Читать книгу Spuren im Sand - Sieglinde Breitschwerdt - Страница 5
Oliver
Оглавление„O ist das nicht idyllisch?“
Julia kannte diese Stimme. Melanie Mann! Auch das noch! Die hatte ihr gerade noch gefehlt. Melli war so blöd, dass sie glaubte, die Sonne ging nur für sie auf.
„Ist das ‘Spuren im Sand’?“, hörte sie eine männliche Stimme. „Ist schon 'ne Ewigkeit her, dass ich mir die Soap reingezogen hab! Leute, what’s happend?“
Das Timbre der Stimme gefiel Julia. Sie drehte sich um und ihr Puls begann schneller zu schlagen. Er war sehr groß, bestimmt schon siebzehn, hatte dunkles Haar, das sich im Nacken leicht lockte. Seine Haut war von der Sonne gebräunt und seine Augen erst! So ein Blau. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, lächelte sie scheu in seine Richtung.
„He, ich bin der Neue. Oliver Hardenberg“, und sah dabei nur Julia an. „Ich find‘ ‚Spuren im Sand‘ turbogeil! Du auch?“
Seine lockere Art verwirrte sie, und sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. Ihr Herz klopfte ein wenig schneller, als er ihr Lächeln erwiderte.
Tanja, Sven und Melli beobachteten die beiden amüsiert und warfen sich vielsagende Blicke zu. Nervös spielte Julia mit ihren Haaren. Plötzlich trommelte Julias Herz so laut, dass sie Angst hatte, man würde es hören. Ob es Oliver ebenso erging wie ihr? Fühlte er vielleicht dasselbe wie sie?
Die erste Werbepause begann.
„Mann, du siehst Jessica wirklich sehr ähnlich!“, murmelte Oliver und musterte sie bewundernd.
„Blödsinn“, stammelte Julia. „Ich?“
„Ich war letztes Jahr lange im Krankenhaus. Ich habe mir sämtliche Soaps reinzuzogen, sogar die Talk Shows!“, behauptete er grinsend.
„Was hat dich denn dorthin verfrachtet?“, mischte sich Tanja ein. Die Arme vor die Brust verschränkt mustere sie ihn unverhohlen.
„Komplizierter Bruch. Es war der reinste Knast!“, erwiderte er knapp und sein Lächeln verdüsterte sich schlagartig.
Melli griff nach Olivers Arm.
„Sorry, Olli, du kannst Julia später anbaggern. Wir sollten doch Herrn Hahn fragen, ob er im Wochenendhaus den Elektroherd reparieren kann und dann müssen wir gleich los!“
Innerlich schnaubte Julia. Melli! Diese saublöde dumme Kuh. Die hatte es nicht nötig, sich Serien anzusehen, um ein wenig von der großen Welt zu träumen. Ihr Leben glich dem von Jessica fast aufs Haar. Genug Geld für teure Boutique-Klamotten und ein Pferd besaß sie auch. Natürlich sattelte Miss Supergirl ihr Pferd nicht selbst, mistete den Stall nicht selbst aus oder kümmerte sich um die empfindlichen Hufe. Dafür gab es schließlich Personal.
Oliver schien Melli überhaupt nicht zuzuhören, entfernte sich zwei Schritte und lächelte Julia zu.
„Wenn du so kurze Haare hättest wie Jessica, würd‘ ich schwören, du bist es!“
„O my goodness, wäre das nicht romantisch?“, stichelte Melli und musterte Julia verschlagen.
„Aber er dauert sowieso nicht mehr lange bis sie Jessi abmurksen, damit mal wieder Action in die Story kommt!“
Zufrieden registrierte Melli Julias Erschrecken und zauberte von einer Sekunde zur anderen ein bedauerndes Lächeln auf ihr Gesicht.
„O Baby, bleib cool. Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber in jedem Käseblatt steht doch, dass A manda Jonsen, wieder zum Theater will. Bin mal gespannt, wie sie Jessi sterben lassen!“
Melli stich sich eine Strähne aus der Stirn und setzte noch eins drauf: „Vielleicht fällt sie auch so einem perversen Katzenkiller in die Hände. Bis jetzt hat er nur kleine, süße Kätzchen abgemurkst...“
Abrupt stockten ihre Ausführungen, als sie vier entsetzte Augenpaare auf sich gerichtet sah.
„Was soll das?“, rief Tanja und ihre Lippen zitterten.
Melanie straffte ihre Schultern und warf mit gekonntem Schwung ihre rote Lockenmähne in den Nacken.
„Sorry! To much fantasy. Natürlich wünsche ich niemanden etwas Böses.“
Lächelnd wandte sie sich an den Hausmeister und säuselte: „Herr Hahn, können wir mit Ihrer Hilfe rechnen.?"
Der Hausmeister nickte widerwillig. „Ich fahre morgen mal raus. Den Schlüssel hab‘ ich ja noch!“
„Thanks“, flötete Melli, dann zerrte sie an Oliver Arm. „Nun komm schon!“
Oliver grinste Julia über die Schulter hinweg entschuldigend zu.
„Ha, sie wünscht niemanden etwas Böses!“, zischte Tanja und zog ironisch die Augenbrauen in die Höhe.
„Sie ist ‚ne hohle Nuss“, fauchte Julia. Sie und Melli konnten sich nicht ausstehen. Und seit sie die Hauptrolle in `Was ihr wollt`spielen sollte – auf diese Rolle war Melli so scharf gewesen - erst recht.
„Sag‘ mal Sven, wer war das?“, erkundigte sich Julia beiläufig.
„Ein Neuer“, erwiderte er. „Wir haben die gleichen Kurse.“
Verträumt zwirbelte Julia eine Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Werbespot war zu Ende...
Die Kamera zoomte auf eine behandschuhte Hand, die eine weiße Lilie auf Jessicas Nachttisch legte...
Julia spürte wie ein eisiger Finger über ihr Rückgrad strich. In dieser Folge wurde dieses Geheimnis noch nicht gelüftet. Die Titelmusik setzte ein, der Abspann lief, anschließend kam ein Werbespot für strahlend weiße Zähne.
„Was glaubst du, wer der Lilientyp ist?“, fragte Julia, als die drei zur nächsten Stunde zurückhetzten.
Sven feixte und führte den Zeigefinger wie eine Messerklinge über die Kehle, dabei zog er die Luft durch die Zähne.
„Nie! Jessica ist der Star!“, behauptete sie hitzig. Sven warf ihr einen kritischen Blick zu.
„Begreif's doch, Julia. Es ist doch nur eine Soap. Ein modernes Märchen für jedermann und ganz weit von der Realität entfernt!“
Julia lag schon eine scharfe Antwort auf der Zunge, doch sie unterließ es. Es hatte keinen Sinn.
Die restlichen Meter, bis sie die Schule erreichten, verliefen schweigend. Mit einem „bis dann“ schoss Sven den Flur entlang zu seinem Workshop, während Julia und Tanja zu ihrem Deutschkurs gingen.