Читать книгу Sarah (eBook) - Scott McClanahan - Страница 16

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Etwa um diese Zeit herum sagte Sarah, dass sie sich scheiden lassen wollte. Als sie nach mir rief, dachte ich, dass es vielleicht um Sex ginge.

Ich kam die Treppen hoch und sagte: »Willst du Sex haben?«

Sarah schüttelte ihren Kopf und sagte: »Nein, das ist keine gute Idee. Abgesehen davon nehme ich die Pille nicht mehr.«

Sarah setzte sich aufs schmale Sofa, und ich reichte ihr das Baby, das ich gerade mit der Flasche gefüttert hatte. Sam schlief.

Ich sagte: »Oh, mach dir keine Sorgen. Wir können ruhig miteinander ins Bett gehen. Sam schläft jetzt ja.«

Sarah sagte, sie mache sich keine Sorgen übers Schwangerwerden. Sie sagte: »Ich will die Scheidung.«

Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.

Ich dachte, ich hätte sie sagen gehört: »Ich will die Scheidung, Scott.«

Dann begriff ich, dass sie »Ich will die Scheidung, Scott« gesagt hatte. Sie sagte: »Die letzten paar Male, wo wir gestritten haben, hast du gesagt, dass ich schon seit Jahren einen Ausweg aus der Beziehung suche.« Sie schluchzte. »Aber die Wahrheit ist – ich hab tatsächlich seit Jahren versucht, in dieser Beziehung zu bleiben.«

Ich saß auf der Couch und schaute ihr beim Weinen zu und dachte: Ich frage mich, ob sie sich nur wegen dem Spitznamen scheiden lassen will. Etwa einen Monat zuvor hatte Sarah zu mir gesagt: »Ich hätte gern einen Spitznamen. Ich hab nie einen gehabt. Aber ich hätte gern einen. Irgend so was Niedliches wie Cee Cee oder Sissy oder so.« Ich sagte, ich wüsste einen Spitznamen für sie. Elch. Und ich fing an, sie so zu nennen.

»Das ist nicht mein Name«, sagte sie.

»Muss jeder selber wissen, Elch«, sagte ich.

So ging das ein paar Wochen. Sarah begann sogar, ein wenig mitzuspielen. Eines Tages hinterließ sie mir eine Nachricht: Bin Einkaufen mit den Kids. Komme bald zurück. xxx Elch.

Ich dachte daran, sie zu fragen, ob sie sich wegen dem Elchspitznamen scheiden lassen wollte. Aber dann ließ ich es sein.

Ich entschied mich für etwas anderes. Ich versuchte, bemitleidens­wert auszusehen. Also ein enttäuschtes und verwirrtes Gesicht zu machen. Ich schaute nach, ob das irgendwie dabei half, sie umzustimmen. Ich blickte zu Boden und dann blickte ich bemitleidenswert drein. Ich blickte zur Wand. Ich blickte verwirrt und verängstigt drein. Dann fragte ich sie, ob sie sich immer noch scheiden lassen wollte. Ich studierte meine eigenen Hände und gab einen bemitleidenswerten Anblick. Ich legte meinen Kopf in die Hände und versuchte, zugleich enttäuscht und armselig und verwirrt auszusehen. Aber Sarah sah immer noch nicht aus, als hätte sie das umstimmen können. Ich musste etwas anderes versuchen.

Also redete ich mit ihr. Ich sprang zu ihr aufs Sofa und setzte mich neben sie. Sie hielt Sam, der immer noch schlief. Ich tätschelte ihren Rücken, und sie sagte immer wieder: »Du weißt, dass das nichts bringt. Das bringt nichts.« Ich tätschelte weiter auf ihrem Rücken herum, als wäre sie ein Baby, das ich zum Bäuerchenmachen bringen wollte, und dann sagte ich zu ihr, sie hätte doch erst vor ganz kurzer Zeit ein Baby bekommen. Und ich sagte ihr, sie sei nach der Geburt des ersten gleich wieder schwanger geworden.

Ich sagte: »Das macht zwei Babys in drei Jahren.« Ich sagte, sie sei vielleicht einfach deprimiert. So von den Hormonen her, die bei so was durcheinanderkommen. Vielleicht war alles nur so eine postpartale Sache.

Sarahs Augen weiteten sich verärgert.

Sie wiegte Sam und sagte: »Warum muss jedes Mal, wenn eine Frau sagt, wie sie sich fühlt, irgendein Mann sofort losplappern, dass ihre Hormone durcheinander sind und dass sie postpartale Depressionen hat? Was weißt du schon über postpartale Depression, hm, Fettsack?«

Fettsack. Ich rutschte weg von ihr, ans Ende der Couch und fing an zu heulen wie ein kleines Kind. Ich musste an Chicken Wings denken. Ich wollte am liebsten die ganze Welt als fettes Mädchen beschimpfen. Ich sagte, ja, ich wüsste schon, wie sehr Sarah mein Äußeres und meine Lebensweise abstoßen würden. Ich lehnte mich vor, wie um mich für den Aufprall eines Flugzeugs vorzubeugen, und ich heulte auf diese hyperventilierende Weise, bis ich überhaupt keine Luft mehr bekam. Sarah saß einfach da, hielt Sam im Arm und sagte: »Jetzt beruhig dich mal. Beruhig dich. Ist ja schon gut.« Aber es war nicht gut. Ich heulte und versuchte, zu Atem zu kommen. Sarah sagte: »Beruhig dich. Alles gut.« Ich versuchte immer noch, zu Atem zu kommen. Und Sarah sagte, ich solle mich beruhigen. Beruhig dich. Also schlug ich mir selbst ins Gesicht, wie ich es immer machte, wenn die Dinge überhandnahmen, und ich fühlte, wie meine Wange brannte, und dann schlug ich noch mal zu. Sarah schrie: »Scott, bitte!« Und ich schluchzte und heulte wie ein kleines Gör und sagte: »Und du sitzt einfach da und denkst nicht daran, mich zu trösten.«

Sarah verdrehte die Augen. Sie sagte: »Scott, ich hab ein Baby im Arm.« Dann nannte sie mich Bubs. Mein Kosename. Bubby. Ich flüsterte: »Ausreden. Ausreden.« Meine Nase war ganz nass und auch die Haut über meiner Lippe war nass.

Die Nässe kitzelte ein wenig. Sarah sagte: »Scott, dir läuft da Rotz auf die Couch.« Es stimmte. Ich schaute nach unten, und da waren Rotzfäden auf meinem Handrücken, wie ein Spinnennetz in den Härchen. Und auch auf der Couch war Rotz, ein Schmierfleck auf den Polstern. Sarah versuchte, mich zu beruhigen. Sie sprach in ihrer Mutterstimme. »Du weißt doch genauso wie ich, dass irgendwas falsch läuft.«

Ich stand auf und sagte: »Okay.« Dann setzte ich mich wieder hin und sagte: »Also wenn du unglücklich bist. Du bist unglücklich.« Ich fragte, ob es einen anderen Mann gebe, und sie sagte Nein. Dann sagte ich, dass sie im Fall einer Scheidung ein paar Bedingungen zustimmen müsse. 1) »Ich will nicht, dass ein anderer Mann meine Kinder aufzieht«, und 2) »Bitte zieh nicht irgendwohin weit weg. Bitte.« Und ich begann wieder zu heulen und fragte sie, ob sie mich je geliebt hätte. Nun waren auch in ihren Augen Tränen und sie zeigte auf Sam und dann auf Iris, die im Korridor spielte. Ich stand auf und verkündete, dass ich die Nacht woanders verbringen würde. Ich nahm meine Schlüssel und hielt sie in der Hand und ließ sie hin- und herbaumeln. Ich machte ein paar Schritte in Richtung Haustür, aber dann fiel ich wieder vor ihr auf die Knie und rutschte auf meinen Knie-Stummelfüßen auf sie zu. Ich hatte meine Hände wie zum Gebet gefaltet und flehte sie an.

»Bitte«, sagte ich. »Bitte.«

»Nein«, sagte sie. »Nein.«

Ich versprach ihr, mich zu bessern. Ich würde mit dem Alkohol aufhören und besser auf mich achten, und auch so Dummheiten, wie jeden Abend allein Chicken Wings in mich reinschaufeln, würde ich lassen, und wirklich keinen Alkohol mehr trinken, und wir würden wieder wie eine Familie zusammen essen. Ich versprach, in Therapie zu gehen. »Bitte Sarah«, sagte ich, »bitte Sarah bitte.« Aber Sarah sagte Nein.

Sie sagte: »Jahrelang hab ich versucht, dich zur Therapie zu überreden. Auch mit dem Alkohol aufzuhören, seit Jahren. Und dieser ganze Missbrauchsscheiß, der in deiner Kindheit passiert ist.«

Also standen wir uns gegenüber und starrten, und im Zimmer war es ganz still und unsere Gesichter sagten traurige Dinge.

Ich rutschte von ihr weg und stand auf und sagte Auf Wiedersehen. Ich schaute sie an und wollte noch irgendwas Einprägsames sagen. Das Wahrste, was ich je zu ihr gesagt hatte. Ich wollte etwas sagen, das ihre Meinung ändern und sie dazu bringen würde, sich zu erinnern, wer wir waren, aber das Einzige, was mir einfiel, war: »Sicher, dass du nicht mit mir schlafen willst?«

Ich fügte hinzu: »Also, du weißt schon, so auf die alten Zeiten oder so. Noch einen mit auf den Weg.« Sie lächelte und ich lächelte auch und dann sagte sie, nein, das sei keine gute Idee. Ich sagte: »Okay, aber denk zumindest darüber nach.« Sarah sagte, okay, sie würde darüber nachdenken, wenn ich im Gegenzug versprach, mich nicht umzubringen. Wir standen beide lächelnd da. Das war doch schon mal was. Sarah würde möglicherweise mit mir ins Bett gehen, wenn ich ihr versprach, mich nicht umzubringen.

An diesem Tag verließ ich unser Haus und fuhr zu Walmart. Ich hatte mich entschieden, in meinem Auto zu übernachten und außerdem all die Dinge zu tun, die ich nicht tun konnte, wenn Sarah zu Hause war. Ich betrat den Walmart und kaufte Bier. Ich kaufte Chicken Wings. Dann kaufte ich noch weitere Lebensmittel und ging zurück auf den Parkplatz und setzte mich ins Auto. Ich sagte: »Könnte eigentlich schlimmer sein.« Ich machte eine Bierdose auf und trank sie in einem Zug aus. Ich spürte den bitteren Schaum im Mund, dann kam die kalte Flüssigkeit. Ich öffnete eine zweite Dose und trank auch die. Ich schaute mir Pornos auf dem Handy an und masturbierte. Ich fragte mich, ob die Überwachungskameras des Parkplatzes mich sehen konnten, aber dann war mir das egal. Ich hatte nichts, um mich abzuwischen, also verwendete ich eine der Babywindeln, die am Vordersitz lag. Ich trank noch ein Bier und zerdrückte die Dose und warf sie auf den Boden, wo sie sich zu ihren Geschwistern gesellte. Hier entstand der kleine Haufen einer glänzenden Dosenfamilie.

Ich öffnete den Karton mit den Chicken Wings und zog einen heraus. Ich hielt den Hühnerflügel verkehrt herum, opossum style, und steckte ihn mir in den Mund. Ich zog die Haut herunter und kaute und schluckte und fühlte, wie ich fetter und fetter wurde, und auch die Welt wurde fetter. Ich nagte das Fleisch vom Hühnerknochen, und die Sauce brannte auf den Lippen und in den Mundwinkeln.

Ich begann ein Gespräch mit den Chicken Wings, als wären sie noch am Leben. Ich fragte, was die Zukunft für mich bereithielt.

Und die Chicken Wings lachten und flüsterten nur ein Wort: »Schmerzen.«

Ich fragte die Chicken Wings, was die Zukunft für uns alle bereithielt. Für dich.

Und sie lachten nur und flüsterten: »Schmerzen.«

Und sie lachten einfach weiter wie lauter Wahnsinnige und dann sagten sie, dass ich ab jetzt meinen Verstand verlieren würde. Dass ich mir jeden Tag wünschen würde, ich wäre tot, und dass es sogar recht wahrscheinlich wäre, dass ich das Ganze nicht überleben würde. Sie sagten, nun beginne der schlimmste Abschnitt meines Lebens. Sie sagten, der Planet Erde sei ohnehin am Krepieren und das Ende sei nahe und das sei der Tag der Abrechnung. Globale Erwärmung und der Tag der Abrechnung. Sie sagten, die Menschenwesen seien Geschichte, ab jetzt würden die Chicken Wings übernehmen. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und grinste und sagte: »Klingt wie eine echt schöne Zeit. Klingt richtig lustig.«

Sarah (eBook)

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