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2 Das ursprüngliche Übertragungskonzept

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Die Grundlogik des ursprünglichen Übertragungsbegriffes lässt sich leicht mit einem einfachen Fallbeispiel aus dem Lehrbuch von Greenson (1975) erläutern:

Bei der Durcharbeitung einer libidinösen ödipalen Vaterübertragung beschreibt die Patientin auf die Aufforderung des Analytikers hin ihre Fantasien, von ihm geliebt, geküsst und penetriert zu werden. Nach einer Pause fährt sie fort: »Ein komisches Detail ist mir eingefallen, als ich dies alles beschrieb. Ihr Gesicht war unrasiert und Ihr Bart hat mich im Gesicht gekratzt. Das ist seltsam, Sie scheinen immer glatt rasiert zu sein« (a. a. O., S. 312). Beim Nachdenken fielen Greenson bestimmte Zusammenhänge aus der Kindheit der Patientin auf und er fragt: »Wer hat Sie immer mit dem Bart gekratzt, als Sie ein kleines Mädchen waren?« Daraufhin schreit die Patientin fast: »Mein Stiefvater, mein Stiefvater, er pflegte mich mit Genuß zu quälen, in dem er sein Gesicht an meinem rieb […]«. (a.a., O., S. 312)

Greenson hat zur Erläuterung seiner Darstellung der Übertragung sicherlich bewusst ein sehr einfaches Beispiel gewählt, aber es trifft dennoch exakt den Kern des ursprünglichen Übertragungsbegriffes. Der Analytiker als klar und eindeutig abgegrenzter Beobachter hält aufgrund seiner objektiven Erkenntnis der Realität die Fantasie der Patientin, dass er einen Bart habe, für unangemessen, da er offenbar zu dieser Zeit keinen Bart getragen hatte. In dieser Unangemessenheit der fantasierten Wahrnehmung liegt das zentrale Kriterium für das Vorliegen einer Übertragung, die dann auch konsequent hinsichtlich ihrer infantilen Vorlage bearbeitet wird.

Übertragung und Gegenübertragung im therapeutischen Prozess

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