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Mobbing-Mythos 5 und 6: Das Opfer soll sich wehren, dann hört das Mobbing auf und Das Opfer soll es ignorieren, dann hört das Mobbing auf

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Diese zwei völlig unterschiedlichen Gedanken brausen meistens gemeinsam im Kopf des Mobbing-Opfers umher. Es sind auch die am meisten genannten Ratschläge gegen Mobbing. Egal ob auf Internetseiten von Mobbing-Beratern, in Foren, oder aus dem Munde von Bekannten: „Ignorier sie, dann hören die von selber mit dem Mobben auf“ und „Wehr dich, dann lassen sie es in Zukunft“, sind scheinbar die einzigen Lösungen fürs Mobbing-Dilemma.

Die traurige Wahrheit: In 80 Prozent aller Fälle scheitern alle Vermittlungs- und Versöhnungsversuche, das Ignorieren ist wirkungslos, genauso wie das Sich-Wehren. (http://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/psyche/13_07_mobbing.php?pv_id=7898&pv_tid=151 Stand: 03.10.2016) Der weiseste Ratschlag für Mobbing-Opfer ist immer noch: „Kündige.“

Diesen Ratschlag hören Mobbing-Opfer aber selten. Warum? Die Antwort ist bitter: Dann müsste sich die Gesellschaft eingestehen, dass Mobbing ein gravierendes Problem und nicht nur die Schuld eines dummen „Opfers“ ist. Dann müssten Unternehmen und all die selbsternannten Küchenpsychologen zugeben, dass Mobbing nicht harmloses Necken ist, sondern ein brutaler Kampf, der auf die völlige berufliche Zerstörung des Opfers abzielt. (Zerstörung bedeutet hier den Verlust des Arbeitsplatzes, wobei die Täter das Opfer psychisch und indirekt auch physisch zugrunde richten, um sein Ausscheiden aus dem Unternehmen zu erreichen.)

Würde man endlich zugeben, dass Mobbing nicht mit warmen Worten zu lösen ist, sondern ein schwerwiegendes Problem darstellt – dann müsste ja irgendjemand dagegen vorgehen. Bis jetzt beschränkt sich die Bekämpfung von Mobbing meist darauf, dass Vorgesetzte, Mobbing-Berater und wohlmeinende Bekannte das Opfer für alles verantwortlich machen. Somit ist der Grund fürs Mobbing gefunden, und die Täter kommen davon.

Darum wird gerade von den höheren Instanzen des Unternehmens die Schuld meist beim Opfer gesucht. Es wäre für einen Vorgesetzten weitaus mühevoller, wenn er eine ganze Gruppe von Tätern zur Rechenschaft ziehen müsste. Nun kommen die beiden Vorschläge „Wehr dich“ und „Ignorier es“ ins Spiel. Sie widersprechen sich, natürlich, sodass das Opfer nicht beide gleichzeitig befolgen kann. Gegen einen der Ratschläge verstößt das Opfer immer. Für Außenstehende ist das wie eine Garantie der Opferschuld: Egal, was das Opfer tut, es hätte immer das andere tun sollen. Haut das Opfer einmal endlich auf den Tisch und ruft: „So nicht!“ – Schon folgt die Rache der Mobber. Und was kann der unbeteiligte Dritte raten: „Du hättest sie ignorieren sollen.“

Bleibt das Opfer von außen scheinbar gelassen und unbewegt wie ein Meister der Coolness, und hört das Mobben trotzdem nicht auf – dann rät der unbeteiligte Dritte: „Du hättest dich wehren sollen!“ Und das Mobbing-Opfer verinnerlicht die Gedanken, bis sie in seinem Kopf Ringelreihen tanzen. Hätte, hätte, was das Opfer auch tut, es ist immer das Falsche.

Sind wir realistisch: Falsch ist es nicht, sich zu wehren, oder alles zu ignorieren. Es ist meist nutzlos. Wir erinnern uns an die 80 Prozent der Mobbing-Opfer, deren Erlösung die Kündigung war.

Aus diesem Grund dürfen Mobbing-Opfer diesem furchtbaren Glauben, dass sie immer das Falsche täten, gar keinen Platz in ihrem Herzen lassen. Denn der Zweck des Mobbings ist es, die Opfer zu schikanieren, bis sie völlig am Ende sind. Die Mobber wollen die Opfer aus dem Unternehmen rausekeln, oder sie so lang demütigen, bis sie keine Gefahr auf der Karriereleiter mehr sind, sondern nur noch ein psychisches Wrack. Diesen Kampf (denn es ist ein psychischer Kampf, ein Kampf um die Ressource Arbeitsstelle) wollen sie gewinnen. Die Mobbing-Opfer sind ihre Feinde, und die Mobber werden ihnen keine Gnade gönnen. Ignoriert das Opfer ihre Angriffe, frisst es nur den ganzen Ärger in sich hinein, wo er nur Unheil anrichtet, und die Mobber machen weiter. Denn Mobben macht ihnen auch Spaß ohne das offensichtliche Leiden des Opfers. Wenn das Opfer schweigt, holen viele Mobber sich den emotionalen Kick einfach durch den Applaus, den ihnen die Mitläufer für ihre Gemeinheiten gönnen. Wehrt sich das Opfer, weckt es nur die Rachsucht der Täter. Selbst wenn sie sich nach einer Gegenreaktion des Opfers zurückziehen, ist das nur eine kurze Unterbrechung. Sie gönnen ihrem Feind nicht den Sieg, und machen bald wieder weiter.

Halten wir fest: Was auch immer das Mobbing-Opfer tut, in den Augen der anderen tut es immer das Falsche. Ganz einfach deshalb, weil Opferbeschuldigung das Mobbingproblem scheinbar am schnellsten löst. Also ist es völlig egal, was das Opfer tut. Denn das Problem sind die Täter.

Mobbing-Opfer sind nicht schuld

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