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6 Was du nicht haben kannst

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Die Kleine war hier. Und sie war freiwillig zu Dawer gegangen, obwohl er ihr von Helven erzählt hatte. Er und das Mädchen waren im Zelt verschwunden und nur ihr Lachen drang an Thrace’ Ohren. Es störte ihn sehr viel mehr, als er zugeben mochte, dass sie doch keine Abneigung gegen Dawer hegte. Allerdings erleichterte es ihn auch, weil sie Thrace selbst, dann ebenfalls nicht mit Ablehnung strafen würde.

Für den Fall, die Kleine ließe es zu, hatte er sich zwar irgendwie darauf eingestellt, dass Dawer sie beanspruchen könnte, doch es grämte ihn trotzdem. Sicher, sie war eine Hure und damit für jeden zu haben, aber sie hatte wieder Dawer gewählt und nicht Thrace.

Beide Männer hatten schon im Bordell vor ihr gestanden und sie hatte sich gegen ihn und für den Anführer entschieden. Keine Frau vorher hatte sich ihm verweigert. Sie waren alle bereitwillig erst zu ihm gekommen, nur nicht dieses Mädchen.

Warum?, fragte er sich im Stillen und warf frustriert Stöckchen ins Feuer, die unnatürlich hell aufflammten, weil er Magie mitschickte, während ihr Lachen immer mehr zu stöhnen und anderen Lauten der Lust wurde.

„Thrace?“

Er schaute auf und sah Océans Blick auf sich gerichtet.

„Ist alles gut bei dir?“, wollte sein Freund wissen und sah ihn nachdenklich an.

Thrace nickte nur, doch Raek lachte auf. „Er ist stinkig, weil das Mädchen schon wieder bei Dawer ist. Er hat sie in Nordbrand schon nicht bekommen und heute kam sie wieder nicht zu ihm.“

Océan hatte Raek den Blick zugewandt, drehte den Kopf nun jedoch zu Thrace zurück. „Echt? Deshalb ziehst du so ein Gesicht?“

„Und wenn?“

Der andere Elf lachte. „Du bist ja drauf. Warum denn? Nimm dir doch eine andere. Hier laufen genug Huren rum.“

„Ich wollte zu ihr.“

„Sie aber nicht zu dir.“ Noch während Océan das sagte, schien ihm ein Licht aufzugehen. „Ach. Daher weht der Wind? Sie wollte dich nicht. Tja. Ich habe ja immer schon gesagt, das musste mal so kommen.“

„Ach ja?“

„Na hör mal. Das hatten wir doch schon. Du hast sie gesehen. Sie ist keine Metze wie alle anderen. Dawer hat 30 Drachen für sie gezahlt. Denkst du echt immer noch, die nimmt so einen verdreckten Tunichtgut wie dich?“, warf Océan ihm an den Kopf.

„Ich bin nicht verdreckt!“, fuhr Thrace seinen Elfenfreund an und warf ihm einen bösen Blick zu.

„Warst du aber in Nordbrand. Wir sagen dir und Dea immer wieder, dass die Masche vom Ich ach so schwer arbeitender Söldner nicht bei jeder zieht. Jetzt hast du den Beweis und musst damit leben.“

„Bis jetzt hat’s aber gezogen. Und du musst deine Schnauze nicht aufreißen. Wann durftest du denn das letzte Mal deinen Schwanz in was anderes stecken, als deine Hand?“, konterte Thrace.

Dea und Raek lachten schallend, doch Océan funkelte ihn böse an. „Immerhin hätte ich bei ihr jede Chance.“ Er nickte zum Zelt, aus dem nun ihr immer erregter werdendes Stöhnen drang.

Thrace spürte den Zorn, als pure Hitze in seinem Gesicht, sagte aber nichts mehr. Im Stillen überlegte er schon, was er anders machen konnte, um Océan das Gegenteil zu beweisen.

Abermals lag die Kleine in Dawers Armen, doch diesmal war sie nicht eingeschlafen. Ihre Finger fuhren durch sein Brusthaar und ab und zu zog sie verführerisch daran.

Nach einer Weile der Stille schaute sie zu ihm auf und grinste frech. „Sag mal“, begann sie und wandte den Blick wieder auf seine Brust. „Bist du eigentlich einer derjenigen, die auch mehr verlangen dürfen?“

Dawer runzelte die Stirn. „Was meinst du genau?“

„Jáne hat Perlen vergeben, für besondere Dienste.“

Er drehte den Oberkörper und griff hinter sich in die Tasche seiner Weste. „Meinst du das hier?“ Er zog ein Säckchen hervor und reichte es ihr. Die Kleine stützte sich seitlich auf einen Arm und leerte das Säckchen in die Hand.

„15!“, stieß sie erstaunt aus und sah ihn dann mit großen Augen an.

„Ist das viel?“, fragte er und wusste dabei, dass jede Perle für einen Dienst war.

„Soweit ich weiß, haben nur die wenigsten mehr als zehn bekommen“, ließ sie ihn wissen und die Perlen wieder in den Beutel rollen. „Der Kommandant und sein erster Offizier sind wohl die Einzigen, die ebenso viele haben wie du.“

Dawer grinste. „So was. Dann bin ich wohl was Besseres. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diese Annehmlichkeit sicher auch meinem Namen zu verdanken habe.“

„Vollidiot?“, fragte sie spitz und bekam als Strafe eine Kitzelattacke.

Als sie sich beruhigt hatte, erklärte er: „Nein. Ich meine meinen Familiennamen, Thraut.“

„Thraut, wie der General des Hauptheeres?“

„Oh. Da kennt sich jemand aus. Aber ja, genau wie der. Er ist mein großer Bruder.“

„Aha aha. Sehr interessant. Und warum bist du kein General?“

„Bin ich doch. Meine Truppe ist nur etwas kleiner.“

Sie lachte amüsiert. „Ja, aber wirklich nur etwas.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie das Etwas an. „Du hast fünf Leute unter dir, der General, ehm keine Ahnung, 5000? Das nimmt sich wirklich nicht viel.“ Sie zog eine Schnute und schüttelte den Kopf.

„Weib. Du hast ja keine Ahnung“, tadelte er sie neckend.

„Habe ich auch nie behauptet. Aber erkläre es mir doch, Herr General Vollidiot mit ganzen fünf Mann im Rücken.“ Ihr Grinsen wurde diebisch.

Er schüttelte gespielt missbilligend den Kopf. „Dein freches Mundwerk wird dir noch zum Verhängnis.“

„Niemals. Ich weiß mich durchaus zu benehmen, wenn ich muss.“

„Ich warte gespannt auf den Tag“, grinste er.

„Jetzt erkläre mir, wovon ich keine Ahnung habe“, forderte sie, drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf in die Hände. „Wenn ich eines nicht will, dann unwissend sterben.“ Sie grinste.

„Also gut. Aufgepasst.“

Sie nickte und lauschte.

„Mein werter Herr Bruder hat keine 5000, sondern nur knapp 3000 Mann unter sich. Das wäre der erste Punkt. Von diesen 3000 sind die meisten ungebildete Grobiane, die nichts weiter können, als hauen und stechen.“

„Aber kommt es nicht darauf an?“, unterbrach sie ihn. „Was tut ihr denn noch außer hauen und stechen?“

„Planen. Taktisch denken. Eventuell intrigieren oder unterwandern. Von dem Rest der Männer meines Bruders können das nur eine Hand voll. Und die sind zu feige den Mund aufzumachen. Sie könnten viel erreichen, doch sie folgen lieber nur, als auch mal die Initiative zu ergreifen.“

„Dafür gibt es doch aber Befehlshaber? Die sagen, was zu tun ist und die Truppe folgt.“

Dawer nickte. „Stimmt. Aber meine Männer haben alle eine Meinung. Ich mag ihr Befehlshaber sein, doch ihre Meinung ist genauso entscheidend. Das macht uns effektiver. Wir fünf, den Welpen mal ausgenommen, sind sehr viel effizienter im Kampf, als die 3000 meines Bruders zusammen.“

Neyla zog die Brauen zusammen. „Willst du sagen, ihr allein könntet eine Streitmacht niedermachen? Das klingt ein bisschen überheblich, findest du nicht?“

„Etwas, ja. Aber das will ich auch gar nicht sagen. Wir könnten niemals zu fünft 3000 Mann in einer Schlacht schlagen. Aber wir könnten sie trotzdem besiegen. Denn am Ende braucht man nur zwei, vielleicht drei Männer zu töten oder gefangen zu nehmen, um die ganze Armee lahmzulegen.“

Ihr Blick hellte sich auf. „Den Befehlshaber und seine Offiziere.“

Dawer lächelte, weil sie es sofort verstanden hatte. „Genau die.“

„Schlau. Die 3000 Mann entscheiden ja nicht jeder für sich. Sie befolgen nur Befehle.“

„Wieder richtig.“

„Und wenn keiner mehr Befehle gibt, habt ihr gewonnen.“ Sie lächelte anerkennend. „Ich sehe, was du meinst.“

„Und ich sehe, du bist schlauer als so manche vor dir.“ Er war wirklich angetan von der kleinen Neyla. Viele Frauen nickten nur und lächelten, weil sie zwar zuhörten, es aber nicht verstanden, wenn er solcherlei Dinge erklärte.

„Ich kann nur denken. Schlau würde ich mich nicht schimpfen. Dann wäre ich eine Gelehrte oder so was.“

Nun wurde sein Blick nachdenklich. „Darf ich dich was fragen?“

Resigniert ließ sie die Arme fallen und legte den Kopf darauf, das Gesicht verborgen. „Ich weiß schon was“, kam es gedämpft von ihr.

„Warum?“, fragte er und wollte damit wissen, warum sie diesen Beruf gewählt hatte.

Sie verstand es, drehte den Kopf, ließ ihn aber auf ihren Armen liegen, nur ihre Augen richteten sich auf seine. „Ich dachte, das kann ich sicher gut, hab’s ausprobiert und es war so. Nicht gleich so wie heute“, lächelte sie frech, „Aber ich hab viel gelernt. Ich denke, ich beherrsche mein Handwerk jetzt ganz gut.“

„Ohoho. Das ganz sicher“, ließ er sie wissen und hatte die Erinnerung an ihre letzte handwerkliche Arbeit im Kopf. „Aber mal ehrlich. Hast du nie daran gedacht, was anderes zu machen? Warum gerade das hier? Du bist hübsch. Sehr viel hübscher als die meisten deiner Zunft. Der Hof würde dir sicher offenstehen. Vielleicht als Kurtisane fürs Theater oder Ähnliches? Oder was ganz anderes. Warum Hure?“

Erneut erhob sie sich leicht und stützte den Kopf wieder in die Hände. „Verurteilst du mich, wenn ich dir die Wahrheit sage?“, fragte sie und klang ernst.

„Ich habe mir abgewöhnt, Leute sofort zu verurteilen“, erklärte er. „Jeder hat seine Gründe, die Dinge so zu tun, wie er sie tut. Auch wenn ich es nicht immer verstehe, ist es nicht mein Leben, sondern das des anderen.“

Ihre Augen hielten seinen Blick einen langen Moment fest, dann wandte sie ihren auf ihre Hände. „Mein Vater war ein Edelmann“, erklärte sie und Dawer zog die Brauen verwirrt zusammen. Ein Edelmann? Warum war sie dann eine Hure?

Neyla erklärte weiter: „In Helven war er der Stadtherr.“

Nun wurden seine Augen groß und das Erstaunen war ihm sicher anzusehen, denn als sie ihn erneut ansah, fuhr ihr ein Grinsen in die Züge.

„Das sind Neuigkeiten, was?“, fragte sie neckisch und schnippte ihm vor die Brust. „Deine Hure ist ein Mädchen von edlem Geblüt.“

Er stieß die Luft in einem kurzen Lachen aus. „Es ist ... überraschend“, gab er zu. „Dein Vater war der Stadtherr von Helven? Du bist eine Daémuth?“, hakte er trotzdem noch mal nach. Zwar glaubte er ihr, weil seine Menschenkenntnis ihn selten betrog und die Kleine log seiner Meinung nach nicht. Aber es war so unwahrscheinlich, dass sie dieser alten Familie angehörte, dass er einfach noch mal fragen musste.

Neyla nickte vollkommen ernst. „Ich war meines Vaters einzige Tochter und hätte seine Nachfolge angetreten, wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist.“ Sie klang traurig.

„Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Aber daran konnten selbst wir nichts ändern“, sagte Dawer und wies auf die Zeltwand, vor der seine Männer noch sitzen mussten. „Wenn es etwas gegeben hätte, das wir hätten tun können. Es war niederschmetternd, zu sehen, was da passiert ist. Aber was hätten wir ausrichten können?“

„Ich weiß schon. Um ehrlich zu sein, ist es in gewissen Punkten auch ganz gut, dass die Stadt niedergebrannt ist.“

Nun war er verwirrt. „Aber in Nordbrand ...“

„Helven war meine Heimat, Dawer. Wenn ich die Möglichkeit hätte, alle meine Freunde und die Einwohner Helvens zu rächen, ich würde es tun. Aber was kann eine Frau schon ausrichten?“ Für einen kleinen Moment schwieg sie und atmete dann tief durch. „Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Ich kannte fast alle Bewohner beim Namen und viele waren meine Freunde, meine Familie. Wenn ich weine, dann größtenteils um sie. Um meine Heimat. Weniger um die Zukunft, die ich dort gehabt hätte.“

Ihm ging ein Licht auf. „Du wolltest die Regentschaft nicht?“

„Nein. Es wären Dinge, Verpflichtungen, auf mich zugekommen, derer ich mich nicht gewachsen gefühlt habe. Weißt du, was mein Vater war?“

Kurz musste Dawer überlegen, dann fiel es ihm ein. „Man nannte ihn Erzmagier.“

Sie nickte „Genau. Ich hätte auch diesen Posten begleiten müssen. Sogar noch vor der Regentschaft über die Stadt.“ Jetzt überraschte die Kleine ihn, indem sie eine Hand hob und die Fingerspitzen aneinander rieb. Kleine, glitzernde Funken sprühten und regneten auf die Lagerstätte nieder, ohne sie zu versengen. Die Kleine lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Mehr als das, habe ich nie geschafft. Ich hatte nie Talent dafür und die Magier haben mich deshalb verachtet. Sie wollten keine Frau an ihrer Spitze, die nicht mal ein Feuer ohne Zündstein entfachen kann. Doch die Magier wären, ebenso wie die Stadt, das Vermächtnis meines Vaters gewesen und da ich die einzige Erbin war ...“

„Aber deshalb bist du nicht zur Hurerei gegangen, oder?“

Sie lachte. „Doch. Genau deshalb.“

„Warum?“, fragte er noch immer ernst. Ihr hatten sicher alle Türen offengestanden.

„Weil ich rebelliert habe. Ich wollte denen einfach zeigen, dass ich tun konnte, was immer ich wollte. Ich war ein halbes Jahr lang Straßenhure vor Helvens Toren, bevor es niederbrannte.“

„Und dein Vater? Sag mir nicht, er hieß es gut.“

„Er hat mich verstoßen, nachdem mein ersten Freier zu ihm gegangen war und ihm gesagt hatte, was ich getan habe und wo ich zu finden war. Ich habe nie wieder mit ihm gesprochen.“

„Aber du bist dortgeblieben. Du hättest gehen können.“

„Wohin denn? Ich war noch 17 und nicht die, die ich heute bin. Ich war mal artig und lieb und zurückhaltend und so was“, kicherte die Kleine.

„Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, meinte Dawer und spitzte die Lippen.

„Ist aber so“, gab sie ihm zurück und schnippte ihm abermals vor die Brust. „Und jetzt du. Warum bist du Söldner und kein General oder so was?“

Er zuckte mit den Schultern. „Mein Bruder hatte immer Vorrang in allem und ich nicht die Ambitionen, mit ihm zu wetteifern. Außerdem bin ich so mein eigener Herr und kann das machen, was ich will. Und es wird besser bezahlt, wenn man denn Aufträge hat.“

„Also im Grunde wie bei mir.“

Er kicherte. „Im Grunde ja. Wir sind beide Huren des Systems.“

„Aber ich seh besser aus“, sagte sie vollkommen trocken, wofür er sie überfiel und sie eine Extrarunde einlegen musste.

Revenge

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