Читать книгу Mobbing-Opfer sind nicht schuld - Simone Bruchsal - Страница 3

Vorwort

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Es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen waren schon einmal Opfer von Mobbing, den anderen blieb es bisher erspart. Die Letzteren haben für Mobbing-Opfer meist kein Verständnis. Sie meinen, Mobbing sei nur harmlose Hänselei, und die Opfer von Mobbing seien Sensibelchen mit einem großen Hang zum Selbstmitleid. Mobbing, das ist für alle die, die davon verschont blieben, nur ein putziges Wort mit kindlichem Beiklang, es klingt nach Sandkastenstreitereien und Belanglosigkeit.

Wer Mobbing selbst erlebt hat, weiß, dass Mobbing einen Menschen zerstören kann. Es zerstört das Selbstwertgefühl, die Psyche, das ganze Leben. Mobbing macht krank, manchmal bis zur Arbeitsunfähigkeit. Manche Mobbing-Opfer begehen sogar Suizid, um dieser irdischen Hölle zu entkommen.

In der Gesellschaft gelten Mobbing-Opfer als schwach. Damit werden sie noch weiter abgewertet. Indirekt wird ihnen die Schuld an ihrer Lage zugeschoben, und die Täter werden damit entlastet. Für Unternehmen, für die Mobber und für den Rest der Gesellschaft ist das eine bequeme Lösung, wenn man das Opfer zum Schuldigen erklärt. „Du wirst gemobbt? – Na, kein Wunder, du bist ja auch so schüchtern/extravertiert/erfolgreich/neu hier/jung/alt/wehrlos/ ... Wärest du ein anderer Mensch, würde dich niemand mobben. Aber so zwingst du die anderen geradezu, dich zu mobben!“ Das heißt mit anderen Worten: „Selber schuld, warum beklagst du dich überhaupt?“

Auch ich war Opfer von Mobbing, zwei Jahre lang, und diese Erfahrung wünsche ich niemandem. Während dieser zwei Jahre musste ich erleben, wie sich erst eine fremdartige Traurigkeit in mein Leben schlich, wie ich das Lächeln verlernte, wie die Freude an meinen Hobbys schwand, und wie ich dann schließlich immer näher taumelte in Richtung einer Lösung, die nur für mich alle Probleme gelöst hätte. Meiner Familie und meinen Freunden hätte ich damit nur noch weiteren Kummer gemacht.

Das Schicksal oder der Zufall, wer auch immer, entschieden anders, und nach der heftigsten Mobbing-Attacke meines Lebens entschied ich mich, zu kündigen. Ich brauchte Monate, bis ich mich vom Alptraum „Mobbing“ erholt hatte. Die Erinnerungen daran werden mich immer begleiten. Dankbar bin ich für diese schrecklichen zwei Jahre nicht, auf keinen Fall, aber ich habe in diesen zwei Jahren viel gelernt über den Charakter des Menschen, die Stärke subtiler Machtspielchen und das Funktionieren von Gruppen. Für mein Hobby, das Schreiben von Romanen, sind diese Kenntnisse von hohem Wert, denn all die menschlichen Abgründe kenne ich nun: die stumme Grausamkeit von Ausgrenzung oder das hasenscheue Schweigen von Duckmäusern; die Zweifel des Opfers an sich selbst; die Sorgen, die die Freude zernagen in allen Lebensbereichen, so unbarmherzig wie Rost; der Hass der anderen auf das Opfer, der das Opfer in ihren Augen zu einem Dämon wachsen lässt – all das sind spannende Elemente in Büchern. Davon zu lesen ist interessant. Es zu erfahren ist schrecklich.

Die Zeit als Mobbing-Opfer demoliert das Selbstwertgefühl, und zwar bei jedem. Wer vorgibt, ihm könne Mobbing nichts anhaben, der ist in der glücklichen Situation, dass er noch niemals Mobbing-Opfer war.

Mobbing wirkt wie Gift. Es hört nicht auf, wenn man in den Feierabend startet – die Ereignisse des Tages spielen sich immer neu im Gehirn ab, die Stimmen der Mobber hallen weiter im Kopf. Während die, die uns all den Kummer verursachen, längst keinen Gedanken mehr an uns verschwenden und ihren (nicht unbedingt wohlverdienten) Feierabend genießen, wirken ihre Worte und Aktionen noch weiter, vergiften unsere Psyche, zersetzen unser Leben. Meist werden die Mobbing-Opfer sogar selber noch zu Verbündeten der Mobber, denn sie suchen die Schuld fürs Mobbing nur bei sich und sprechen damit die Täter von der Verantwortung frei. Mobbing-Opfer halten sich für zu empfindlich, für humorlos, für „nicht ganz richtig im Kopf“, für anders, für wertlos. Sie sind schon völlig durchsetzt mit Mobbing-Gift.

Auch unbeteiligte Personen, Freunde, Familie, Berater, oder auch Vorgesetzte, sprechen immer dem Opfer die Schuld zu. Ihre Argumente sind oftmals absurd, intolerant und hämisch: Das Opfer ist schuld, weil es sich nicht wehrt, oder es ist schuld, weil es die Attacken nicht ignoriert; es ist schuld, weil es kein Klon der anderen ist, sondern eine eigenständige Persönlichkeit (ist nicht jeder Mensch „anders“ als alle anderen?); das Opfer ist schuld, weil es unter Mobbing leidet, anstatt es schulterzuckend zu ertragen; es ist schuld, weil es sich gekränkt fühlt, und so weiter. Am Ende fühlt sich das Opfer nur noch schlechter, und glaubt, es sei kein richtiger Mensch, da es so viele Makel und Fehler hat! Statt Unterstützung erfährt das Opfer nur neue Ablehnung.

All die Argumente und Theorien über Mobbing, die man dem Opfer entgegenschleudert, sind Unsinn. Aussagen wie „Nur Opfertypen werden gemobbt“ oder „Mobbing-Opfer sind einfach nur zu empfindlich“ sind keine Ergebnisse seriöser Forschung, sondern Stammtischparolen. Wir nennen sie der Einfachheit halber „Mobbing-Mythen“. Die Mobbing-Mythen dienen den Mobbern, das Opfer noch mehr fertigzumachen, und sie hindern Dritte, Verständnis für das Opfer zu empfinden. Ein Beispiel für einen der häufigsten Mobbing-Mythen: Ständig hören Opfer, dass sie sich eben wie ein „Opfer“ verhalten hätten und damit die anderen zum Mobben geradezu eingeladen haben. Das ist keine Erklärung, das ist nur absurd. Bis heute weiß die Forschung noch nicht, ob es überhaupt bestimmte Persönlichkeitstypen gibt, die von Mobbing häufiger betroffen sind als andere. Denn nicht nur schüchterne Personen werden Opfer von Mobbing, sondern auch Personen mit Durchsetzungsfähigkeit, deren Hang zu innovativen Vorschlägen leider auch Neider und Feinde auf den Plan ruft. Besonders leistungsfähige Menschen können Opfer von Mobbing werden, genauso wie Menschen, die erst neu im Unternehmen sind und mit den Arbeitsabläufen erst vertraut werden müssen. Jung oder Alt, Mann oder Frau – es kann jeden treffen. Außerdem sind bestimmte Ähnlichkeiten im Charakter und im Verhalten von Mobbing-Opfern (wie zum Beispiel Hang zu Depressionen, unsicheres Auftreten und gesteigertes Misstrauen) häufig erst durch das Mobbing entstanden. Wer nun dem Mobbing-Opfer zum Vorwurf macht, dass es nicht munter und fröhlich genug sei und wegen seiner zurückhaltenden Art gemobbt werde, hält die Auswirkungen des Mobbings für seine Ursache!

Das darf nicht sein. Mobbing-Mythen sind falsch und schaden den Opfern noch mehr.

In der Mobbing-Situation vor Ort hilft den Mobbing-Opfern meist ohnehin niemand: Die Zeugen der Mobbing-Handlungen ignorieren die Mobbing-Aktionen aus Angst, dass auch sie selbst auf die Abschussliste geraten könnten, wenn sie sich fürs Mobbing-Opfer einsetzen. Schlimmer noch, manche Kollegen oder Vorgesetzte werden zu Mitläufern und machen noch mit beim Mobbing.

Aber zumindest am Feierabend, wenn das Mobbing-Opfer sich mit den Ereignissen des Tages auseinandersetzt, sollte es doch auf Verständnis hoffen dürfen! Mobbing-Opfer brauchen jemanden, der sie daran erinnert, dass die Ansichten der Mobber keine eisernen Tatsachen sind. Das Verhalten der Mobber entsteht aus ihrer mangelnden Toleranz, aus ihrem Neid, aus ihren Charaktermängeln! Mobbing-Opfer brauchen jemanden, der ihre Partei ergreift, denn die Partei der Täter ist schon stark genug.

Dieses Buch ergreift die Partei der Opfer. Es bietet der Leserin/dem Leser Unterstützung und Trost in einer schweren Zeit. Es ist ein Helfer für den Feierabend, für den Urlaub, oder für die ersten Wochen, wenn das Mobbing aufgehört hat.

Hier sind alle Mobbing-Mythen gesammelt, unter denen Mobbing-Opfer leiden. Jeder Mobbing-Mythos wird widerlegt. Zusätzlich wird die Frage erörtert, warum das Verhalten der Täter so häufig entschuldigt oder kleingeredet wird. In einem 13-Schritte-Plan bekämpfen wir die Auswirkungen des Mobbings mit einfachen, schnellen Tricks und bauen unser zertrampeltes Selbstwertgefühl wieder auf. Weiterhin lernen wir, die Strategien der machtgierigen Menschen zu durchschauen, denn gerade von diesen geht meist die größte Mobbing-Gefahr aus. Wir lernen Strategien, um neue Mobbing-Angriffe frühzeitig zu stoppen.

Was auch immer Mobbing-Opfer zu hören bekommen an sinnlosen Ratschlägen und unsinnigen Erklärungen – es ist falsch. Mobbing ist immer böse, und kann niemals entschuldigt werden.

Noch eine Bemerkung, bevor es losgeht: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit des Textes wird auf die separate Aufführung der weiblichen Formen (Arbeitnehmerinnen, Unternehmerinnen, ...) verzichtet. Aber selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint!

Und eine weitere Anmerkung, die mir sehr am Herzen liegt: Die weiter unten aufgeführten Tipps und Tricks für die Wiederherstellung des Selbstbewusstseins sind von mir alle erprobt und für wirksam befunden worden; es sind einfache Strategien, wie man die Selbstakzeptanz steigern kann und wieder lernt, die übersteigerten Selbstzweifel zu kontrollieren. Es handelt sich hierbei nicht um psychologische Beratung/Hilfeleistung! Ich habe keine psychologische Ausbildung; sollten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich von Ihrer Situation überwältigt fühlen, suchen Sie sich bitte professionelle psychologische Hilfe! Wie jedes Mobbing-Opfer Ihnen bestätigen wird, ist Mobbing keine Kleinigkeit, durch die man sich durchbeißen muss, sondern eine Extremsituation, unter der jeder leiden würde! Bitte holen Sie sich Hilfe, Sie sind es wert, dass es Ihnen wieder gut geht!

Mobbing-Opfer sind nicht schuld

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