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Der Kaiser war ein hochgebildeter Weltmann

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Eigentlich hätte Karl IV. aus dem Hause Luxemburg in Böhmen aufwachsen sollen, aber sein Vater hatte beschlossen, den Knaben nach Paris zu schicken, wo seine Lehrer ihn in die Geheimnisse der abendländischen Bildung einweihten.

König Johann von Böhmen war ein Bonvivant, der ganz in der ritterlichen Tradition lebte, das Turnieren, die Frauen und den Wein liebte und der von der Vorstellung beseelt war, dass auch Sohn Wenzel, der am 14. Mai 1316 geboren worden war, schon von Kindheit an den Duft der großen weiten Welt genießen sollte. Deshalb schickte er den Knaben, der nach dem Nationalheiligen getauft worden war, schon bald nach Paris, wo dieser dann seinen Firmnamen Karl annahm. Ganz unterschiedliches Blut rollte in den Adern des Knaben, seine Vorfahren stammten teils aus Frankreich, aber auch Deutsche waren unter seinen Ahnen und die slawische Mutter Elisabeth stammte aus dem Haus der Přemysliden, sodass er zu einem echten europäischen Herrscher prädestiniert war. Denn im Gegensatz zu seinem unfähigen, dümmlichen Bruder Johann, der mit der Erbin von Tirol Margarete Maultasch verheiratet war, zeigte Karl schon von Jugend an politisches Talent und diplomatisches Geschick. Wissensdurstig und bildungshungrig hatte Karl in Paris die richtigen Lehrer gehabt und wahrscheinlich war schon damals der Plan in ihm gereift, auch sein Heimatland den geistigen Errungenschaften der Zeit zu öffnen.

Schon sehr bald zeigte es sich, dass der junge Karl ein weltgewandter Mann war, der fünf Sprachen beherrschte, sodass er überall dort, wo er hinkam, keinen Dolmetscher benötigte. Dies erwies sich natürlich als vorteilhaft, als er seinen Bruder Johann, dessen Ehe mit Margarete gescheitert war, in Tirol unterstützen sollte. Denn dieses Land war nicht nur von den Luxemburgern, sondern auch von den Wittelsbachern und Habsburgern umworben. Immerhin ging es um den Besitz der Alpenpässe. Karl konnte zwar die Ehe seines Bruders nicht mehr retten, denn Margarete hatte mittlerweile schon den Sohn des Kaisers, Ludwig von Brandenburg, geheiratet, aber aufgrund dieser pikanten Mission war er auch in die oberitalienischen Städte gekommen. Er hatte italienische Lebensart und Kultur kennengelernt, was er später als Kaiser zu schätzen wusste. Vielleicht war es dieses erste Kennenlernen gewesen, was ihn Jahre später hinderte, die Städte mit Waffengewalt unter sein Joch zu zwingen.

Als Karl mit siebzehn Jahren nach Böhmen zurückkehrte, wurde er ein Jahr später von seinem königlichen Vater mit der Markgrafschaft Mähren belehnt. Auf seinen weiten Reisen mit König Johann lernte er die verschiedenen Mentalitäten kennen, er war dabei, als Verträge zwischen dem Königreich Böhmen und Ungarn sowie Polen geschlossen wurden, und begleitete den fast blinden Vater auf seinen Fahrten in die preußischen Gebiete. So war Karl bestens vorbereitet, die Nachfolge König Johanns, der schon bald den Beinamen »der Blinde« erhielt, anzutreten. Auch ein Ereignis, das er in seiner Autobiographie berichtete, bestärkte ihn in dem Glauben, zum Herrschen auserkoren zu sein. Er beschrieb einen Traum, in dem ihm ein Engel erschienen war, der ihn an den Haaren durch die Luft zu einem Schlachtfeld getragen hatte. Der Engel forderte Karl auf zu schauen: »Blicke hin und schaue! Und siehe da, ein anderer Engel fuhr mit feurigem Schwert vom Himmel herab, durchstieß einen Mann in der Mitte der Schlachtreihe und verstümmelte sein Glied mit dem Schwerte.« Der Engel erklärte Karl, dass es sich um den französischen Dauphin von Vienne handelte, der auf diese grauenvolle Weise zu Tode kam. Kurze Zeit später bestätigten Augenzeugen, dass der Dauphin tatsächlich von einem Pfeil tödlich getroffen worden war. Ein potenzieller Gegner war damit ausgeschaltet.

Dieser Traum erschien Karl wie ein Omen. Als er von den Streitigkeiten, die damals im Reich herrschten, erfuhr, ließ er sich von seinem Großonkel Balduin von Trier, einem der mächtigsten Männer seiner Zeit, als Gegenkönig zu Ludwig dem Bayern aufstellen und wurde, ganz gegen die allgemeine Sitte, in Bonn 1346 zum König gekrönt. Damit aber alles seine Ordnung haben sollte, ließ er sich zur Sicherheit ein zweites Mal im Jahre 1349 in Frankfurt und im gleichen Jahr noch in Aachen krönen! Diplomatisch wie Karl war, suchte er nicht die Konfrontation mit den anderen starken Familien, er verständigte sich sowohl mit den Wittelsbachern als auch mit den Habsburgern, mit denen er verwandtschaftliche Beziehungen aufbaute. Seine Tochter Katharina, die aus seiner ersten Ehe mit Blanca Margarete von Valois stammte, sollte den jungen dynamischen Habsburger Rudolf heiraten, wobei er nicht ahnen konnte, dass er einmal mit diesem Schwiegersohn große Probleme bekommen sollte.

Obwohl Karl IV. in seinem Wesen wenig seinem Vater glich, liebte er doch so wie König Johann die schönen Frauen seiner Zeit. Er war viermal verheiratet und besaß beinah ein Dutzend ehelicher Kinder, von denen Wenzel IV., genannt »der Faule«, König von Böhmen und Sigismund römischdeutscher Kaiser wurden.

Es waren grundlegende Neuerungen, die Karl in seinen Ländern, aber auch für das Reich anstrebte. Nicht durch Kriege wurde er als letzter großer spätmittelalterlicher Herrscher bekannt, sondern durch seine Gesetzeswerke und seine kulturellen Bestrebungen, die zu einem Ausgleich innerhalb der Völkerschaften in seinen Ländern führen sollten. Natürlich war die Kaiserkrönung in Rom im Jahre 1355 für ihn eine besondere Bestätigung, wobei er sich auf seinem Italienzug keineswegs in italienische Belange einmischte, wohl aber das Geld, das die Kommunen zu zahlen hatten, mit offenen Händen annahm. Genauso wie er sich nicht zierte, die Zahlungen, die die Juden leisten mussten, um unter kaiserlichem Schutz zu stehen, einzufordern. Denn in den Zeiten der Pest, die damals weite Teile Deutschlands entvölkerte, kam man auf die wahnwitzige Idee, dass die Juden die Brunnen vergiftet hätten, was eine Hatz auf diesen Teil der Bevölkerung auslöste. Karl stellte sich blind und taub und gebot dem wütenden Treiben keinen Einhalt. Er glaubte, auf die Loyalität der Städte wie Frankfurt und Nürnberg angewiesen zu sein, die unter seiner Regierung genauso wie die oberpfälzische Stadt Sulzbach besondere Bedeutung erlangten. Für viele Zeitgenossen wirkte der Kaiser wie ein biederer Kaufmann, der seine Hausmacht hütete und nicht wie der Nachfolger der von universalem Geist geprägten Herrscher, wie sein Großvater Heinrich VII. einer war. Und dennoch beschäftigte ihn die Rolle und Stellung des Kaisers von Grund auf. Obwohl er mit den Päpsten ein gutes Einvernehmen pflegte, wollte er den Einfluss des Papstes auf die Wahl des römisch-deutschen Königs abschaffen. Das wichtigste Reichsgesetz entstand unter seiner Ägide, die Goldene Bulle wurde im Jahre 1356 verabschiedet, deren Gesetze bis zum Jahre 1806 Gültigkeit hatten. Das Wahlverfahren sowie die Anzahl der Kurfürsten und deren Bedeutung war ein für alle Mal festgeschrieben worden.

Der Kaiser war von Jugend auf ein frommer Mann, der vor allem für die slawische Kirche große Sympathien hegte und versuchte, in der Volkskirche die lateinische Sprache abzuschaffen. Das Volk sollte verstehen, worum es betete, was in Rom allerdings nicht goutiert wurde.

Kulturell aufgeschlossen, war er auf seinen weiten Reisen nicht nur auf Italien konzentriert, auch die Balkanländer und die Gebiete an Nord- und Ostsee stießen auf sein Interesse, überall ging er mit offenen Augen durch die Welt und holte die bedeutendsten Männer seiner Zeit nach Prag, wo er den Grundstein für die »Goldene Stadt« legte. Die Baumeister Brüder Parler schufen in seinem Auftrag den Veitsdom und der berühmte Dichter Petrarca zählte zu den persönlichen Beratern und Freunden des Kaisers. Da Karl IV. schon in seinen Pariser Jahren die Wichtigkeit der universitären Bildung erkannt hatte, gründete er im Jahre 1348 die nach ihm benannte Karlsuniversität. Aus dem unbedeutenden Prag war unter dem Kaiser eine europäische Metropole geworden, wie die Inschrift am Altstädter Rathaus bezeugte: »Praga Caput Regni« – Prag – Hauptstadt des Reiches.

Als der Kaiser am 29. November 1378 starb, dauerten die Beisetzungszeremonien Tage. Sein Tod war ein Fest für das Volk von Prag.

Der goldene Apfel

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