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Kapitel 4

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Viel geschlafen hatte Julia in dieser Nacht auch nicht. Immer wieder hatte sie an den herrlichen Kuss denken müssen und daran, wie Marcos sie angesehen hatte. Kein Wunder also, dass sie nun am Morgen hundemüde war und völlig verschlafen am Tisch im Speisesaal saß. Gedankenverloren schlürfte sie ihren Tee und ließ ihren Blick durch den Raum wandern, bis sie Marcos mit einem Mal im hinteren Teil des Raumes erblickte. Er sprach mit einer weiteren Angestellten des Hotels. Die Frau war ein paar Jahre älter als er und Julia fragte sich, ob das wohlmöglich seine Mutter war. Als hätte er ihren Blick gespürt, sah er auf und in ihre Richtung. Sein Mund verzog sich sofort zu einem Lächeln als er sie sah, und er winkte ihr kurz zu. Julias Herz machte augenblicklich einen Satz. Sie erwiderte sein Lächeln und winkte zaghaft zurück. Sie hoffe, dass ihre Familie nichts davon mitbekommen hatte, aber ein Seitenblick auf ihre Mutter genügte, um die Antwort bereits zu kennen. Sie beobachtete ihre älteste Tochter sehr genau und grinste sie nun amüsiert an.

„Er ist ein gutaussehender Junge, nicht?“, sagte ihre Mutter leise, als Julia sich an den Tisch setzte.

„Äh…“ Julia befürchte, wieder einmal rot zu werden. „Ich weiß nicht… ähm, ja kann sein.“

Claudia begann zu kichern. „Ja, Julia steht total auf ihn.“

Na toll, warum nur konnte ihre Schwester nicht einmal die Klappe halten? Nun war sie definitiv rot geworden.

„Quatsch.“

„Doch tust du. Hast du dich gestern Abend nicht mit ihm getroffen, als du mir nicht sagen wolltest, wo du hingehst?“

„Ähm…“, machte Julia bloß und sah ihre Eltern erschreckt an. Auch ihr Vater war nun neugierig geworden und sah auf. Drei Augenpaare ruhten auf ihr. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum.

„Nun?“ Ihr Vater wartete tatsächlich auf eine Antwort.

„Ja, wir haben uns kurz getroffen. Er ist sehr nett, wir haben uns unterhalten.“

„Oh, kann er denn deutsch?“

„Ja, sehr gut sogar und… ach Paps, sieh mich nicht so an. Er ist wirklich sehr nett, mehr nicht.“

„Mmh, na gut. Aber sei vorsichtig.“

„Ja, bin ich.“

Damit war das Gespräch glücklicherweise vorbei, und Julia hätte ihrer Schwester am liebsten in ihr höhnisch grinsendes Gesicht geschlagen. Sie hatte gehofft, dass Claudia nur ein einziges Mal ihren vorlauten Schnabel halten und ihr ein bisschen Rückendeckung geben würde. Wahrscheinlich wollte sie ihr damit eins auswischen, weil sie Claudia aus ihrem Leben ausschloss. Doch wie sollte sie ihr auch trauen, wenn sie sie jedes Mal auffliegen ließ, wenn sie mal etwas ohne die Erlaubnis ihrer Eltern tat. Na gut, jetzt hatte sie immerhin mehr oder weniger die Erlaubnis ihrer Eltern, Marcos weiterhin zu treffen, auch wenn sie ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Und von dem Kuss würde sie ganz sicher nichts erzählen. Sie schob ihren Stuhl zurück und machte sie auf zum Frühstücksbuffet, so langsam bekam sie jetzt Hunger. Sie füllte eine Schüssel mit Müsli, als Marcos plötzlich hinter ihr auftauchte.

„Guten Morgen.“ Sie sah sich leicht erschreckt nach ihm um und sah direkt in seine braunen Augen. Ihr Herz begann zu rasen.

„Guten Morgen“, sagte sie leise und er lächelte sie an.

„Wie geht es dir heute Morgen?“

„Gut, danke“, sagte sie.

„Treffen wir uns heute Abend wieder nach meinem Feierabend am Strand?“

„Ja, gerne.“

„Ich freue mich“, sagte er und strich unauffällig mit den Fingern über ihre Handfläche. Ein warmer Schauer durchzog sie. Sie sah sich unsicher um. Sie war sich ziemlich sicher, dass niemand der hier Anwesenden die Berührung gesehen haben konnte und doch glaubte sie, dass jeder hier im Raum es ihr einfach ansehen musste.

Am Nachmittag machte Julia sich auf ins Hotelzimmer. Die Sonne hatte an diesem Tag unermüdlich geschienen und ihre Schultern waren feuerrot und schmerzten. Sie hatte sich einen ordentlichen Sonnenbrand zugezogen und dass, obwohl sie schon seit ein paar Tagen hier waren. Sie hatte das Eincremen an diesem Tag jedoch ein wenig außer Acht gelassen und schließlich hatte sich nach dem Mittag die Müdigkeit nun endgültig in ihr breit gemacht. Somit war sie mit dem Buch in der Hand eingeschlafen und war sofort dafür bestraft worden.

Sie hängte sich beim Gehen ein Handtuch über die schmerzenden Schultern und im selben Augenblick packte sie jemand an der Hand und zog sie hinter einen Palmenbusch. Erschrocken schrie sie auf, doch sofort wurde ihr der Mund mit der Hand verschlossen.

„Psst, entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken.“

Erst jetzt sah sie auf und blickte in das grinsende Gesicht von Marcos. Spielerisch haute sie ihm auf die Finger, doch sie konnte ein Lächeln nicht verbergen.

„Hey, was fällt dir ein?“

„Tut mir ehrlich leid, aber ich konnte nicht bis heute Abend warten“, sagte er und gab ihr einen Kuss. Bei der Berührung seiner Lippen auf den ihren wurde ihr noch heißer als ihr ohnehin schon war. Sie hätte nicht gedacht, dass es noch eine Steigerung geben konnte. Doch der Kuss endete so abrupt, dass sie ihn gar nicht richtig genießen konnte. Sie öffnete die Augen und sah Marcos fragend an.

„Sorry, meine Mutter ruft mich. Ich muss gehen.“

„Äh…“, war alles, was sie herausbrachte. Sie sah ihm hinterher, wie er davoneilte. Jetzt vernahm sie auch die aufgebrachte Stimme seiner Mutter, die nach ihm rief. Großer Gott, hatte seine Mutter etwas mitbekommen? Sie beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Seufzend setzte sie ihren Weg fort in ihr Hotelzimmer. Sie musste dringend aus der Sonne raus, ehe sie noch verglühte, sowohl innerlich als auch äußerlich.

Am Abend spannten ihre Schultern noch immer ein wenig, doch der pochende Schmerz hatte etwas nachgelassen, nachdem sie eine halbe Ewigkeit unter der kalten Dusche gestanden hatte. Als sie diesmal zu ihrem verabredeten Treffpunkt am Strand ankam, war Marcos noch nicht da. Doch als er wenige Augenblicke später auftauchte, machte ihr Herz erneut einen Satz. Er riss sie auch sofort in seine Arme und sie küssten sich leidenschaftlich und in Julia machte sich das Gefühl breit, den Richtigen gefunden zu haben. Leider war er hier in Puerto Rico zuhause, und sie würde in zwei Wochen wieder abreisen. Doch darüber wollte sie sich jetzt noch keine Gedanken machen.

Dieses Mal gingen sie nur am Strand spazieren, und später saßen sie ewig lange dicht aneinandergekuschelt am Strand und erzählten sich Geschichten aus ihrer jeweiligen Leben. Ihre Lebensweisen und Einstellungen zum Leben konnten kaum unterschiedlicher sein und doch fühlte sich so unglaublich zu Marcos hingezogen. Was passierte nur mit ihr? Diese Gefühle waren völlig neu für sie. Es fiel ihr unglaublich schwer, sich am späten Abend von Marcos zu verabschieden, doch sie hatte ihren Eltern versprochen, spätestens um Mitternacht zurück zu sein. Sie wollte sich an deren Regeln halten, zu groß war ihre Sorge, dass sie ihr sonst die Treffen mit Marcos verbieten würden, und dieses Risiko wollte sie auf keinen Fall eingehen.

Die nächsten Tage erschienen Julia wie im Traum. Die Abende verbrachte sie mit Marcos und wann immer sie sich auf dem Hotelgelände über den Weg liefen, hatten sie Schwierigkeiten, die Finger voneinander zu lassen. Das Versteckspiel fiel ihnen von Tag zu Tag schwerer, vor allem aber auch, weil ihre Schwester nicht locker ließ und sie jeden Abend löcherte, was mit Marcos lief. Und umso mehr Julia beteuerte, sie wären nur gute Freunde, desto misstrauischer wurde sie. Ständig schlich sie hinter Julia her und so war es kein Wunder, dass sie schließlich ihre große Schwester mit Marco ertappte, wie sie sich im hinteren Bereich des Hotels zwischen den stinkenden Mülltonnen aneinanderdrängten und sich gegenseitig die Zungen in den Hals steckten. Sie hatte angefangen zu lachen und die beiden waren erschrocken auseinander gefahren.

„Hab ich es doch gewusst.“

„Was hast du gewusst?“, fragte Julia mit warnendem Ton.

„Na, das ihr beiden zusammen seid. Ich bin gespannt, was unsere Eltern dazu sagen.“

„Ich warne dich! Halt die Klappe, nur ein einziges Mal in deinem Leben.“

„Warum?“

„Weil ich darum bitte. Marcos könnte richtig Ärger bekommen, wenn das hier herauskommt. Also bitte bitte, sag niemanden etwas.“

Claudia schien zu überlegen, doch erst als Marcos die Bitte wiederholte, lenkte sie doch ein.

„Na, gut. Aber von jetzt an will ich, dass du mich nicht mehr für Dumm verkaufst. Ich habe von Anfang an gewusst, dass da mehr ist und ich will, dass du mir alle Einzelheiten berichtest.“

„Uff, na gut, wenn es sein muss“, lenkte Julia schließlich ein. Sie würde ihrer Schwester mit Sicherheit nicht in alle Details einweihen, aber etwas würde sie ihr schon sagen können. Vielleicht war es sogar ganz gut, mit jemanden darüber reden zu können. Über die unbekannten und völlig neuen Gefühle, über das Glück das sie empfand und vielleicht auch über ihre Ängste. Denn ob sie wollte oder nicht, in nicht einmal mehr zwei Wochen würde sie abreisen müssen, und was das in ihr ausrichten würde, wusste sie nicht. Sie wollte auch jetzt noch nicht darüber nachdenken.

Claudia hielt ihr Wort und verriet nichts. Am Abend als sie bereits in ihren Betten lagen, musste Julia ihr dann erzählen, wie das mit Marcos passiert war. Sie hatte recht behalten, es hatte gut getan mit jemanden darüber zu reden, und abgesehen von den Schwierigkeiten die die Schwestern zur Zeit hatten, war Claudia eine gute Zuhörerin.

Doch auch wenn Claudia ihren Mund hielt, blieb die heimliche Liebelei nicht für alle verborgen. Sie hatte ständig das Gefühl, dass auch seine Eltern ihr immer wieder besorgte Blicke zuwarfen. Sie waren immer freundlich zu ihr und grüßten sie herzlich, aber Julia wurde das Gefühl nicht los, dass sie mehr über sie und Marcos wussten.

Auch seine Schwester Lucia lernte sie kennen, und ihr brauchten die beiden auch nichts vorzumachen. Lucia hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihrem zwei Jahre älteren Bruder und somit war das Versteckspiel ihr gegenüber völlig zwecklos. Lucia machte keinen Hehl daraus, dass sie das Verhältnis der beiden nicht guthieß. Sie befürchtete, dass das Geturtel der beiden irgendwann auffliegen und ihre gesamte Familie in Schwierigkeiten bringen würde. Sie erinnerte ihren Bruder auch in Julias Beisein an das Verbot, mit Hotelgästen anzubändeln. Dennoch war Lucia sehr herzlich zu ihr, und Julia mochte sie, trotz ihrer offenen Worte. Lucia sagte immer was sie dachte, was nicht unbedingt eine schlechte Eigenschaft war, fand Julia. Lucia war zwar zudem um einiges verrückter als ihr Bruder, doch die offene und herzliche Art seiner Schwester gefiel ihr.

Letztendlich war wichtig, dass niemand vom Hotelpersonal, und ganz besonders der Hoteldirektor, nichts von ihrer Beziehung wussten. Dass ihre Eltern etwas ahnten, war Julia klar. Schließlich traf sie sich jeden Abend mit ihm und sie suchten immer wieder Blickkontakt, wenn sie sich im Hotel begegneten. Ihre Eltern waren schließlich nicht blöd, und gerade ihre Mutter war sehr aufmerksam. Bisher hatte sie jedoch nichts gesagt und nur still in sich hineingelächelt, doch gegen Ende der Woche suchte sie das Gespräch mit Julia. Sie kam in ihr Zimmer als Julia sich gerade umzog und für den Abend mit Marcos zurechtmachte. Sie setzte sich auf das Bett und sah Julia eine Weile lächelnd zu, wie diese diverse Klamotten aus ihren Schrank riss, anzog und schließlich doch wieder in den Schrank stopfte. Julia wünschte sie hätte mehr schöne Sachen mitgenommen, statt ihren kurzen Shorts und T-Shirts. Sie hatte nur ein einziges Sommerkleid dabei, und das hatte sie schon zweimal getragen.

„Du siehst wunderschön aus, und er wird das auch so finden, egal war du anhast“, sagte ihre Mutter schließlich. Julia drehte sich zu ihrer Mutter um und wollte erst protestieren und sagen, dass sie sich nicht für ihn schön machte. Doch wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Sie seufzte und setzte sich neben ihre Mutter aufs Bett.

„Meinst du?“

„Natürlich. Als wir hier angekommen sind hattest du diese grässliche kurze Short mit den Löchern auf dem Oberschenkel an und dieses neongelbe T-Shirt und er war trotzdem hingerissen von dir.“

Verdammt, hatte ihre Mutter es etwa auch bemerkt? Julia errötete bei dem Gedanken an ihre erste Begegnung.

„Du magst ihn sehr, oder?“

Julia nickte und wagte nicht ihrer Mutter dabei in die Augen zu sehen.

„Behandelt er dich gut?“

Nun sah sie ihre Mutter an. „Ja, er ist sehr nett. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

„Na, dann ist es ja gut. Und, küsst er gut?“

„Mama“, sagte sie empört. Verdammt, was würde jetzt kommen, das Aufklärungsgespräch? Nein, das konnte nicht sein. Das hatte sie schon vor einiger Zeit mit ihrer Mutter besprochen und sie war sich sicher, dass ihre Mutter ihr in dieser Hinsicht vertraute. Doch als sie aufblickte und in das grinsende Gesicht ihrer Mutter sah, musste sie auch lächeln. „Ja… ja, er küsst gut.“

„Sieh dich trotzdem vor, Kind. Genieß die Zeit mit ihm, aber verlier dich nicht in ihm. Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst.“

„Nein, das werde ich schon nicht. Ich bin einfach gerne mit ihm zusammen, dass ist alles. Du wirst sehen, wenn wir abreisen, werde ich nicht weinen.“ Mist, was redete sie denn da? Glaubte sie das etwa wirklich, was sie gerade sagte? Egal, sie wollte jetzt nicht länger darüber nachdenken. Sie musste sich beeilen, wenn sie nicht zu spät zu ihrer Verabredung kommen wollte. Sie stand auf, gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und sagte:

„Mach die keine Sorgen, Mama. Alles wird gut.“

Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Zimmer, und ihre Mutter hoffte, dass Julia recht behalten würde. Denn sie selbst glaubte nicht wirklich daran, dass es ihrer Tochter leicht fallen würde, Marcos einfach so Lebewohl zu sagen. Sie war nämlich ihrer Meinung nach auf dem besten Wege, sich in den schönen Puerto Ricaner zu verlieben und Julia hatte keine Ahnung, wie weh es tun würde, wenn man verliebt war und diese Liebe auseinanderbrach. Bisher hatte sie nur von ein oder zwei Jungen gesprochen, die ihr gefielen und mit den sie sich vielleicht auch schon mal geküsst hatte. Aber eine ernste Beziehung hatte es noch nicht in dem Leben ihrer Tochter gegeben, und wirklich verliebt war sie auch noch nie gewesen, da war sich ihre Mutter ziemlich sicher.

Verlorene Liebe

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