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Ein alter, schnupftabakliebender Forstmeister und sein Stadtwald

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Den Wald erreichen wir am besten mit dem roten Stadtbus der Linie 1, denn der fährt bis zur Endhaltestelle „Brommelshausener Forst“ am nördlichen Stadtrand. Den richtigen Bus zu finden, ist nicht schwer, denn Brommelshausen ist eine kleine Stadt und hat nur die eine Buslinie, nämlich diese Linie 1. Vielleicht wollte ein vorausschauender Stadtplaner ursprünglich noch eine Linie 2 dazuplanen, wer weiß das schon. Die ganze Fahrt vom Bahnhof quer durch die Stadt dauert höchstens zehn Minuten und das auch nur deshalb, weil der Bus jede Minute anhält, um Fahrgäste aus- und einsteigen zu lassen. An der Endhaltestelle „Brommelshausener Forst“ steigen wir dann selber aus und folgen dem Kirschenweg, der direkt hinter dem Wartehäuschen, leicht ansteigend, zu einem kleinen Wohnviertel führt. Nach ungefähr 300 Metern biegen wir rechts in den Pflaumenweg ein und das war’s dann mit Brommelshausen. Wir haben den Stadtrand erreicht. Am Ende des Pflaumenweges öffnet sich der Blick auf den Wald und der ist so nah, dass die einzelnen Bäume schon mit bloßem Auge sehr gut zu unterscheiden sind.

Es kommt aber öfters vor, dass Ausflügler ihre Wanderung schon jetzt für einen Augenblick unterbrechen und staunend vor dem allerletzten Haus im Pflaumenweg stehen bleiben. Dieses Haus ist aber auch ein Hingucker, denn es unterscheidet sich total von den anderen Häusern in der Siedlung. Die Wände bestehen aus Holz, besser gesagt aus dunkelbraun gestrichenen, aufeinandergestapelten Baumstämmen, und das ganze Haus macht den Eindruck, als hätte man es direkt von Alaska oder Kanada hierher nach Brommelshausen versetzt. Es ist ein rustikales Blockhaus, wirklich wie aus der kanadischen Wildnis entnommen und mit ein wenig Fantasie könnte sich manch einer sogar vorstellen, dass Jäger und Trapper darin wohnen, was hier in Brommelshausen natürlich unmöglich wäre. Das Blockhaus im Pflaumenweg ist allerdings ein wenig größer und vermutlich auch ein bisschen komfortabler eingerichtet als die kargen Hütten in der nordischen Wildnis. Sehr ungewöhnlich ist auch das kapitale Hirschgeweih mit seinen sechzehn säbelartigen Enden, das über der wuchtigen Eingangstür prangt. Ungewöhnlich deshalb, weil weit und breit kein anderes Haus mit einem Hirschgeweih über der Eingangstür zu finden ist und das gilt bestimmt nicht nur für Häuser in Brommelshausen. Wie gesagt, dieses letzte Haus im Pflaumenweg ist wirklich sehenswert.

Interessant ist aber auch der bullige, grüne Geländewagen, der vor dem Haus geparkt ist, zumindest für große und kleine Jungs, denn wer hätte nicht selber gerne so einen Geländewagen. Ein solcher Wagen ist natürlich ideal für Arbeitsfahrten im Wald und deshalb ein passendes Gefährt für Leute, die beruflich viel im Wald zu tun haben. Schaut man auf die Plakette an der Windschutzscheibe des Geländewagens, so kann man lesen:

Amtliches Forstfahrzeug für den Stadtwald Brommelshausen. Berechtigter: Herr Forstmeister Waldemar Sägebrecht

In dem einzigen Blockhaus in ganz Brommelshausen und Umgebung wohnt nämlich der alte Forstmeister Waldemar Sägebrecht, zusammen mit seiner besseren Hälfte, der Frau Forstmeisterin Waldtraud Sägebrecht. Wenn man diesen sehr amtlich und streng klingenden Aufdruck auf der Plakette liest, könnte man fast ein bisschen erschrecken, denn unter einem Forstmeister stellt man sich doch leicht einen sehr energischen, wahrscheinlich auch humorlosen, drahtigen Mann in schneidiger grüner Försterkleidung vor, der kleine Jungs aus dem Wald vertreibt, wenn er sie dabei erwischt, wie sie mit ihren Taschenmessern dünne Äste von einem Haselstrauch abschneiden, um daraus Pfeile und Bogen zu basteln.

Doch dieser Eindruck täuscht, denn unser Forstmeister Sägebrecht ist das glatte Gegenteil davon, nämlich ein gemütlicher, etwas beleibter älterer Mann mit Lachfalten und einem grauen Bart im wind- und wettergegerbten Gesicht. Der alte Sägebrecht ist Forstmeister mit Leib und Seele und hängt so an seinem geliebten Stadtwald und an den Tieren, die darin leben, dass die Frau Forstmeisterin Waldtraud Sägebrecht schon öfters im Scherz zu ihm gesagt hat: „Waldemar, manchmal weiß ich wirklich nicht mehr, ob du mit mir oder mit deinem Stadtwald verheiratet bist.“

Darüber muss der Forstmeister dann jedes Mal lachen und wenn er dann ausgelacht hat, greift er meistens in die Tasche seiner grünen Forstmeisterjacke und holt eine goldglänzende Schnupftabakdose hervor, um sich eine kräftige Prise von seinem guten und dazu noch sehr scharfen Schnupftabak zu gönnen. Auf dem Deckel der Dose ist ein ganzer Wald mit röhrenden Hirschen und einem flüchtenden Fuchs aufgemalt. Es ist also genau die passende Schnupftabakdose für einen Forstmeister und da diese Dose so passend ist, wird sie auch sehr oft hervorgeholt. Unser Forstmeister ist nämlich ein großer Liebhaber der gepflegten Schnupfkultur und eine deftige Prise von seinem guten Schnupftabak kann ihn in Hochstimmung versetzen.

Sehr schlecht gelaunt wird der Forstmeister Sägebrecht allerdings, wenn jemand seinen geliebten Schnupftabak versteckt und sei es nur zum Spaß. So etwas getraut sich nur die Frau Forstmeisterin und sie tut es auch ab und zu, nur um ihren Ehegatten wegen seiner übertriebenen Schnupftabakliebhaberei ein bisschen aufzuziehen. Ausschütten könnte sie sich dann vor Lachen, wenn ihr Waldemar grantelnd nach seinem braunschwarzen Genusspulver sucht.

Auf die absurde Idee, dem Forstmeister seinen Schnupftabak zu stehlen, auf so eine wirklich abnormale Idee würde natürlich niemand kommen. Oder etwa doch?

Die Bande vom Vorwald

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