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NEUES TESTAMENT

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Als ich mir anschließend das Neue Testament anschaute, entdeckte ich, dass es darauf aufbaut. Auch hier gilt Demut als ethisches Ideal, das vor allen Dingen in der Theologie des Kreuzes Widerhall findet. Jesus Christus, der Gott gleich war, nahm sich selbst zurück, verzichtete auf seine himmlischen Privilegien und wurde Mensch. Er nahm den Schmerz der Menschen auf sich und ermöglichte ihnen den Zugang zu Gott (vgl. Jesaja 53,4; Matthäus 5,17; Römer 3,21ff und Römer 5,1-2). Jesu Handlungen haben nichts mit Willkür oder Dominanz zu tun, sondern haben immer das Wohl und Interesse Anderer im Blick (Feldmeier, 2014). Demut zieht ihre Motivation aus der Liebe und schreckt nicht vor möglichem Leid zurück.

Jesus gilt ähnlich wie Mose als Vorbild in Bezug auf die demütige Haltung. In Matthäus 11,29 wird Jesus als von Herzen demütig bezeichnet. Johannes 1,14 beschreibt ihn sogar als humilis, den Demütigen schlechthin (vgl. Baumann, 2009, S. 59). Jesus hatte als Sohn Gottes große Autorität und Macht. Aber das Ausleben und Ausüben dieser Machtposition schloss eine demütige Haltung nicht aus. Ganz im Gegenteil! Die Demut diente ihm als Fundament, um mit seiner Position und Rolle verantwortungsbewusst und gewissenhaft umzugehen.

Ich kam darüber ins Staunen. Jesus schien die richtige Balance zu haben. Er stand weder in der Gefahr, selbstsüchtig zu agieren noch einem Mangel an Selbstliebe anheimzufallen. Ihn als Vorbild zu nehmen, konnte gewiss nicht schaden! Wichtig schien mir nur, dass man sich nicht aufgrund religiöser Ideen oder sonstiger Glaubenssätze selbst zur Norm für andere erhebt. Damit würde man nur das Gegenteil der Demut demonstrieren – nämlich Überheblichkeit und Stolz.

Grün (2012), der sich auf C. G. Jung bezieht, bezeichnet diese Art von Überheblichkeit als Inflation. Man bläht sich mit Werten und Ideen auf, die außerhalb von einem selbst liegen und seiner Meinung nach unangetastet bleiben sollten. Er (2012, S. 28) schreibt:

Geheilt werden kann der Stolze nach Jung nur durch moralische Niederlagen. Nur wer auf die Nase fällt ... kann wieder auf den Boden der Wirklichkeit gestellt werden, nur wenn er auf der Erde (humus) liegt, kann er demütig (humilis) seine eigene Menschlichkeit akzeptieren.

Ich bin rückblickend froh, dass ich in meinem bisherigen Leben einige Momente des Scheiterns erlebt habe: große und kleine. So schmerzhaft sie auch waren, erachte ich sie doch als kostbar. Nicht zuletzt durch sie bin ich was ich bin: Mensch.

Die Selbsterkenntnis, das Sich-Erkennen als fehlbaren, schwachen und begrenzten Menschen, verhindert Aufgeblähtsein und Hochmut und ist zentral im neutestamentlichen Demutsverständnis. Paulus greift diesen Gedanken in Kolosser 3,12 auf. Er schreibt, dass diejenigen, die Gnade erlebt und angenommen haben, sich mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde und Geduld bekleiden sollen.

Diese Aussagen sind jedoch keine Aufforderung zu würdeloser Selbsterniedrigung und auch nicht als Förderung eines geringen Selbstwertgefühls zu verstehen. Paulus schreibt im 2. Korintherbrief 3,4f, dass die Bestandteile der Demut − Selbsterkenntnis und empfangene Gnade − echtes Selbstvertrauen fördern. Furch (2009) spricht in diesem Zusammenhang von einem geistlichen Paradoxon. Er (2009, S. 41) schreibt:

Paulus hat ein höheres Selbstwertgefühl als vorher, obwohl er sich nun als wesentlich schwächer und unbedeutender einschätzt. Menschlich gesehen ist der Selbstwert davon abhängig, was wir an messbaren Erfolgen vorzuweisen haben: Noten, Rangplätze bei Wettbewerben, Umsätze und Gewinne, Gehalt oder Wohlstand, Stufen auf der Karriereleiter, Macht, Bekanntheit, Ansehen ... Geistlich gesehen entsteht Selbstwert aus der Tatsache, dass wir geliebte Geschöpfe sind. Auch hier leisten wir etwas, sind wir aktiv und oft auch erfolgreich, aber unser Selbstwert hängt nicht davon ab. Daher müssen wir unseren Beitrag nicht überzeichnen.

Demut

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