Читать книгу Das Israfil-Komplott - Sean D. McCarthy - Страница 13
Kapitel 11 Mittwoch, 2. November 1977 Hardthöhe, Bonn
ОглавлениеPünktlich zu Dienstbeginn an diesem nebligen Morgen um 7:15 h, betrat Dr. Wolfgang Billardier, seit zwei Jahren Regierungsdirektor und Abteilungsleiter der geheimen Stabsabteilung C12-12 des Deutschen Verteidigungsministeriums in Bonn, einer Abteilung mit neunzehn Mitarbeitern, sein Büro auf der Hardthöhe.
Diese Abteilung, welche so geheim war und ist, dass sie in keiner Organisationskarte des Ministeriums gezeigt oder in keinem Handbuch jemals erwähnt wurde oder wird, hatte damals und hat bis heute Zugriff – jeweils über die Ressortleiter der Verteidigungs- Innen-, Finanz- und Justizministerien – zu der gesamten, gesammelten staatlichen Macht der Bundesrepublik Deutschland.
Die Mitarbeiter dieser Abteilung kommen und kamen allesamt nicht aus der üblichen Hierarchie der deutschen Staatsdiener; sie waren extern angeworben worden.
Deutsche Universitäten, Groß-Industrie, auch mittelständische Unternehmen wurden angezapft und zur Ader gelassen, um die Besten der Besten für diese Abteilung anzuwerben. Ihr Gehalt entsprach niemals Beamtentarifen; jedes Mitglied dieser Abteilung erhält zwischen dem 2- und 4-fachen der normalen, monatlichen Beamtenbesoldung.
Ihre Bezahlung erfolgt aus dem, keiner Kontrolle des Deutschen Bundestages unterworfenen, Etat des Bundeskanzleramtes, Abteilung 6, deren Leiter gleichzeitig Geheimdienst-Koordinator ist.
Der eingeplante, geheime Zuschuss aus dem Bundeshaushalt für diese Abteilung betrug im Jahre 1977 fast 25 Millionen D-Mark, stieg aber in den folgenden Jahren sehr rasch an und betrug im Jahr der Einführung des Euro rund 108 Millionen Euro.
Das gesamte Vorleben eines zukünftigen Mitarbeiters dieser Abteilung wurde zuerst exzessiv durchleuchtet und bei der geringsten Ungereimtheit wurde seine Anwerbung abgebrochen, weiterhin musste er verheiratet und durfte weder homosexuell noch bisexuell sein. Vorstrafen, egal welcher Art, Spiel- oder Trunksucht waren absolute Auschlußkriterien für eine Anwerbung; das gleiche galt für Familienbande von Mitarbeitern in alle Länder des Ostblocks, beider Chinas, von Cuba und beider Koreas.
Mitarbeiter von C12-12 werden nach vierzehn Jahren Dienstjahren – unabhängig von ihrem Alter – in den Ruhestand versetzt.
Denn zu diesem Zeitpunkt beginnen die ersten Ermüdungserscheinungen bei Menschen, welche mehr als ein Jahrzehnt einem ungeheuren Stress unterworfen waren.
Es versteht sich, dass diese Mitarbeiter zu vollen Bezügen in den Ruhestand gehen; es versteht sich auch, dass diese Mitarbeiter während ihrer Dienstzeit und anschließend den Rest ihres Lebens niemals über ihre Tätigkeit reden oder ihre Dienstvorschriften verletzen würden.
Es war erst 21 Jahre später, dass diese Dienstvorschriften erstmalig verletzt wurden.
Dr. Wolfgang Billardier, mit Spitznamen „böser Wolf“ rief an diesem grauen Novembermorgen des Jahres 1977 seine beiden besten Strategen der Abteilung, den Diplom-Mathematiker Dr. Sonnfried Müritz und die wohl hässlichste, aber auch gescheiteste Frau, welche jemals Psychologie studiert hatte, Frau Prof. Dr. Sophie Redder, in sein Büro.
Er war kurz angebunden, denn er fühlte sich das erste Mal in seiner Haut unwohl. Er wusste, dass er lügen sollte, denn ihm war aus dem ihm vorliegenden Geheimpapieren klar, dass sein Auftrag nicht theoretischer Natur, sondern absolut real war.
Nur durfte gemäß diesen Papieren dies niemand seiner Leute auch nur ahnen, geschweige denn wissen.
Er ärgerte sich maßlos über diese Einschränkung, denn wer auch immer diese Einschränkung verfasst hatte, musste wissen, über welch intellektuelle Kaliber seine Abteilung verfügte. Und dass jeder mit dem hier anstehenden Thema in seiner Abteilung ganz schnell auf die Wahrheit kommen würde.
Aber da er eigentlich sich keinem gegenüber verpflichtet sah, außer seinem eigenen Gewissen und seiner Pflichterfüllung, beschloss er, während er auf das Eintreffen seiner beiden Mitarbeiter wartete, diese dümmliche Einschränkung zu ignorieren, seinen Mitarbeitern die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen.
Er fühlte sich sofort besser.
Entgegen den üblichen, deutschen Gepflogenheiten duzte er die Mitarbeiter seiner Abteilung und bestand darauf, auch geduzt zu werden. Seine vergnügte, aber logische Begründung dafür war, und seine Mitarbeiter teilten hier seiner Meinung.
„Was wir alle hier machen ist intensiver und intimer als jeder Sex mit unseren Ehepartnern; und wer siezt schon jemand im Ehebett?“
„Sophie, Sonnfried, ich habe eine Aufgabe für Euch, die unserer Abteilung von unseren Mandarinen gestellt wurde. Eigentlich bin ich angewiesen, Euch dahin gehend zu informieren, dass die Aufgabe hochtheoretisch ist und unsere Abteilung lediglich wieder einmal einer internen Leistungs- und Befähigungsüberprüfung unterworfen werden soll, aber ich pfeife auf diese Anweisung!
Ich will, werde und habe meine Mitarbeiter niemals angelogen. Unser tatsächlicher Auftrag lautet im staatlichen Auftrag unseres Landes, der Bundesrepublik Deutschland, die Tötung von Terroristen zu planen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Unser Land fühlt sich in seinen Grundfesten bedroht und wir sollen vorbeugenden Mord von Terroristen planen und auch durchführen, bevor diese unser Land bedrohendes Unheil anrichten können.
Die einzigen Vorgaben, die ich für unsere Planung aus meinen Unterlagen erkennen kann, sind, dass es offensichtlich ein 3-Mann-Team werden soll, denn der schon festgelegte Code-Namen „Odin und seine Raben Hugin und Munin“ beinhaltet dies.
Es sollen auch keine Soldaten-Typen sein. Aber sie müssen völlig skrupellos sein.
Wenn dies einem von Euch oder gar Beiden gegen den Strich geht, und glaubt mir, auch ich war anfänglich innerlich sehr stark von dieser neuen Gangart verwirrt und unangenehm berührt, verstehe ich dieses.
Aber ich habe meinen Frieden mit diesem neuen Auftrag nach gründlichem Lesen des Deutschen Strafgesetzbuches am vergangenen Wochenende geschlossen.
Ich fand hier zwei Paragraphen, nämlich § 32, der sich um Notwehr dreht, und ich zitiere die beiden Ziffern dieses Paragraphen: „1. Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig und 2. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“
Und dass wir nur in einer Notwehr-Situation handeln würden, ist wohl unzweifelhaft.
Hinzu kommt Paragraph 34, welcher den rechtfertigenden Notstand abhandelt, und ich zitiere erneut: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden“.
Und keiner von uns würde jemals den Einsatz solcher Mittel befürworten oder gar anordnen, wenn wir ein angemesseneres Mittel als die Tötung der uns alle bedrohenden Personen, sprich Terroristen, sehen würden.
Sophie, Sonnfried, sollte trotz der von mir zitierten Rechtslage, von der ich glaube, dass sie unsere Aufgabe abdeckt, einer von Euch oder Ihr Beiden aus moralischen oder ethischen Bedenken jetzt aufstehen und mein Zimmer verlassen, bin ich keinem von Euch böse. Und dieses Thema war niemals auf dem Tisch.
Ihr kennt dann aber auch die Regeln für Indiskretion.
Bleibt Ihr jedoch sitzen, werden wir mit all unseren Fähigkeiten diese Aufgabe für unser Land durchplanen und, soweit nötig, auch in mit allen Konsequenzen aus der Planungstheorie in die jeweils notwendigen Taten umsetzen.
Denn Ihr müsst noch eines wissen: Unsere Abteilung wird nicht nur die Planung durchführen, sondern anschließend auch die operative Führung von Odin und seine Raben Hugin und Munin, wie diese Truppe als Codenamen heißen wird, im Feld übernehmen.
Unsere Mandarine wollen nicht, dass jemals bekannt werden kann, wer dies alles initiierte; und wenn es schief geht, schon gar nicht den Kopf hinhalten. Dafür sind dann unsere Köpfe vorgesehen.“
Nach seiner Ansprache wurde es totenstill im Raum, bis nach zwei Minuten Sophie sich räusperte und flüsterte „Ich habe es kommen sehen, es ist unvermeidlich.“ Dann, mit fester Stimme „Wolf, ja, ich bin dabei.“
Und Sonnfried Müritz, mit der ganzen Härte seines nur mathematisch denkenden Verstandes, sagte „Böser Wolf, ich habe schon vor vier Monaten diesbezügliche Wahrscheinlichkeitsberechnungen angestellt. Wir haben gar keine andere Wahl, als in diesem Spiel die Initiative zu ergreifen. Kurzum, ja, ich bin dabei!“
„Dann“, und Dr. Wolfgang Billardier fiel ob der Loyalität seiner beiden besten Mitarbeiter ein Stein von der Seele „Lasst uns sofort anfangen unsere, eigenen Rahmenbedingungen für die Erfüllung unseres Auftrages festzulegen und die Aufgaben wie folgt verteilen: Du Sophie, erstellst die Psychogramme, wie diese drei von uns zu findenden Personen mental beschaffen sein müssen, ob es Männlein oder Weiblein sein müssen, ebenso welche mögliche Interaktionen innerhalb der Gruppe zu erwarten sind. Letzteres ist zwar schwierig vorauszusagen, aber notwendig für die Auswahl der Führungsperson Odin.
Bei Deiner Beurteilung ist wichtig, dass wir nicht nach sportgestählten, durch das Militär ausgebildeten und disziplinierten Soldaten suchen, die auf Befehl im Krieg Hurra schreien und dann schießen, sondern nach Individualisten, die zwar ausschließlich in unserem Auftrag arbeiten, aber dann selbst entscheiden, wann, wo und womit sie andere Menschen töten. Wir suchen Mörder, die innerlich nicht an ihrem Tun zerbrechen; dazu müssen sie auch noch hoch intelligent, kreativ, gedanklich völlig autark und insbesondere in sich selbst ruhend sein.
Denn eines ist sicher, sie werden niemals einen Beichtvater oder eine Schulter zum Ausweinen finden können, wenn sie ihr Job doch einmal seelisch berühren sollte.
Noch eines, Sophie, die drei müssen Meister der Täuschung, der Verstellung sein! Berücksichtige dies bei Deinen Psychogramen, denn wir brauchen nicht nur drei Mörder, sondern auch drei sehr gute Schauspieler. Anderweitig werden die in ihrem normalen Umfeld, in dem sie sich bewegen, sehr bald auffliegen oder im Einsatz nicht lange überleben.
Auf den Punkt gebracht, Sophie, unsere Drei müssen nicht nur morden, sondern auch lügen und sich verstellen können, denn sie werden sich in zwei Welten bewegen. Die eine Welt, und in der werden sie aus Tarnungsgründen zu 98 % ihrer Zeit leben, ist ein ziviles Berufsleben; die andere Welt besteht aus den 2 %, welche durch uns hier angeordnet werden.
Ich nehme an, wir werden die Drei für ein von uns noch zu festzulegendes Berufsumfeld ausbilden lassen müssen. Dies muss so gestaltet sein, dass erstens die Geschäfte von Odin und seine Raben Hugin und Munin die Aufmerksamkeit der Terroristen oder ihrer Hintermänner bewirken und dann Gier auf eine Zusammenarbeit erregen.
Zweitens müssen Auslandsreisen der Drei als völlig normal erscheinen und dürfen keinen Argwohn erregen. Diese Reisen, wenn sie in unserem Auftrag stattfinden, müssen ja so erfolgen, dass niemals eine Spur der Reisewege, der Ziele und der drei Reisenden hinterlassen wird.
Ich habe mir überlegt, dass der erste Punkt mit Sicherheit durch berufliche Tätigkeiten der Drei in einem chemischen, biologischen oder nuklearem Umfeld abgedeckt sein würde.
Sowohl die Einschätzung unserer Mandarine als auch meine eigene geht in die Richtung, dass die Hintermänner in den Ländern des Islam zukünftig terroristische Anschläge mit viel mehr Toten als bisher verüben lassen wollen.
Denn auch diese Burschen werden festgestellt haben, dass ihre bisherigen Anschläge niemanden sonderlich beeindruckt haben. Und für mehr Eindruck bieten sich nur Einsätze von chemischen, biologischen und vor allen Dingen nuklearen Waffen an.
Der zweite Punkt, die Reisetätigkeit ohne Spurenhinterlassung, ist schon sehr viel schwieriger. Hier muss ich mir noch gründliche und schöpferische Gedanken dazu machen.“
Frau Dr. Sophie Redder hatte sich Stichpunkte zu den Ausführungen ihres Vorgesetzten gemacht und stellte dann zwei Fragen:
„Wie alt sollen die Mitglieder der Gruppe sein und wie lange, lieber Wolf, habe ich denn Zeit für meine Ausarbeitungen?“
„Ich glaube, das Alter sollte zwischen 24 und 26 Jahren angesiedelt sein. Keinesfalls älter, denn wenn alles gut geht, sollen die drei in unseren Diensten ja steinalt werden.
Denn körperliche Fitness oder permanente Jugend ist bei diesem Job nicht das Wichtigste, sondern Erfahrung; aber die sammelt sich nur in den Jahren. Ein James Bond sollte also nicht in Deinen Auswahlkriterien als Maßstab gelten.
Deine Zeit für die Ausarbeitung? Ich würde vorschlagen, wir treffen uns in genau einer Woche wieder für eine erste Zwischenbesprechung; bis dahin seid Ihr Beiden von allen anderen Aufgaben ab jetzt entbunden.
Dir, Sonnfried, wird es obliegen, alle Eventualitäten aufzuzeigen, welche die Aufdeckung dieser Gruppe im politischen oder medialen Umfeld innerhalb Deutschlands oder im Einsatz möglich machen könnten. Versuche es, wenn möglich mit Deinen statistischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen so plausibel darzustellen, dass es auch Sophie und ich verstehen.
Ich werde diese Woche nutzen, die nicht ganz einfache Aufgabe zu lösen, wie wir ihren Transport ohne Spuren gestalten. Auch, wo und wie wir solches Menschenmaterial rekrutieren können.
Denn ein Inserat in den großen Tageszeitungen wie „Mörder gesucht“ wäre meiner Ansicht nach zwar ehrlich, aber nicht zielführend.“
Der Einzige, der über diesen Spruch erheitert war, war Dr. Wolfgang Billardier selbst.