Читать книгу LEDERHOSN-LAUSBUA - Sebastian Eder - Страница 14

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DAS SCHEISSHÄUSL

… war für mich eine „Folterkammer“ und der absolute „Albtraum“ in meinen frühen Vorschul-Kinderjahren!

Ja, ich weiß, das kannst du jetzt nicht verstehen, wo es doch immer so verherrlicht wird, das Herzchen-Häuschen. Ich habe schon, in einem bayrischen Freilichtmuseum, Ausrufe gehört wie:

„Ach, guck doch mal, Hans! Was für ein schönes Häuschen. Sogar mit Herzchen in der Mitte.

Das ist ja urig!“

Hans schaut sich das Häuschen an und antwortet: „Emilia, das ist ein Notdurft-Häuschen. Auf das sind die Bajuwaren gegangen, wenn sie mal mussten. Du weißt schon!“

Daraufhin sieht sich Emilia das Häuschen noch genauer an und schüttelt verwundert den Kopf. „Wo ist denn dann das Ganze abgeblieben, Hansilein. − Das verstehe ich jetzt nicht?“

Hansilein überlegt kurz. Es fällt ihm aber auch nichts dazu ein und er sagt deshalb zu seiner Frau: „Musst ja auch nicht alles verstehen, Emilia. Komm, lass uns weitergehen.“

Du wirst sicherlich ahnen, woher das Ehepaar gekommen ist!

Gradguat, dass unsa Kini Luggi – Gott hab ihn selig – dieses Gespräch nicht mitgehört hat. Er hätte sich dreimal im Grabe herumgedreht und hätte ausgerufen:

„Was san denn des für Deppen! So einen Schmarrn daher zu redn! Die werde ich sofort des Landes verweisen! Solche Leut hamm in meinem Bavaria nix zu suchn!“

Gott sei Dank hat er es nicht gehört. − Oder vielleicht doch? Wer weiß!

Jetzt erzähle ICH die ganze ungeschminkte Wahrheit über das „Scheißhäusl“:

„So schauts aus!“

Geboren und aufgewachsen in einer oberbayrischen Kleinstadt, an der Mangfall gelegen, verbrachte ich eine relativ unbeschwerte, (bis auf wenige Ausnahmen, aber ein bisschen Schwund gibt es ja immer!) glückliche Kindheit. Ich war der Mittlere von drei Buben. Der Jüngste ist erst später geboren worden. Dem ist das „Scheißhäusl“ erspart geblieben. Da hat er Glück gehabt, oder er hat es geahnt und seine Geburt ein paar Jahre verschoben. Das könnte ja auch leicht sein. Ein kleiner Schlaumeier ist er ja!

Für meine Oma und meinem Opa − wir lebten als Großfamilie in einem Siedlungshaus, das der Opa nach dem II. Weltkrieg gebaut hatte – war es ganz normal, den „Abort“ außerhalb des Hauses zu haben. Sie kannten das nicht anders. Für „das kleine Geschäft“ stand ja das obligatorische „Nachthaferl“ unterm Bett zur Verfügung. − Also, alles kein Problem!

Als die Zeit kam und ich meinem „ Kinder-T opf“ entwachsen war, musste ich für das große Geschäft auf das „Scheißhäusl“ nach draußen gehen. Ich ekelte mich furchtbar davor. Im Sommer stank es fürchterlich und Schmeißfliegen, Spinnen und anderes Getier hielten sich zu gerne dort auf. Im Winter war das Häuschen ein „Eiskeller“. Wenn die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt sanken, war der Sitzplatz (von einem Klo-Sitz kann ja nicht die Rede sein) mit einer dünnen Eisschicht bedeckt.

Da kann man nur sagen: „Gute Verrichtung und aufpassen, dass du nicht festfrierst!“

Heutzutage können sich das die jungen Leute nur mehr noch schwer vorstellen. Die Kinder gehen auf ihre Toilette. Danach betätigen sie die Spülung und alles verschwindet im Nu auf Nimmerwiedersehen.

WIR haben unsere Notdurft später auf der Wiese wiedergefunden, nämlich dann, wenn der Opa die „Odlgrubn“ ausgeleert hat und die Wiese mit deren Inhalt „geodelt“ hat. − Dies nur als kleine Information am Rande für die Millennium-Jahrgänge.

Im Bad duftet es immer nach irgendeiner Essenz. Nach der „Verrichtung“ waschen sie sich die Hände mit warmem Wasser. Sie brauchen ja nur den Hahn aufzudrehen und das warme und kalte Wasser kommt, wie von Geisterhand, aus der Leitung gelaufen. Im Bad ist es im Winter immer kuschelig warm.

Dazu muss man ja nur die Heizung aufdrehen. Und nachts wird der Lichtschalter betätigt und schon ist es taghell im Klosett. Das ist alles eine Selbstverständlichkeit geworden.

Kein Mensch macht sich mehr irgendwelche Gedanken darüber. − Nur, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie es sollte, ist das Geschrei groß!

Jetzt bin ich ganz abgekommen von dem eigentlichen Thema:

Also nochmal von vorne: Ich ging nicht gerne auf das „Scheißhäusl“.

Warum eigentlich?

Es ist doch so schön urig, wie wir schon gehört haben!

Von wegen!

Jedes Mal, wenn mein Darm anfing zu rumoren und der Gang zu meiner „Folterkammer“ unausweichlich näher rückte, bekam ich noch zusätzlich Magenschmerzen. Aber es half mir alles nichts. Um diesem Elend weitestgehend zu entrinnen, fing ich an, meine Notdurft einzuhalten. Manchmal über mehrere Tage hinweg. Die Folgen davon waren oft fürchterliche Bauchkrämpfe, die meine Mutter schließlich dazu veranlassten, mit mir zum Doktor zu gehen. Bis dahin hatte ich erfolgreich versucht, meine Problematik zu verheimlichen, weil ich mich schämte zu sagen, dass ich Angst davor hatte, auf das „Scheißhäusl“ zu gehen und mich außerdem furchtbar davor ekelte.


Der Doktor stellte nach eingehendem „Abklopfen“ und „Abhören“ meines Bauchraumes die alles entscheidende Frage, vor der ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe:

„Bub, wann warst du das letzte Mal auf der Toilette?“

Ich druckste herum und guckte verzweifelt meine Mutter an.

Der Doktor (er hatte die ganzen Hausgeburten von der Mama begleitet) erkannte meine Misere und sagte zu meiner Mutter:

„Resi, geh doch mal kurz zurück ins Wartezimmer. Ich möchte gerne mit dem Wasti alleine sprechen!“

Meine Mutter wurde kreidebleich und fragte: „Ist´s sooo schlimm, mit dem Wasti?“

„Das versuche ich doch gerade abzuklären. – Also! Geh schon!“

Die Mutter nahm mich noch einmal in die Arme und drückte mich fest an sich, und zwar so, als würde sie mich das letzte Mal auf dieser Erde umarmen und mich nicht mehr lebend wiedersehen:

„Brauchst keine Angst zu haben Bua, der Onkel Doktor wird dir sicherlich helfen. Der hat dich ja schließlich auch aus meinem Bauch herausgeholt.“

Ich verstand nicht ganz, was sie damit meinte, und sagte trotzig:

„I hob koa Angst. A Indianer kennt überhaupt koa Angst. Sitz de derweil ins Wartezimmer. I kim dann glei aussi, wenn da Onkel Doktor mit mir fertig is.“

Als meine Mutter fort war, hatte ich auf einmal doch Angst. − Indianer hin oder her.

Der Doktor schaute mich eindringlich an und fragte: „Warum gehst du nicht mehr aufs Klo?“

Ich spürte instinktiv, dass nun die Stunde der Wahrheit angebrochen war und fing an zu heulen.

Es war mir sehr peinlich (des konnst ma aba scho glaubn), aber ich konnte meine Tränen einfach nicht mehr zurückhalten:

„Indianer muessen do a amal rean! − Des verstehst do? Oder vielleicht neta?“

„Natürlich verstehe ich das, Wasti. Es ist ja auch nichts dabei, wenn man einmal weint. Heul dich ruhig aus, Indianer. Wir sind ja unter uns Stammeskriegern.“

Nach einiger Zeit Heulerei beruhigte ich mich wieder und stotterte:

„I möcht aba nimma auf des Scheißhäusl gehn!“

„Aha, daher weht der Wind!“

„Ja mei, i woas halt gar nimma, wos i no macha soll!“

„Aber ich. − Schließlich bin ich der Doktor von uns zwei!“

„Ja und! Wos kenn ans denn überhaupt macha? Des Scheißhäusl is do zum draufgeh da. Wo soll i denn a sonst hingeh, wenn i muss?“

„Jetzt hör mir gut zu, Wasti: Du kriegst von mir jetzt ein Mittel, damit du deinen Darm entleeren kannst. Und zwar bei mir auf der Toilette. Dann spreche ich noch einmal mit deiner Mutter, der Resi. Irgendetwas wird uns einfallen. So geht es jedenfalls nicht weiter mit dir. Du kannst nicht ewig deinen Stuhlgang unterdrücken!“

„Wos isn des für a Mittel? Schmeckt des greißli?“

„Na ja, ein bisschen schon. Wichtiger ist jedoch die Wirkung.“

„Und de war dann?“

„Du sollst einmal richtig deinen Darm entleeren.“

„Aha, sie moana, dass i wieda schei…. kann!“

„Ja, genau. Ich habe ja gewusst, dass du ein schlaues Bürschlein bist.“

„Ja, wenns denn unbedingt sei muass. Dann gib ma hoid des Mittel.“

Der Doktor suchte in seinem Arzneikasten herum. Schließlich holte er eine Flasche mit der Aufschrift „Rhyzinusöl“ aus seinem Gift-Schrank.

Ich beobachtete den Arzt argwöhnisch: „Wos isn des? Is des de Medizin für mi?“

„Ja, genau! Das wird dir helfen! Ein kleines Schnapsglas voll wird genügen.“

Der Doktor füllte das „Rhyzinusöl“ in ein Schnapsglas − das er aus der untersten Schublade seines Schreibtisches hervorzauberte – und überreichte mir das Glas mit den Worten:

„Am besten du hebst dir beim Trinken die Nase zu, und trinkst es anschließend auf einen Zug leer.“

„I darf do no koan Schnaps sauffa. Da bin i no z´kloa dazu“, widersprach ich dem Doktor.

„Das ist kein Schnaps, sondern eine Medizin, die dir dein Medizinmann überreicht, damit du wieder ein gesunder Indianer werden kannst. So, jetzt trink aus, dann hast du es hinter dir. Oder bist du vielleicht gar kein richtiger Indianer?“

Natürlich war ich ein Indianer, vielleicht ein Plattfußindianer, aber das waren ja auch Indianer. Aus reiner Verzweiflung nahm ich das Glas in die eine Hand und hielt mir mit der anderen Hand die Nase zu. Dann: Augen zu und durch. Ich trank das Glas in einem Zug leer.

„Pfui Teifi, des hot vielleicht greißli gschmeckt. Pfui Teifi.“

Dann verzog ich das Gesicht zu einer Grimasse, vor der sich jeder Cowboy gefürchtet hätte.


Der Doktor verbiss sich das Lachen und versuchte mit ernster Stimme zu reden: „Das hast du gut gemacht, Wasti. Jetzt gehe zu deiner Mutter und sage ihr, dass ich sie noch einmal sprechen muss. Du wartest dabei so lange im Wartezimmer. Ich gebe dir jetzt den Schlüssel für unsere Toilette. Wenn sich etwas in deinem Darm rührt, gehe sofort auf die Toilette, aber sofort, nicht warten! Hast du das verstanden?“

„I bin do net blaed.“

Ich schickte also meine Mutter zum Doktor rein und wartete. Das Wartezimmer war inzwischen leer. − Ich saß ganz alleine, hilflos und traurig da.

Nach ca. 10 Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, fing mein Bauch an zu rumoren.

„Au-weh, jetzt pressierts − sonst is passiert!“

Schnell lief ich zur Toilette und sperrte sie mit zittrigen Fingern auf. Dann noch schnell die Hose runtergezogen und auf das Klo gesetzt. Dann ging es auch schon los. Ich habe gemeint, meinen Bauch zerreißt es! Und gestunken hat es. Gestunken, sage ich dir! Sei froh, dass du das nicht riechen musst! Ich habe mich furchtbar für meinen eigenen Gestank geschämt.

Auf einmal höre ich meine Mutter rufen:

„Wasti, ist alles in Ordnung?“

„Na, i glab mi z´reißts glei!“

„Ich höre es!“

Etliche Donnerschläge danach.

Ich machte die Klotür auf und ging nach draußen.

Meine Mutter stand vor der Klotür:

„Gehts dir wirklich gut, Bua? – Das stinkt ja fürchterlich!“

„Mir gehts sauguat, Mama. I hab mi scho lang nimma so wohl gfühlt!“

„Na ja, dann können wir ja jetzt nach Hause gehen. Hoffentlich muss der Doktor nicht so bald auf das Klo gehen! Den haut es ja sonst gleich um!“

„I ko do nix dafür, Mama! Der Doktor hot ma do de Medizin gebn. Wenn er aufs Klo muaß, werd as scho riacha, das sei Medizin gholfn hot!“

„Mach dir darüber keine Gedanken, Bua. Die Hauptsache ist doch, dass es dir wieder gut geht.“

Sie nahm mich bei der Hand und wir verließen zusammen die Arztpraxis.

Nachdem wir eine Zeitlang schweigend nebeneinander hergegangen waren, fragte ich meine Mutter:

„Mama, wos host denn mit dem Doktor besprochen?“

„Er hat gesagt, wir müssen eine neue Toilette bauen, und zwar im Haus drin. Aber das geht ja nicht, weil wir keinen Platz im Haus haben.“

Ich fing wieder an zu weinen. Es wäre zu schön gewesen! So eine herrliche Toilette wie der Onkel Doktor eine gehabt hat, werde ich wohl in meinem ganzen Leben nicht kriegen. Ich war total verzweifelt.

„Sollte ich mein ganzes weiteres Leben auf „das Scheißhäusl“ gehen müssen? Da kann ich mich ja gleich umbringen!“

Meine Mutter beruhigte mich:

„Ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden. Da muss ich aber zuerst mit unserem Häuptling Rücksprache halten.“

„Ja, was für a Lösung wer dann des?“

„Eine ganz einfache, die aber viel Geld kostet.“

„Da werd da Papa aba net einverstandn sei!“

„Das lass nur meine Sorge sein. Ich verspreche dir, wir kriegen das hin. Wir wollen schließlich alle, dass du gesund bleibst!“

„Jetzt red scho, wos habts vor?“

„Wir werden dranbauen. Ein schickes, neues Toilettenhäuschen. Du brauchst dann nicht mehr raus ins Freie. Einen kleinen Heizkörper werden wir dir auch einbauen. Dann frierst du nicht mehr und du kannst in Ruhe deine Notdurft erledigen.“

„Des war zu schee, um wahr zu sein. Des war ja wia Weihnachten und Ostern zuglei!“

Frohgemut gingen wir heim. So gut wie in dieser Nacht, habe ich schon lange nicht mehr geschlafen. − Und ich träumte von einem wunderschönen, warmen Toilettenhäuschen.

Und ich saß drauf!




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