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Zufällig Model

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Warum sollte ausgerechnet ich mir also so etwas antun? Wo ich sowieso schon so ein Sensibelchen bin. Eigentlich wollte ich immer irgendwas mit Tieren machen. Als kleines Kind träumte ich davon, Meeresbiologin zu werden. Später wollte ich Modedesignerin werden, obwohl ich bei Mode und Styling ungefähr so ein Händchen hatte wie eine Fußballspielerin aus der deutschen Nationalelf. Dafür zeichnete ich wie eine Weltmeisterin. Dass ich am Ende Model geworden bin, habe ich einfach einem Zufall zu verdanken. Eine Freundin hatte die Idee. Gut, eigentlich ihr älterer Bruder. Als ich eines Tages nach der Schule mit zu ihr nach Hause kam, platzte es plötzlich aus ihr heraus: „Sarina, da ist so ein Casting-Aufruf für die Sendung Germany’s Next Topmodel. Mein Bruder findet, du solltest da mitmachen!“ Zuerst dachte ich, sie will mich aufziehen. Erst als sie mit einem Affenzahn in ihr Zimmer rannte und mir die Bewerbungsunterlagen unter die Nase hielt, wusste ich: Sie meint es wirklich ernst.

Insgeheim träumte ich schon lang davon, einmal wie Heidi Klum bei einer Show von Victoria’s Secret mitzulaufen, mit feiner Spitzenwäsche, wellig gefönten schulterlangen Haaren und Engelsflügeln aus puderfarbenen Federn. „Einen Versuch ist es wert!“, dachte ich, und schon starteten wir den Computer. Während er beim Hochfahren leise summte, warf ich mich schon mal in Pose und lief im Zimmer auf und ab wie bei einer richtigen Modenschau, hielt nach einem Hin und Her quer durchs Zimmer kurz an, um mit der Hüfte einzuknicken und die Haare kunstvoll zur Seite zu schütteln. Wenig später wiederholte ich es wieder und wieder, nur dass ich diesmal dabei gefilmt wurde für das Bewerbungsvideo. Auf der Seite des Senders stand ja, ich sollte meine Qualitäten als Model zeigen. Das machte ich sehr eindrucksvoll. Zusätzlich sollte ich mich noch mit ein paar Eckdaten vorstellen und die inzwischen berühmte Frage aus der Sendung beantworten, warum ich glaubte, Germany’s Next Topmodel werden zu können. Ich musste immer wieder abbrechen, weil ich meine Schüchternheit ständig mit einem albernen Lachen überspielte. Für gewöhnlich brachte ich in solchen Situationen nämlich kein Wort raus. Sobald ich vor meiner Klasse sprechen sollte oder vor Menschen, die ich nicht kannte, stockte mir der Atem, und der Angstschweiß lief mir den Rücken runter. Bereits Tage, bevor ich ein Referat halten sollte, wälzte ich mich nachts in meinem Bett hin und her, und meine Gedanken fuhren Karussell. Ständig hatte ich Angst, etwas Dummes zu sagen. Bevor das passierte, sagte ich lieber gar nichts. Und nun sollte ich vor Menschen sprechen, die ich noch nicht einmal kannte? Die irgendwo zusammensitzen und mich auslachen würden, wenn sie das Video sähen? Meine Freundin redete mir gut zu. Ich solle mir einfach vorstellen, ich spräche zu meiner Familie. Vor der war mir nichts peinlich. Und auf einmal plapperte ich los, redete mich um Kopf und Kragen, und bevor ich es mir anders überlegen konnte, luden wir alles in einer Mail an die Redaktion hoch. Ich hörte noch ein kurzes Rauschen, als sie losgeschickt wurde, und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Dann war es passiert. Ich atmete laut aus, und in diesem Moment hatte ich nur noch einen Wunsch: dass es klappt. Dass ich bald Heidi Klum gegenüberstehen, mit ihr nach Los Angeles reisen und in einem Schlauchkleid in der gerade geübten Pose, mit eingeknickter Hüfte und leicht zur Seite gedrehtem Kopf auf dem Cover der Zeitschrift Cosmopolitan überall in Deutschland zu sehen sein würde.

Doch zuallererst musste ich irgendwie meine blöde Schüchternheit überwinden.

Und vor allem anderen musste ich ja noch angenommen werden. Ich wurde von Tag zu Tag ungeduldiger und rief wieder und wieder in der Pro-7-Redaktion an, um sicherzugehen, dass meine Bewerbung auch wirklich eingegangen war. Ich wünschte mir sehnsüchtig, dass es wirklich so kommen würde, wie ich es mir ausgemalt hatte, als mich eine Redakteurin am Telefon irgendwann halb genervt, halb amüsiert bat, BITTE NICHT MEHR ANZURUFEN, DENN JA, MEINE BEWERBUNG LIEGE VOR, UND MAN MELDE SICH BEI MIR. Damals war ich mir sicher, dass ich es mir durch meine Aufdringlichkeit verscherzt hatte und dass ich nie von ihnen hören würde. Doch dann kam die Einladung und mit ihr plötzlich der Zweifel: Will ich das wirklich? Bin ich schön genug, hier mitzumachen?

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