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Ausbruch der Nostalgie

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Belanglos und wundersam, wie er war, scheint der utopische Kalender der Französischen Republik aus der Zeit gefallen existiert zu haben. Aus heutiger Sicht wirkt er ebenso absurd wie die Aussicht auf eine weltweite Kommune oder Gratisgeld, aber erst die Routine und die Zeit selbst haben uns zu diesem Urteil gebracht. Die Welt kennt viele Kalender, die sie als Rahmen benutzt hat, und sie alle vermischen Logik, Naturwissenschaft und Willkür mit ihrem Anliegen. Das Kalendersystem der Zeit, das unserem Leben den Anschein einer fortschreitenden Gesamtform verleiht – und vielleicht auch, so unsere Hoffnung, in einen Sinnzusammenhang bringt –, ist nichts, was sich schlüssig beweisen oder worauf sich fest bauen lässt. Eines Tages wachen wir vielleicht auf, so wie damals die Einwohner der Auvergne und Aquitaniens, und stellen fest, dass der Dienstag nicht da liegt, wo er immer war, und der Oktober vollständig weg ist.

Der republikanische Kalender war auch in einer anderen Hinsicht ungewöhnlich. Er war Geschichte, die sich über Nacht ereignete, und was ihm vorausgegangen war, ließ sich an ihm nicht ablesen; er zerstörte das, was die Historiker der Chronologie die „tiefe Eingefahrenheit“ aller früheren Konzepte nennen.4 Vorher, so denken wir uns das zumindest gern, waren die Kalender in Europa und den Kulturen der antiken Welt nach und nach weiterentwickelt worden, mit zunehmendem Verständnis für die Konstellation der Sterne und immer genaueren mathematischen Berechnungen. Auch die religiösen Kalender bauten aufeinander auf und bezogen sich auf gemeinsame Fixpunkte wie Sonnenwenden, Äquinoktien und Sonnenfinsternisse.

Aber wir wären sehr im Irrtum, wenn wir glaubten, dass der französische Revolutionskalender der erste war, der den Tagen eine politische Sicht überstülpte. Alle Kalender erzwingen mehr oder weniger Ordnung und Kontrolle, und alle sind auf ihre Art politisch (besonders die religiösen). Der antike Kalender der Maya beispielsweise war etwas Bildschönes und zutiefst Verwirrendes, denn er führte in feiner Verzahnung zwei parallele Jahresrechnungen durch, ein Jahr mit 365 Tagen und eins mit 260. Zum 260-Tage-System, auch Heilige oder Kalenderrunde genannt, zählten zwanzig verschiedene Tagesnamen, darunter Manik, Ix, Ben und Eznab, und die rollten ihrerseits am Rand eines inneren Kreises aus 13 Zahlen ab, so dass das Jahr am Tag 13 Ahau endete. Der 365-Tage-Kalender umfasste 18 Monate zu 20 Tagen; da das aber nur 360 ergab und das Jahr aus dem Takt der Mond- und Sonnenzyklen brachte, betrachtete man die verbleibenden fünf Tage als schicksalhaft. Die Maya verbrachten sie üblicherweise zu Hause und beteten zu den Göttern, es mögen keine schrecklichen Dinge geschehen. Dabei handelte es sich um furchtbare religiöse Prophezeiungen, ein Indiz für die Macht der Priesterschaft. Der aztekische Kalender im 15. und frühen 16. Jahrhundert basierte auf ähnlichen Zyklen und ähnlicher institutioneller Kontrolle: Die grundverschiedenen Provinzen eines Riesenreiches wurden durch religiöse Feiertage und andere Stichdaten gezielt miteinander verbunden. (Der Aztekenkalender gipfelte in den Zeremonien des Neuen Feuers, der Jahresverknüpfung, die am Ende eines vollen Zyklus alle 52 Jahre durchgeführt wurde.)

Vertrauter sind uns da sicher der Julianische Kalender (der seit 45 v. Chr. galt, aus 12 Monaten mit 365,25 Tagen bestand und auf einem Sonnenjahr beruhte) und seine gregorianische Reform von 1582, die die julianischen Monate und deren Längen beibehielt, die Jahresdauer aber leicht verkürzte (um 0,002 Prozent), damit sie sich genauer an die Umläufe der Himmelskörper anpasste und den Ostertermin5 wieder auf jenes Datum verlegte, an dem früher gefeiert worden war.6 Bis der Gregorianische Kalender überwiegend akzeptiert war, dauerte es seine Zeit, und seine widerwillige Annahme erst in katholischen, dann in nichtkatholischen Ländern sorgte quer durch Europa für Verwirrung. Als Edmond Halley in London am 22. April 1715 eine totale Sonnenfinsternis beobachtete, sah ein Großteil des restlichen Europa sie am 3. Mai. Großbritannien und seine amerikanischen Kolonien schalteten im Jahr 1752 um, allerdings nicht ohne ein paar halbherzige Tumulte, bei denen Leute schrien: „Gebt uns unsere elf Tage wieder!“ Japan stellte erst 1872 um, das Russland der Bolschewiki kam mit dem Ende des Ersten Weltkriegs dazu7 und Griechenland 1923. Die Türkei hielt bis 1926 an ihrem islamischen Kalender fest.

Die merkliche Willkür dabei, wie wir beschlossen haben, unser Leben zu steuern, parodierte B. J. Novak im November 2013 gekonnt im New Yorker. „Der Mann, der den Kalender erfand“, schrieb klar und deutlich, wie überaus logisch seine Erfindung war: „1000 Tage pro Jahr, geteilt in 25 Monate, 40 Tage pro Monat. Wieso ist vorher nie jemand drauf gekommen?“ Anfangs ist der Kalender auf gutem Weg, aber die erste Krise schlägt nach vier Wochen zu. „Die Leute hassen den Januar echt und wollen, dass er vorbei ist“, vermerkt der Erfinder. „Ich habe ihnen zu erklären versucht, dass das nur ein Etikett ist und dass es nichts ändern würde, damit aufzuhören, aber niemand hat’s kapiert.“

Am 9. Oktober schreibt das Genie: „Kann nicht glauben, dass ich so lange nichts geschrieben habe! Sommer war sagenhaft. Erntezeit war sagenhaft … Dieses ganze Jahr ist bisher sagenhaft gewesen und dabei ist erst Oktober. Kommt schließlich noch November, Dezember, Latrember, Faunus, Rogibus, Neptember, Stonk …“ Bald beschließt er, das Jahr früher als geplant zu beenden, und erntet dafür viel Zuspruch aus dem Freundeskreis. Doch um Weihnachten stellt sich Unruhe ein: „25. Dezember – Warum fühle ich mich heute so allein?“ und „26. Dezember – Warum bin ich so überfressen?“


Als es 1830 zur zweiten Revolution in Frankreich kam, wagte niemand, neue Kalender oder Zifferblätter vorzuschlagen.8 Stattdessen schien eine andere Obsession das Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts – oder zumindest dessen psychoanalytischen Niederschlag in Aktenform – zu überschwemmen: Der Akt des Zurückblickens wurde zur diagnosefähigen Krankheit. Medizinische Studien der 1820er- und 1830er-Jahre blickten fasziniert auf einen offenkundigen Ausbruch von Nostalgie.

Einer der frühesten Fälle betraf einen betagten Mieter in der Rue de la Harpe im Quartier Latin. Dieser Mann war überaus stolz auf seine Wohnung und am Boden zerstört, als er hörte, dass sie abgerissen werden sollte, um einer Straßenbegradigung Platz zu machen – so zerstört, dass er sich ins Bett legte und sich trotz der Beteuerungen seines Vermieters, sein neues Zuhause werde besser und heller werden, nicht von der Stelle rührte. „Das wird nicht länger meine Wohnung sein“, klagte er, „nicht die, die ich so geliebt habe, die ich eigenhändig verschönert habe.“9 Kurz vor dem Abbruch des Hauses fand man ihn tot in seinem Bett; anscheinend war er „an Verzweiflung erstickt“.

Die Hauptrolle in einem weiteren Beispiel, ebenfalls aus Paris, spielt ein zweijähriger Junge namens Eugène, der es nicht ertragen konnte, von seiner Amme getrennt zu werden. Als er wieder bei seinen Eltern war, wurde Eugène schlaff und blass; seine Augen richteten sich starr auf die Tür, aus der seine Amme gegangen war. Sobald man ihn wieder zu ihr brachte, kannte seine Freude keine Grenzen. Solche Fälle machten französische Bürger für den Staat nutzlos. Der Kulturhistoriker Michael Roth klassifiziert die Nostalgie als „ein Leiden, das die Ärzte als potenziell tödlich, außerdem ansteckend und irgendwie tief mit dem französischen Leben um die Mitte des 19. Jahrhunderts verknüpft ansahen“. Die allen Fällen gemeinsame Ursache bestand in einer übergroßen Liebe für die frühesten Erinnerungen einer Person. Und in einem Zeitalter, das modern zu sein beabsichtigte, machte Nostalgie den Patienten zu einem Ausgestoßenen, einem Fall für das Irrenhaus oder das Gefängnis. Erstmals beschrieben wurde das Leiden 1688 vom Schweizer Arzt Johannes Hofer, der die griechischen Wörter nostos („Heimkehr“) und algos („Schmerz“) verband. Zu Beginn jenes Jahrhunderts hatte das Leiden mal de corazón dazu geführt, dass eine Schar Soldaten mitten im Dreißigjährigen Krieg nach Hause geschickt wurde, und in der Tat schien dies eine Krankheit zu sein, die insbesondere die Armee befiehl. Anscheinend lösten sich Schweizer Soldaten mitunter in Tränen auf, wenn sie Kuhglocken hörten, denn die erinnerten sie an ihre heimatlichen Almen und insbesondere die Lieder, die vor dem Melken gesungen wurden, den „Kuhreihen“ („Khue-Reyen“ schrieb Hofer). Diese Melodie war ein derartiger Moralkiller, dass jeder, der sie spielte oder vorsätzlich summte, reif für das Erschießungskommando war. Heute hätten wir vielleicht nur Heimweh oder wären schlicht unglücklich. Nostalgie aber war die erste Krankheit, die sich mit der Zeit verband, und ihre Opfer verlangte es nach verflossenen Tagen.10

Doch die Nostalgie ist keine Krankheit der Vergangenheit. Heutzutage spüren wir Nostalgie nach allen möglichen Sachen, selbst wenn die Therapeutencouch für dringendere Fragen freigeräumt worden ist. Wir mögen es gern retro, sammeln Vintage, Nach-Verfallsdatums-Stücke und Uriges, und das Historische lieben wir über alles (dabei existierte die Geschichte in unserem Sinn als Thema für Universität und Literatur vor der Französischen Revolution nur ansatzweise). Das Internet zehrt vom Verlangen der ‚Mittelalterlichen‘ (vorwiegend Männer, wie man zugeben muss), sich eine verlorene Jugend zurückzukaufen, ob in Gestalt von Spielzeugen mit Auktionswert oder von Autos in reparablem Zustand (diese Gegenstände hat die Zeit nicht zerrieben, sie hat nur den Wiederverkaufswert gesteigert). Zunehmend sieht man die Nostalgie nicht als strafbare Krankheit, sondern als Kaufverhalten, und ihre Konnotationen sind nicht mehr ausschließlich negativ. Wie wir später noch feststellen werden, durchzieht der Wunsch, die Uhr zurückzudrehen, eine ganze, immer beliebtere Lebensweise: Das entschleunigte Leben oder Slow Life (einschließlich Slow Food, Achtsamkeit und die Zurück-in-den-Hobbykeller-Mentalität des „Selbermachens“) hat sich längst vom Zeitvertreib eines Dilettanten zu einer lukrativen Bewegung gemausert.

Die französische Tradition, den Fluss der Zeit in neue Bahnen zu leiten, setzt sich bis heute fort, und das mit ähnlich wirkungslosen Resultaten. Doch sind die Einwürfe heute extremer und nicht selten unfreiwillig komisch, sie beruhen nicht nur auf einer Neugestaltung des Kalenders, sondern gleich auf dessen kompletter Abschaffung. Zu Silvester 2005 versammelte sich eine Protestgruppe mit dem Namen Fonacon in einem Küstenstädtchen bei Nantes und unternahm dort den Versuch, 2006 aufzuhalten. Insgesamt waren es ein paar hundert Leute, und ihre Argumentation war einfach:2005 sei kein tolles Jahr gewesen, 2006 habe jede Chance, noch schlimmer zu werden, also wollten sie symbolisch versuchen, die Zeit anzuhalten, indem sie Lieder sangen und ein paar alte Standuhren zertrümmerten. Seltsamerweise funktionierte das nicht. Ein Jahr später versuchten sie es wieder, abermals kamen mehrere unschuldige Uhren ums Leben, doch global gesehen tickte alles einfach weiter.

Im Jahr darauf probierten sie es erneut, aber der Jubel blieb auch diesmal aus. Es war verspielte Anarchie und – falls es den noch brauchte – der Beweis, dass die Franzosen wegen allem protestieren, doch erinnerte es an einen ernsthafteren Zwischenfall, der mehr als ein Jahrhundert zurücklag. Am 15. Februar 1894 fand ein französischer Anarchist namens Martial Bourdin auf dem Gelände des Royal Observatory in Greenwich, dem Stammsitz der empirischen Zeitmessung, ein unseliges Ende. Bourdin hatte eine Bombe dabei, und als sie zufällig explodierte, riss sie ihm eine Hand ab und dazu ein Loch in den Magen.

Als zwei Mitarbeiter des Observatoriums auf den Explosionsknall hin aus ihrem Büro stürzten, trafen sie Bourdin lebendig an. Aber er lebte nur noch eine halbe Stunde, und als die Polizei seine Leiche untersuchte, stellte sie fest, dass er eine große Menge Bargeld dabeihatte; das sei Fluchtgeld, nahm man an, vollauf genug, um ihn schnell zurück nach Frankreich zu bringen, sobald seine Mission erfüllt war. Nur was genau war seine Mission? Wochenlang war London im Spekulationsfieber, und noch zehn Jahre später lieferte die Frage den Anlass für Joseph Conrads Roman Der Geheimagent. Bourdins Motiv bleibt im Dunkeln. Vielleicht hat er eine Bombe für einen Komplizen transportiert. Vielleicht versuchte er einfach, Panik und Chaos zu verbreiten, wie es die Terroristen von heute beabsichtigen. Aber die romantischste und französischste Theorie lautet, er habe womöglich versucht, die Zeit anzuhalten.

Die Leute von Fonacon feiern Bourdin nicht als Helden, bestimmt nicht in diesen sorgenvollen Zeiten. Ein ehrgeiziges Ziel teilen sie aber vielleicht durchaus mit ihm. Zu Silvester 2008 versuchte Fonacon, die Zeit ein weiteres Mal zu stoppen und hatte dafür einen neuen Slogan: „Eben war es besser!“ Dazu erklärte ein Mitglied namens Marie-Gabriel: „Wir sagen nein zur Tyrannei der Zeit, nein zum gnadenlosen Ansturm des Kalenders und ja zum sicheren Aufenthalt in 2008!“ Bei der Protestkundgebung in Paris verzeichnete man die bisher größte Teilnehmerzahl, rund 1000 Leute versammelten sich und buhten die Ankunft des neuen Jahres auf den Champs-Élysées aus. Die Uhren schlugen Mitternacht, die Protestierer schlugen die Uhren und, merde, dann war es 2009.

Die Idee, dass sich die Zeit zum Stillstand bringen ließe, erkennen wir leicht als Wunschdenken oder Filmthema. Wenn im Frankreich der Revolutionszeit so etwas machbar schien, ist das ein Verlangen, das wir aus Optimismus und Begeisterung erklären können – und aus der Tatsache, dass eine weitere Revolution, die Revolution des Reisens, sich erst noch ereignen sollte. Auf den alten Gleisen näherte sich ein Zug, und der war eine solide und ernsthafte Sache: Was die Zeit anging, sollte der Zug alles verändern.

1 Einen neuen Anlauf, die Zeit zu verändern, unternahmen die Franzosen 1897, allerdings mit verändertem Umfang. Die Commission de décimalisation du temps schlug vor, den 24-Stunden-Tag beizubehalten, aber zu 100-Minuten-Stunden mit 100-Sekunden-Minuten überzugehen. Der Vorschlag blieb zwar drei Jahre lang auf dem Tisch, trat aber Null Minuten lang in Kraft.

2 „Bliss was it in that dawn to be alive,/But to be young was very heaven!“ (The Prelude, Buch 11, V. 108f.).

3 Statt auf die Guillotine zu steigen, stürzte sich der Hauptarchitekt des Kalenders, Gilbert Romme, fast ein Jahr später am 17. Juni 1795 (oder, wie es ihm lieber gewesen wäre, am 29. Prairial) in sein Schwert.

4 Vgl. Sanja Perovic, The French Republican Calendar: Time, History and the Revolutionary Event. Journal for Eighteenth-Century Studies 35, Bd. 1 (März 2012), S. 1–16.

5 Genau gesagt ging es um die Frage, wie groß das Zeitfenster sein sollte, in das der Ostersonntag fallen kann. Seit der – päpstlichen, also katholischen, deswegen für viele Länder und Konfessionen lange unannehmbaren – Gregorianischen Reform konnte das zwischen dem 22. März und dem 25. April sein. Eine neue Rechenmethode sorgt seitdem dafür, dass all diese 35 Termine (aber sehr ungleich verteilt) auch eintreten. In den Kirchen aus der ehemaligen Osthälfte des Römischen Reiches – vor allem den orthodoxen Kirchen – wird für den Ostertermin nach wie vor der Julianische Kalender und eine ältere Berechnungsmethode verwendet, die lediglich 19Tage zwischen dem 21. März und dem 18. April ‚ansteuert‘. Ohne diverse Ausnahmeregeln wäre die Abweichung noch größer – die Suche nach dem besten oder kompromisstauglichsten Datum für Ostern, nach den korrektesten Formeln und ihrer Durchsetzbarkeit ist so alt wie das Christentum selbst (A.d.Ü.).

6 Flüchtig vertraut sind wir auch mit den julianischen Monatsnamen: Ianuarius, Februarius, Martius, Aprilis, Maius, Iunius, Iulius, Augustus, September, October, November und December. In den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung nahmen einige römische Kaiser private Abwandlungen vor. Der Extremfall war Commodus, der sich einen Spaß daraus machte, alle Monate in die Einzelkomponenten seines Herrschernamens umzutaufen: Amazonius, Invictus, Felix, Pius, Lucius, Aelius, Aurelius, Commodus, Augustus, Herculeus, Romanus und Exsuperatorius. Dann wurde er ermordet, und man benannte die Monate wieder zurück. [Zwei dieser Fälle von ‚Personenkult‘ haben allerdings überlebt: Während im traditionellen römischen Kalender der siebte und achte Monat Quinctilis und Sextilis hießen, kennen wir sie als Iulius (seit 44 v. Chr., zu Ehren – und pünktlich zur Ermordung – des großen Caesar) und Augustus (seit 8 v. Chr. zur Verherrlichung des ersten Kaisers) womit gleichzeitig der Hauptverantwortliche für das Kalenderchaos am Ende der Römischen Republik sowie der Schuldige an jahrelanger weiterer Konfusion bei der korrekten Anwendung des Julianischen Kalenders benannt sind (A.d.Ü.)].

7 Weswegen die Oktoberrevolution gregorianisch gesehen im November stattfand (A.d.Ü.).

8 Obwohl die Zeit wie in der Revolution von 1789 einen – vielleicht legendären – Moment lang stillstand. Der deutsche Philosoph Walter Benjamin behauptet (Über den Begriff der Geschichte, geschrieben 1940, Kap. XV): „Als der Abend des ersten Kampftages gekommen war, ergab es sich, dass an mehreren Stellen von Paris unabhängig voneinander und gleichzeitig nach den Turmuhren geschossen wurde.“ Zwei plausible Gründe dafür: aus Verachtung für ein überholtes, verfassungswidriges Establishment oder aber, um die exakte Zeit von dessen Sturz festzuhalten. Andererseits sind vielleicht einfach die Kugeln nur wild durch die Gegend geflogen.

9 Zitat nach Michael S. Roth, „Dying of the Past. Medical Studies of Nostalgia in Nineteenth-Century France. History and Memory 3.1 (1991), S. 5–29; jetzt in: Memory, Trauma, and History. Essays on Living with the Past. New York 2011, Kap. 2, S. 23–38.

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