Читать книгу LEDERHOSN-LAUSBUA - Sebastian Eder - Страница 16

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VERPRÜGELT MIT DEM „SPANISCHEN“

Einmal, ein einziges Mal, habe ich meine Lederhose sogar geliebt. Und das kam so: In der dritten Klasse (das war die letzte Klasse, wo ich eine Lederhose anhatte) bekamen wir einen neuen Lehrer.

Das war mir gar nicht recht, weil ich den alten Lehrer und seine Unterrichts- und antiautoritären Erziehungsmethoden geschätzt habe und gerne zur Schule gegangen bin.

Der „Neue“ indes war bekannt dafür, dass er sich gerne mit seinem Rohrstock (Spanischen) Respekt verschaffte.

Er war das Gegenteil von meinem bisherigen Lehrer, nämlich total autoritär.

Züchtigung war damals nichts Außergewöhnliches und wurde als Erziehungsmethode (noch) geduldet, wenn auch nicht mehr gerne gesehen.

Die geltenden pädagogischen Vorstellungen änderten sich langsam und mussten sich schließlich dem Zeitgeist (weniger bis gar keine autoritäre Erziehung) beugen.

Da war für die Prügelstrafe, bis dahin ein geeignetes Erziehungsmittel, kein Platz mehr.


Eines Tages, während des Unterrichts, musste der Klassenlehrer den Schulraum verlassen, um an einer kurzfristig einberufenen Lehrerbesprechung teilzunehmen.

Ein Mitschüler wurde nach vorne gerufen und der Lehrer übertrug ihm die Aufgabe des Aufpassers.

Er sollte die Namen derjenigen Mitschüler auf die Tafel schreiben, die schwätzten oder sonstigen Unfug trieben.

Mein Pech war, dass mich der ernannte Aufpasser überhaupt nicht leiden konnte. Das war mir aber erst einmal egal, da ich mich in ein, mir von meinem Banknachbarn zugeschobenes, Heft vertiefte und die Aufklärungsgeschichten von Dr. Sommer studierte. Ich war so vertieft in meine Lektüre, dass ich gar nicht bemerkte, dass unser Lehrer inzwischen das Klassenzimmer betreten hatte und die Namen auf der Tafel las. Mein Name stand zu allererst.

Da es auf einmal so ruhig im Klassenzimmer war, sah ich kurz auf und erblickte den Lehrer mit dem „Spanischen“ in der Hand.

Ohne ein Wort zu sprechen, zog er mich aus der Schulbank heraus, warf mich über dieselbige, sodass ich bäuchlings auf der Bank zu liegen kam und mein Allerwertester vor ihm lag. Das ging alles so schnell, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Dann klatschte es ein paar Mal auf meinem Hintern bzw. auf meine Lederhose. Aber ich spürte nichts. Ich grinste. Gute Lederhose, es geht nichts durch. Aber meine Freude war von kurzer Dauer. Auch der Lehrer erkannte nun, dass es keinen Zweck hatte, auf meine Lederhose einzudreschen und zog mir, kurzerhand, die Lederhose runter. Und dann spürte ich es − und wie! Ich schrie laut auf. Ich weiß, ein Indianer kennt keinen Schmerz, aber die sind ja auch nicht mit dem „Spanischen“ versohlt worden. Nach etlichen Streichen ließ der Lehrer von mir ab und ich zog meine Lederhose wieder hoch.

Der Mitschüler, der mich aufgeschrieben hatte, grinste mich an. Na warte Bürschchen, Rache ist süß! Die restliche Schulzeit konnte ich kaum sitzen und schon gar nicht dem Unterricht folgen.

Endlich läutete die Schulglocke. Die Schule war aus. − Was für eine Erlösung.



Ich ging nach Hause, erzählte aber meiner Mutter nichts von dem Vorfall. Abends zog ich meine Lederhose und meine Unterhose aus, weil mir meine Mutter eine frischgewaschene Unterhose zum Anziehen gab. Da hörte ich einen Aufschrei:

„Bub, wo kommen die roten Striemen auf deinem Popo her?“

Ich hatte den ganzen Nachmittag mit ein paar Spezis im nahegelegenen Wald herumgestreunt. Wir wollten eine Baumhütte bauen und suchten dafür einen geeigneten Baum.

An meine Züchtigung vom Vormittag habe ich gar nicht mehr gedacht. Dass der „Spanische“ so intensive Spuren auf meinem Hintern hinterlassen würde, war mir auch nicht bewusst. Die Schmerzen, und die ganze Angelegenheit, hatte ich einfach den ganzen Tag aus meinem Bewusstsein verdrängt. Aber nun kam auf einmal alles wieder hoch.

+++++ Meine ursprünglich flüssige und humorvolle Erzählweise gerät an diesem Punkt ins Stocken. – Meine Emotionen spielen Achterbahn. Ich muss mit dem Schreiben innehalten und aussetzen. Die Zeitreise nimmt mich momentan gefangen. Ich fühle mich jetzt genauso hilflos und ausgeliefert wie damals! Ich starre auf meinen Bildschirm! Es hat keinen Zweck. Ich muss unterbrechen, um meine aufkommende Wut und meine Gefühlslage in den Griff zu bekommen. − Warum eigentlich? Warum kann ich darüber nicht so locker berichten? Es ist fast 60 Jahre her! Ich werde darüber nachdenken und erst einmal zeichnen … +++++

ZURÜCK:

Was sage ich meiner Mutter? Die Wahrheit? Oder soll ich irgendetwas zusammenlügen? Aber dazu hatte ich keine Lust. Warum sollte ich auch wegen meinem Lehrer lügen und ihn dadurch in Schutz nehmen? Oder hatte der Lehrer doch recht, mich so zu bestrafen? Schließlich hatte ich in einer Zeitschrift, während der regulären Unterrichtszeit, unzüchtige Artikel gelesen und Bilder angesehen. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Lehrer im Klassenzimmer anwesend war oder eben nicht! Es war ein Fehlverhalten von mir und ich hätte das nicht machen dürfen! − Das werde ich dann wohl, wenn ich demnächst im Beichtstuhl sitze, auch dem Pfarrer beichten müssen! Ich werde sagen: „Herr Pfarrer, ich habe gesündigt …“ − Ich war hin- und hergerissen. War ich jetzt ein Opfer von dem Lehrer oder war ich ein Täter, der seine wohlverdiente Strafe, in Form von Prügel auf dem nackten Arsch, zu Recht bekam? Schuldig oder unschuldig? Opfer oder Täter?

Dies alles ging mir in diesem kurzen Augenblick durch den Kopf. Es hatte keinen Zweck! Ich musste mit der Sprache herausrücken! So oder so! Es blieb mir nichts anderes übrig! Aber ich sah Probleme auf mich zukommen. Große Probleme! − Ich druckste herum.

Meine Mutter bedrängte mich jetzt: „Wasti, was ist mit dir geschehen? Bist du geschlagen worden? Von wem? Sage mir endlich, was passiert ist!“

„Der neue Lehrer hat mich mit dem Spanischen versohlt!“

„Warum? Weswegen? Wie kommt der Lehrer dazu, dich auf dem nackten Popo zu schlagen?“

Nun blieb mir nichts anderes übrig, als mit der ganzen Wahrheit herauszurücken.

Während ich noch erzählte, kam mein Opa zur Tür rein und sah die roten Striemen auf meinem Popo. Als ich mit meiner Erzählung fertig war, rief er aus:

„Deinen neuen Lehrer kenne ich noch von früher, den alten Nazi! Dass dieser Mensch wieder als Lehrer unterrichten darf, ist unfassbar. Ich werde morgen in die Schule gehen und den Kerl beim Schlafittchen packen und zum Rektor schleifen. Heutzutage noch mit dem Spanischen die Schulkinder zu verprügeln, das geht ja gar nicht!“

Meine Mutter versuchte, beruhigend auf den Opa einzureden: „Vater, misch dich da nicht ein! Das ist unsere Sache! Wir werden das zu regeln wissen!“

Der Opa drehte sich wortlos um und verließ den Raum.

Meine Mutter sagte zu mir: „Wenn dein Papa von der Arbeit nach Hause kommt, werde ich mit ihm besprechen, was wir unternehmen werden. Das hat auf alle Fälle ein Nachspiel!“

Ich verzog mein Gesicht. Mir war nur noch zum Heulen zumute: „Vergesst die Sache doch einfach. Der Lehrer wird mir nur Schwierigkeiten in der Schule machen. Bis zu den großen Ferien muss ich noch zwei Monate zur Schule gehen und vielleicht habe ich den Lehrer auch noch das nächste Jahr. Da habe ich ja Angst, in die Schule zu gehen!“

„Du gehst morgen ganz normal zur Schule. Der Lehrer wird dich nicht mehr anrühren. Das verspreche ich dir!“

Am nächsten Tag hatten wir gleich in der ersten Stunde Rechnen. Wir Kinder versuchten unsere Rechenaufgaben zu lösen. Es war mucksmäuschenstill in der Klasse.

Da klopfte es an der Klassenzimmertür. Und zwar ziemlich energisch. So, als wollte der „Krampus“ höchst persönlich ins Klassenzimmer.

Der Lehrer fluchte: „Verdammt, wer stört hier meinen Unterricht?“ Er ging zur Tür, um nachzuschauen, wer sich erdreiste, seinen Unterricht zu stören.

Kaum hatte er die Tür aufgemacht, sahen wir Kinder nur noch eine Hand, die den Lehrer am Schlafittchen packte und in den Flur hinauszog. Dann knallte die Tür zu.

Im Klassenzimmer hörten wir, durch die geschlossene Tür, lautes Gerede, konnten aber nicht verstehen, um was es dabei genau ging. Einzelne Gesprächsfetzten klangen durch die Klassenzimmertür.

Mir wurde es auf einmal ganz mulmig, denn ich erkannte die Stimme meines Opas: „Oh Gott, Opa, was machst du mit meinem Lehrer?“

Auf einmal war es wieder ruhig. Das Ganze dauerte vielleicht fünf Minuten. Die Klassenzimmertür ging auf und unser Lehrer kam, kreidebleich und mit offenem Hemdkragen, in die Klasse gewankt.

Er schaffte es gerade noch, hinter seinem Lehrerpult Platz zu nehmen. Da saß er nun, wie ein Häufchen Elend, und stierte mit leerem, glasigem Blick vor sich hin, ohne dabei ein einziges Wort an die Klasse zu richten. In einer solch zerrütteten Verfassung hatten wir unseren Lehrer noch nie gesehen, und wir Kinder bekamen es mit der Angst zu tun. Was wird gleich geschehen?

Doch dann läutete die Pausenglocke.

Ich glaube, keiner war glücklicher darüber als der Lehrer selbst. Nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte, befahl er uns, die Hefte einzusammeln und auf sein Pult zu legen.

Ein Mitschüler sammelte die Rechenhefte der gesamten Klasse ein und legte sie vor dem Lehrer auf das Pult.

Dann gingen wir Schulkinder in die Pause.

Nach der Pause hatten wir Religionsunterricht und dann Singen.

Unseren Lehrer bekamen wir an diesem Tag nicht mehr zu Gesicht.

Beim Mittagessen sagte meine Mutter zu mir: „Papa nimmt sich morgen frei und dann gehen wir zum Rektor, um die Sache von gestern aufzuklären.“

„Das braucht ihr nicht mehr. Opa war schon in der Schule, hat den Lehrer beim Schlafittchen gepackt und ihn zur Rechenschaft gezogen.“

„Ich habe Opa doch gesagt, er soll sich da raushalten!“

„Du kennst doch Opa!“

„Da werde ich wohl noch ein ernstes Wörtchen mit deinem Opa sprechen müssen! Er hätte sich da nicht einmischen dürfen!“

„Hat er aber!“

Von dieser Zeit an, hatte ich Ruhe von meinem Lehrer.

Er rief mich nicht mehr auf und ließ mich einfach links liegen. − Er ignorierte mich.

Das war mir recht, aber ich bin nicht mehr gerne zur Schule gegangen.

In diesem Schuljahr bekam ich die schlechtesten Noten während meiner gesamten Schulzeit.


Im darauffolgenden Jahr bekamen wir einen anderen Lehrer, und ich bin wieder gerne zur Schule gegangen und meine Noten wurden wieder besser.




LEDERHOSN-LAUSBUA

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