Читать книгу Der Riesen Arztroman Koffer Februar 2022: Arztroman Sammelband 12 Romane - Sandy Palmer - Страница 71
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Kokett drehte sich Verena Geldermann vor dem Spiegel hin und her und lächelte ihrem eigenen Spiegelbild zu. Sie gefiel sich in dem neuen Kleid, das sie heute trug, und sie hoffte sehr, dass es auch die Zustimmung ihres Freundes finden würde, mit dem sie sich zu einem Stadtbummel verabredet hatte.
Verena war die einzige Tochter des Konzernmanagers Werner Geldermann. Da ihr Vater Geld in Hülle und Fülle verdiente, kannte das junge Mädchen keine Pflichten, sondern nur ihr Vergnügen.
Sie verkehrte in einer Clique junger Leute, die ebenfalls keine materiellen Sorgen hatten. Alle bummelten heiter und unbeschwert in den Tag hinein, da sie von daheim reichlich Taschengeld erhielten.
Auch Tim van Drosten, Verenas derzeitiger Favorit, war einer jener Playboys, die außer ihrem Sportwagen, einer Segelyacht und ihren oft wechselnden Freundinnen keine Interessen hatten.
Verena störte das nicht. Für sie war Tim interessant, weil er stets munter und vergnügt war und voller Ideen steckte. Nie war es in seiner Gegenwart langweilig.
Als das junge Mädchen an Andreas Radloff dachte, den sie vor drei Wochen auf einer Party kennengelernt hatte, und der ihr recht intensiv den Hof gemacht hatte, verzog sie angewidert das Gesicht. Wie langweilig, ernst und humorlos erschien ihr Andreas im Gegensatz zu Tim!
Nein, der junge Mann sollte es sich aus dem Kopf schlagen, sie eines Tages für sich gewinnen zu können. Außerdem – was war er denn schon? Nichts als ein kleiner Doktor, der dazu noch angestellt war, nicht einmal eine eigene Praxis hatte.
Verena stellte fest, dass sie sich zu ärgern begann, und schnell verbannte sie den Gedanken an Dr. Radloff. Sie wollte sich die gute Laune nicht verderben lassen. Was sollte sonst Tim von ihr denken?
Mit einer abrupten Bewegung warf Verena das lange, blonde Haar in den Nacken und griff nach ihrer hell-beigen Handtasche.
Sie sprang die mit wertvollem Teppichboden belegten Stufen hinab, die in die große Eingangshalle ihres Elternhauses führten.
Aus dem kleinen Salon drang heiteres Stimmengewirr. Verena fiel ein, dass ihre Mutter heute ihr Damenkränzchen abhielt.
Obwohl Verena nicht wusste, was sie mit den sogenannten Freundinnen ihrer Mutter reden sollte, die allesamt nur Freundlichkeit heuchelten, um später über alles ausgiebig klatschen zu können, ging sie doch in den kleinen Salon, um den Damen einen guten Tag zu wünschen.
„Ach, Verena, wie nett, dass Sie sich auch einmal bei uns sehen lassen“, begrüßte sie die spitznasige Frau Geheimrat Sedelmeier. „Ich sehe, Sie gehen mit der neuesten Mode, Verena. Entzückend steht Ihnen dieses Kleid.”
Verena lächelte höflich zu den Worten der Frau Geheimrat.
„Nun, mein Kind, hast du wieder eine Verabredung?“, erkundigte sich Frau Geldermann bei ihrer Tochter. „Mit wem denn heute?“
Im Grunde interessierte sie sich nicht allzu sehr dafür, was ihre Tochter den Tag über trieb. Verena war längst volljährig. Schon lange ging sie ihre eigenen Wege und ließ sich von den Eltern kaum noch Vorschriften machen. Wenn sich Frau Geldermann jetzt nach dem Vorhaben ihrer Tochter erkundigte, dann geschah dieses nicht aus mütterlicher Besorgnis. Sie wollte nur vor ihren Freundinnen prahlen, wie begehrt ihre schöne Tochter war.
„Tim van Drosten holt mich ab“, antwortete Verena. „Wir wollen in die Stadt fahren.“
„Dann viel Spaß, Kind“, wünschte ihre Mutter.
„Ist das der Sohn des Reeders Drosten?“, erkundigte sich eine der anwesenden Damen. „Ich habe gehört, dass er hier in der Stadt leben soll.“
„Ja“, nickte Verena. „Tim stammt eigentlich aus Hamburg, aber er studiert hier.“
Dass Tim Student war, wurde nur durch seinen Ausweis bewiesen. Die Universität sah er selten von innen, und sein Studium interessierte ihn im Moment nicht im Geringsten.
Er hatte sich vorgenommen, diesen Zustand beizubehalten, solange sein Vater nicht protestierte gegen seinen ungezwungenen Lebenswandel.
Im Augenblick war daran nicht zu denken. Tim war ein halbes Jahr in der Stadt. Nicht ein einziges Mal hatte sich sein vielbeschäftigter Vater nach ihm erkundigt.
„Also, ich muss jetzt fort“, verabschiedete sich Verena von den Damen. Mit beschwingten Schritten entfernte sie sich, was die meisten der Anwesenden veranlasste, ihr neiderfüllt nachzuschauen.
Frau von Ziebel sprach aus, was die anderen dachten: „Noch einmal so unbeschwert jung sein können“, seufzte sie. „Ach, die Zeit kommt nie zurück.“
„Jedes Alter hat seine schönen Seiten“, besänftigte die Frau Geheimrat. „Man muss nur das Beste daraus machen.“
Diese Bemerkung veranlasste die übrigen Damen zu einem ironischen Lächeln, da alle von dem großen Geheimnis der Frau Geheimrat wussten. Sie hielt sich seit einiger Zeit einen wesentlich jüngeren Verehrer, der ihr wohl die Tage verschönerte.
Verena wartete darauf, dass Tim endlich mit seinem schnittigen Sportwagen vor der Villa vorfahren würde. Sie hasste Unpünktlichkeit. Sie selbst verspätete sich nie, und sie erwartete von anderen, dass sie ebenfalls die Verabredungen pünktlich einhielten.
Tim van Drosten schien sich jedoch nicht an diese Regel zu halten. Verena musste über eine Viertelstunde warten, bis der junge Mann endlich vorfuhr und mit quietschenden Bremsen vor dem schmiedeeisernen Gitter der Villa Geldermann hielt.
Das junge Mädchen war inzwischen zornig geworden. Noch niemand hatte es bisher gewagt, Verena Geldermann warten zu lassen. Tim sollte dies nicht ungestraft getan haben!
Als der junge Mann klingelte, öffnete ihm Verena ungnädig die Tür. „Auch schon da!“, fauchte sie ihn an.
„Du hast doch nicht etwa auf mich gewartet?“, erkundigte sich Tim erstaunt.
Dass er sich nicht einmal entschuldigte für seine Verspätung, machte Verena noch zorniger.
„Auf dich habe ich nicht gewartet und werde ich auch nie warten“, erklärte sie.
„Wie darf ich das verstehen?“ Tim van Drosten, der annahm, dass sich Verena nur interessant zu machen versuchte, lächelte von seiner stattlichen Höhe von eins-neunzig auf die zierliche Verena herab.
„Du kannst allein in die Stadt fahren“, verkündete ihm das Mädchen. „Ich lege keinen Wert darauf, mitzukommen.“
„Aber ... was soll denn das auf einmal, Veri?“ Nun war Tim doch erstaunt. War Verena wirklich so kleinlich, wegen einer Viertelstunde Verspätung eine Verabredung platzen zu lassen?
„Ich dachte, wir würden um drei Uhr in die Stadt fahren“, meinte Verena. „und jetzt sind es zwanzig Minuten nach drei. Also fahren wir nicht.“
„Fünf Minuten debattieren wir hier schon ‘rum“, murrte Tim. „Los, Veri, sei nicht so kleinlich. Es passiert auch nicht wieder. Komm mit raus, dann siehst du, warum es etwas später geworden ist.“
Er versuchte, die Hand des jungen Mädchens zu ergreifen und Verena mit sich zu ziehen, doch jäh riss sich Verena los.
„Du brauchst mir nicht unbedingt noch weh zu tun“, zischte sie. „Ich komme auch so mit ... bis zur Straße“, fügte sie einschränkend hinzu. „Ich bin nur gespannt auf deinen Entschuldigungsgrund.“
Was sie dann kurze Zeit später zu sehen bekam, entlockte sogar der verwöhnten Tochter des Konzernmanagers Geldermann einen bewundernden Ausruf.
Am Bordstein parkte ein schnittiger. schneeweißer Sportwagen.
„Was ist das für ein Modell?“, erkundigte sich das Mädchen und trat interessiert näher.
Verena war eine leidenschaftliche Autofahrerin. Mit ihrem kleinen Kabriolett brauste sie stets lautstark durch die stille Villenstraße, in der ihr Elternhaus stand.
„Das ist ein Lamborghini“, erklärte ihr Tim voller Stolz. „Der Alfa hat ja schon längst ausgedient.“
Dies war zwar eine maßlose Übertreibung, denn der kleine rote Zweisitzer. den Tim bisher gefahren hatte, war gerade zwei Jahre alt gewesen, doch Verena widersprach ihrem Freund nicht.
Interessiert betrachtete sie sich den neuen Sportwagen, der eine luxuriöse Innenausstattung hatte und verlockte, ausprobiert zu werden.
„Nun, kannst du mir jetzt meine Verspätung verzeihen?“, fragte Tim mit einem Lächeln.
„Warum denn das?“ Sofort verflog Verenas Lächeln. „Was hat dein neues Auto damit zu tun. dass du mich warten lässt?“
„Ich habe den Wagen gerade erst bekommen“, erklärte Tim. „Die Formalitäten haben länger gedauert, als ich zunächst angenommen hatte.“
„Na gut“, meinte das junge Mädchen gnädig und warf das lange blonde Haar in den Nacken. „Die Sache ist vergessen. Aber nun lass uns losfahren.“
„Nichts lieber als das!“
Tim half seiner schönen Begleiterin galant in den tiefen Wagen.
Als Verena einstieg, bemerkte er: „Du hast dich ja auch ganz neu eingekleidet. Schick siehst du aus, obwohl mir die Minimode auch sehr gut gefallen hat. Da bekam man wenigstens was zu sehen.“
„Ahnen soll auch recht interessant sein“, entgegnete das Mädchen lächelnd und lehnte sich bequem in die Polster zurück.
Tim verzichtete darauf, die Fahrertür zu öffnen. Mit Schwung setzte er über die niedrige Tür und landete sofort in seinem Sitz.
Einen kurzen Blick warf er auf Verena, doch die schien seine sportlichen Kunststücke nicht zu registrieren. Wenigstens wirkte sie keineswegs beeindruckt. Tim zuckte die Schultern, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete.
Nur kurz tippte er auf das Gaspedal, und schon schoss der hochtourige Wagen davon.
Verena genoss die Fahrt, wenn sie es auch nie eingestanden hätte. Gar zu gern hätte sie selbst gesteuert. Sie liebte es, durch die Straßen zu rasen, den Fahrtwind zu spüren, der sich in ihrem Haar verfing ...
Als sie die große Ausfallstraße erreicht hatten, die den kleinen Villenvorort, in dem Verena wohnte, mit dem Stadtzentrum verband, hielt Tim am Straßenrand an.
„Was ist los?“, erkundigte sich Verena und strich sich eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. „Warum bremst du plötzlich? Ist etwas mit dem Wagen?“
„Nein“, lächelte Tim. „aber ich kenne doch deine Vorliebe für schnelle Wagen. Möchtest du nicht ein Stück fahren?“
Freudig überrascht sah Verena den Freund an. Mit einem solchen Angebot hatte sie nicht gerechnet. Sie wusste, dass Tim nur höchst ungern einen anderen an das Steuer seines Wagens ließ. Dass er ihr jetzt anbot, sogar den neuen Wagen zu fahren, war fast unglaublich. Oder wollte er sie auf diese Weise versöhnen? Wollte er sich für die Verspätung entschuldigen?
Das junge Mädchen gab es auf, einen Grund für dieses großzügige Angebot zu suchen, schnell nickte sie zustimmend.
„Mit dem allergrößten Vergnügen!“ Sie rutschte auf den Fahrersitz, den Tim van Drosten inzwischen freigemacht hatte. „Du machst mir damit eine große Freude, Tim.“
„Ich weiß, Kleines. Und ich hoffe, dass du dich zu bedanken weißt.“ Tim grinste, als er sich wieder ohne die Tür zu öffnen, auf den Beifahrersitz schwang.
Verena gab ihm auf seine Bemerkung keine Antwort, sie konzentrierte sich darauf, das Armaturenbrett eingehend zu erkunden und den Wagen probeweise im Stand laufen zu lassen.
„Unheimlich, das satte Summen des Motors“, meinte sie begeistert.
„Schwärm nicht, fahr los!“, befahl Tim lachend. „Dann erst wirst du das wahre Fahrgefühl erleben.“
Nur zu gern kam Verena dieser Aufforderung nach, und geschickt startete sie den rassigen Wagen.
Alles ging gut. Verena passte auf den nur mäßigen Verkehr auf. Tim unterhielt sie mit Anekdoten aus seiner Schülerzeit. Beide waren recht heiterer Stimmung.
Bis zu dem Augenblick, als Tim erzählte, wie er seinem Mathematiklehrer einen Streich gespielt hatte. Da musste Verena so herzhaft lachen, dass sie sekundenlang nicht auf die Fahrbahn achtete.
Unglücklicherweise befand sich der weiße Sportwagen gerade vor der Einmündung einer kleineren Seitenstraße. In diesem Moment kam ein Lastwagen aus dieser Straße.
Ehe Verena noch reagieren konnte, ehe sie die Geschwindigkeit des Sportwagens drosseln konnte, war das Unglück auch schon geschehen: Blech knirschte. Glas splitterte. Metall fraß sich in Metall ...