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Sie mußte Erik sehen. Sie mußte jemand zum Spielen haben! Diesmal war keine so würdevolle und gute Ausrede da, wie Kennicotts bügelbedürftige Hosen; als sie die drei Paar untersuchte, sahen alle entmutigend ordentlich aus. Wahrscheinlich hätte sie es nicht gewagt, wenn ihr nicht aufgefallen wäre, daß Nat Hicks im Billardzimmer war. Erst als sie schon in der Schneiderwerkstatt stand, fand sie eine Ausrede.

Erik war im Hinterzimmer, er saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem langen Tisch und nähte an einer Weste. Doch es sah ganz so aus, als benähme er sich zu seinem eigenen Vergnügen so exzentrisch.

»Hallo. Ich würde gern wissen, ob Sie ein Sportkostüm für mich entwerfen könnten?« sagte sie atemlos.

Er starrte sie an; er protestierte: »Nein, ich will nicht! Herrgott! Für Sie will ich kein Schneider sein!«

»Aber, Erik!« sagte sie im Ton einer gelinde empörten Mutter.

Es fiel ihr ein, daß sie gar kein Kostüm brauchte, und daß es auch etwas schwierig gewesen wäre, diese Bestellung Kennicott zu erklären.

Er sprang vom Tisch herunter. »Ich möchte Ihnen was zeigen.« Er durchstöberte den Zylinderschreibtisch Nat Hicks' und zog etwas heraus, das er ihr ängstlich zeigte. Es war eine Skizze für ein Kleid. Sie war nicht gut gezeichnet, zu manieriert; aber das Kleid hatte einen sehr originellen Rücken.

»Das ist fabelhaft. Aber Frau Clark wäre einfach entsetzt!«

»Ja, nicht wahr!«

»Sie müssen sich mehr gehen lassen, wenn Sie zeichnen.«

»Ich weiß nicht, ob ich kann. Ich hab' 'n bißchen spät angefangen. Aber hören Sie mal! Was, meinen Sie, hab' ich in den letzten zwei Wochen gemacht? Ich hab' eine Lateingrammatik fast ganz ausgelesen und so an die zwanzig Seiten Cäsar.«

»Ausgezeichnet! Sie haben Glück. Sie werden von keinem Lehrer verkünstelt.«

»Sie sind mein Lehrer!«

In seiner Stimme klang etwas gefährlich Persönliches mit. Sie war beleidigt und erregt. Sie drehte ihm den Rücken zu, sah durch das Hinterfenster hinaus und beobachtete eine Zeitlang dieses typische Zentrum eines typischen Hauptstraßenblocks.

Sie riß sich aus dem Mitleid mit sich selber und versetzte sich in Erik hinein. Sie drehte sich wieder um und sagte empört: »Es ist scheußlich, daß dieses hier Ihre ganze Aussicht ist.«

Er dachte nach. »Das da draußen? Das seh' ich kaum. Ich lerne, nach innen zu sehen. Das ist nicht grade leicht!«

»Ja … Ich muß mich tummeln.«

Als sie heimging – ohne sich zu beeilen – fiel ihr ein, daß ihr Vater einmal zu einer zehn Jahre alten Carola gesagt hatte: »Mein Kind, nur ein Narr glaubt schöne Einbände verachten zu können, aber nur ein dreidoppelter Narr liest nichts außer Einbänden.«

Es erschreckte sie, daß ihr Vater wiederkam, die plötzliche Überzeugung erschreckte sie, daß sie in diesem flachshaarigen Jungen den grauen, schweigsamen Richter wiedergefunden hatte, der die göttliche Liebe und vollkommenes Verstehen war. Sie stritt mit sich, sie leugnete es wütend, bestätigte es sich, machte es lächerlich. Nur einer Sache war sie voll Unbehagen sicher: in Will Kennicott war nichts von dem geliebten Bild des Vaters.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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