Читать книгу Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels - Silvia Stolzenburg - Страница 17

Kapitel 12

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»Es tut mir leid«, sagte Jona, sobald Mathes und Götz die Offizin verlassen hatten. Er trat unsicher von einem Fuß auf den anderen und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. »Ich hätte nie mit Cristin dorthin gehen sollen.«

»Vielleicht war es wirklich ein Wink des Schicksals«, beruhigte Olivera ihn. »Man kann sich nicht vor dem verstecken, was man getan hat.«

»Aber euch trifft keine Schuld! Ich weiß, dass dein Bruder Paumgartner getötet und euch in den Keller gesperrt hat.«

»Wir hätten der Wache sagen können, was wirklich vorgefallen ist.«

»Dann hätte man euch bestimmt ins Loch geworfen und peinlich befragt!«

Olivera seufzte. Was geschehen war, ließ sich nicht ändern. Die Umstände von Paumgartners Tod hätten Götz und sie vielleicht nicht aufs Schafott gebracht, aber falls jemand herausgefunden hätte, dass Markos ihr Bruder war … Sie wagte nicht, den Gedanken weiterzuspinnen.

»Glaubst du, er hat den Stein der Weisen immer noch?«, wollte Jona wissen.

Sie nickte. »Ich hoffe, er bringt ihm genauso wenig Glück wie Alphonsius«, sagte sie bitter. Die Wut auf ihren Bruder kehrte zurück. Warum hatten er und ihr Vater nicht auf ehrliche Art und Weise ihr Geld verdienen können? Wie viel Leid mussten sie noch über andere bringen? Sie biss die Zähne aufeinander, um den Strudel der Gefühle im Zaum zu halten, der drohte, sie in die Tiefe zu reißen.

»Ihr könnt euch auf mich verlassen«, versprach Jona. »Ich werde niemandem etwas sagen.«

»Was willst du niemandem sagen?« Plötzlich stand Cristin im Raum. Sie wirkte erhitzt und sah Jona vorwurfsvoll an.

»Nichts«, beeilte er sich zu antworten.

Cristin war anzusehen, dass sie ihm nicht glaubte. »Ich bin fertig mit der Schafgarbe«, sagte sie. »Du hättest mir ruhig helfen können!«

Olivera war froh über die Ablenkung, da die Gedanken in ihrem Kopf wild durcheinanderwirbelten. Wäre es klüger gewesen, die Stadt zu verlassen? Götz hatte sie gedrängt, woanders neu anzufangen. Hatte er recht gehabt? Hätte sie auf ihn hören sollen? Seit ihrer Ankunft in Nürnberg gerieten sie immer wieder in Schwierigkeiten. Es schien beinahe, als wolle Gott ihnen Zeichen geben, dass die Stadt nicht gut für sie war. Zuerst der Brand ihres Hauses, dann der Mordanschlag auf den Burggrafen, ihre Gefangennahme und schließlich die Entführung ihres Sohnes. Welche Unbill hielt Nürnberg noch für sie bereit? Sie beschloss, mit Götz darüber zu reden, sobald sie allein waren.

»Was ist mit deinem Gesicht passiert?«, hörte sie Cristin fragen.

Jona zuckte mit den Schultern. »Nichts«, log er erneut.

Cristin verschränkte schmollend die Arme.

»Ihr könnt mir helfen, ein paar Arzneien zuzubereiten«, sagte Olivera, um einen Streit zwischen den beiden abzuwenden. Bevor Götz nicht etwas über die neue Straße in Erfahrung gebracht hatte, konnten sie ohnehin nichts anderes unternehmen. Und selbst dann war fraglich, ob es klug war, sich der Gefahr einer Entdeckung auszusetzen. Ohne seinen Ring würde man Paumgartner womöglich nicht erkennen. Die Stadtsoldaten würden annehmen, es handle sich um die Opfer von Wegelagerern oder um Männer, die der Alte Endris getötet hatte. Im Moment war sie machtlos. Folglich blieb ihr nur die Arbeit, um dem Abgrund zu entgehen, der sich vor ihr aufgetan hatte. Vielleicht gelang es ihr, Clara Groß und die anderen kranken Kinder von den furchtbaren Schmerzen zu befreien, die sie litten.

Mit einem Seufzen wandte sie sich wieder der Arbeit zu und verbrachte die nächste Stunde damit, die Tränke herzustellen und in Flaschen abzufüllen.

All die Zeit über wechselten Cristin und Jona kaum ein Wort und Olivera hoffte, dass das Mädchen wirklich nicht begriffen hatte, worüber es gestolpert war. Sollte es sich verplappern, würde das die ganze Familie in Gefahr bringen.

Nachdem sie die Flaschen in ihren Korb gestellt hatte, trug sie den beiden auf, während ihrer Abwesenheit Galgantwurzelwein und Thymiansalbe herzustellen, die genauso wie ein Bad mit Pappelrinde gegen Rücken- und Gliederschmerzen halfen. Dann verließ sie die Offizin, um mit Matthäus über das Traktat des arabischen Alchemisten zu reden.

»Du glaubst also wirklich, dass es sich um das Anto­niusfeuer handelt?«, fragte der Medicus, als sie ihn in der spitaleigenen Kräuterküche aufsuchte.

»Es scheint zwei unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit zu geben«, sagte sie. »Ich habe die Arzneien zubereitet.«

»Ich glaube nicht, dass Groß dich noch mal zu seiner Tochter lässt«, wandte Matthäus ein. »Er scheint der Meinung zu sein, dass Gott ihr besser helfen kann als wir. Es wäre ratsam, die Tränke erst an dem Waisenknaben hier im Spital auszuprobieren.«

»Aber er ist später erkrankt als Clara.«

»Wenn deine Arzneien bei ihm Wirkung zeigen, wäre Groß ein Narr, uns nicht mehr zu seiner Tochter zu lassen.« Matthäus seufzte. »Ich will keinen Ärger mit dem Rat. Groß hat gewaltigen Einfluss. Sollte er der Meinung sein, die Kur schadet mehr, als sie nützt …«

Er brauchte nicht weiterreden, denn Olivera hatte genügend Erfahrung mit der Feindseligkeit einiger Ratsmitglieder. »Wo ist der Junge?«, fragte sie.

Matthäus stellte das Gefäß ab, mit dem er hantiert hatte, säuberte sich die Hände und führte sie zu einem Bett, in dem ein etwa achtjähriger Knabe lag. Er schien zu schlafen, doch seine Arme und Beine zuckten so heftig, dass er seine Decke abgeworfen hatte. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und er schien vor Kurzem die Kontrolle über seine Blase verloren zu haben.

Olivera winkte eine der Mägde herbei und trug ihr auf, Wasser für kühle Wickel zu holen. Dann setzte sie sich neben das Bett, fühlte dem Jungen die Stirn und holte die Arzneien aus ihrem Korb.

Als habe er ihre Gegenwart gespürt, öffnete der Junge die Augen und gab ein Stöhnen von sich.

»Keine Angst«, sagte Olivera sanft. Sie half ihm, sich aufzurichten und flößte ihm den Trank aus Sandelholz, Mohn und Kampfer ein. Obwohl er heftig zitterte und einiges an seinem Kinn hinabrann, gelang es ihm, das meiste zu schlucken.

»Muss ich sterben?«, flüsterte er, nachdem Olivera seinen Kopf wieder auf die Kissen gebettet hatte.

Ihr Herz zog sich zusammen. Sie begegnete dem Tod jeden Tag, doch würde sie sich nie an die Angst in den Augen der Sterbenden gewöhnen. »Bete zu Gott, dann wirst du bald wieder gesund«, versprach sie und hoffte, dass der Junge ihr nicht ansah, wie sehr sie daran zweifelte. Er war so mager, dass es wirkte, als würden seine Rippen die Haut durchstoßen wollen, und seine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Als die Magd mit dem Wasser zurückkam, machte sie ihm Wadenwickel, rieb ihn mit Rosenöl ein und hoffte, dass der Alchemist sich nicht getäuscht hatte.

»Und?« Matthäus, der sich in der Zwischenzeit um einen anderen Kranken gekümmert hatte, gesellte sich zu ihr.

Olivera zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe den Eindruck, das Zucken lässt nach.«

Tatsächlich schien die Arznei den Jungen zu beruhigen und ihm das Atmen zu erleichtern.

»Ich hoffe, es hilft.« Matthäus rieb sich das Gesicht. »Offenbar sind noch zwei Kinder erkrankt. Wenn das so weitergeht …« Er schüttelte den Kopf. »Die ersten reden schon von einem Fluch des Teufels.«

Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels

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