Читать книгу Revenge - Sari Eis - Страница 8
3 Frühstück ans Bett
ОглавлениеDer Duft von frischem Brot weckte Jamie, während ein einzelner Strahl Sonne einen kleinen Teil ihrer Haut erwärmte. Sie schlug die Augen auf und war allein. Neben ihrem Bett, auf dem kleinen Beistelltisch, stand ein Tablett, darauf etwas von der Backware, Käse, Wurst und eine dampfende Tasse Kaffee.
Sie grinste und streckte sich genüsslich. Dann machte sie den Arm lang und holte sich eine Scheibe von dem noch warmen Brot. Ihre Brust legte sich dabei auf etwas Hartes. Sie schaute nach und fand einen Beutel mit Münzen darin. Bei einer schnellen Kontrolle zählte sie 30 Drachen.
Fünf Drachen Mitleidsgeld, dachte sie. Es gab immer wieder Männer, die entweder zu viel Geld hatten und nicht wussten wohin damit - oder eben jene, die den Frauen von Jamies Zunft ihr Geld gaben, weil sie Mitleid hatten. Jamie nahm lieber das verschwendete Geld, denn Mitleid brauchte sie nicht.
Im Gegensatz zu anderen Mädchen machte sie ihren Beruf gern, auch wenn das lange nicht immer so gewesen war. Doch jetzt gerade und in ihrer Position war es sogar recht angenehm. Sie hatte die freie Wahl, welchen Mann sie zuließ und welchen nicht und sie bekam einen Großteil der Einnahmen. Ihr Blick fiel erneut auf die fünf Drachen und sie lächelte.
Wenig später schloss Jamie die Tür zum Freudenhaus hinter sich und machte sich auf den Weg zum Markt. Sie brauchte neue Kleider und sie wollte zu dem Schmuckhändler, der nur noch heute da sein würde.
Eine halbe Scheibe Brot in der Hand, zog sie ihren breiten Schal um die Schultern enger. Der Wind war recht frisch und kündigte einen kalten Winter an. Schnellen Schrittes erreichte sie den Marktplatz und steuerte auf den Stoffhändler zu.
„Guten Morgen, mein Herr“, grüßte sie ihn freundlich und lächelte.
„Einen wunderschönen guten Morgen, junge Dame. Was kann ich für Euch tun?“
„Ich brauche Stoff“, sagte sie und grinste frech.
„Tatsächlich“, lachte er erheitert zurück und wies auf seine Auslage. „Ich denke, da kann ich behilflich sein.“
„Was für ein Glück“, scherzte Jamie weiter und ließ den Blick dann über die Stoffe gleiten. „Ich brauche leichte Leinen und etwas dünnen Baumwollstoff. Und ein paar Bänder für eine Schnürung.“
„Ich bin sicher, wir finden alles.“
Gemeinsam mit dem Händler suchte Jamie die Stoffe zusammen, die sie brauchte und kaufte zusätzlich etwas farbige Seide, aus der man sicher ein schönes Oberteil zaubern konnte. Sie bezahlte alles und dankte dem Mann für seine Ware und Hilfe, dann lief sie weiter zum Schmuckhändler.
Dawer hatte die Kleine am frühen Morgen verlassen und sichergestellt, dass sie ihr Frühstück bekam. Ihre Bezahlung hatte er ihr aufs Bett gelegt und den Betrag um fünf Drachen erhöht.
Er wusste, sie würde denken, er hätte es aus Mitleid getan, denn das war gängige Praxis. Doch Mitleid war nicht seine Intention gewesen. Die kleine Neyla war sogar noch mehr wert, aber mehr zu zahlen, wäre auch für ihn schlecht. Sie würde es sich merken und beim nächsten Mal den Preis anziehen. Fünf Drachen waren völlig in Ordnung, wenn man bedachte, dass er noch die ganze Nacht seine Freude an ihr gehabt hatte.
Sex hatte es nur noch ein weiteres Mal gegeben, doch auch mit ihren Händen wusste sie Dinge anzustellen, die selbst ihm neu waren. Außerdem hatte er ihre Gegenwart einfach genossen. Sie hatte eine ruhige und doch frech-forsche Art an sich, die ihn komplett aus der Welt vor der Tür entführt hatte. Ja, fünf Drachen waren angemessen, wenn auch noch immer zu wenig für eine wie sie.
Ein Stück Brot traf ihn im Gesicht und Dawer schaute auf.
Raekwon saß ihm gegenüber und grinste wissend. „Das muss ja eine Nacht gewesen sein“, stellte sein Freund fest und lachte auf. „Du grinst vor dich hin, wie ein Hund, der den saftigsten Knochen bekommen hat.“
„Sehr saftig, mein Freund. Sehr saftig“, antwortete Dawer und lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich bin überaus froh, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.“
„Selig trifft es eher. Sieh dich mal an.“ Raek lachte erneut und drehte dann den Kopf. Die Elfen kamen heran und verteilten sich auf die restlichen Stühle um den Tisch. Dea sah mitgenommen aus und Océan stützte müde den Kopf in die Hände. Thrace allerdings wirkte ausgeschlafen.
„Na, Elf? Wie war deine Nacht?“, fragte Dawer ihn und schlug ihm so fest auf den Rücken, dass Thrace gegen den Tisch stieß.
Der Elf wandte ihm den Blick zu und verengte die Augen. „Halts Maul.“
Dawer zischte und sog dann die Luft zwischen den Zähnen ein. „Gab’s keine mehr für dich? Das tut mir leid“, sagte er, ohne jeglichen Ernst in der Stimme. „Aber wenn es dir hilft, sie war ...“ Er beendete den Satz nicht, sondern hob stattdessen Daumen und Zeigefinger an die Lippen, um delikat anzuzeigen. Thrace brummte etwas und gab der Bedienung ein Zeichen. Sie kam heran und die Elfen bestellten ihr Frühstück.
„Wo ist der Welpe?“, wollte Dawer wissen, als ihm auffiel, dass Lysján fehlte. „Noch beschäftigt?“, fügte er grinsend an, doch Raek schüttelte den Kopf.
„Er ist gegangen, nachdem du verschwunden bist. Dein Geld habe ich im Zimmer.“
„Bei allen Göttern, der lernt es nicht“, seufzte Dawer und rutschte im Stuhl tiefer.
„Er ist seiner Liebe treu“, warf Océan ein und nahm einen Schluck vom Kaffee, den die Bedienung gerade gebracht hatte. „Du würdest es auch sein.“
Dawer zuckte mit den Schultern. Er würde, aber er musst ja zur Zeit nicht. Seine letzte Frau hatte ihn verlassen, genau wie die drei davor, weil er Söldner war. Frauen verstanden es nicht, dass man sowohl für die eine als auch für die andere Seite kämpfen konnte. Sie entschieden sich immer für eine und blieben dann dabei.
Aber Söldner war nun mal Dawers Beruf. Wenn man ihn angemessen bezahlte, tat er, was sein Auftraggeber wollte. Und wenn es eben war, einem ehemaligen Auftraggeber den Kopf abzuschlagen.
Natürlich hatten er und die Männer um ihn herum auch ihre Prinzipien. Sie töteten nur im Kampf und wenn es gerecht zuging. Aufträge bei denen sie wussten, es wäre Mord, lehnten sie ab. Wie damals in Helven. Sie waren keine Assassinen, sie waren Kämpfer.
Als hätte sie seine Gedanken an ihre Heimat gehört, tauchte Neyla an einem Stand weiter entfernt auf. Dawer wandte den Kopf ganz zu ihr und beobachtete sie. Ihre langen Haare lagen offen aber leicht gedreht über eine Schulter. Sie trug einen breiten Schal, den sie vor der Brust festhielt, damit der Wind ihn nicht wegwehte. Ihre Beine waren von einem schmalen Kleid verdeckt und nur ab und zu kamen ihre Füße in geschlossenen Sandalen zum Vorschein, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte oder einen Schritt machte.
„Bin gleich wieder da“, ließ Dawer seine Freunde wissen, stand auf und machte sich auf den Weg zu ihr. Unterwegs richtete er seine Kleidung etwas, schüttelte dann aber den Kopf über sein eigenes Verhalten. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam er hinter ihr zum Stehen.
Der Schmuckhändler hatte kaum noch Ware, doch Jamie brauchte trotzdem einen Moment, um zu finden, was sie suchte. Ein Armband aus vielen kurzen schwarzen Lederriemen, die mit Silberschellen verbunden waren, an die man kleine Anhänger hängen konnte. Sie griff danach und betrachtete es.
Schon als der Händler vor drei Tagen seinen Stand aufgebaut hatte, war ihr dieses Schmuckstück ins Auge gefallen. Doch er hatte zehn Drachen verlangt und die hatte Jamie zu diesem Zeitpunkt nicht gehabt. Sie hätte an ihr Erspartes gehen müssen, was sie eindeutig nicht wollte. Dank ihres letzten Besuchs gestern Nacht und dessen überaus großzügigem Mitleidsgeld hatte sie nun etwas übrig und wollte das Schmuckstück kaufen.
„Ich möchte das hier, werter Herr“, sagte Jamie und hielt das Kettchen hoch, damit der Händler es sah.
„15 Drachen“, blaffte der unfreundlich zurück und schenkte ihr weiter keine Beachtung.
„Was? Aber es kostete doch nur zehn?“
„Jetzt nicht mehr.“
„Warum denn? Was ist denn nun anders daran?“
„Heute ist der letzte Tag.“
Jamie runzelte die Stirn. „Na und? Dann müsste es sogar günstiger sein. Ich gebe dir fünf Drachen.“
Der Händler lachte. „15 und keinen Kupferling weniger.“
„Acht?“, versuchte sie einen vorsichtigen zweiten Anlauf.
„15.“
„In Ordnung. Es ist dein letzter Tag und du hast kaum noch was. Das hier wollte keiner, also ist es nicht das wert, was du vor drei Tagen haben wolltest. Ich gebe dir trotzdem die zehn, dann sind wir beide glücklich.“
Er schaute auf und direkt in ihr Gesicht, dann beugte er sich leicht zu ihr und sagte: „15. Ich habe keine Almosen zu vergeben. Wenn du es dir nicht leisten kannst, bist du nicht wert, es zu tragen. Leg’s hin und verschwinde, Weib.“
Unfähig auf diese Rede etwas zu erwidern, starrte sie ihn mit halb offenem Mund an. Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und sie wandte sich vom Händler ab. Dawer stand hinter ihr und lächelte freundlich.
Sofort schaltete Jamie auf Neyla um. „Oh, hallo auch“, lächelte sie, obwohl ihr gar nicht danach war. Nicht wegen Dawer, sondern wegen des Händlers. „Welch ein Zufall“, gab sie amüsiert an und meinte es ironisch. Die Stadt war nicht sehr groß und die einzigen Gasthäuser, die Dawers wohl großem Geldbeutel entsprachen, lagen am Rand dieses Marktplatzes.
„Guten Morgen, Milady. Es ist mir eine Freude, Euch hier zu treffen“, bekam sie als Antwort, wobei er es ernst meinte.
„Was ist denn dein Anliegen, werter Herr Vollidiot?“, fragte sie und spitzte frech die Lippen.
Er lachte. „Ich habe dich gesehen und wollte dir einfach einen guten Morgen wünschen.“
„Wie überaus wohlerzogen.“
„Ich gebe mein Bestes.“ Er wippte auf den Fersen vor und zurück, während er die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte.
„Nun“, sagte sie, wandte sich kurz um und legte das Kettchen an seinen Platz zurück. „Ich habe ein bisschen was zu tun. Ich hoffe, es kränkt dich nicht zu sehr, wenn ich dich schon wieder verlasse“, sagte sie und warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu. Er warf einen Blick über die Schulter und sie spähte an ihm vorbei, um zu sehen, wonach er schaute.
An einem Tisch vor einer Gaststube saßen vier Männer, die alle samt beobachteten, was Dawer tat. Jamie erkannte aber nur einen von ihnen wieder. Den dunkelhaarigen Elf mit den hellblauen Augen, der sie gestern ebenfalls hatte haben wollen. Heute trug er normale Kleidung und war offenbar frisch gebadet. Sein Blick war nachdenklich auf sie gerichtet.
„Freunde von dir?“, fragte sie und hatte Dawers Aufmerksamkeit damit wieder.
„Ja. Meine Truppe“, gab er an und ein stolzes Funkeln trat in seine Augen.
„Ah, deine Truppe.“
Er lachte leise. „Die letzte Nacht war sehr angenehm, wenn ich so dreist sein darf, es zu erwähnen.“
„Danke gleichfalls“, erwiderte sie mit einem kleinen Knicks. Es war reine Höflichkeit von ihm und keinesfalls das erste Mal, dass sie diesen Satz hörte. Auch wenn sie zugeben musste, dass Dawer wirklich gut gewesen war.
„Wir reisen leider noch heute ab“, meinte er dann und senkte den Blick. „Ich wollte nur fragen, ob ich auch bei unserem nächsten Besuch hier an dich denken darf?“
„Warum denn nicht? Denke so viel du willst an mich. Bei allem was du tust.“ Sie zwinkerte ihm zu und er schien zu wissen, was sie meinte.
„Das wird mir leichtfallen“, grinste er. „Dennoch. Wirst du hierbleiben oder die Stadt wechseln?“ Es war keine Seltenheit, dass Huren ihren Standort änderten. Es gab in jeder Stadt Flauten und sie waren da, wo es das meiste Geld zu verdienen gab.
„Momentan fühle ich mich hier ganz wohl. Ich denke, ich bleibe noch eine Weile“, gab Jamie an.
„Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme“, meinte Dawer und hoffte wohl, eine gesichertere Antwort zu bekommen.
Jamie trat vor und legte ihm eine Hand auf die Brust. „Und ich habe noch kein neues Ziel vor mir. Sollte ich dennoch nicht mehr da sein und dich verlangt es nach mir, frage Jáne in meinem derzeitigen Haus. Sie wird dir sagen können, wohin es mich verschlagen hat.“
Sein Grinsen wurde zu einem Lächeln und er nickte leicht. „Sehr gern.“
„Bitte entschuldige mich nun“, sagte Jamie, trat zurück und knickste leicht. „Mein Herr, Dawer.“ Dann drehte sie ab und machte sich auf den Weg zurück zum Freudenhaus.