Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 70

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Wilhelmine Bender suchte verzweifelt das medizinische Lexikon, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete.

Ärgerlich griff das ältere Fräulein, zu dem der Name Wilhelmine ausgezeichnet passte, nach dem Hörer.

„Vorzimmer Dr. von Waldheim, guten Tag“, meldete sie sich höflich, doch ihr Gruß wurde recht unfreundlich erwidert.

„Hier ist Gräfin von Waldheim! Ich will sofort meinen Mann sprechen, Fräulein Bender.“

„Der Herr Chefarzt befindet sich noch im Operationssaal, Frau Gräfin“, bedauerte Wilhelmine Bender. Sie verzog unwillkürlich das Gesicht, als sie den Titel aussprach, auf den Elvira Gräfin von Waldheim so großen Wert legte. „Ich kann Ihren Gatten unmöglich stören.“

„Das zu beurteilen müssen Sie schon mir überlassen“, protestierte die unsympathische Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. „Wenn ich meinen Mann sprechen will, dann haben Sie mich zu verbinden, egal, wo er sich aufhält.“

Wilhelmine Bender wollte gerade der Frau ihres Chefs erklären, dass es eine Zumutung sei, Dr. von Waldheim von einer Operation weg ans Telefon zu holen, als sich die Tür zum Sekretariat öffnete und der Klinikchef das Zimmer betrat.

Gott sei Dank, atmete Fräulein Bender auf, ist es mir erspart geblieben, den Chef zu stören. Das Telefongespräch mit seiner Frau kann ich ihm jedoch nicht ersparen.

„Im Augenblick kommt Ihr Gatte herein, Frau Gräfin“, sagte sie und winkte Dr. Martin von Waldheim zu. „Ich verbinde Sie.“

„Geben Sie mir schon den Hörer rüber“, flüsterte der Mann im weißen Kittel.

Wilhelmine reichte ihm den Hörer und verließ diskret das Zimmer. Sie wusste aus langjähriger Erfahrung, dass die Gespräche zwischen den Eheleuten nicht immer höflich waren.

„Bitte, meine Liebe, was kann ich für dich tun?“, erkundigte sich Dr. Martin Graf von Waldheim.

„Vor allen Dingen könntest du Anweisungen geben, dass ich jederzeit mit dir verbunden werde“, beschwerte sich seine Frau recht ungnädig. „Es ist eine Zumutung von dieser Person, die in deinem Vorzimmer sitzt, mich nicht mit dir zu verbinden.“

„Aber Elvira, du weißt doch, dass es unmöglich ist, im OP zu telefonieren! Wie oft soll ich dir das denn noch erklären?“ Dr. von Waldheims Stimme klang ungehalten. Er ärgerte sich immer wieder über die Verständnislosigkeit und Rücksichtslosigkeit, die seine Frau seinem Beruf gegenüber an den Tag legte. Dabei hatte sie es vor Jahren nicht erwarten können, den jungen, vielversprechenden Arzt zu heiraten.

Woran der gutaussehende Mann im Augenblick nicht dachte, war die Tatsache, dass sich seine Frau, die vor ihrer Heirat eine einfache Elvira Bluchen gewesen war, auch von seinem Grafentitel hatte locken lassen.

Er war mit ausschlaggebend gewesen, dass die sehr reiche Elvira den jungen, vielversprechenden Chirurgen geheiratet hatte.

Martin von Waldheim selbst hatte Elvira damals ehrlich, aufrichtig und von Herzen geliebt. Er hatte geglaubt, in ihr die ideale Partnerin gefunden zu haben, mit der er auch seinen Lebenstraum, eine eigene Klinik, verwirklichen konnte.

Erwartungsgemäß hatte ihm Elvira gleich nach der Hochzeit das erforderliche Kapital zur Verfügung gestellt, um eine moderne Klinik errichten zu können. Sie hatte das jedoch nicht getan, um ihrem Mann eine Freude zu machen, sondern um Martin für immer an sich zu ketten. Gleichzeitig wollte sie ihren Freundinnen gegenüber angeben: Mein Mann besitzt eine eigene Klinik!

Lange hatte Martin von Waldheim gebraucht, ehe er den wahren Charakter seiner Frau erkannte. Elvira ließ ihre Maske erst fallen, als ihr Vater, ein liebenswerter, älterer, ewig kränkelnder Mann, gestorben war. Von da an versäumte sie keine Gelegenheit, ihren Ehemann zu erinnern, dass sie ihn erst zu dem gemacht hatte, was er nun war.

Auch bei diesem Telefongespräch trumpfte sie wieder auf: „Warum ist es nicht möglich, dass ich mit dir telefonieren kann, wenn ich es wünsche? Du vergisst immer wieder, dass es schließlich mein

Geld ist, mit dem die Klinik gebaut wurde, und ohne mich hättest du gar nicht die Gelegenheit erhalten, in deinem eigenen Operationssaal zu stehen!“

Martin von Waldheim seufzte und schwieg. Elvira war bei ihrem Lieblingsthema. Da war es angebracht, sie reden zu lassen.

Der Klinikchef setzte sich etwas bequemer auf die Schreibtischkante, denn er ahnte, dass Elvira mit ihren Tiraden nicht so schnell fertig sein würde.

Aber heute schien sich die Regel nicht zu bestätigen. Nachdem sie ihrem Mann drei Minuten lang vorgehalten hatte, dass er sie nur ausnutze und von ihrem Geld lebe, kam sie endlich zum Grund ihres Anrufes.

„Eben kam eine Einladung zum Frühlingsfest bei den Pasenows“, berichtete sie, und ihre Stimme, die in den letzten Monaten einen recht schrillen Klang bekommen hatte, wurde noch schreiender. „Stell dir vor, endlich sind wir bei den Pasenows eingeladen!“

Martin von Waldheim verzog das Gesicht.

Die Pasenows! Martin schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte Elvira nur danach trachten, mit diesen angeberischen Industriellen zu verkehren! Der Mann hatte mit Schrott seine ersten Millionen verdient. Er hatte es mit Härte und, zugegeben, auch mit Fleiß zu einer Metallwarenfabrik gebracht.

Er hatte sich aber nicht daran gewöhnen können, dass er nicht mehr auf seinem Schrottplatz stand. Sein Benehmen war primitiv und aufdringlich. Seine Frau stand ihm darin in nichts nach.

Aber sie hatten Geld, demzufolge auch Einfluss. Aus diesem Grund war es für Elvira erstrebenswert, bei diesen Leuten zu verkehren.

Martin verstand seine Frau wieder einmal nicht, doch er sagte nichts. Wozu auch? Es hätte nur zu einem neuen Streit zwischen ihnen geführt.

„Wann ist dieses Fest denn?“, fragte er mit mäßig interessierter Stimme.

„Am Samstag!“, antwortete Elvira ganz aufgeregt. „Stell dir vor, so bald schon! Ach, ich muss gleich heute noch in die Stadt fahren und sehen, ob ich ein Kleid finde. Ich habe ja überhaupt nichts anzuziehen!“

Dr. von Waldheim verdrehte die Augen. Er stellte sich den riesigen Wandschrank seiner Frau vor, in dem ein Kleid neben dem anderen hing. Elvira jedoch hatte, wenn man sie fragte, nie etwas anzuziehen.

Sie würde also heute wieder einmal in die Stadt fahren, sämtliche Modesalons heimsuchen und mit einem Kleid zurückkommen, das ihm gewiss nicht gefiel.

Obwohl Elvira inzwischen achtunddreißig Jahre alt war, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, damenhaftere Kleider zu tragen. Sie bevorzugte nach wie vor jugendliche Modelle, die ihr vor fünfzehn Jahren wesentlich besser gestanden hätten.

Hin und wieder machte Martin den Versuch, seine Frau zu dem Kauf eines eleganten, aber dezenten Kleides zu überreden, doch Elvira ließ sich in keiner Weise beeinflussen.

„Ich weiß selbst, was mir steht“, pflegte sie zu sagen. „Martin, du hast von Mode doch nicht die geringste Ahnung. Bitte, verschone mich mit deinen Ratschlägen, die doch nur darauf hinzielen, eine alte Frau aus mir zu machen.“

Was ließ sich darauf noch sagen? Martin blieb nichts anderes übrig, als seine Frau so zu ertragen, wie sie nun einmal war.

Eigentlich hatte Dr. von Waldheim vorgehabt, den Samstag mit seiner Assistenzärztin zu verbringen, doch das ging jetzt natürlich nicht. Zuversichtlich hoffte er, dass Dr. Susanne Andergast auch diesmal für seine Situation Verständnis haben würde.

„Wir reden heute Abend weiter über das Fest, Elvira“, versuchte er das Gespräch zu beenden. „Ich muss jetzt noch auf die Stationen und meine Visite machen. Ich bin durch die Operation sowieso viel zu spät dran. Du entschuldigst mich, ja?“

„Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich muss ja immer zurückstehen! Du interessierst dich ja wesentlich mehr für fremde Menschen als für deine eigene Frau, der du alles zu verdanken hast!“

Eine Antwort auf diese Bosheit wartete Gräfin Elvira nicht mehr ab. Nachdem sie wieder einmal ihr Gift verspritzt hatte, legte sie den Hörer auf die Gabel zurück.

Elvira wurde immer unerträglicher. Ihre Launen waren nicht mehr auszuhalten. Martin von Waldheim hatte nur einen Wunsch, sich endlich von ihr zu trennen.

Niemand konnte ihm deshalb einen Vorwurf machen. Er hatte sich bemüht, mit Elvira eine gute Ehe zu führen. Das war jedoch mit dieser herrschsüchtigen, egoistischen und zänkischen Frau nicht möglich.

Es war daher nicht überraschend, dass er sich ein wenig Liebe und Zuneigung anderweitig suchte.

Martin von Waldheim fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, wenn er an sein Verhältnis zu Dr. Andergast dachte. Es lag ihm nicht, Versteck zu spielen, eine Frau zu betrügen.

Aber was tat er? Er betrog zwei Frauen, und das nur, weil er eine Aussprache mit Elvira scheute.

Dr. von Waldheim war nicht feige, er ging keiner Entscheidung aus dem Weg. Im Zusammenleben mit seiner streitsüchtigen Frau jedoch hatte er gelernt, vorsichtig und zurückhaltend zu sein. So verschob er die klärende Aussprache, die bestimmt zu einem Skandal führen würde, von Tag zu Tag.

Susanne Andergast, die junge, schwarzhaarige Assistenzärztin, die seit einem Jahr an der Klinik Martin von Waldheims arbeitete, hatte sehr viel Verständnis für den heimlich geliebten Mann. Sie verstand sogar, dass er nicht sofort eine klärende Aussprache mit Elvira führen konnte.

Doch inzwischen wurde sie ungeduldig. Sie war sich zu schade dafür, ihre Tage als Geliebte eines Mannes zu verbringen, der an eine egoistische Frau gebunden war.

Gern war Susanne bereit gewesen, dem liebenswerten Martin von Waldheim ihr Herz zu schenken. Sie hatte sich schon in ihn verliebt, als sie zum ersten Einstellungsgespräch in seine Klinik gekommen war.

Als er ihr dann nach vier Monaten Zusammenarbeit gestand, dass er viel für sie empfand, war sie, trotz aller moralischen Bedenken, sehr glücklich gewesen.

Diese Bedenken hatte Martin mit der Zeit verscheucht. Dabei hatte ihm der Klinikklatsch sehr geholfen.

Schon nach wenigen Wochen wusste die junge Ärztin, dass Gräfin Elvira ein Biest war, wie die Oberschwester sie respektlos nannte.

„Der Chef kann einem aufrichtig leid tun“, hatte Schwester Maria eines Tages zu der neuen Assistenzärztin gesagt. „Er hat es wirklich nicht verdient, von einem solchen Biest traktiert zu werden. Zwar hat seine Frau das Geld mit in die Ehe gebracht. aber ich meine, das berechtigt sie noch lange nicht, so zu tun. als sei Dr. von Waldheim ihr Sklave.“

„Ist das nicht ein wenig übertrieben?“, hatte Susanne Andergast damals gefragt.

„Eher noch untertrieben“, war Schwester Marias Kommentar gewesen. „Wir bekommen doch nur Bruchstücke des Ehedramas mit. Ich möchte wirklich nicht wissen, was der arme Mann daheim auszustehen hat. Er sollte sich scheiden lassen.“

Susanne hatte die grauhaarige Schwester daraufhin forschend und auch erschrocken angesehen.

Was wusste Schwester Maria? Was und wie viel ahnte sie? Hatte sie, Susanne Andergast, zu deutlich ihre Gefühle für den Chefarzt gezeigt?

Nein, als sie die Schwester mit einen prüfenden Blick musterte, erkannte Susanne, dass Schwester Maria ihre Bemerkung ohne irgendwelche Hintergedanken gemacht hatte. Unmissverständlich hatte sie ihre ehrliche Meinung zum Ausdruck gebracht.

Mit der Zeit hatte Susanne festgestellt, dass Gräfin Elvira überall unbeliebt war, und dass dem Chefarzt und Klinikleiter die allgemeine Sympathie und auch das allgemeine Bedauern galt.

Schon oft hatte sie die Bemerkung gehört: „Diese Frau hat er wirklich nicht verdient.“ Oder: „So ein netter Mann, und dann ist er mit einem solchen Drachen geschlagen.“

Susanne hatte Gräfin Elvira kennengelernt und konnte sich davon überzeugen, dass die Frau des Klinikchefs tatsächlich recht unsympathisch war.

Dennoch empfand die junge Ärztin Schuldgefühle, weil sie sich heimlich mit Martin von Waldheim traf.

Dr. Susanne Andergast war gerade im Ärztezimmer der Chirurgischen Station, als der Chefarzt eintrat.

„Gut, dass ich dich hier noch sehe, Susanne“, sagte er leise und strich ihr mit einer liebevollen Geste über das dunkle, schimmernde Haar. „Es ist etwas geschehen ...“

Ängstlich sah die junge Ärztin ihn an. „Etwas ... mit deiner Frau?“, wollte sie wissen.

Martin von Waldheim nickte. „Sie hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass wir am Samstag zu einem Frühlingsfest eingeladen sind. Sie besteht darauf, hinzugehen.“

„Ich verstehe.“

Susanne gab sich alle Mühe, die Enttäuschung zu verbergen, doch es wollte ihr nicht gelingen. Martin von Waldheim kannte sie inzwischen so gut, dass er ihre Empfindungen zu deuten vermochte.

„Ich weiß, wie entsetzt du jetzt bist, Liebling“, tröstete er sie. „Glaub mir, ich bin auch sehr traurig, dass aus unserer Fahrt in den Schwarzwald nichts wird.“

„Weiß die Gräfin denn nicht, dass du am Wochenende einen Kongress im Schwarzwald besuchen wolltest?“, fragte Susanne.

„Nein“, antwortete der Mann. „Ich habe es ihr nicht gesagt. Sie interessiert sich doch nicht im Geringsten für meine Arbeit, da wäre es sinnlos, mit ihr darüber zu reden. Außerdem – glaubst du im Ernst, sie hätte darauf Rücksicht genommen? Nein!“, gab er sich selbst schon die Antwort. „Elvira würde unter allen Umständen verlangen, dass ich sie zu diesem lächerlichen Fest begleite.“

„Schade. Es wäre schön gewesen, einmal zwei Tage mit dir allein zu sein. Dann werde ich eben, wenn du einverstanden bist, allein fahren“, erklärte Susanne. „Dann haben wir beide zwar nichts voneinander, aber ich kann dir wenigstens die Aufzeichnungen von der Tagung übermitteln.“

„Ein schwacher Trost“, bedauerte Martin von Waldheim. „Aber, du hast recht, es hilft uns beiden nicht, wenn du auch hierbleibst. Ach, Susanne, wenn ich doch endlich eine Gelegenheit fände, mit Elvira zu reden ...“

Er seufzte tief. Susanne hatte wieder einmal Mitleid mit ihm. Wie gern hätte sie ihm anvertraut, dass es ihr nichts ausmachte, noch jahrelang weiter zu warten.

Aber das konnte sie nicht mehr. Seit vier Tagen hatte sie nicht mehr das Recht dazu, für sich allein zu entscheiden. Denn vor vier Tagen hatte ihr ein Kollege von der Gynäkologie bestätigt, was sie schon geahnt hatte ...

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