an der Angel, der versucht hatte, sich den Wurm zu holen.

"Was soll ich machen?" rief Thomas.

"Zieh ihn an Land! ihm! Heute abend kann Mama ihn in braten!" Als der Fisch an Land war, zappelte er.

Michael hielt ihn mit einem beherzten Griff fest und entferte den Haken.

"Sollen wir ihn gleich totmachen?" fragte Thomas mit einem Unterton, der verriet, daß er sich nicht ganz wohl bei der Sache fühlte.

Entweder Michael war wieder einmal besonders schlau und wußte bescheid, oder er fühlte dasselbe Unbehagen, daß auch seinem jüngeren Gefährten zu schaffen machte.

Jedenfalls sagte er: "Nein! Mach den Eimer voll Wasser. Wenn wir ihn leben lassen, hält er sich besser. Schließlich wissen wir ja nicht, ob die Mama ihn heute oder vielleicht erst übermorgen braten will!"

Als der Fisch dann im Eimer lag, sahen die beiden Jungen auf ihn herab und der Fisch blickte mit seinen glasigen Augen zurück.

Thomas mußte schlucken und Michael wich dem Fischblick zur Seite aus.

"Irgendwie sehen seine Augen traurig aus", meinte Thomas. "Findest du nicht auch?"

Michael schwieg.

Aber genau dasselbe hatte er auch gedacht.

*


SIE FINGEN KEINEN WEITEREN Fisch und sie waren auch nicht mehr so ganz bei der Sache. Immer wieder schauten sie zu dem Fisch im Eimer hin, der unruhig hin und her schwamm und mit seinem Maul schnappte, so als wollte er stumm gegen sein Schicksal protestieren.

"Was meinst du?" fragte Thomas. "Geht es ihm gut?"

"Er hat genug Wasser."

"Gut, daß er nicht weiß, daß er gegessen werden soll!"

Sie gingen schließlich nach Hause und Mama meinte, daß der Fisch eßbar sei. "Ich habe noch nichts für das Abendbrot vorbereitet. Wenn Ihr Hunger auf Fisch habt, dann mache ihn nachher fertig..."

Die beiden Angler brummten nur etwas Unbestimmtes vor sich hin und und warfen dann einen mitleidigen Blick in den Eimer. Sie schienen von der Idee eines Fischessens auf einmal nicht mehr sonderlich begei-stert, obwohl sie doch genau deswegen an den See gegangen waren.

Der Fisch bewegte sich kaum noch.

"Es sieht so aus, als würde er sich nicht wohlfühlen", meinte Thomas. "Mir scheint, er schnappt nach Luft..."

Michael machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Er ist doch im Wasser, wie soll er da Luft holen?" Michael seufzte. "Außerdem..."

"Was, außerdem?"

"Na, er stirbt doch sowieso, wenn er in die Bratpfanne kommt!"

"Ich glaube nicht, daß ich heute abend Hunger auf Fisch habe", murmelte Thomas.

Und Michael schien es ähnlich zu ergehen.

"Ich auch nicht."

*


DIE STUNDEN VERGINGEN, aber die beiden erfolgreichen Angler saßen nur lustlos herum und wirkten irgendwie recht niedergeschlagen, wo sie sich doch eigentlich hätten freuen können.

Schließlich hatten sie ja einen Fisch gefangen!

Endlich stand Thomas auf und sagte: "Wir bringen ihn zurück!"

Michael hob die Augenbrauen.

"Den Fisch?"

"Ja, wir lassen ihn wieder frei."

Sie sahen sich kurz an und nickten dann beide.

Sie waren sich einig.

Es war das Beste.

Sie nahmen den Eimer und Mama runzelte die Stirn, als sie damit loszogen.

"Aber ihr habt euch doch soviel Mühe gegegeben, den Fisch erst einmal zu fangen!" gab sie zu bedenken.

"Wir würden ihn ohnehin nicht essen." meinte Michael. "Da können wir ihn auch wieder freilassen, meinst du nicht?"

Mama lächelte.

"Wenn ihr meint..."

*


ES DAUERTE NICHT LANGE und sie waren wieder am Seeufer, fast genau an derselben Stelle, an der sie zuvor gesessen und auf einen Fisch gewartet hatten.

Bevor sie ihn dann wieder ins Wasser warfen, sahen sie sich ersteinmal eingehend um.

Wenn man angelte und keinen Fisch fing, dann war das ärgerlich. Wenn man aber einen Fisch gefangen hatte und diesen dann wieder ins Wasser warf, weil man es nicht übers Herz bringen konnte, ihn zu essen, dann war das etwas, was niemand zu sehen brauchte.

Als die Luft rein war, packte Michael den Fisch und warf ihn ins Wasser.

Einen Augenblick lang sahen sie ihn noch, dann war er fortgeschwommen.

Die Brüder atmeten fast hörbar auf.

"Der ist jetzt sicher froh, daß wir ihn nicht gebraten haben!" meinte Thomas.

Michael nickte.

"Und ich bin auch froh", flüsterte er. "Wollen wir hoffen, daß er keinem anderen Angler an den Haken geht!"

Thomas lächelte.

"Er hat aus dieser Sache bestimmt etwas gelernt, meinst du nicht auch?"

*


ZUM ABENDBROT MACHTE die Mutter Fischstäbchen, die sie aus der Tiefkühltruhe geholt hatte.

Thomas und Michael schmeckte es ganz hervor-ragend.

Das, was sie jetzt vor sich auf dem Teller hatten, war zwar ebenfalls unzweifelhaft Fisch aber keiner, dem sie in die Augen geschaut hatten, bevor er in die Pfanne gelegt wurde.

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.DER FISCH

erschien zuvor in:

(in: Bella 19/92)

(in: Reutlinger Anzeiger ? April 92)

(in: Paulinus-Kalender 1993 - Okt.92)

(als DER FISCH GLOTZTE SO TRAURIG IN:Kasseler Sonntagsblatt 40/92)

(in: Meyers Modeblatt 44/92)

(in: Heinrichsblatt 47/92)

(in: Fischer & Teichwirt 12/92)

(als TRAURIGER BLICK EINES FISCHES in: Nordsee-Ztg.16.Jan.1993)

(als SORGE UM DEN KLEINEN FISCH AN DER ANGEL in:Dt.Tagespost Sa20.März93)

(in: Erdkreis 6/93)

(in: Unsere Kirche 34/93)

(in: Landkalender 1994)

(in Sonntagsgruß/Beilage zu Nr.10/12.Sep.1993)

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