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Die systemischen Mastzellaktivierungserkrankungen (MCAD)
Оглавление«Fast alle Patienten haben bereits stapelweise Untersuchungsbefunde. Und praktisch alle wurden auch schon zum Psychiater geschickt.«
– Professor Dr. Gerhard J. Molderings, Universität Bonn –
Wenn die Mastzellen ohne eine IgE-Beteiligung reagieren, sprechen wir von einer Pseudoallergie. Diese erkennt man an niedrigen IgE-Werten bei einer Laboruntersuchung und an einem negativen Pricktest. Eine Pseudoallergie, die den gesamten Organismus betrifft, heißt Mastzellaktivierungserkrankung.
Systemische Mastzellerkrankungen (Mast Cell Activation Disease) spielen in den differentialdiagnostischen Überlegungen der meisten Therapeuten, Ärzte sowie Heilpraktiker leider immer noch keine Rolle. Wissenschaftler schätzen, dass bis zu 17 Prozent der deutschen Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer systemischen Mastzellerkrankung leidet. Wir beschäftigen uns hier mit den beiden häufigsten MCAD-Formen, mit den Mastozytosen und dem systemischen Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS).
Mastozytosen
Die Mastozytosen sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen sich die Mastzellen unkontrolliert vermehren, atypische Formen annehmen und auch oft in ihrer Aktivität erhöht sind. Bei 80 Prozent der Betroffenen lässt sich eine Punktmutation im c-KIT-Gen nachweisen. Dies hat eine erhöhte Aktivität und einen verzögerten natürlichen Zelltod von Mastzellen zur Folge sowie eine ständige oder schubweise nicht zielgerichtete Freisetzung von Mastzellmediatoren, auch Histamin, zur Folge. Die Mastozytosen werden mit einer Krankheitshäufigkeit von 1 zu 300.000 beschrieben und zählen damit zu den seltenen Erkrankungen.
Am häufigsten sind die kutanen Mastozytosen (Urticaria pigmentosa), die im Kindesalter auftreten und auch spontan ausheilen können. Hierbei treten in der Regel schubförmig typische Hautveränderungen mit erhabenen rötlichen, oft zusammenlaufenden Flecken, Juckreiz und Quaddelbildung auf.
Daneben gibt es auch die systemische Mastozytose, bei denen sich in Gewebe- und Organzellen, wie Leber und Milz, Mastzellen vermehren und es dadurch zu einem Anstieg von Histamin und anderen Mediatoren kommt. Es gibt noch zahlreiche Unter- und Sonderformen, auf die wir hier aber nicht näher eingehen können.
Die Symptome der systemischen Mastozytose sind sehr vielfältig und können auch in ihrem Erscheinungsbild und ihrer Ausprägung stark variieren, was diese Erkrankung so schwer abgrenzen lässt:
• Quaddelbildung auf der Haut
• starke Allergien mit Anaphylaxie, typischerweise auch Wespenallergie
• Magen- und Darmbeschwerden
• Knochen- und Muskelschmerzen
• Erschöpfung und Abgeschlagenheit
Im Jahr 2000 hat die WHO die Mastozytosen in den ICD-10 Katalog, die internationale statistische Klassifikation von Krankheiten und dazugehörigen Beschwerden, (Englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) aufgenommen und somit als Krankheit offiziell anerkannt. Zur Sicherung der Diagnose sind Gentests und Biopsien von Organen sowie vom Knochenmark erforderlich. Diese werden von spezialisierten Zentren, wie zum Beispiel an der Universität Leipzig oder an der Charité in Berlin, vorgenommen. Die WHO-Kriterien für die systemische Mastozytose werden in Haupt- und Nebenkriterien eingeteilt. Für die Diagnose einer systemischen Mastozytose müssen entweder das Hauptkriterium und mindestens ein Nebenkriterium oder mindestens drei der Nebenkriterien erfüllt sein.
Hauptkriterium:
• der Nachweis von multifokalen, dichten Mastzelleninfiltraten durch eine Knochenmarkbiopsie oder durch Biopsien aus anderen Organen außer der Haut
Nebenkriterien:
• ein Anteil atypischer Mastzellen von mehr als 25 Prozent der Mastzellen im Knochenmarkausstrich oder in anderen Organen
• eine c-Kit-D816 Punktmutation in Mastzellen aus dem Knochenmark oder anderen Organen als der Haut
• eine Exprimierung der Antigene CD2 oder CD25 durch Mastzellen aus dem Knochenmark oder anderen Organen als der Haut
• ein dauerhaft erhöhter Spiegel der Serum-Tryptase von mehr als 20 ng/ml im Blutserum
Systemische Mastozytosen gelten derzeit als noch nicht heilbar, aber gut behandelbar.
Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS)
Im Gegensatz zur Mastozytose finden wir beim Mastzellaktivierungssyndrom (engl. Mast Cell Activation Syndrome) in der Regel keine Veränderung der Mastzellen selbst, sondern hochsensible, hyperreagible Mastzellen. Auf viele alltägliche Reize wie Wärme, Kälte, Stress kann es zu einer nicht zielgerichteten, chaotischen Freisetzung von Histamin und anderen Mediatoren aus diesen Mastzellen kommen.
Die Symptome der MCAS (sprich: Em-Kas) sind sehr vielfältig und können den gesamten Organismus betreffen. Manchmal treten sie aber auch nur in bestimmten Organen auf, etwa im zentralen Nervensystem (ZNS). Zudem sind die Symptome stark schwankend in ihrer Intensität und ihrem zeitlichen Auftreten. So kann es sein, dass Betroffenen monatelang symptomfrei sind und plötzlich anfallsartig eine Vielzahl von Symptomen haben, die scheinbar ohne Zusammenhang auftreten und denen der systemischen Mastozytose sehr ähneln:
• Blutdruckabfall
• Herzrasen
• Schwindel
• Synkopen (Kollaps)
• Hauterscheinungen (Urtikaria)
• Atemnot
• starke Erschöpfung
• unspezifische Schmerzen
• Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe
• Angst- und Panikattacken