Читать книгу Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels - Silvia Stolzenburg - Страница 15
Kapitel 10
ОглавлениеGötz starrte Jona fassungslos an. Was zum Henker meinte der Bengel? »Du weißt, was wir getan haben?«, fragte er gefährlich ruhig.
Jona brachte Abstand zwischen sich und Mathes, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war.
Der Knecht zog wütend ein Tuch aus der Tasche und drückte es auf seine blutende Nase. »Das zahle ich dir heim!«, knurrte er.
»Hier wird gar nichts heimgezahlt!« Götz verschränkte die Arme vor der Brust. »Was hattest du hier oben zu suchen?« Er sah Jona scharf an.
»Ich war heute beim Hof des Alten Endris«, erwiderte der Junge.
Götz stockte der Atem. »Wieso …«
»Ich habe damals den Zettel gesehen, den ihr in den Kamin geworfen habt«, erklärte Jona. »Darauf war zwar nicht mehr viel zu erkennen, aber irgendwann habe ich eins und eins zusammengezählt.«
Götz erstarrte. Wie war es möglich, dass ihnen jemand auf die Schliche gekommen war? Hatten sie nicht alles getan, um jene unglückselige Nacht zu begraben wie die Leichen von Paumgartner und seinen Gehilfen? Seit dem Vorfall hatten Olivera und er kaum darüber gesprochen. Zwar hatte sie kurz nach Markos’ Verschwinden eine Weile befürchtet, er könnte wieder auftauchen, doch diese Furcht hatte sich im Lauf der Zeit gelegt. Ihr verdammter Bruder war über alle Berge und würde es mit Sicherheit nie wieder wagen, in ihre Nähe zu kommen. Falls doch, würde Götz ihn eigenhändig umbringen!
Jona zog etwas aus der Tasche und hielt es ihm hin: einen Ring und ein schmutziges Stück Stoff.
»Was soll das sein? Woher hast du das?«
»Das habe ich im Haus des Alten Endris gefunden.« Jona hielt den Stofffetzen hoch. »Und den Ring habe ich in dem Grab gefunden. Er gehört Paumgartner.«
Mathes sog hörbar die Luft ein. Er warf Götz einen fragenden Blick zu, während seine Hand zu dem Messer an seinem Gürtel wanderte, den er wieder angezogen hatte.
Götz schüttelte den Kopf.
»Der Stoff gehört zu einem von Oliveras Kleidern«, fuhr Jona fort. »Ihr wart dort. Was ist passiert?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an, du kleine Made!« Mathes machte Anstalten, sich erneut auf Jona zu stürzen.
»Lass ihn in Ruhe!«, befahl Götz. Es hatte keinen Zweck zu leugnen, dass sie auf dem Hof des Alten Endris gewesen waren. Er kannte Jona inzwischen gut genug, um zu wissen, dass der Bengel nicht locker lassen würde. Wäre er nicht gewesen, würde sein Sohn Lukas nicht mehr leben. Auch Olivera verdankte Jona ihr Leben, folglich gab es nur einen Ausweg. Er musste ihm die Wahrheit sagen. »Komm mit in die Stube«, seufzte er.
»Was?«, erboste sich Mathes. »Du willst ihm doch hoffentlich nicht …«
»Er weiß es ohnehin schon«, fiel Götz ihm ins Wort. An Jona gewandt sagte er: »Wir haben Paumgartner nicht getötet. Das war Markos.« Er kehrte den beiden Streithähnen den Rücken und ging in die Stube. Sie folgten ihm. Dort ließ er sich auf einen Stuhl fallen und erzählte Jona alles, was in der Nacht geschehen war.
»Er hat euch in den Keller eingesperrt?« Jona sah ihn fassungslos an. »Aber er muss doch gewusst haben, dass er damit Lukas zum Tod verurteilt!«
»Das war ihm gleichgültig«, seufzte Götz. »Er hatte es einzig und allein auf den Stein der Weisen abgesehen.« Er spürte die altbekannte Wut in sich aufsteigen.
»Ich habe das Grab wieder zugeschaufelt«, sagte Jona. »Aber wenn ich es entdeckt habe, findet es früher oder später ein anderer. Ich habe gehört, dort soll eine neue Straße gebaut werden.«
Götz stöhnte. »Dann müssen wir die Leichen dort wegschaffen.«
Mathes ließ das blutige Tuch sinken. »Wie stellst du dir das vor? Willst du einfach hinfahren, sie ausbuddeln und … was? In den Fluss werfen?«
»Ohne den Ring wird niemand wissen, dass es sich bei einem der Toten um Paumgartner handelt«, sagte Jona. Er legte das Schmuckstück auf den Tisch.
Götz griff danach und drehte es nachdenklich zwischen den Fingern. »Ich muss mit Olivera reden.« Er steckte den Ring ein. »Vielleicht hat sie einen besseren Einfall.«
»Und er?« Mathes zeigte mit dem Kinn auf Jona. »Du kannst doch nicht zulassen, dass er ohne Erlaubnis im Haus herumschnüffelt!«
Götz bedachte Jona mit einem Blick, den dieser furchtlos erwiderte. Aus dem unsicheren Bettelknaben, den er und Olivera in ihrem Haus aufgenommen hatten, war ein junger Mann geworden, der das Herz am rechten Fleck hatte. Götz verdankte ihm viel. »Ich hätte an deiner Stelle vermutlich genauso gehandelt«, gestand er.
»Soll das heißen, du lässt ihm das einfach durchgehen?«, empörte sich Mathes.
Götz zuckte mit den Schultern. »Jetzt haben wir wenigstens den Ring.«
Mathes war anzusehen, dass er nur mit Mühe eine Verwünschung schluckte.
Götz wusste, wie schlecht er auf Jona zu sprechen war, auch wenn der Junge ihm nach seiner Genesung fast alle Arbeit im Hof und in den Ställen abgenommen hatte. Die beiden teilten sich seit Jahren den Heuboden in einem der Schuppen. Vielleicht war es an der Zeit, Jona eine eigene Kammer zu geben. Er beschloss, auch das mit Olivera zu besprechen. Die Tragweite der Geschehnisse wurde ihm immer mehr bewusst.
»Was hast du mit dem Ring vor?«, fragte Jona.
»Auf keinen Fall werde ich ihn behalten.«
»Du hättest ihn in die Pegnitz werfen sollen«, brummte Mathes.
»Dafür ist es noch nicht zu spät.« Götz erhob sich. »Kein Wort darüber!«, warnte er. »Zu niemandem.«