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4 Ein Auftrag für einen Söldner

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Die Männer hatten ihre Sachen bereits gepackt, was schnell gegangen war, denn keiner hatte viel dabei oder überhaupt erst ausgepackt. So reihten sie sich mit als erste in die Karawane Kämpfer ein, die zum Trupp ihres neuen Auftraggebers gehörte.

„Ganz schön viele Leute“, meinte Thrace und sah sich argwöhnisch um. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so groß wird.“ Er fühlte sich ein wenig unbehaglich und hoffte, sie würden bald ihren gewohnten Platz am Ende des Zugs einnehmen.

„Es soll auch viel zu tun geben“, antwortete Raekwon, der neben ihm ritt. „Maidenwind ist wohl eine recht große Stadt.“

„Wir würden das auch allein schaffen“, baute Deaglán sich ein, ganz das Großmaul wie immer. Er schnippte mit den Fingern, wobei kleine Funken von Magie flogen. Der alte Elf zauberte so gut wie nie und schon gar nicht in Schlachten. Aber er mochte die Vorstellung, seine Gegner mit ein paar magischen Spielereien zu verunsichern.

Keiner der Elfen nutzte Magie in Gefechten, wenn keine anderen Offensivmagier anwesend waren. Nur Thrace schützte seine Leute, was ja zur Defensive gehörte und durchaus verständlich war. Warum auf derartigen Schutz verzichten?

Thrace lachte. „Du würdest sie ganz sicher allein bezwingen, wenn dir nicht vorher die Arme abfallen, weil dir dein Schwert zu schwer wird, alter Mann.“

Dea fletschte die Zähne in Thrace’ Richtung. „Schnauze, du Welpe!“, giftete er und wandte den Blick ab. Thrace stieß nur ein belustigtes pff aus und ließ den Blick wieder über die Menge schweifen.

„Apropos Welpe. Wo steckt der Kleine schon wieder?“, fragte Dawer genervt und meinte Lysján. „So langsam regt er mich auf.“

„Da kommt er.“ Océan deutete in Richtung Stadttor.

Lysján führte sein Pferd gemächlich zu ihnen und blieb dann vor Dawer stehen. „Ich komme nicht mit“, gab er an, schaute seinem Ausbilder aber nicht ins Gesicht. „Ich will das nicht.“

„Schwing deinen Welpenarsch auf das Pferd, Junge. Du gehst da hin, wo ich dich haben will“, wies Dawer ihn an.

„Aber ich will nicht da sein, wo du mich haben willst.“

„Denkst du, das schert mich einen Dreck? Dacré will, dass ich dich ausbilde, also tue ich genau das.“

„Es ist mir egal, was er will“, blieb Lysján bockig stur.

„Mir für gewöhnlich auch.“

„Dann werde ich jetzt nach Hause reiten.“

„Du bleibst, Kleiner“, meldete Raekwon sich zu Wort. „Du wurdest für einen Auftrag gebucht und den führst du aus.“

„Ich will aber nicht!“, fuhr Lysján auf.

„Heulst du?“, ging Dawer ihn an. „Bist du ein Mann oder ein Mädchen? Beweg deinen Heulsusenhintern aufs Pferd, sofort!“

„Nein“, blieb der Kleine störrisch.

Thrace sah die Wut in Dawers Blick und ahnte, was kommen würde.

Schon stieg der Anführer ab, trat auf den Jungen zu und baute sich Nase an Nase vor ihm auf. „Ich hab hier das Sagen und ich will, dass du auf dein verfluchtes Pferd steigst und den Auftrag erledigst, für den du gebucht wurdest! Danach kannst du tun, was immer du willst und von mir aus Blumenkränze binden gehen oder durch eine Sommernacht tanzen! Aber jetzt und hier, tust du, was ich dir sage!“, knurrte er voller Zorn.

„Aber ...“ Weiter kam Lysján nicht, denn Dawer hatte ausgeholt und ihn mit einem Fausthieb zu Boden geschlagen.

Er kniete sich neben den Jungen und packte dessen Kragen. „Du unterstehst mir! Du hast Respekt zu zeigen und Befehle zu befolgen, ist das klar!“

Der Welpe starrte den großen Mann nur mit aufgerissenen Augen an.

Dawer ließ ihn los und erhob sich. „Steh auf und steig auf das Pferd.“

Lysján rührte sich nicht.

„Steh auf, verfluchter Bastard!“ Erneut ging er in die Knie, packte Lysjáns Hemd und zog ihn ohne Mühe hoch. Dem Jungen lief das Blut aus der Nase und seine Augen waren tränenfeucht. Ohne ein weiteres Wort hievte Dawer ihn auf das Pferd und drückte ihm die Zügel in die Hand. „Du reitest vor mir! Die ganze Zeit! Ich will dich im Blick haben! Verstanden?!“

Nun nickte der Welpe, den Blick auf seine Hände gesenkt.

Dawer saß wieder auf und trieb sein Pferd an. „Folgt mir, Männer. Lys? Vorwärts ans Ende vom Trupp!“

Der Kleine ließ sein Pferd laufen und die anderen folgten.

Thrace schloss zu Dawer auf. „Musste das sein?“

„Was denn?“, brummte ihr Anführer, noch immer grimmig.

„Er will nicht hier sein.“

„Er muss. Ich hab’s mir auch nicht ausgesucht, ihn an der Backe zu haben.“

„Aber musstest du ihn schlagen?“

Dawer wandte den Blick zu Thrace. „Was wird das denn? Hast du deine Ausbildung vergessen?“

Thrace schüttelte den Kopf. Das hatte er nicht und das würde er auch nie.

Er war relativ jung gewesen, als er beschlossen hatte, sich der Armee des Landes Kahár anzuschließen. In Thrace’ Heimat, dem Südkontinent Ilhár, hatte er keine Möglichkeit gehabt, das Kämpfen zu lernen. Er hatte die Wahl gehabt zwischen Magie und Forschung. Er hatte Magie gewählt und ein Talent für Verteidigungszauber entwickelt.

Allerdings brauchte man dieses Können eher selten auf Ilhár, denn dort herrschte stets Frieden. Das war keineswegs Zufall. Die Elfen, Ilhárs Volk, schirmten das komplette Land mit Magie ab. Es gab kein raus- oder reinkommen, ohne dass es jemand erfuhr. Thrace hätte sich dieser Abwehrmacht, wenn man es so nennen wollte, anschließen können. Doch was hätte er dann zu tun gehabt?

Alles was sie taten, waren die Schutzzauber, um die große Insel zu prüfen und ab und an zu erneuern oder zu tauschen. Das war, wie er fand, der langweiligste Beruf überhaupt. Deshalb war er zum Hauptkontinent Kahár übergesetzt und hatte sich dessen Streitmacht angeschlossen.

Er war einer von wenigen Elfen bisher gewesen und die Menschen taten sich noch immer sehr schwer mit seinem Volk. Bis auf wenige Ausnahmen, wie die Männer um ihn herum. Wobei zwei von denen ja zu seinem eigenen Volk gehörten.

Thrace hatte sich bei der Streitmacht damals als Schutzmagier beworben und war auch als solcher aufgenommen worden. Doch schnell hatte sich herausgestellt, dass seine Fähigkeiten nicht wirklich gefragt waren. Es gab Menschenmagier, die es ebenso beherrschten und die wurden bevorzugt, egal wie gut Thrace’ eigene Leistung auch war.

Also hatte er auch mit anderen Waffen, als nur seinem Bogen trainieren müssen, und war dabei immer unzufriedener geworden, denn die Männer hatten ihn mehr als Übungsobjekt gesehen, denn als gleichwertigen Mitstreiter.

Er wäre noch immer dort und noch immer unzufrieden, wenn Océan nicht aufgetaucht wäre und ihm von den Söldnern erzählt hätte. Auch hier war Thrace skeptisch gewesen, denn deren Anführer, Dawer, war ebenfalls ein Mensch. Doch der große Mann hatte ihn wohlwollend aufgenommen und hier, in dieser kleinen Gruppe von Kämpfern, hatte Thrace endlich die Aufgabe, die ihm am meisten Spaß machte. Verteidigung und Schutz mit Magie im Kampf.

Nun schaute er zum Welpen nach vorn und verengte die Augen. „Was willst du Dacré sagen, wenn du den Kleinen gehen lässt?“

Dawer hob die Schultern. „Nichts. Dacré wird ihn entweder zusammenstauchen oder von der Burg jagen, wenn er jetzt schon wieder auftaucht.“

„Willst du ihn denn einfach gehen lassen?“

„Was soll ich denn tun? Ich kann ihn nicht an mich ketten. Das will ich auch gar nicht. Wäre er für diesen Auftrag nicht gebucht, hätte ich ihn ziehen lassen. Aber wir haben einen Ruf zu verlieren. Was er dann macht ...“ Erneut hob der große Mann die Schultern. „Soll er sich ein Stück Stoff zum Besticken suchen, wenn er meint, Talent dafür zu besitzen.“

„Er wird seine Freundin nicht heiraten dürfen.“

„Nicht mein Problem.“

Sie waren am Ende des Zugs angekommen, hielten ihre Pferde an und jeder überprüfte ein letztes Mal, ob er auch alles hatte und ob auch alles in Ordnung war. Nur Lysján nicht. Er saß stur im Sattel und starrte auf seine Hände.

Thrace ritt neben ihn, reichte ihm ein Tuch, beugte sich zu ihm, legte seine Hand an Lys’ Wange und sprach einen kurzen Heilzauber, der die Blutung stillen sollte, dann meinte er: „Wisch dir das Blut ab und sieh zu, dass du auf andere Gedanken kommst. Es ist nur noch dieser Auftrag.“

Der Kleine wischte das Blut weg und nickte. „Danke.“

Thrace klopfte Lysjáns Pferd auf den Hals und ließ sich zu den anderen zurückfallen, als der Marsch sich schließlich in Bewegung setzte. Er hoffte, der Kleine würde in der Schlacht keine Behinderung werden.

Sie ritten lange und machten keine großen Pausen. Wenn das Heer anhielt, hatten sie gerade genug Zeit, die Pferde zu versorgen und ein wenig zu schlafen. Kommandant Welsh war bekannt für seine harte Führung, und das spürte auch jeder in der Truppe.

„Jetzt ein kleines Bisschen Zerstreuung“, stöhnte Dawer neben Thrace. Sie standen gerade bei den Pferden und prüften die Riemen und Schnallen, bevor es weiterging.

Thrace verkniff sich ein Augenrollen. „Was tust du, wenn wir wiederkommen, und sie ist weg?“

Dawer zuckte mit den Schultern. „Hoffen, dass sie nur in der nächsten Stadt ist. Elf, das Mädchen ist mit Abstand eine der besten. Ich muss zugeben, dass du mir ein bisschen leidtust.“

„Arschloch.“

Dawer lachte. „Ach komm. Soll ich mal ein gutes Wort für dich einlegen?“, scherzte er, doch es kam überhaupt nicht an.

Thrace schwieg.

„Es liegt einzig an deinem Auftreten.“ Océan kam rüber und klopfte Thrace’ Pferd auf den Hals. „Du hast es dir nur verdorben, weil du so verwahrlost vor ihr gestanden hast. Das Mädchen hat Klasse und du ...“ Sein Freund musterte ihn von oben bis unten. „Na ja.“

„Vielleicht kann ich sie überreden, sich irgendwo in der Nähe von Fellwart niederzulassen“, warf Dawer nachdenklich ein. „Sie kommt auch aus dem Süden. Obwohl ...“

Bei Dawers letztem Wort horchten beide Elfen auf.

„Obwohl?“, hakte Océan nach, bevor Thrace es tun konnte.

Dawers Blick zeigte Unbehagen, als er die beiden ansah. „Sie kommt aus Helven“, setzte er sie in Kenntnis und wandte den Blick wieder ab. Er wirkte tatsächlich leicht gequält.

Océan zischte und Thrace blies die Wangen auf. Das war hart. Sie waren alle dabei gewesen, als Helven niedergebrannt worden war. Sie hatten die Schreie gehört und sie hatten hilflos daneben stehen und zusehen müssen, wie alles geschehen war.

„War sie in der Stadt?“, wollte Océan bekümmert wissen.

„Ich glaube nicht. Sie war anscheinend damals schon Hure und meinte, sie hat es nur gesehen. Ich denke, sie war außerhalb.“

„Hast du ihr erzählt, dass wir da waren?“

Dawer nickte nur.

Océan stöhnte und Thrace resignierte vollends. Wenn sie das wusste, würde sie mit keinem von ihnen noch mal ins Bett gehen. Die Kleine war nicht blöd. Sicher dachte sie, die Männer hätten ihren Anteil daran gehabt.

„Ich hab ihr erklärt, dass wir uns nicht beteiligt haben“, meinte der Anführer, zog einen letzten Riemen fest und wandte sich ihnen dann komplett zu. „Ich denke, sie hat’s verstanden.“

„Also denkst du auch, du darfst wieder zu ihr?“, wollte Océan wissen. „Ich kann’s mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich hat sie nur so getan, als würde sie es verstehen, damit du endlich wieder gehst.“ Seine Worte hätten was Scherzhaftes haben können, wenn das Thema nicht so ernst gewesen wäre.

In Dawers Gesicht spiegelten sich verschiedene Gedanken, die Thrace quasi hören konnte, als würde der Anführer sie laut aussprechen.

Hat Océan recht? War sie nur freundlich, weil es ihre Aufgabe ist? Wird sie noch in Nordbrand sein? Werde ich sie wiederfinden?

Die Kleine musste echt was an sich haben, das Dawer fesselte. Normalerweise war er nicht so auf eine Hure fixiert und vor allem hinter ihr her. Allerdings musste Thrace auch eingestehen, dass er es nachvollziehen konnte.

Als er sie gesehen hatte, war es aber nicht das Verlangen nach Sex gewesen, dass ihn hatte aufstehen und zu ihr gehen lassen. Viel mehr war es eine Art Neugierde gewesen. Ihre Blicke hatten sich nur kurz getroffen, doch es hatte gereicht, um etwas in ihm hervorzurufen.

Was es genau war, würde sich hoffentlich noch zeigen, denn im Moment wusste Thrace überhaupt keinen Rat, warum gerade eine Hure, ein leichtes Mädchen, solche Gedanken bei ihm auslöste.

Revenge

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