Читать книгу Der die Träume hört - Selim Özdogan - Страница 12

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Toni_meow aus Deutschland, ich hatte den Dealer. Er war seit März 2016 Verkäufer bei Dream Market, verkaufte Gras, Mephedron und MDMA in Pulverform. Verschickte aus Deutschland, sprach Deutsch, auch sein Englisch war ziemlich gut. Er hatte 2.972 Bewertungen, fast alle 5 Sterne, ein Durchschnitt von 4,9. Seine Kunden kamen anscheinend zu einem großen Teil aus Deutschland und der EU, doch er verschickte weltweit, mit Ausnahme der USA. Viele Händler hielten es so, um möglichst nicht ins Visier der Strafverfolgungsbehörden dort zu geraten. Die DEA verfügte über Geld und Ressourcen, man wusste nicht, wie eng sie mit der NSA zusammenarbeitete und wie viel besser sie den Internetverkehr überwachen konnte. Außerdem waren es Amerikaner gewesen, die damals Silk Road hochgenommen hatten.

Ich stöberte im Forum von Dream Market, wo Käufer sich über Händler austauschen konnten, und nachdem ich einen Thread von über dreißig Seiten über Toni_meow gelesen hatte, wusste ich nicht nur, dass seine Kunden zufrieden waren mit seiner Ware, seiner Freundlichkeit, den schnellen Lieferungen, sondern auch, dass er eifrig im Thread mitdiskutierte und genau wusste, wie man sich beliebt machte. Einem Kunden, der gerade von einem anderen Verkäufer betrogen worden war, schickte er einfach so, zur Aufmunterung, eine kleine Probe seiner Waren. Anderen legte er bei Mephedronbestellungen schon mal kleine Mengen Gras bei, als Gratisprobe. Bei allen Bestellungen lag er immer mehr oder weniger deutlich über der bezahlten Grammzahl. Wenn unklar war, ob die Post etwas verbummelt oder der Zoll es abgefangen hatte, gab es häufig vollen Ersatz auf Kulanz, obwohl in seinem Profil stand, dass er höchstens fünfzig Prozent erstattete. Er war überzeugt von der Qualität seines Mephedrons, beanspruchte, das beste auf dem Markt zu haben, PreBan 1a Qualität, wie er immer wieder schrieb. Er wirkte ehrlich, weil er zugab, dass sein MDMA nicht das reinste und beste auf dem Markt sein mochte, betonte aber sein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis. Er machte den Eindruck, ein freundlicher, charmanter Mensch zu sein, doch er beschimpfte auch gerne andere Mephedronhändler, weil sie minderwertigen Stoff verkauften und nur auf Geld aus wären und keine Ehre hätten, alles Abzocker und Ripper, denen die Kunden scheißegal wären. Er postete gerne und viel, doch er schien genau zu wissen, was er da machte, denn obwohl er offen wirkte, fanden sich in seinen Beiträgen keinerlei Hinweise auf seine Person, egal wie genau ich las. Seine Posts ließen nicht mal Vermutungen zu, keine regionalen Wendungen, die ihn verraten hätten, keine Angaben zum Hintergrund. Je nach Situation schrieb er ich oder wir, und es machte den Eindruck, als würde er mit einem Team arbeiten, dessen Boss er war.

In der Vergangenheit waren Leute gefasst worden, weil sie den selben Nutzernamen auf verschiedenen Plattformen benutzt hatten, auf legalen Datingportalen oder gar bei eBay. Ich googelte Toni_meow, doch ohne relevante Treffer. Das wäre auch zu einfach gewesen.

Doch konnte er nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht sein. Ich ging zu fraudsters.is, einem deutschsprachigen sogenannten Szene-Forum. Hier wurde mit allem gehandelt, was nicht legal war. Man konnte Kreditkartendaten kaufen, gefälschte Ausweise, Packstationen, an die man sich Drogen liefern lassen konnte, eBay-Accounts, über die man Käufer betrügen konnte, Paypal-Accounts, die nicht zu einem zurückverfolgt werden konnten, Zugangsdaten zu Bankkonten mit anonymer SIM-Karte für die TAN, Mailaccounts, Drogen, Medikamente, Steroide, Gutscheine für Bahnfahrkarten, Bot-Netze, Hacking Tools.

Man konnte einen gehackten Account bei einem großen Onlinehändler kaufen, dazu am besten noch eine Packstation, dann einfach bestellen und an die Packstation liefern lassen. Die Waren konnte man weiterverkaufen oder selber verwenden. Und wenn man so etwas in ganz großem Stil machte, ging man auch nicht selber zur Packstation, sondern schickte einen sogenannten Läufer.

Für fast alle möglichen kriminellen Handlungen gab es hier ein Angebot. Was sich nicht fand, waren Waffen und Kinderpornografie. Hier ging es in erster Linie um Bereicherung und um Drogen aller Art, oft Kokain von angeblich hohem Reinheitsgrad, aber auch Speed, Gras und MDMA. Manchmal Crystal und LSD, doch exotischer wurde es nicht.

Da war es, das Darknet. Aber nicht erreichbar über den Tor-Browser, sondern einfach, indem man wusste, welche Adresse man eingeben musste. Weder fraudsters.is noch crimenetwork.to noch chemical-revolution.to, was kein Forum war, sondern eine Seite, die Drogen verkaufte, wurden von Suchmaschinen gelistet. Die Szene war überschaubar und man bekam schnell mit, wann ein neues Board auftauchte oder eines offline ging, sei es, weil die Behörden den Betreiber geschnappt hatten, sei es, weil er über Nacht mit dem Geld der Nutzer spurlos verschwand oder aus anderen nicht ganz nachvollziehbaren Gründen.

Ich gab Toni_meow bei fraudsters ins Suchfeld ein, erfolglos. Ich suchte nach Hinweisen, ob er dort auch verkaufte, vielleicht unter anderem Namen, die meisten Händler beschränkten sich nicht auf eine Plattform. Doch es gab niemanden, der einen ähnlichen Mitteilungsdrang und Schreibstil hatte. Und es hatte niemand Mephedron im Angebot.

Es war nicht strafbar, diese Art von Seiten zu besuchen, aber es war klüger, wenn niemand wusste, wo man sich überall herumtrieb. Ich hatte einen VPN-Anbieter, der meine reale IP-Adresse auch auf Anfrage von Strafverfolgungsbehörden nicht rausgegeben hätte.

Über den Tor-Browser rief ich Grams auf, eine Suchmaschine für den Teil des Darknets, der tatsächlich nur über das Tor-Netzwerk zu erreichen war. Ich gab Toni_meow ein. Alle Suchergebnisse verwiesen auf Dream Market, unter diesem Namen war er auf keiner anderen Plattform aktiv.

Den Account bei fraudsters hatte ich schon seit einiger Zeit, aber ich war wegen zu weniger Posts noch sogenanntes Pre-Member, also schrieb ich ein wenig im Off-Topic-Bereich und verteilte ein paar Bedankungen, zum Beispiel an den Mann, der den Link zu einer Doku über Silk Road gepostet hatte. Sich als Mitglied einfinden, sichtbar werden, Vertrauen gewinnen. Dann stand ich auf, um mir einen Kaffee zu machen.

Meine Chancen standen schlecht, viele Menschen arbeiteten Tag und Nacht daran, Plattformen wie Dream Market hochzunehmen. Ich suchte alleine nach einem Händler, der keine offensichtlichen Mängel bei seiner OpSec hatte. OpSec, Operational Security, die Fähigkeit, dem Feind keine Informationen zukommen zu lassen, die er gegen einen verwenden könnte.

Ich dachte an die 17.000 Euro und fragte mich, was ich getan hatte. In der Regel bearbeitete ich ganz andere Fälle, und kaum eine Leistung kostete mehr als 500 Euro. Und jetzt gleich 17.000, 7.000 davon halbwegs sicher in der Tasche. Glaubst du, das war Habgier? Ich wollte nur meine Ruhe haben. Aber dafür brauchte man Geld. Und für Geld musste man arbeiten. Und irgendwie sollte die Arbeit ein Teil deiner Identität sein, du solltest einen Sinn in ihr sehen. Und wenn der Sinn nur das Geld war, mit dem man sich Freiheit kaufte. Du solltest frei sein. Frei, dir abends den Wecker zu stellen, frei, dein Leben nach deinem Kontostand einzurichten, frei, zwischen hundertachtzig verschiedenen Sorten Brot zu wählen und noch mehr Sorten Bier, frei, jeder Mode zu folgen und frei, dich frei zu fühlen, weil du Moden verweigerst. Frei, dich wohlzufühlen, weil du Fairtrade-Produkte kaufst und auf diese Weise dazu beiträgst, dass Ausbeutung gerechter erscheint. Frei, dir einen Platz zu wählen, an dem du dich halbwegs sicher und geborgen fühlst. Frei, dich zu entscheiden, dass dieser Platz, wie für die meisten von uns, vor einem Monitor war.

Und ich hatte mich frei gefühlt, doch dann kam auf einmal ein Sohn und ich durfte mich fragen, ob mein Platz nicht an seiner Seite gewesen wäre und warum die Frau, mit der ich geschlafen hatte in einer Nacht voller Nähe, ihn mir verschwiegen hatte. Warum sie davon überzeugt gewesen war, dass ich kein guter Vater gewesen wäre, obwohl ich den Absprung geschafft hatte? Warum hatte sie mir das nicht zugetraut? Was war falsch an mir?

Ich trank Kaffee und surfte. SPON, buddhistgeeks, reality-sandwich, rap.de, als hätte ich mich nicht die letzten Stunden schon durchs Netz bewegt. Ich wusste, was als Nächstes zu tun war, doch ich schob es auf, vielleicht weil ich der Idee nicht ganz traute und auch keine andere hatte.

Ich fuhr den Rechner runter, schloss das Büro ab und ging rüber.

Lesane lag auf der Couch und spielte einen Egoshooter, den ich nicht kannte. Es war sein dritter Tag bei mir, er hatte eine Sporttasche mit Klamotten und Schuhen mitgebracht, vier verschiedene Paar Jordans, den Vierer, den Sechser und den Zwölfer, wenn ich das richtig sah, den Dreiunddreißiger hatte er schon beim ersten Treffen getragen, dazu noch vier Paar verschiedene LeBrons, alles in allem Basketballschuhe für gut anderthalbtausend Euro, Zahnbürste, Duschgel, Haargel, Shampoo, Nassrasierer, Aufladegerät, tragbare Lautsprecherbox, Konsolenspiele, Schulsachen. Meistens hing er an der Playstation oder an seinem Smartphone.

Er wurde schnell einsilbig oder ganz still, wenn ich ihn nach der Schule fragte, nach seinem Streit mit Sami, nach seinen Freunden, danach, woher er all die Schuhe hatte. Billig auf eBay gekauft, sagte er, und natürlich war das eine Lüge.

Ich hatte ihn nicht dazu bewegen können, mit joggen zu gehen oder auch nur ein paar Übungen gemeinsam in der Wohnung zu machen. Er schien es interessant zu finden, dass ich in meinem Alter noch Basketball spielte, war aber nicht dazu zu überreden, mit mir auf den Freiplatz zu gehen. Basketball fand er langweilig.

– Und die Schuhe?, sagte ich. Du hast so viele Basketballschuhe, wir müssen doch auch mal spielen.

– Die Schuhe sind einfach nur cool, sagte er. Ich spiel nicht Basketball. Und meine Fußballschuhe habe ich zu Hause.

– Was für Fußballschuhe hast du denn?

– Den Puma Future 18.1 und den Adidas Predator Accelerator in gelb-rot.

Billig bei eBay gekauft?

– Ja.

Musik war das Einzige, über das wir reden konnten. Hip-Hop. Der Sampler 4 von 187 Strassenbande war vor wenigen Wochen erschienen und Lesane hörte ihn oft und gerne. Zeig keinem Interesse, »fick die Welt« ist meine Message, das Einzige, was zählt – lila Scheine scheffeln, Party und Exzesse, »fick die Welt« ist meine Message.

Mehr musste man über die Texte nicht wissen. Die Jungs waren keine schlechten Rapper und wir hatten früher auch Gangsterrap gehört. Vielleicht hatten damals auch ältere Leute geglaubt, er sei eine Karikatur seiner selbst. Ich freute mich, als Lesane sich für das Album Blackout 2 von Chakuza und Bizzy Montana begeistern konnte. Das Album war auch prollig, sexistisch, vulgär und glorifizierte Gewalt, aber die Texte waren etwas klüger gemacht und es blieb noch Platz für ein Augenzwinkern.

Hip-Hop war das Einzige, was uns ein wenig verband, er hörte gerne meine CDs, vor allem die neueren. Für die Bücher im Regal interessierte er sich nicht, mein Essen schmeckte ihm nicht, doch er beschwerte sich auch nicht. Einige Male hatte er draußen eine Runde gedreht und war nach ein, zwei Stunden wiedergekommen, bekifft, aber nicht mehr total offensichtlich bekifft.

– Hallo, sagte er, als ich jetzt reinkam.

– Hallo, sagte ich, ließ mir ein Glas Wasser aus der Leitung ein und setzte mich neben ihn.

– Wie war der erste Schultag nach den Ferien?

– Nichts Besonderes, sagte er. Neuer Stundenplan und ein bisschen Gelaber.

Ich wusste nicht, ob er mich für dumm hielt oder ob er es nicht besser konnte.

– Haste ein Rennen, das wir spielen könnten?

Lesane lächelte und ich hatte den Eindruck, dass es aufrichtig war. Es war lange her, dass ich an einer Konsole gesessen hatte.

Er kannte die Strecke viel besser als ich. Dennoch war der Abstand, mit dem er gewann, nicht allzu groß. Bei der Revanche sah ich schon besser aus. Und war auch voll dabei. Das dritte Rennen gewann ich.

– Respekt, sagte er. Andere Strecke?

– Warum hast du dich eigentlich mit Sami gestritten?, fragte ich.

– Wegen der Fernbedienung, habe ich doch schon erzählt.

– Ja, hast du. Aber ich würde gerne wissen, warum hast du diesen Streit vom Zaun gebrochen?

– Wie, vom Zaun gebrochen?

– Du hast es absichtlich gemacht.

– Ja, keiner streitet sich aus Versehen.

– Lesane, sagte ich, du wusstest, dass du dich streiten würdest, noch bevor du die Wohnung betreten hattest. Warum?

– Wie soll ich das gewusst haben? Bin ich Hellseher?

– Du bist seit drei Tagen hier und …

– Ja? Soll ich wieder gehen? Ist es das, was du mir sagen willst? Dann sag einfach, ich gehe, kein Problem.

– Du hast Freunde, sagte ich, du spielst gerne Fußball, du gehst gern feiern, du kletterst wahrscheinlich über den Zaun vom Freibad, du …

– Geht mir gerade alles auf die Eier, unterbrach er.

– Okay, neue Strecke, sagte ich und sah wieder nach vorne.

Er gewann das erste Rennen knapp, das zweite ließ ich ihn noch mal gewinnen, aber eigentlich nur, weil ich keine Lust mehr hatte weiterzuspielen.

– Kanntest du eigentlich Kamber?

– Ja, sagte ich überrascht.

– Alle erzählen immer noch von ihm und wie krass er war, sagte er.

– Echt?

– Ja. War der wirklich so krass?

– Ja. Hat aber auch krass lang gesessen. Insgesamt mehr als fünf Jahre.

– Kennst du so Storys, was der so gemacht hat?

Ich überlegte kurz, dann sagte ich:

– Kamber war ja nicht nur hart. Der hatte keinen Schiss, allein gegen acht Mann zu gehen, aber der war auch clever. Einmal kam so ein Schnösel zu ihm und wollte Haschisch kaufen. Eine Platte. Reicher Papa, und er wollte einen auf dicker Mann machen vor seinen Freunden. Hundert Gramm. Kamber hat ihm gesagt, dass er zwei nehmen soll, weil er ihm dann einen besseren Kurs machen kann. Zweihundert Gramm Hasch für 1.300 Mark. Typ hat gesagt, okay, Kamber hat die Kohle eingesteckt und gar nichts getan, hat das Geld einfach verjubelt. Dann ist er zwei Wochen später zu dem Kerl und hat gesagt: Du, der Fahrer ist erwischt worden, als er mit deinem Hasch aus Holland kam. Und die wollen jetzt wissen, mit welchem Geld er die Ware bezahlt hat. Wir brauchen unbedingt nen guten Anwalt, damit wir deinen Namen aus dem Spiel halten können, aber wir haben nicht die Kohle dafür. Der Typ hat Schiss bekommen und noch mal 1.000 Mark für einen Anwalt abgedrückt.

– Cooler Move, sagte Lesane, was ein Opfer. Aber warum Hasch?

– Keine Ahnung. Damals gab es weniger Gras auf dem Markt. Das Meiste, was gedealt wurde, war Hasch.

Ich hatte mich für eine Geschichte ohne Gewalt entschieden, aber ich bereute es, überhaupt was erzählt zu haben. Eben weil die Geschichte cool war. Weil es so aussah, als sei da jemand clever. Weil sie Anziehungskraft hatte.

Immerhin hatte ich verschwiegen, dass Kamber damals jünger gewesen war als Lesane jetzt. Aber vielleicht gab es nur über solche Geschichten einen Kontakt zu ihm, einen, der ihn bewegte. Ich hatte gesehen, wie alles Klagen, Mahnen, Drohen, Lieben, Betteln, Reden nicht geholfen hatte, ich hatte gesehen, wie Sevgi es nicht geschafft hatte, Kamber von diesem Weg abzubringen.

Ich erinnerte mich daran, wie wir zu Tarkan aufgeblickt hatten, als wir noch nicht dazugehörten. Nach seinem Tod war auch sein Ruf verblasst. Über Kamber wurde offensichtlich noch geredet. Über mich nicht. Hoffentlich nicht.

Da war dieser Wunsch, dass Lesane mich cool fand. Oder die Person, die ich gewesen war. Da war auch dieser Wunsch, dass er mich jetzt cool fand. Oder mein Leben zumindest erstrebenswert. Da war dieser Wunsch, dass ich nicht würde reden müssen, dass es auf einer anderen Ebene funktionieren würde.

– NBA?, fragte ich.

– Fußball, sagte er.

– Meinetwegen, sagte ich.

Ich hatte keine Chance gegen ihn. Gegen Ende ließ er mich aus Mitleid zwei Tore schießen.

1991, We Can’t Be Stopped, Geto Boys

Sie sind zu fünft am Bahndamm beim alten Bunker, der mit Gestrüpp überwuchert ist. Berkay, Abbas, Mert, Kamber und er. Mert hat gesagt, er hat alles dabei. Er holt drei Blättchen Zigarettenpapier aus der Packung und klebt sie aneinander, zwei längs und eines quer. Er reißt ein Stück von einer Straßenbahnfahrkarte ab und rollt sie zusammen. Hinter seinem Ohr klemmen zwei Zigaretten, von denen er jetzt eine hervorholt und über der Flamme seines Feuerzeugs erhitzt. Die anderen sehen neugierig und ehrfürchtig zu.

– Warum machst du das mit der Zigarette?, fragt er.

Nicht, weil er Mert in Bedrängnis bringen möchte, sondern weil er es nicht versteht. Erst nachdem er die Frage gestellt hat, kommt ihm der Gedanke, dass Mert es vielleicht selber nicht weiß, sondern nur etwas nachmacht.

– Den Geschmack rausmachen, antwortet Mert.

Dann leckt er die Zigarette dort, wo das Papier doppelt ist, längs an und zieht den Streifen fein sauber ab. Den Tabak verteilt er auf den Blättchen. Dann wiederholt er das Ganze mit der anderen Zigarette.

– He, sagt er zu Abbas, du sollst die Augen offen halten, ob nicht jemand kommt, und nicht so starren.

Dann holt er aus der kleinen Vordertasche seiner Jeans einen in Alufolie eingewickelten Klumpen Haschisch und erwärmt ihn über der Flamme seines Feuerzeugs, um ihn danach in den Tabak zu krümeln.

– Wenn du ganz weiches Hasch hast, brauchste gar nicht warm zu machen, sagt er. Aber das hier bröselt sonst nicht.

Er sieht, wie aufmerksam Kamber ist und wie begierig, gleich zum ersten Mal zu kiffen.

Mert rollt den Joint, leckt die frei gebliebene Klebekante des zweiten Längsblättchens an und klebt ihn zu, bevor er das Querblättchen am Ende verzwirbelt.

– Auf Lunge rauchen, sagt er, drin behalten, erst wieder ausatmen, wenn der Joint zurück bei dir ist.

Die anderen rauchen alle Zigaretten und halten sich daran. Er muss husten.

Später schicken sie ihn Weingummi holen, weil er der Einzige ist, der keine roten Augen hat.

– Ich habe nichts gespürt, sagt er später zu Kamber.

– Musst anfangen zu rauchen, sagt Kamber.

Der die Träume hört

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