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Kapitel 14

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Konstantinopel, Ende Juli 1408

Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. Schneller, als Olivera es für möglich gehalten hatte, kam der große Moment heran. An einem strahlend schönen Sonntag gaben sie und Laurenz sich in einer kleinen Kapelle im venezianischen Viertel von Konstantinopel das Jawort. Nicht einmal drei Dutzend Gäste waren zugegen. Und auch das anschließende Festmahl fand im kleinen Kreis statt. Ihre Yiayia hatte sich zuerst geweigert, die römische Kirche zu betreten. Doch Oliveras Bitten hatten sie schließlich umgestimmt. Jetzt saß die junge Frau wie auf Kohlen, da der Augenblick, die Ehe zu vollziehen, nahte. Obwohl sie kaum etwas gegessen hatte, verspürte sie einen Druck im Magen. Dieser, so vermutete sie, hatte jedoch nichts mit den schweren Speisen zu tun. Sondern viel mehr damit, dass noch in dieser Nacht all das wahr werden würde, wovon sie so lange geträumt hatte. Unruhig rutschte sie auf dem Schemel hin und her, auf den ihre Großmutter sie gedrückt hatte.

»Au«, protestierte sie, als die alte Frau einen Knoten in ihrem Haar löste.

»Halt still«, war die ungerührte Antwort. »Du willst doch gewiss schön sein wie eine Rose, wenn dein Gemahl an deine Tür klopft«, versetzte ihre Yiayia.

Und das wollte Olivera! Daher biss sie die Zähne aufeinander und ertrug die Tortur ohne weitere Klagen. Immerhin war alles Ziehen und Reißen nicht einmal in Ansätzen vergleichbar mit den Schmerzen, welche die Enthaarung am Vortag mit sich gebracht hatte. Nachdem ihr Schopf gekämmt war, streute ihre Yiayia ein Pulver aus Nelken, Galgantwurzel und Muskat in ihr Haar und massierte es in ihre Kopfhaut ein. Dann legte sie die Strähnen zu einer einfachen Schlaufe und half der jungen Frau aus dem Hochzeitskleid. Nur noch mit einem elfenbeinfarbenen Untergewand bekleidet, fühlte Olivera sich seltsam schutzlos. Der Duft von Rosen- und Veilchenöl stieg ihr in die Nase, und sie gab der Versuchung nach, mit den Fingerkuppen über ihre glatte Haut zu streichen. Kein einziges Härchen verunzierte ihre makellosen Beine, die Lale am Morgen mit einem Duftöl eingerieben hatte.

Ihre Großmutter betrachtete sie mit schief gelegtem Kopf.

»Schön wie der Vollmond«, murmelte sie. »Allerdings kann ein wenig Farbe nicht schaden.« Sie griff nach einem kleinen Tiegel, in dem gestoßene Ölbaumwurzel mit Talg vermischt worden war. Diese Masse hatte einen grellroten Ton, der an die Farbe von Ochsenblut erinnerte. Etwas Minze sorgte dafür, dass das Gemisch einen angenehmen Geschmack bekam, der Olivera augenblicklich auf den Lippen prickelte. Nachdem ihre Yiayia noch ihre Augen mit Kohlestift umrahmt und die Wimpern mit einem heißen Eisen gebogen hatte, schien sie schließlich zufrieden.

»Auch wenn ich wünschte, du hättest dein Herz einem Griechen geschenkt«, sagte sie leise, »werde ich für euer Glück beten.« Sie drückte Olivera einen Kuss auf die Stirn. »Gott steht all denjenigen bei, die reinen Herzens sind. Vergiss das nie.« Sie packte ihre Sachen zusammen, warf ihrer Enkelin einen letzten Blick zu und verließ schließlich die Kammer, die den frisch Vermählten zugewiesen worden war.

Alles war fremd für Olivera. Daher kam sie sich einsam und verlassen vor, als sie plötzlich ganz alleine war in dem prachtvoll geschmückten Raum. Sie sah sich suchend um. Nicht einmal ein Spiegel war vorhanden, in dem sie ihre Erscheinung hätte überprüfen können. Außer einem Bett mit einem ausladenden Baldachin befanden sich zwei Zedernholztruhen, ein Schemel und ein kleines Tischchen in der Kammer. Drei der vier Wände zierten Wandteppiche, auf denen fremdländisch anmutende Szenen dargestellt waren. Eine der Knüpfarbeiten zeigte eine Schar bunt gefiederter Vögel in einem Prunkgarten. Olivera trat an den Teppich heran und zeichnete versonnen die Umrisse eines Pfaus mit den Fingern nach. Bevor sie die anderen Tiere genauer in Augenschein nehmen konnte, erklang jedoch ein Klopfen an der Tür.

Ohne Vorwarnung zog sich ihr Magen so heftig zusammen, dass sie aufkeuchte und die Hand fallen ließ, als habe sie sich an dem Teppich verbrannt. Während ihr Herz davonraste, biss sie sich unsicher auf die Lippe und starrte wortlos auf die Tür. Diese öffnete sich langsam, beinahe zögernd und Laurenz erschien auf der Schwelle. Auch er war – wie bereits bei der Trauung – für sie herausgeputzt. Allerdings trug er, im Gegensatz zu ihr, noch all seine Kleider. Seine Augen weiteten sich, als er sie sah. Und einen Moment lang überkam sie die schreckliche Angst, dass sie ihm nicht gefallen könnte; dass alles, was sie unternommen hatte, um schön zu sein für ihn, das Gegenteil bewirkt haben könnte. Die Furcht war so gewaltig, dass sie ihr den Atem raubte. Während sie wie festgenagelt auf der Stelle verharrte, bohrte Laurenz’ Blick sich in den ihren. Anstatt eines Grußes kam lediglich ein unverständlicher Laut über seine Lippen, und es dauerte einige Momente, bevor sie begriff. Er war genauso aufgeregt wie sie! Die Furcht, die eben noch gedroht hatte, sie zu lähmen, fiel wie ein Schuppenkleid von ihr ab. Erleichterung durchflutete ihren Körper. Gebannt verfolgte sie, wie er die Tür hinter sich ins Schloss drückte und einen Moment lang unschlüssig auf der Stelle verharrte. Schließlich räusperte er sich.

»Jetzt bekomme ich endlich den Kuss, den du mir noch schuldest«, sagte er mit belegter Stimme.

Olivera spürte das Blut in ihre Wangen schießen. Aber aller Verdruss darüber löste sich in Luft auf, als Laurenz auf sie zutrat und auf sie hinabblickte. Einige schwere Atemzüge lang wirkte es, als wüsste er nicht, was zu tun war. Doch dann fasste er sie bei den Schultern, beugte sich zu ihr hinab und streifte ihre Lippen zart mit den seinen. Das Gefühl, das Olivera bei der Berührung übergoss, war unbeschreiblich. Heiße und kalte Schauer jagten im Wechsel ihren Rücken hinab. Sobald er die Hand in ihren Nacken legte und ihren Mund energischer mit dem seinen verschloss, trat alles um sie herum in den Hintergrund. Ohne nachzudenken, reckte sie sich ihm entgegen. Hungrig erwiderte sie seinen Kuss, öffnete die Lippen, und schon bald vollführten ihre Zungen einen wilden Tanz.

Olivera spürte die Hitze seines Körpers, als er sich an sie presste. Trotz der Wärme, die von ihm ausging, schienen seine Arme, sein Brustkorb, einfach alles an ihm wie aus Stein gemeißelt. Seine Umarmung war ein Wall, der sie vor allen Gefahren der Welt beschützen konnte. Als ihre Lippen sich erneut berührten, gingen seine Hände auf Wanderschaft. Langsam, beinahe vorsichtig, glitt seine Linke an ihrer Vorderseite hinab, bis sie schließlich ihre Brüste fand. Sanft liebkoste er sie und sorgte dafür, dass sie vor Wonne den Kopf in den Nacken legte.

»Du bist wunderschön«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Er raubte ihr mit einem weiteren Kuss die Sinne, ehe er sich von ihr löste und sie auf das Bett zuzog. Dort angekommen, betrachtete er sie einen Wimpernschlag lang beinahe andächtig. Dann begann er, die Schnürung ihres Untergewandes zu lösen. Jedes Mal, wenn seine Fingerkuppen dabei ihre Brust streiften, durchrieselte Olivera ein weiterer Schauer. Es dauerte nicht lange, bis der störende Stoff zu Boden fiel. Ein winziger Moment der Scham ließ Olivera schützend die Hände vor ihre geheimste Stelle senken. Doch als auch Laurenz begann, sich zu entkleiden, loderte eine Erkenntnis in ihr empor: Sie wollte, dass er sie dort berührte! Sie wollte ihn spüren, riechen, schmecken und für immer eins mit ihm werden! Die Muskeln in seinem Rücken spielten, als er sich hastig Schuhe, Beinlinge und Bruch – eine weite Unterhose – abstreifte. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie die einer Raubkatze. Ein Prickeln kroch über Oliveras Kopfhaut, und ein seltsames Pochen breitete sich zwischen ihren Beinen aus. Als er sich schließlich zu ihr umwandte, wich sie beim Anblick seiner Erregung allerdings erschrocken einen Schritt zurück.

»Keine Angst«, sagte Laurenz heiser. »Ich werde dir nicht wehtun.«

Ohne jegliche Scheu trat er wieder auf sie zu. Und dieses Mal war der Kuss wilder, hungriger als die Küsse zuvor. Eng umschlungen taumelten sie einen Schritt zurück und fielen in einem Durcheinander aus Gliedmaßen auf die weiche Matratze. Sein Mund löste sich von dem ihren, suchte ihre Brüste, ihren Bauch und schließlich wieder ihre Lippen. Während Olivera sich dem Taumel der Empfindungen hingab, stahl sich seine Hand an ihrer Vorderseite entlang zwischen ihre Beine. Als er sie schließlich dort berührte, wo sie noch niemals zuvor jemand berührt hatte, vermeinte sie, vor Lust vergehen zu müssen. All ihre Sinne schienen plötzlich auf diese eine Stelle ihres Körpers konzentriert. Nichts existierte mehr außer dem Strudel der Begierde, der sie unaufhaltsam mit sich zog. Als Laurenz schließlich weiterforschte, stieß sie einen leisen Schrei aus.

»Oh, mein Gott«, hauchte sie.

Auch Laurenz’ Atem kam inzwischen stoßweise, und plötzlich zog er die Hand zurück. »Warum hörst du auf?«, fragte Olivera verdutzt. Doch anstatt einer Antwort stemmte er die Ellenbogen neben ihr in die Kissen und senkte sich auf sie. Sobald er in sie eindrang, durchzuckte sie ein stechender Schmerz, der sie erschrocken die Luft einziehen ließ. Allerdings ebbte dieser nach kurzer Zeit ab und die Wonne kehrte zurück. Mit jeder Bewegung steigerte sich der Rausch weiter und weiter, bis schließlich etwas in Olivera zu zerschmelzen schien. Während Laurenz’ Bewegungen immer schneller wurden, ließ sie sich fallen und von vollkommener Glückseligkeit davontragen. Als Laurenz schließlich mit einem Stöhnen auf ihr zusammenbrach, hämmerte ihr Herz wild gegen ihre Rippen. Sein Puls raste ebenfalls und seine Haut war schweißnass. Obschon das überwältigende Gefühl in ihr allmählich abklang, war Olivera immer noch wie benommen.

Eine Weile lagen sie schweigend aneinandergeschmiegt da, lauschten auf den Atem des anderen. Schließlich drehte Laurenz sich auf den Rücken und zog Oliveras Kopf auf seine Brust.

»Jetzt hast du deine Schulden bezahlt«, scherzte er.

Olivera schloss die Augen. Sie sog gierig den Duft ein, der von ihm ausging. Er schlang den Arm um sie und strich ihr zärtlich über den Rücken.

»Weißt du«, sagte er irgendwann, »ich hätte nie gedacht, dass ich eine Gemahlin von dieser Reise mit nach Hause bringen würde.«

Olivera lachte. »Und ich hätte nicht gedacht, dass mich mein Vater noch dieses Jahr vermählt«, erwiderte sie.

Laurenz zog sie näher an sich, um ihr Haar zu küssen. »Das Schicksal eröffnet manchmal seltsame Wege«, orakelte er.

Olivera verkniff sich ein Grinsen. Wenn er wüsste, wie wenig das Schicksal mit ihrer Hochzeit zu tun hatte! Erfüllt und erschöpft zugleich legte sie ein Bein über seine Mitte und wünschte sich, sie könnten für immer so verweilen. Allerdings wusste sie, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Denn in drei Tagen würde sie mit ihrem Gemahl in dessen ferne Heimat aufbrechen. Was sie dort wohl erwarten würde? Sie ignorierte das leise Aufkeimen der Bangigkeit. Mit Laurenz an ihrer Seite konnte ihr keine Unbill der Welt etwas anhaben!

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