Читать книгу Josh & Emma - Portrait einer Liebe - Sina Müller - Страница 8

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„Was hältst du von dem ganzen Ehe-Ding? Liv und Lukas … das wird doch nicht gut gehen. Oder?“ Ich wedelte mit der Hand vor meiner Nase. Ich wollte mich lieber an ihn kuscheln, noch ein paar Momente diese Wärme spüren.

„Abwarten. Luke ist immer für ’ne Überraschung gut. Er scheint Liv wirklich gern zu haben. Und die beiden haben sich schließlich mehr als genug die Hörner abgestoßen – wenn man all den Geschichten glauben mag, die über Liv kursieren.“ Er nahm einen letzten Zug und drückte die Kippe auf einer Untertasse aus, die ich zum Aschenbecher umfunktioniert hatte. Ich blickte mich in meinem Zimmer um. Es war ein einziger Schweinestall. Ich schämte mich nicht. Sollte Tom denken, was er wollte.

Er drückte mir einen schnellen Kuss auf die Stirn und zog seinen Arm unter meinem Kopf vor.

„Ich muss los“, sagte er knapp und zog sich seine Shorts an. Ich bestaunte ein letztes Mal seinen knackigen Po, bevor er verschwinden würde. Ich bereute es nicht, dass ich mit ihm geschlafen hatte. Es war schön gewesen. Anders. Ich hatte mich gehen lassen. Dem Alkohol und Tom sei Dank.

„Warum seid ihr eigentlich ausgerechnet in München? Studios gibt’s doch überall. Warum hier?“ Die Frage beschäftigte mich, seit er mir erzählt hatte, dass sie hier ihre neue Platte aufnahmen.

„Was weiß ich. Frag das Josh. Vielleicht wegen dir?“, antwortete er leichtfertig, während er seine Lederschuhe anzog. Er würde sich noch umziehen müssen, bevor er ins Studio ging. Ich schluckte. Wegen mir?

„Sicher nicht. Ich habe keinen Kontakt zu Joshua. Schon vergessen?“ Ich zog die Decke enger um mich und verkroch mich darin.

„Whatever.“ Er setzte sich nochmal auf die Bettkante und strich sanft über meine Wange. „Rufst du an?“

„Ach, Tom. Wir wissen doch beide, dass ich nicht anrufe.“ Ich setzte mich halbwegs auf und klammerte mich an der Bettdecke fest.

„Nicht? Ich dachte, du hattest gerade Spaß.“ Er stupste meine Nase und schien alles andere als angepisst zu sein.

„Ja, das hatte ich“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Aber Spaß allein reicht halt nicht.“

„Komm schon. Es muss ja nicht immer gleich die große Liebe sein. Ich mag dich. Lass uns ein bisschen zusammen abhängen, Spaß haben.“ Er rüttelte mich am Arm. „Es ist nicht gut, dass du so viel allein bist.“ Ich verzog den Mund und verdrehte die Augen. Fehlte nur, dass er mir noch einen Vortrag darüber hielt, dass ich mehr essen sollte. Ich ließ mich tiefer ins Bett sinken und lächelte ihn matt an.

„Okay, ich überleg’s mir.“ Er nickte und küsste mich zum Abschied.

Ein leises Klicken, als die Haustür ins Schloss fiel, und ich war allein. Mit meinen Gedanken. Mit dem schlechten Gewissen, das langsam, aber sicher in mir hochkroch.

„Verschwinde – ich habe nichts falsch gemacht. Wir sind nicht mehr zusammen“, versuchte ich es zu verscheuchen und musste grinsen, als es sich tatsächlich in einen entfernten Winkel meines Herzens zurückzog.

Es war okay, dass ich anfing, mein Leben zu leben. So schwer es mir fiel, loszulassen. Vermutlich würde ich nie wieder dieses Band spüren, das mich mit einem anderen Menschen so ausnahmslos vereinte, und momentan konnte ich mir nicht vorstellen, jemals einen anderen Menschen so sehr zu lieben wie Joshua. Aber das war okay. Es war eine einzigartige Zeit gewesen. Eine Zeit, die vorüber war.

Ich beschloss, dass ich nun lange genug getrauert hatte. Ich sollte nach vorne schauen. Akzeptieren, dass Joshua für immer bei mir sein würde. In meinem Herzen. Aber er würde sich diesen Platz in Zukunft mit anderen Menschen teilen müssen.

Konnte ich es wagen und bei Liv anrufen? Ich schaute auf die Uhr. Zwölf Uhr mittags. Ihre Hochzeitsnacht hatte lange genug gedauert. Ich angelte die Tasche vom Boden, und keine zehn Sekunden später klingelte es bei der frisch gebackenen Ehefrau. Ich trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Bettdecke. Eine halbe Ewigkeit später nahm sie ab.

„Na, wie war die Hochzeitsnacht?“, begrüßte ich sie ohne Umschweife.

„Hochzeitsnacht. Du bist gut. Wir waren um fünf zu Hause und mussten um acht wieder mit der Verwandtschaft aus Hinterschnöpflingen frühstücken.“ Unausgeschlafen war sie immer zickig. Ich grinste. Geschlafen hatte ich schließlich auch nicht. „Hat dich Tom gut zu Hause abgeliefert?“

„Ja.“

„Dann ist ja gut. Hab mich schon gewundert, dass du so schnell mit ihm abgehauen bist. Alles okay?“

„Ich hab mit ihm geschlafen.“ Stille auf der anderen Seite der Leitung. Mein Herz begann zu galoppieren.

„Du hast mit Tom geschlafen?“ Livs Stimme überschlug sich.

„Psst. Lukas muss ja nicht gleich mitkriegen, dass ich dir das brühwarm erzähle.“ Das Grinsen schien auf meinem Gesicht eingemeißelt zu sein.

„Du hast mit Tom geschlafen?“ Sie schien es noch immer nicht zu glauben.

„Jep.“ Ich versuchte mein Herz zu beruhigen und presste die flache Hand darauf.

„Hast du sie noch alle? Du magst Tom doch noch nicht mal.“

„Ja, und?“ Ich tat nur so abgebrüht, und Liv wusste das natürlich.

„Erzähl! Ich will alles wissen. Mit allen schmutzigen Details. Wie war’s?“

„Es war … es war schön. Anders irgendwie. Aber gut“, gab ich leise zu.

„Und jetzt? Trefft ihr euch wieder. Seid du und Tom jetzt ...“

„Zusammen? Liebes, du kennst ihn genauso gut wie ich. Tom und ’ne Beziehung? Ne. Ne! Er will sich ab und zu mit mir treffen. Aber ich weiß nicht ...“ Eine Freundschaft, die auf Sex basierte, war nicht gerade mein Ding.

„Wie, du weißt nicht? Vielleicht wird ja was aus euch. Und dann heiratet ihr, und wir sind verwandt“, sponn Liv weiter.

„Ja, klar. Und der Storch bringt die Babys. Träum weiter.“

„Mann, Emma. Ich verstehe ja, dass du noch an Josh hängst. Aber meinst du nicht, dass es langsam Zeit wird, nach vorne zu schauen? Du kannst doch nicht ewig Trübsal blasen.“

„Hey, ich habe doch gerade einen ersten Schritt getan, oder? Dräng mich nicht gleich so. Wann geht denn eure Hochzeitsreise los?“, versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Morgen. Und dann sind wir drei lange Wochen weg. Unerreichbar. Für jeden. Ach, ich freu mich.“

„Ich mich auch für euch. Und ich vermisse dich jetzt schon. Aber ich muss jetzt schlafen. Gute Reise. Und melde dich, wenn ihr zurück seid, ja? Frau Heinrich!“ Mit einem Lachen legte sie auf, und ich kuschelte mich tief in die flauschige Bettwäsche, die noch nach Tom roch. Sonne waberte in meine Kellerwohnung, verfing sich in den schmuddeligen Gardinen. Es versprach, ein schöner Tag zu werden. Aber die Welt musste erst einmal ein paar Stunden ohne mich zurechtkommen.

In den nächsten Tagen bombardierte mich Tom mit unzähligen SMS. Er schmeichelte mir, brachte mich zum Lachen. Und drängte immer wieder darauf, dass wir uns treffen sollten. Ich blieb standhaft. Noch.

Am Mittwoch saß ich gerade in Erics kleinem Garten und versuchte mich seit einer Ewigkeit wieder an einem Makrobild eines Blattes. In den letzten Monaten hatte ich ausschließlich Steine gemalt. Schwarze Steine. Dunkelgraue Steine. Sie waren leblos. Wie ich. Aber die Aufnahmeprüfung für das Grafik-Design-Studium mit Schwerpunkt Illustration würde ich nicht mit emotionslosen Bildern bestehen. Daher musste ich endlich anfangen, wieder mit Farbe und mehr Gefühl zu zeichnen. Es fiel mir schwer. Und das Ergebnis war alles andere als brillant.

Nur Toms SMS hatten mir bislang den Mittag etwas erhellt. Er bettelte schon wieder um ein Date, und es schmeichelte mir, dass er noch immer nicht aufgegeben hatte. Ich fragte mich, wie er im Studio so viel Zeit haben konnte, um mir die vielen Nachrichten zu schicken.

Wieder vibrierte mein Handy, und ich grinste, weil es keine Minute gedauert hatte, bis Tom auf meine Nachricht geantwortet hatte. Doch ein Blick auf das Display zeigte mir eine fremde Nummer. Wenig interessiert öffnete ich sie. Wahrscheinlich irgendeine Werbenachricht. Ich hasste diese Spam-Meldungen und war versucht, sie gleich zu löschen.

„Hallo, Emma, wollte mich schon ewig melden. Hast du am Freitagabend Zeit für mich? Würde gerne ein paar Dinge mit dir besprechen. J.“ J.? Ich kannte nur eine Person, deren Namen mit J anfing. Und der würde sich ganz sicher nicht bei mir melden. Außerdem war das nicht seine Nummer.

„Hallo, J. Ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber nein, ich habe keine Zeit für dich. Sorry. E.“ Ich klickte auf Senden und legte das Telefon wieder auf den Rasen neben meinen Stuhl.

Ich versuchte mich wieder in die filigranen Linien des Blattes zu vertiefen, als das Telefon klingelte. Ich fluchte leise und angelte das Handy vom Boden. Mein Blick huschte kurz auf das Display. Es war die Nummer des ominösen J. Ich verdrehte die Augen. Ich wusste gerne, mit wem ich sprach, bevor ich annahm. Vielleicht sollte ich das Gespräch abweisen, aber wer wusste schon, ob der oder die Unbekannte sonst Ruhe geben würde.

„Ja?“, sagte ich wenig begeistert, fügte einen Strich auf dem Blatt hinzu und hielt die Zeichnung ins Licht.

„Hallo, Emma.“ Mein Herz rutschte in die Hose, um gleich darauf zu meinem Hals hochzuschnellen und wie wild geworden loszupreschen. Ich schnappte nach Luft.

„Äh, hallo, Joshua“, stammelte ich und blickte mich verwirrt um. Natürlich stand er nicht hinter mir. Ich sprang auf und lief wie von der Tarantel gestochen in dem kleinen Garten auf und nieder. Meine Knie zitterten.

„Hey, ich dachte, ich rufe kurz an. Hab ganz vergessen, dass du meine neue Nummer gar nicht hast“, hauchte die rauchig-weiche Stimme. Die Stimme, die ich so sehr vermisst hatte. Die Stimme, die meine Welt zum Wanken brachte. Noch immer. Ich krallte mich an dem kleinen Apfelbaum fest, bis das Weiß unter den Fingernägeln hervortrat.

„Mhm.“ Ich war mir sicher, dass mein erster Herzinfarkt nur Sekunden entfernt war. Scheiße, scheiße, scheiße. Was sollte das denn? Gerade erst hatte ich beschlossen, ihn endlich gehen zu lassen. Mich damit abzufinden, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Und nun das. Was wollte er von mir?

„Wie …“ Er räusperte sich. Sicher fuhr er sich gerade durch seine Haare. Wie ich diese Geste geliebt hatte. Ich verscheuchte das Bild, das sich vor meinem inneren Auge auftat. „Wie geht es dir?“

„Gut“, hörte ich mich automatisch sagen. Gut? Natürlich war das gelogen.

„Gut. Das ist schön“, sagte er leise. „Hör mal, wir sind gerade in München, und ich dachte, wir könnten uns mal treffen. Ein paar Dinge bequatschen …“ Ich schlug die Augen nieder. Er räumte mit seinem Leben auf, meinte Tom. Nun war es also an der Zeit, dass er mich beseitigte. Wie ein lästiges Problem. „Nur, wenn du …, wenn du willst.“ Er klang zaghaft. Unsicher.

„Ich weiß nicht“, sagte ich wahrheitsgemäß. War es eine gute Idee? Natürlich wollte ich ihn sehen. Und ich hatte eine Heidenangst davor, ihm in die Augen zu blicken. Wieder in dieses Loch zu fallen, aus dem ich gerade erst angefangen hatte, rauszukriechen.

„Bitte. Ich würde dich gerne sehen.“ Ich lehnte den Kopf an den Baumstamm und hoffte inständig, dass mich ein Apfel erschlagen möge. Dann müsste ich keine Entscheidung treffen. Ich seufzte.

„Okay. Wann und wo?“ Mein Puls war jenseits der messbaren Grenze, und ich war erstaunt, dass meine Adern, die in den letzten Monaten nur Gleichgültigkeit transportieren mussten, dazu in der Lage waren und nicht augenblicklich platzten.

„Freitag kannst du ja nicht. Samstag. Wie sieht es diesen Samstag bei dir aus?“ Diesen Samstag? So bald? Ich suchte verzweifelt nach einer Ausrede, die sich wie immer ganz weit weg versteckte.

„Samstag. Ja, okay. Um sieben im Eiszeit?“, hörte ich mich vorschlagen. Ich hasste das Eiszeit. Aber das war nicht verwunderlich, denn ich hasste im Moment alle öffentlichen Orte, an denen mehr als fünf Menschen gleichzeitig waren. Joshua würde es dort sicher gefallen. Und das war die Hauptsache.

„Okay, Samstag um sieben. Im Eiszeit. Ich freu mich.“ Ich verzog das Gesicht und war froh, dass das Gespräch damit beendet war. Ich war verabredet. Mit Joshua. Ich stöhnte auf und ließ mich ins Gras plumpsen. Ein kleiner Freudenschrei drang aus meinem Mund, und ein breites Grinsen stahl sich auf meine Lippen.

Egal, warum er sich mit mir treffen wollte. Alles war besser als dieses unausgesprochene Nichts, das seit über einem Jahr zwischen uns lag. Oder?

Josh & Emma - Portrait einer Liebe

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