Читать книгу Das Israfil-Komplott - Sean D. McCarthy - Страница 3
Kapitel 1 Samstag, 22. Februar 2003 München/Isfahan
ОглавлениеFlughafen München, 22:42 h Ortszeit: Ein 3-strahliger, schwerer Business-Jet des Typs Dassault Falcon 900 C, Kennzeichen D-ACCC, war unterwegs auf dem Taxi-Way zur Startbahn 26 L.
„Delta Alpha Triple Charlie, guten Abend, hier ist München Abflugkontrolle, ich habe Ihre Flugfreigabe, sind Sie bereit, mitzuschreiben?“
„München Abflugkontrolle, auch Ihnen einen guten Abend von Delta Alpha Triple Charlie, ja wir sind bereit.“
„OK, Delta Alpha Triple Charlie, wir klären Sie hiermit von München EDDM nach Isfahan Shahid Beheshdi OIFM, sie bekommen nachstehend folgende verkürzte Abflugstrecke: Nach dem Start fliegen Sie weiter geradeaus in Richtung der Startbahn und steigen Sie auf 8.000 Fuß, machen Sie dann eine Linkskurve, setzen direkt Kurs auf das Funkfeuer Salzburg VOR und steigen ohne Einschränkung auf Flugfläche 290.
Beschleunigen Sie Ihren Steigflug, Sie müssen 45 nautische Meilen vor Salzburg VOR über Flugfläche 180 sein. Folgen Sie ab Salzburg Ihrer Flugstrecke gemäß Ihrem eingereichten Flugplan und koordinieren alles Weitere mit Wien Control. Setzen Sie Ihr Sekundärradar auf 5350. Bitte bestätigen Sie und sagen Sie mir, ob Sie Flugfläche 180 wie vorgegeben rechtzeitig erreichen können.“
„Abflugkontrolle, ich bestätige, dass wir die Flugfläche 180 rechtzeitig erreichen werden und hier ist noch einmal Ihre rückbestätigte Abflugstrecke, bei einem Transponder gesetzt auf 5350“, welche der zweite Pilot, Hugin alias Michael Bergmann, mitgeschrieben hatte und diese jetzt vorlas.
„Delta Alpha Triple Charlie, Ihre Bestätigung ist korrekt, wechseln Sie jetzt bitte zur Turmfrequenz 118,7. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.“
Sobald sich Hugin auf dieser Frequenz gemeldet hatte, kam auch schon:
„Delta Alpha Triple Charlie, guten Abend, München Tower erteilt Ihnen hiermit Startfreigabe für Startbahn 26 links, wenn Sie in der Luft sind, wechseln Sie bitte auf Radarkontrolle, Frequenz 123,9, angenehmen Flug.“
„Danke, Startfreigabe für 26 links und Radar 123,9. Ihnen einen schönen Abend noch.“
Zwei Minuten später war die Falcon in der Luft, die drei Honeywell TFE731-5BR Triebwerke mit ihrer Schubkraft von jeweils mehr als 21 kN liefen perfekt und im Cockpit fast unhörbar. Siebzehn Minuten später übergab Munich Radar sie auf die Frequenz von Vienna Control. Hier erhielten sie auf Grund der späten Stunde und des damit fast leeren Luftraumes die Freigabe, direkt auf 37.000 Fuß zu steigen und Ihren Kurs direkt auf Istanbul zu setzten.
Odin, der verantwortliche Flugkapitän, hatte ein rundum wohliges Gefühl: Das Flugzeug war vollgetankt, alle Instrumente zeigten einen normalen Status des Flugzeuges und sie waren die perfekte Crew.
Er machte es sich bequem, schob den Sitz nach hinten, löste die Schultergurte und vor seinem inneren Auge rekapituliere er noch einmal die Crew und ihre so verschiedenen Eigenschaften:
Er selbst war ein typisch deutscher, mittelständischer Unternehmer mit dem Geburtsnamen Luca Kelch. Hochintelligent, wohlhabend, Eigentümer von vier Firmen. Diese, in der Kelch-Gruppe zusammengefasst, waren auf ihrem Tätigkeitsgebieten zwar völlig unterschiedlich, aber genau in dieser Zusammensetzung für sein zweites Leben perfekt: Eine Fabrik in Stuttgart für die Herstellung von Messtechnik in nuklearen Anlagen, ein Werk für Präzisionsmechanik in Mannheim, der Betrieb einer Charterflug-Gesellschaft am Flughafen Köln sowie eine Gesellschaft zur Herstellung von Zentrifugen in Frankfurt.
Der Aufbau und die Leitung dieser vier Unternehmen hatten ihn oft bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit gefordert. Aber sie waren alle erfolgreich und verdienten viel Geld. Insbesondere KPT, Kelch Precision Technologies in Mannheim, hatte in den letzten Monate große Freude gemacht.
Er hatte alle vier Unternehmen vor knapp elf Monaten an einen Treuhänder in der Schweiz übertragen. Die Auflage an diesen Treuhänder war, alle Unternehmen bis spätestens zum Jahresende zu verkaufen, die Kaufpreise einzuziehen und dann auf das Nummernkonto von Luca Kelch beim Schweizer Bankverein einzuzahlen.
Die vom Treuhänder hierfür geforderte Provision in Höhe von acht Prozent der jeweiligen Verkaufspreise war zwar hoch, aber er hatte sie unverhandelt akzeptiert. Absolute Verschwiegenheit, und die hatte ihm der Treuhänder vertraglich sowie per Ehrenwort zugesichert, hatte eben einen Preis.
Eine Bedingung hatten alle Käufer in den Kaufverträgen als unabdingbar hinnehmen müssen: Sie durften erst am 1. März 2003 bekanntgeben, dass sie die neuen Eigentümer waren. Bis dahin war offiziell nur der Treuhänder das legale Aushängeschild für alle vier Unternehmen.
Vor einer Woche war der Anruf von Dr. Charles Lederli, dem ihn betreuenden Notar der in Chur ansässigen Treuhandgesellschaft, gekommen: „Herr Kelch, unsere Gesellschaft schätzt sich glücklich Ihnen mitteilen zu können, dass wir auch die letzte Firma Ihrer Gruppe, nämlich Kelch Turbine Design in Frankfurt, vor vier Wochen veräußert haben. Der Kaufpreis wurde vorgestern an uns erbracht und wir haben, wie die letzten drei Male, 92 Prozent davon gestern Ihrem Konto beim Bankverein gutschreiben lassen.
Alle vier Firmen haben solide, neue Eigentümer gefunden und ich erlaube mir die Anfrage, ob unsere Treuhandgesellschaft Ihnen bei der Neuanlage oder Verwaltung dieser nicht unerheblichen Gelder behilflich sein kann.“
Odin musste in dem Moment unwillkürlich innerlich lachen, denn er sah den Schweizer vor sich an seinem Schreibtisch in Chur sitzen; und der gute Dr. Lederli hatte dabei lauter Dollar-Zeichen in seine Augen. Wobei Dr. Lederli nicht einmal wusste, dass weit mehr als das Doppelte der jetzt eingegangenen Verkaufspreise für die Kelch-Firmen auf diesem Konto ruhte.
„Ja gerne“, hatte Odin gesagt, „dies ist ein sehr guter Vorschlag, ich werde in der Woche nach Weihnachten auf Sie zukommen und wir besprechen die Details.“
Fünfzehn Minuten später hatte Odin, nach einem ausführlich Telefonat mit dem Schweizer Bankverein und der dabei genannten, umfangreichen Ziffern-, Buchstaben- und Textabfolge, welche ihn als Kontoinhaber legitimierten, den Gesamtbetrag von seinem Nummernkonto auf ein weiteres Nummernkonto bei der DBS-Bank in Singapur transferieren lassen.
Dann wies er den Banker am Telefon an, sein Nummernkonto beim Bankverein nach diesem Telefonat zu löschen, wobei er die Löschungsgebühr von 85.000 Schweizer Franken akzeptierte.
Das Nummernkonto in der Schweiz verschwand binnen ein paar Minuten aus den Computern und Akten der Bank, und genauso war Luca Kelch, alias Odin, sowohl für den Schweizer Bankverein wie für Herrn Dr. Charles Lederli, verschwunden und nie mehr auffindbar. Als ob es ihn nie gegeben hätte.
Er hatte, sobald er das Avis von der Bank in Singapur über den Eingang der Gelder hatte, die Bank angewiesen, je ein Drittel des enormen Betrages auf die jeweiligen Konten von Hugin und Munin bei dieser Bank zu übertragen. Odin, Hugin und Munin hatten stets alles Geld, was sie in ihren beiden Leben einnahmen, gedrittelt und sie waren gut damit gefahren: Sie hatten sich zwar beruflich manchmal in der Wolle gehabt, aber niemals wegen Geld.
Sie alle Drei hatten jetzt sehr viel Geld und ein vollständig neues Leben vor sich. Ja, Odin war rundum zufrieden mit sich, er hatte alles richtig gemacht.
Sein einziger Nachteil, um den er selbst wusste, war sein ungeheurer Jähzorn, welcher ihn so manches Mal zu Taten gebracht hatte, die weit über jenes Ziel hinausschossen, welches eigentlich zur Lösung einer Aufgabe erforderlich gewesen wären. Er hatte dadurch auch schon in den vergangenen Jahren zwei unangenehme Situationen verursacht, die durch Hugin und Munin ausgebügelt werden mussten.
Hugin, geborener Michael Bergmann, welcher neben ihm saß, war von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA, genauso wie von der deutschen Behörde LBA, schon vor Jahren als Test- und Checkpilot qualifiziert worden.
Er war Flugbetriebsleiter und Ausbildungskapitän in Kelch Aviation und wohl einer der besten Piloten, die jemals in den USA und Deutschland ausgebildet wurden. Auch er hoch intelligent, und stets bedächtig, geriet nie in Wut oder gar Panik und war absolut zuverlässig.
Sein Nachteil war, dass er nicht die Kreativität besaß, die bei unvorhergesehenen Situationen notwendig war, um Überlebenslösungen zu finden. Dies hatte in den letzten zwanzig Jahren gelegentlich für Erschwernisse in der gemeinsamen Erfüllung eines Auftrages geführt. Andererseits hatte dieses Manko von ihm seine beiden anderen Partner oft in entscheidenden Momenten diszipliniert und ihnen allen sogar einmal schon das Leben gerettet.
Auch er, genauso wie Munin, wusste, dass sein Geldanteil aus zwanzig Jahren der gemeinsamen Zusammenarbeit in Singapur auf ihn wartete, und er hatte in seiner ihm eigenen, ruhigen und bedächtigen Art, als Odin ihn darüber informierte, nur gesagt „Nun, dann bin ich jetzt wohl finanziell unabhängig!“
Dann setzte er nachdenklich hinzu „Aber erst müssen wir lebendig aus diesem Auftrag herauskommen, bevor wir das Geld ausgeben können.“
Ihr dritter Mann, Munin, eigentlich Robert Seybold, war Ingenieur und als technischer Direktor verantwortlich für alle Betriebe von Odin. Er war ein technisches Genie und gleichzeitig der Waffenmeister ihres Teams.
Sein großartiger Intellekt fand einerseits für alles eine technische Lösung, andererseits hatte seine ungeheurere, körperliche Kraft, in Verbindung mit zielgerichteter Brutalität, schon einigen ihrer Gegner still und leise durch Genickbruch das Leben gekostet.
Munin liebte Sport und war in seiner Jugend Gewichtheber gewesen; aber er hatte sich dann, als seine Arme und Beine erschreckende Umfänge angenommen hatten, auf die Kampfsportarten Taek-Won-Do und Kick-Boxen verändert. Seine Hemden und Anzüge, wie er immer leidvoll beklagte, kosteten ihn ein Vermögen, denn er musste sie maßanfertigen lassen. In Konfektionskleidung waren seine enormen Muskeln einfach nicht zu verstecken.
Er war der Ansicht, dass das Leben nur zum Leben da war und ein liebenswerter Luftikus, der jedem Weiberrock nachlief. Er beherrschte immer noch wie ein Stuntman sein Motorrad, obwohl auch er genauso alt war wie Odin und Hugin. Dieser Verrückte fuhr sogar noch bei Motocross-Rennen mit. Und er liebte und pflegte seinen uralten Porsche 356 Cabrio mehr sogar als jede neue Freundin, von denen er fast halbjährlich eine andere sein eigen nannte.
Sein Nachteil war, dass er zu selbstsicher war und deswegen niemals Risiken vermied. Nur finanziell wollte er nie ein Risiko eingehen „und damit ich im Alter auch was zu beißen habe“ hatte er alles, was mit Geld zu tun hatte, in die Hände von Odin gelegt.
Wie er dann von Odin erfuhr, dass er jetzt wohl nie mehr finanziell Sorgen haben musste, reagierte er nicht nachdenklich wie Hugin, sondern lachte „Großartig, die erste Woche im Shangri-la Hotel in Singapur geht auf meine Kosten.
Mögen dort Wein, Weib und Gesang herrschen!“ Dann dachte er einen Moment nach und sagte „Ach was, den Gesang sparen wir uns!“
Sie alle drei, Odin, Hugin, und Munin hatten ein erstes, nämlich ihr offizielles, ziviles Leben als Unternehmer, Pilot und Ingenieur und arbeiteten hier seit über zwanzig Jahren eng verbunden zusammen.
Ihr zweites Leben, ihr inoffizielles, welches sie auch seit über zwanzig Jahren zusammen führten, war die Beseitigung für Deutschland oder deutsche Staatsbürger bedrohlicher, außergesetzlicher Notstände im Ausland, wenn diese aus Deutschland heraus nicht rechtzeitig oder gar nicht durch Politik oder Diplomatie beseitigt werden konnten.
Eigentlich war ihr zweites Leben einfacher als ihr erstes:
Sie erhielten einen Auftrag, waren völlig frei in der Mittel ihrer Wahl, wie sie den Auftrag durchführten, wurden fürstlich honoriert und durften auch alles Geld, was ihnen bezahlt wurde oder was sie erbeuteten, steuerfrei für sich behalten.
Das Einzige, was sie dabei garantieren mussten, war eine umfassende und endgültige Beendigung des jeweiligen Notstandes.
Was sie in diesem zweiten Leben hin und wieder nachdenklich gestimmt hatte, war ihr Wissen, dass, wenn einmal bei einer Auftragsdurchführung ihr zweites Leben bekannt oder sie gar verhaftet oder verletzt würden, ihr Auftraggeber ihnen niemals helfen oder gar sich zu ihnen bekennen würde.
Aber sie konnten damit leben; sie hatten in diesen zwanzig Jahren bereits sechs solcher Aufträge durchgeführt und wussten, dass, wenn etwas schief ginge, sie ohnehin an Ort und Stelle ihres Einsatzes den Tod finden würden und somit eine Hilfe ihres Auftragsgebers niemals rechtzeitig käme.
Ihr zweiter Beruf hatte sie in diesen Jahren nach Argentinien, Russland, China, die DDR, Nordkorea und in den Libanon geführt und sie hatten jedes Mal ihren Auftrag präzise und erfolgreich durchgeführt; keines ihrer „feindlichen Ziele“ hatte ihren Besuch überlebt.
Aber sie waren dabei müde geworden und ihren Wunsch, sich zur Ruhe zu setzen, hatten sie in den letzten zwei Jahren immer häufiger miteinander besprochen.
Als Odin und seine Raben in der zweiten Februarwoche des Jahres 2002 zusammen beim Skifahren waren, hatten sie sich, auf Grund ihres Besuches in Moskau vor einigen Tagen, in einem langen Gespräch abends in der Bar ihres wahrhaft perfekten Hotels, dem „Tennerhof“, in Kitzbühel geeinigt, dass das gerade begonnene Jahr nur noch dem Ziel dienen würde, das Ende ihres zweiten Beruf vorzubereiten - aber auch gleichzeitig ihr erstes Leben zu beenden.
Sie würden nur noch diesen einen, ihren siebten, Auftrag ausführen, nämlich den, welcher ihnen im November 2001 erteilt worden war und der eine Laufzeit bis spätestens März 2003 hatte. Sie wussten, dass damit auch ihr erster Beruf enden musste.
Dies war zweifelsohne der größte und gefährlichste Auftrag, den sie jemals auszuführen hatten und dieses Mal waren ihre Überlebenschancen nicht besonders groß. Allerdings stellte ihr finanzieller Ertrag alles Bisherige in den Schatten. Denn ihre Auftraggeber hatten Odin und seinen Raben ein doppeltes Honorar bezahlt.
Aber dass sie doppelt bezahlt hatten, das wussten ihre Auftraggeber bislang nicht. Sie hatten nämlich keine Ahnung, dass die vier Firmen von Odin noch vor ihrer jetzigen Abreise in den Iran zwar hinterlistig, aber höchst gewinnbringend verkauft worden waren.
Denn ihre Auftraggeber wollten sie betrügen und dafür hatten Odin und seine Raben Rache genommen. Die Idee dazu hatte ihnen Dr. Charles Lederli geliefert; sie hatten ihn in Kitzbühel in diesem Skiurlaub kennengelernt.
Odin dachte, während das Flugzeug auf der von Vienna Control vorgegeben Höhe von 37.000 Fuß durch den Autopiloten den Steigflug beendete und auf dieser Höhe auf Mach 0,80 beschleunigte „Wir sind zwar alle Drei nicht mehr die Jüngsten, aber mit Sicherheit die Besten in unserem Geschäft. Eigentlich schade, dass dies endgültig das letzte Mal sein wird, an dem Odin und seine Raben einen Auftrag erfüllen werden.“
Dann sinnierte er über die Arbeiten der vergangenen sechs Monate, auch über den in dieser Zeit in Russland erfolgten Umbau ihrer Falcon 900 C. Diese baulichen Ergänzungen waren perfekt abgestimmt worden auf ihren jetzt kommenden Einsatz, einschließlich der in den Seitenwänden ihres Flugzeuges versteckten Fächer der für sie während dieser Mission erforderlichen Bewaffnung.
In diesen ruhten drei Maschinenpistolen, Schalldämpfer, und sehr viel Munition. Ebenso waren hier 10,8 Kilogramm Semtex-Sprengstoff in sechsunddreißig handlichen Paketen zu je 300 Gramm, jeweils mit fest verbundenem Zünder, verstaut.
Jeder von ihnen hatte also zwölf kleine Pakete des personifizierten Verderbens zu seiner freien Verfügung. Ihre kleine 3-Mann-Armee war in der Tat fürstlich ausgerüstet.
Auch ihr sonstiges „Einsatzbesteck“ war in diesen Fächern perfekt verborgen. Erheitert dachte er an all die schönen Sachen, einschließlich ihrer drei Gewehre und die Betäubungsspritzen, die sich auch noch an Bord befanden. Dies alles war Ihnen auf ihre Anforderung hin pünktlich zur Verfügung gestellt worden.
Die Waffen und den Sprengstoff hatten sie im deutschen Meppen, einem kleinen Ort nahe der holländischen Grenze erhalten; sie waren dort auch vier Tage lang perfekt in der Anwendung geschult worden.
Die Betäubungsspritzen waren eine Gabe des russischen Generaloberst Pjotr Semjonow.
Odin und Hugin waren vor zwei Stunden in München gelandet und hatten Munin an Bord genommen. Dieser hatte zwei Tage frei genommen, um sich in München von seiner derzeitigen Beziehung „mit Anstand zu trennen, denn „Mietzi“ – so nannte er eigentlich alle seine Freundinnen – „ist die beste Frau, die ich je kannte und da muss ich mich ehrenvoll verabschieden.“
Sie alle freuten sich auf die kommenden Tage, denn sie würden ausführlich Gelegenheit haben, ihrer Profession - dem Töten von Menschen - nachzugehen und was vor vierzehn Monaten in Spanien beschlossen wurde, sollte nunmehr seine Umsetzung finden.
Weil sie aber ihre Profession mit Leidenschaft ausübten, wurden sie seit mehr als 20 Jahren von ihrem Auftraggeber als Psychopathen eingeschätzt.
Dessen Meinung aber war ihnen völlig egal. Sie erheiterte sie sogar.
Eine Flugzeit von 4:32 Stunden bei der geplanten Reisegeschwindigkeit von Mach 0,80 lagen vor und über ein Jahr intensiver Vorbereitung hinter ihnen.
In der Kabine der Falcon hinter ihnen waren je vier große Ledersessel um zwei Mahagoni-Tisch in Konferenzbestuhlung angeordnet und unter diesen Sesseln waren vorschriftsmäßig die vom Flugzeughersteller zu liefernden Rettungsschwimmwesten eingebaut. Allerdings waren fünf dieser Standard-Modelle ersetzt worden durch Westen, die viel voluminöser waren: Denn sie hatten einen weiteren Zweck als dem Träger nur beim Schwimmen zu helfen.
Auch lagen in der Kabine zwei Kartons. Jeder dieser Kartons hatte eine Länge von 120, eine Breite von 60 und eine Höhe von 45 Zentimetern. Diese Kartons enthielten hoch präzise Feinmechanikteile, auf die ihre Freunde im Iran dringend warteten und für die sie sehr viel Geld gezahlt hatten.
Diese Teile waren winzige Siebe aus Edelstahl, jeweils mit jeweils einer angeflanschten kleinen CO-2 Patrone und einer Mikroelektronik. Ideal geeignet, flüssiges Kerosin in winzige Aerosole zu zerstäuben und, zeitgleich getaktet, 390 gemeinsam in die Luft geschossene Droplets, weiche Plastikbehälter, in welche dieses Kerosin gefüllt war, zu zünden.
Es war die restliche Lieferung von 390 Stück. An Hand dieser würden sie den Iranern Unterricht geben, wie die gesamte Technik zu verstehen und dann in großer Menge zusammenzubauen war.
Die anderen 36.660 Stück waren mit drei Transporten in den letzten zwölf Wochen von Lastwagen auf dem Landweg von Mannheim durch halb Europa in die Türkei und von dort bei Nacht über die iranische Grenze gebracht worden. Im Iran angekommen, waren sie in der Stadt Urmia von Soldaten der Pasdaran, der iranischen Revolutionsgarden, in Empfang genommen worden.
Damit war der Auftrag erfüllt.
Die Iraner zahlten stets im Voraus und hatten Odin bereits letzten Juli 36,9 Millionen US-Dollar auf das Konto von Kelch Precision Technologies bei der LGT, Bank in Liechtenstein AG, in Vaduz überwiesen. Von dort hatten jämmerliche 6,3 Millionen ihren Weg auf das deutsche Konto seiner Firma gefunden, der Rest floss auf sein Nummernkonto beim Schweizer Bankverein.
Zusätzlich zu den Kartons standen in der Kabine ihre drei großen Pilotenkoffer, in welchen normalerweise sich alle für einen Flug notwendigen Unterlagen, wie Kartenmaterial oder Handbücher, befanden.
Diesmal hatten sie jedoch einen völlig anderen Inhalt. Er war, genauso wie auch die im Flugzeugrumpf versteckten Maschinenpistolen sowie der Sprengstoff, zwar auch für ihre Freunde gedacht, würde aber diese kein Geld kosten.
Lediglich ihr Leben. Genauso wie die Maschinenpistolen und der Sprengstoff.
In jeden dieser Koffer hatten Munin und Hugin ein zerlegtes Steyr-Mannlicher Gewehr, versehen mit Zielfernrohr und Schalldämpfer, eingepackt. In jedem Gewehr war ein volles Magazin mit fünf Patronen: Jeder von ihnen hatte also fünf Schuss zur Verfügung. Odin, Munin und Hugin waren sich jedoch absolut sicher, dass jeder von ihnen jeweils nur zwei Schuss aus ihrem Magazin benötigen würde.
Beim Laden der Magazine hatte Odin von der verbleibenden Munition aus der großen Schachtel, welche ursprünglich 20 Patronen enthalten hatte, still und heimlich eine Patrone entnommen und in seine Jackentasche gesteckt.
Die restlichen vier Patronen hatte Munin einen Tag später „fachgerecht“ entsorgt: Er hatte sie einfach nachts in Stuttgart in den Fluss Neckar geworfen.
Jede dieser Patronen hatte alleine ein Pulvergewicht von über zwanzig Gramm; dieses hohe Pulvergewicht sorgte für eine unerhörte Geschossenergie und eine Mündungsaustrittsgeschwindigkeit der Kugel von über 1000 Metern pro Sekunde, also weit im Überschallbereich.
Egal wie weit entfernt die Person am anderen Ende der Mündung entfernt war, sie stand zwar in jedem Falle am falschen Ende des Gewehres, aber würde gnädigerweise niemals den Schuss hören: Somit würde sie auch nicht wissen, dass sie gleich tot sein würde.
Und ein zielgenauer Schuss war mit dieser Munition sogar bis zu einer Distanz von 1.500 Metern unproblematisch.
Natürlich hatten sie auf Grund der Schalldämpfer aus Sicherheitsgründen Einschränkungen der Distanz auf 800 Meter vorgesehen, aber sie hatten ohnehin eine maximale Entfernung zu ihren Zielen von nur 630 Metern bei ihren drei vorherigen Besuchen in Isfahan gemessen. Ihr Hotel lag einfach sehr günstig zu ihrer ersten Aufgabe.
Abgesehen davon hatte Munin jede Patrone noch so „veredelt“, dass selbst ein nicht auf den Zentimeter genau sitzender Schuss solche Verwüstungen anrichten würde, dass ein Überleben ausgeschlossen war.
Vor dem Abflug in München hatten sie beim Zoll die Ausfuhrpapiere für die „Respirationshilfen“, wie sie ihre Zerstäuber getauft hatten, vorgelegt. Diese Papiere enthielten die Ausfuhrgenehmigung des deutschen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn und der diensthabende Zöllner stempelt sie einfach ab. Von einer persönlichen Inspektion des Zollguts sah er ab, da Kelch als Fabrikant und Exporteuer seiner Waren vom Zoll in Abgleichung mit allen anderen staatlichen Stellen mindestens fünf Mal pro Jahr überprüft wurde. Und all diese Stellen hatten ihm immer ein perfektes Zeugnis ausgestellt. „Diese Kelch Gruppe ist wirklich erfreulich; sie ist noch nie unangenehm aufgefallen“ dachte sich der Zöllner, als er seinen Stempel auf die Ausfuhrbestätigung drückte. Dass Eschborn, genauso wie die Finanzämter an den jeweiligen Firmensitzen der Kelch Gruppe, auf höhere Weisung ihrer jeweiligen Ministerien Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellten, kam ihm niemals in den Sinn.
Sie würden pünktlich um 7:30 h Lokalzeit im Iran landen und ihre iranischen Gastgeber, welche sie erwarteten, sahen in Odin einen Freund, kannten sie ihn doch bereits seit aus den Zeiten, als die deutsche Firma Siemens das erste und einzige iranische Kernkraftwerk in Busher am Persischen Golf zu erbauen begann. Ihr Vertrauen, das sie in Odin setzten, erstreckte sich auf Grund der vielen Treffen in der Vergangenheit schon lange auch auf Hugin und Munin.
Auch ihre Freunde aus dem Irak, die ebenfalls dort schon versammelt waren, kannten Odin und seine Raben seit Beginn der Achtziger-Jahre. Noch aus der Zeit, als Tuweitha, ein lausiger Vorort von Baghdad, sich als erster und kläglicher Versuch eines irakischen Nuklearforschungszentrums etablierte.
Odin, Munin und Hugin jedoch sahen ihre Gastgeber ganz anders, denn von ihrer Psyche her waren sie gar nicht in der Lage, mit anderen Menschen echte Freundschaften zu schließen; abgesehen davon waren ihre Gastgeber keine Menschen, die einer Freundschaft würdig gewesen wären.
Also sahen sie, wie immer, nur ihren Auftrag und wollten auf dieser Reise jetzt nur die Früchte pflücken, welche sie über die letzten Jahre hinweg gesät hatten.
Ihr Auftrag, diese Früchte, waren dreizehn ihrer Gastgeber. Sie flogen in den Iran, um diese zu treffen, denn ihre Gastgeber planten eine biblische Katastrophe, mit der sie die westliche Welt und Russland überziehen wollten. Odin und seine Raben sollten elf von ihnen töten sowie alle ihnen in der Ausführung ihres Auftrages sich in den Weg stellenden islamistischen Terroristen in höchst möglicher Anzahl auslöschen. Nur für zwei Ihrer Gastgeber hatten sie andere Pläne.
Die Stoßrichtung dieses Auftrages war dabei einerseits einen unvorstellbaren Anschlag auf die westliche Zivilisation nachhaltig zu unterbinden und andererseits ein extrem gewalttätiges Signal für alle islamistischen Terroristen und ihre Sympathisanten zu setzen: Nämlich dass die westliche Zivilisation, aber auch Russland es endlich und endgültig satt hatten, sich terrorisieren zu lassen und dass die Jagdsaison auf solche Terroristen eröffnet war.
Dass dieses Ziel keine Gefangenen oder Verletzte, sondern, bis auf zwei ihrer Feinde, nur Tote dulden würde, war ihnen nur angenehm.
Ja, Odin mit seinen Raben Hugin und Munin freuten sich sogar – so wie normale Männer sich auf eine Verabredung mit ihrer Geliebten freuen – diese Ziele erfüllen zu dürfen. Vielleicht waren sie doch Psychopathen. Jetzt dachte Odin, voller innerlichem Gelächter, an das wattierte Kuvert, welches einen gewissen Generalleutnant Franziskus Mauritz per Einschreiben in einer Woche zu Hause erreichen würde.
Er hatte dieses Kuvert, gegen den Rat von Hugin und Munin, vor ein paar Tagen dem Portier des Hotels „Vier Jahreszeiten“, in welchem er seit vielen Jahren wohnte, wenn er in München war, zusammen mit einem 100-Euro-Schein in die Hand gedrückt und ihn gebeten, dieses Kuvert genau am 26. Februar zur Post zu geben.
Der Portier, der Odin, alleine schon wegen seiner immer üppigen Trinkgelder, schätzte und dessen Zuverlässigkeit bei den Stammgästen des Hotels berühmt war, hatte bei den Instruktionen seines Gastes nur genickt „Es wird mir eine Freude sein und Sie können sich auf mich verlassen!“
Für Generalleutnant Franziskus Mauritz würde es jedoch wenig Freude bringen, denn in diesem Kuvert war ein Zettel: „Diese Kugel hat ein Brüderchen, welches Lügner bestrafen kommt“ und eine 0.50 Kaliber Gewehrpatrone. Mauritz würde wissen, was damit gemeint war und Angst würde ihn von da an begleiten.
Auch wenn Odin und seine Raben zu diesem Zeitpunkt nach allgemeinem Kenntnisstand bereits tot waren.