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Kapitel 8

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Tübingen, Juli 1408

»Rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz und weiß wie Schnee«, summte der auf dem Boden kniende Mann vor sich hin, während seine Klinge in das Fleisch der Hure fuhr. Diese war bildschön, und es war ein Jammer um ihren Körper. Aber auf eine Hässlichere hatte er nicht warten können, da der Bedarf seines Auftraggebers immer schneller zu wachsen schien. Zuerst hatte es geheißen, drei oder vier wären genug; für den Rest würden andere sorgen. Aber offensichtlich scherte sich doch jemand darum, dass die Gräber der Armen geschändet wurden. Allmählich zeichnete sich ein Geschäft ab, das ihn noch weit bis in die Zukunft mit einem Zusatzeinkommen versorgen würde. Morgen stand der Heilige Sonntag vor der Tür, aber für die Frau zu seinen Füßen würde es kein Tag der Andacht und Beschaulichkeit werden. Er schluckte ein Lachen. Und für diejenigen, die sie fanden, würde der Tag gewiss auch nicht so beginnen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Mit geübten Bewegungen hackte er der Frau Kopf und Arme ab und sah einige Momente fasziniert dabei zu, wie ihr Blut sich in Windeseile mit dem Regen vermischte. Am vergangenen Mittwoch hatte das Wetter umgeschlagen und es hatte angefangen, wie aus Kübeln zu schütten. Seitdem schien der Sommer bereits dem Herbst weichen zu wollen, obwohl es noch viele Wochen dauern würde, bis sich die ersten Blätter bunt färbten. Ein empfindlich kühler Wind pfiff durch die Stadt. Eigentlich hatte der Jäger es auf einen der Spielmänner abgesehen, doch diese wagten sich bei den unwirtlichen Umständen kaum mehr auf die Straße. Er stopfte den Kopf und die beiden Gliedmaßen in seinen Beutel, platzierte Schalen unter den Wunden und wandte sich den Füßen der Toten zu. Diese steckten in leichten Schuhen, die viel zu dünn waren für die Witterung, und er fragte sich, ob sie gefroren hatte. Musste sie wohl. Denn ihre Kleidung war nicht dafür gemacht, etwas zu verhüllen. Als dieser Teil seines Auftrages ebenfalls erfüllt war, fing er auch aus diesen Wunden so viel von ihrem Blut auf wie möglich. Nachdem er dieses in ein halbes Dutzend bauchige Phiolen umgefüllt hatte, die er sorgfältig verkorkte, ließ er schließlich die Gefäße den Körperteilen folgen. Nicht einmal vier Wochen war es her, seit er die anderen beiden Huren getötet hatte, und allmählich machte ihm die Häufigkeit seiner Ausflüge Sorgen. Wenn es so weiterging, würde sein Weib Verdacht schöpfen. Und dann war es nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Stadt davon erfuhr. Ein unschöner Gedanke fuhr ihm durch den Kopf. Vielleicht würde sein Auftraggeber für sie ja auch etwas bezahlen. Schon lange ging ihm ihr ewiges Genörgel auf die Nerven. Warum sollte für sie nicht auch Verwendung zu finden sein? Ein Geräusch aus einem der Hinterhöfe ließ ihn nervös um sich blicken. Doch es war nur eine streunende Katze, die kurz darauf mit gesträubtem Fell an ihm vorbeischoss.

Er zurrte den Sack zu, kam mit steifen Gelenken auf die Beine und hastete in die Dunkelheit des späten Abends davon. Mit jedem Mord wurden seine Aufträge riskanter. Wenn er noch mehr herbeischaffen sollte, dann musste er sich bald etwas anderes überlegen. Gewiss würde er nicht ewig Unehrliche von der Straße pflücken können, als handle es sich um überreife Kirschen! Früher oder später würde die Stadtwache ihre Präsenz in den Straßen erhöhen und dann hatte er schlechte Karten. Er huschte die Jakobsgasse entlang in Richtung Osten, überquerte die Ammer und schlüpfte zwischen den Häusern an der Krummen Brücke hindurch. Von dort aus eilte er weiter, bis er das Wasser der Ammer erneut riechen konnte. Er war nur noch zwei Steinwürfe von seinem Haus entfernt, als ihn ein scharfer Befehl erstarren ließ.

»Halt! Bleib auf der Stelle stehen!«, bellte ein Wächter.

Kurz darauf verkündete das Trampeln von schweren Stiefeln, dass sich ihm mindestens drei Stadtwachen im Laufschritt näherten. Das Licht ihrer Fackeln tanzte wild hin und her, und mit Entsetzen sah er, dass Blut aus seinem Sack getropft war und seine Kleidung befleckt hatte. Oh, Heiliger Vater, steh mir bei!, dachte er entsetzt, während die Soldaten drohend ihre Schwerter zogen. Warum waren die Kerle nicht im Trockenen? Beim Würfelspiel in der Wachstube?

»Was hast du in dem Sack?«, fragte der Befehlshaber der Wache. Er bedeutete seinen beiden Begleitern, ihren Fang zu packen. Aber als einer von ihnen die Fackel hochhob, um das Gesicht des Mannes zu beleuchten, brach er in ein Lachen aus, das halb erleichtert, halb enttäuscht klang.

»Du bist es!«, rief er. Auch in den Augen seiner Kollegen dämmerte Erkennen.

»Was hast du denn im Dunkeln noch auf der Straße zu suchen?«, fragte der Anführer – immer noch ein wenig misstrauisch.

Der Gefragte hob die Schultern. »Man kann sich leider nicht immer aussuchen, wann die Leute einen rufen«, entgegnete er. »Und wer kann schon Nein sagen, wenn eine Witwe einen um Hilfe bittet?«, log er. Die Anspannung ließ seine Stimme kaum wahrnehmbar beben. Der Drang, wie ein Hase davonzulaufen, war überwältigend. Allerdings wusste er, dass er damit sein Leben verwirkt hätte. Daher setzte er ein Gesicht auf, von dem er hoffte, dass es harmlos genug aussah, und lächelte dümmlich.

»Man muss schließlich von etwas leben«, sagte er mit einem Schulterzucken.

Einige scheinbar endlose Augenblicke verstrichen in argwöhnischem Schweigen. Dann schob der Befehlshaber die Waffe zurück in die Scheide und schüttelte den Kopf.

»Na dann«, knurrte er. »Mach, dass du nach Hause kommst!«

Mit weichen Knien tat er, wie geheißen. Als wenig später die Tür seines Hauses hinter ihm ins Schloss fiel, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Das war knapp gewesen! Noch einmal durfte ihm so etwas nicht passieren! Heftig atmend lauschte er in die Dunkelheit des Hauses und wartete, ob sich etwas regte. Erst, als alles ruhig blieb, stellte er den Beutel ab, griff mit zitternden Fingern in den Kienspanbehälter neben der Tür und entzündete eine Kerze. Heißer Schrecken durchzuckte ihn, sobald er sah, wie viel Blut durch die Sackleinwand gesickert war. Auf dem Lehmboden hatte sich bereits eine kleine Lache gebildet, die sich mit dem Wasser, das von seiner Kleidung tropfte, vermischte. Verdammt!, dachte er. Eines der Gefäße musste zerbrochen sein! Wenn der Regen nicht alles fortwusch und die Wächter die Spur zurückverfolgten, war es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass sie die Tote finden würden. Und er verhaftet wurde! Auf unsicheren Beinen schaffte er den Sack dorthin, wo nie jemand nachsah, beseitigte alle Spuren und wartete darauf, dass sich sein Herzschlag beruhigte. Dann warf er sich einen anderen Mantel über, verbarg das Gesicht unter einem Filzhut und trat wenig später zurück hinaus in die Nässe. Er hatte einen Fehler gemacht! Und diesen galt es nun zu beheben. Zum Glück regnete es immer noch heftig, aber er würde dennoch dafür sorgen, dass man die Leiche nicht allzu einfach entdecken konnte. Vorsichtig, um den Soldaten nicht ein zweites Mal in die Arme zu laufen, schlich er dahin zurück, woher er gekommen war.

Die Salbenmacherin

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