Читать книгу Fälle zum Medizin- und Gesundheitsrecht, eBook - Silvia Deuring - Страница 118
6. Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag, § 313 Abs. 1 Hs. 2 BGB (Normatives Element)
ОглавлениеSchließlich müsste die Vertragsanpassung zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheinen.[35] Fraglich ist also, wem das Risiko der Kostentragung ohne Regressmöglichkeiten aufzubürden ist. Der Krankenhausträger hat regelmäßig keinen Einblick in die persönlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse sowie die Vermögensverhältnisse des Patienten. Der Patient weiß regelmäßig, ob und bei wem eine Krankenversicherung besteht. Bestehen Zweifel, kann der Patient diese ohne Schwierigkeiten durch eine formlose Anfrage bei der GKV ausräumen. Im Falle der Einlieferung eines Patienten ergibt sich folglich keine Pflicht des Krankenhausträgers, sich ohne Anlass mit der finanziellen Lage oder dem sozialversicherungsrechtlichen Status eines Patienten zu befassen. Ferner ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass T aufgrund eines medizinischen Notfalls in die Klinik eingeliefert wurde. In diesem Fall ist es schon aus praktischen Gründen nicht möglich, die Angaben des Patienten vor Behandlungsbeginn zu überprüfen, denn in Notfällen ist ein schnelles medizinisches Eingreifen geboten, ein Zuwarten auf etwaige Verwaltungsüberprüfungen wäre nicht vertretbar. Es ist also nicht Aufgabe des Krankenhausträgers, für den Versicherungsschutz des Patienten Sorge zu tragen.[36] Da das Risiko der Tragung der Kostenlast eher dem Patienten zuzuweisen ist, ist es der Stadt S als Träger des Krankenhauses nicht zumutbar, die Kosten zu tragen.
Der BGH geht also zu Recht davon aus, dass der Weg der Anpassung beschritten werden kann. Die Rechtsfolge ist freilich auf den ersten Blick verblüffend: Es wird nämlich das Entgelt für die allgemeinen Krankenhausleistungen (§§ 7 ff. KHEntgG) geschuldet, was exakt auf den eingeklagten Betrag hinausläuft. Auch wenn die Patienten mit einer solchen Kostenbelastung nicht rechnen, erscheint das Ergebnis gleichwohl angemessen. Denn andernfalls würde das Risiko eines bestehenden Versicherungsschutzes einseitig auf die Behandlungsseite abgewälzt werden. Dass die Linie des BGH angemessen ist, zeigt auch folgende Kontrollüberlegung: Würde man den Krankenhausvertrag als unwirksam ansehen, stünden der Behandlungsseite immer noch Aufwendungsersatzansprüche (§§ 677, 683, 670 BGB), hilfsweise bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Wertersatz (§§ 812, 818 Abs. 2, ggf. mit § 684 S. 1 BGB) zu, und beides dürfte wohl wieder auf das Entgelt für gesetzlich versicherte Patienten hinauslaufen. Zudem verbleibt zu ihren Gunsten ein Rückgriff auf die Vorschriften über den Vollstreckungsschutz.[37]