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Der »Nachgeborene« war ein Spielball der Mächtigen

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Von Anfang an lag viel Tragik über dem Leben des Ladislaus Postumus, der vier Monate nach dem Tod König Albrechts II. zur Welt kam.

Sein dynamischer Vater, der große Pläne gehabt hatte, wäre sicherlich ein fähiger Herrscher gewesen, wäre er in Ungarn nicht plötzlich an der Ruhr erkrankt, die er nicht überleben sollte. Albrecht II. entstammte der »albertinischen Linie« der Habsburger und war mit einer äußerst umworbenen Frau verheiratet gewesen, mit Elisabeth, der Tochter des Kaisers Sigismund, der im Prozess um den abtrünnigen Reformator Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz einen sehr umstrittenen Eindruck hinterlassen hatte. Sigismund hatte vergeblich auf Söhne gehofft, sodass seine Tochter Elisabeth nicht nur Böhmen, sondern auch Ungarn als Heiratsgut mit in die Ehe brachte. Außerdem gelang es dem Kaiser durchzusetzen, dass man seinen Schwiegersohn Albrecht zum deutschen König wählte. Zunächst schienen keine gröberen Probleme für das junge Paar aufzutauchen, bis der Tod Albrechts alle Hoffnungen zunichtemachte. Zurück blieb in Ungarn die junge Witwe, die ihr zweites Kind erwartete und die sofort in die Mühlen der verschiedenen politischen Gruppierungen geriet. Aus diesem Hexenkessel sollte auch ihr Sohn Ladislaus, der am 22. Februar 1440 im ungarischen Komorn das Licht der Welt erblickte, in seinem kurzen Leben nicht mehr herauskommen.

Ein Wettlauf um den Knaben begann, als das schreiende Baby auf dem Arm seiner Kinderfrau Helene Kottannerin im zarten Alter von zwölf Wochen in Stuhlweißenburg zum König von Ungarn gekrönt wurde. Es gab wenig Menschen um sie herum, auf die sich die verwitwete Königin verlassen konnte, die Kottannerin aber war ihr mit Leib und Leben ergeben. Denn die Ungarn hatten ziemlich schnell nach dem Ableben Albrechts II. einen Polen, Wladislaw III., zum König gewählt, der allerdings schon vier Jahre später in einer Schlacht gegen die Türken fallen sollte.

Elisabeth und ihr kleiner Sohn waren gewarnt, niemand mehr schien nämlich ein besonderes Interesse an einer späteren Regentschaft ihres Sohnes zu haben, zu turbulent waren die Zeiten, die eines starken Herrschers bedurft hätten. Daher bestellte man in Ungarn einen siebenbürgischen Reichsverweser, während der spätere Kaiser Friedrich zum offiziellen Vormund von Ladislaus ernannt wurde, wobei es natürlich alles andere als sicher war, dass der Knabe dereinst die ungarische Krone tragen würde.

Seine Mutter und deren Kammerfrau hatten allerdings vorgesorgt, dass die Krone nicht in die Hände irgendwelcher Glücksritter kam. Heimlich hatten die beiden Frauen den Plan geschmiedet, die in einem Schrein wohl verwahrte Krone des hl. Stephan bei Nacht und Nebel nach Wiener Neustadt zu bringen. Das war leichter gesagt als getan. Denn die Krone wurde streng bewacht, sodass es schwierig war, überhaupt an sie heranzukommen. Durch eine List gelang es der Kottannerin, die Krone an sich zu nehmen, die sie in ein großes Samtkissen wickelte und zusammen mit einem wertvollen Halsband und anderen Kleinodien der Königin auf einen Schlitten legte und unter Lebensgefahr aus der Burg schaffte. Dabei wurde das Kreuz, das die Krone zierte, leicht verbogen, was auch später nicht mehr zu reparieren war.

So sehr sich Elisabeth bemühte, den kleinen Sohn in ihrer Nähe zu haben, konnte sie nicht verhindern, dass der Vormund das Kind unter Verschluss hielt, denn immerhin war der Königssohn ein wichtiges Pfand im Kampf um die Macht. Die Böhmen, deren Krone er auch dereinst tragen sollte, beobachteten äußerst misstrauisch, dass Ladislaus beinah wie ein Gefangener auf Schloß Orth erzogen wurde, sie forderten seine Überstellung nach Prag, wo man vorübergehend Georg von Podiebrad eingesetzt hatte, der die Regierungsgeschäfte führen sollte, bis Ladislaus in der Lage sein würde, den Thron zu besteigen.

Was zuerst nur verbal begonnen hatte, eskalierte mit der Zeit mehr und mehr, denn auch die österreichischen Stände forderten Friedrich auf, sein Mündel frei zu geben. Aber undurchsichtig wie Friedrich ein Leben lang war, äußerte er sich kaum und ließ die Sache auf sich zukommen. Als er 1452 seinen Zug nach Rom unternahm, um sich zum Kaiser krönen zu lassen, nahm er den jungen Ladislaus sicherheitshalber mit, er musste während seiner Abwesenheit mit allem rechnen. Für den jungen Mann war die Romfahrt ein Erlebnis, denn Friedrich hatte ihm eine gute humanistische Ausbildung zuteilwerden lassen, der Knabe sprach außer Deutsch und Latein auch noch Ungarisch und Tschechisch und begeisterte sich für die klassische Antike. Seine Liebe zur Wissenschaft und zu den Büchern zeigte sich bei ihm deutlich, als er, kurz nachdem er für volljährig erklärt worden war, den Kaiser aufforderte, ihm die Bibliothek seines Vaters auszuhändigen, in der sich auch die wertvolle Wenzelsbibel befand. Ladislaus Postumus wäre mit Sicherheit ein gebildeter, kultivierter Herrscher geworden, hätte er nur die geringste Chance gehabt!

Kaum war der Kaiser von den Krönungsfeierlichkeiten aus Rom zurückgekehrt, belagerten ihn die österreichischen Stände, die von Georg von Podiebrad und Johann Hunyadi unterstützt wurden, in seiner Burg in Wiener Neustadt so lange, bis er Ladislaus herausgab. Nachdem der junge Prinz im Triumphzug, den Ulrich von Cilli, ein Freund der Familie, anführte, nach Wien gebracht worden war, entschlossen sich die Böhmen, ihn 1453 in Olmütz zum König zu krönen.

Die Lage für den Jüngling, der zwischen die Interessensfronten der Böhmen, Ungarn, der österreichischen Stände und des Kaisers geraten war, wurde immer undurchsichtiger und schwieriger. Denn die Türken hatten schon Jahrzehnte vorher Wien belagert und waren aus weiten Teilen Ungarns nicht mehr abgezogen. Immer neue Kämpfe und Schlachten waren die Folge, in die auch die ungarischen Magnaten verwickelt wurden. Und da sie untereinander uneins waren und sich jeder vor jedem hüten musste, fand der jugendliche Ladislaus eigentlich niemanden, dem er wirklich vertrauen konnte, nachdem Ulrich von Cilli, der es ehrlich mit ihm gemeint hatte, von einem Sohn Johann Hunyadis ermordet worden war. Man fackelte nicht lange und richtete den Mörder hin, was wiederum die Anhänger Hunyadis zutiefst empörte. Man schob die Schuld an der Tragödie dem jungen Ladislaus in die Schuhe, der Hals über Kopf nach Prag flüchtete, um sein Leben zu retten.

In der böhmischen Hauptstadt schien für den Jüngling die Sonne zu scheinen. Dass alles, was man ihm hier bot, nur das eine Ziel hatte, seine Gesundheit zu untergraben, konnte Ladislaus nicht durchschauen. Das »dolce vita«, das ihm tagaus, tagein geboten wurde, übertraf alles, was er bisher erlebt hatte. Delikateste stark gewürzte Speisen, die seinen Durst anregen sollten, wurden ihm kredenzt, Wein floss in Strömen und raffinierte Damen legte man in sein Bett, die ihn in die Geheimnisse der Liebe einführen sollten. Trotz all der Verführungen konnte man aber nicht verhindern, dass der Fünfzehnjährige plötzlich politische Ambitionen zeigte. Vor allem trachtete er danach, wieder in Besitz der ungarischen Krone zu kommen, wobei sich der Kaiser mit aller ihm zur Verfügung stehenden Energie weigerte, diese herauszugeben. Ein langer Streit schien sich anzubahnen, der vielleicht auch in kriegerischen Auseinandersetzungen geendet hätte, denn weder Friedrich noch Ladislaus waren gewillt, in dieser Prestigeangelegenheit nachzugeben.

Mitten in diesen Kontroversen im Jahr 1457 erwartete Ladislaus in Prag seine französische Braut Magdalena, eine Tochter des französischen Königs Karl VII. Seine Anwesenheit in Prag hatte auch politische Hintergründe, da der Gubernator, der in Böhmen die Regierungsgeschäfte führte, mit der Zeit reichlich selbstherrlich geworden war. Aber Ladislaus konnte weder seine Braut begrüßen, noch für Ruhe und Ordnung sorgen, denn von einem Tag auf den anderen überfiel ihn eine geheimnisvolle Krankheit. Mit nur 17 Jahren hauchte der blond gelockte junge Mann sein Leben aus. Wahrscheinlich starb er an Leukämie, obwohl das Gerücht nicht verstummen wollte, dass Ladislaus Postumus vergiftet worden war.

Der goldene Apfel

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