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Elmer Gantry, seinen Klassenkollegen am besten unter dem Namen Höllenhund bekannt, war, in diesem Herbst 1902, Fußballkapitän gewesen und hatte die beste Mannschaft geführt, die das Terwillinger-College seit zehn Jahren kannte. Sie hatten das Championat im Ost-Mittelkansas-Meeting gewonnen, das von zehn Sekten-Colleges beschickt wurde; alle diese Colleges besaßen ihre eigenen Gebäude, Rektoren, Kapellenandachten, Rufe und Farben und erfreuten sich eines Niveaus der Gelehrsamkeit, das sich mit den besten Hochschulen messen konnte. Aber seit dem letzten Abend der Fußballsaison mit dem herrlichen Freudenfeuer, in dem die jungen Herren neun Fässer Teer, das Schild des jüdischen Schneiders und die Katze des Präsidenten verbrannt hatten, war Elmer von Langeweile geplagt worden.

Basket-Ball und Turnplatzpossen waren für ihn unter der Würde eines Fußball-Gladiatoren. Als er ins College gekommen war, hatte er angenommen, er würde etwas lernen, das für einen Anwalt, einen Arzt oder einen Versicherungsmann bar Geld wert ist – er hatte nicht gewußt, was er werden sollte, und jetzt in seinem Seniorenjahr (er war in diesem November zweiundzwanzig Jahre alt) war er noch immer unschlüssig. Aber seinen Glauben von damals hatte er als trügerisch erkannt. Was könnte er vor Gericht, oder am Operationstisch, davon haben, wenn er etwas von Trigonometrie verstünde oder die Daten Karls des Großen wüßte? (Im letzten Frühjahr, beim Examen in europäischer Geschichte, hatte er sie gewußt, erinnerte er sich.) Wieviel Geld würde es einbringen, dieses ganze Zeug zu zitieren – was zum Teufel war es denn nur? – diesen ganzen Mist da »Die Welt ist viel zu sehr um uns, schon früh und schnell« von dem alten Narren Wordsworth?

Pinke, das war's, worauf es ankam. Lieber wäre er draußen gewesen, um Geschäfte zu machen. Aber, wenn seine Mutter behauptete, daß sie mit ihrem Putzgeschäft so gut auskäme, und wollte, daß er College-Absolvent würde, mußte er eben dabei bleiben. Auf jeden Fall war das tausendmal leichter, als Heuaufladen oder jede andere körperliche Arbeit.

Trotz seiner unschätzbaren Stimme hatte Elmer Gantry nie etwas für Diskussionen übriggehabt, weil ihn das Bücherwälzen verdroß, und ebensowenig hatte er sich um die Gebete und die sittliche Beredsamkeit in der Young Men's Christian Association gekümmert, denn er verachtete mit der ganzen Kraft seiner einfachen und starken Natur alle Frömmigkeit und bewunderte das Trinken und die Weltlichkeit.

Ein- oder zweimal beim öffentlichen Sprechen in der Klasse, beim Wiederholen von prächtigen Ideen anderer großer Denker, Dan'l Websters, Henry Ward Beechers und Chauncey M. Depews, hatte er erfahren, wie berauschend es ist, ein Publikum mit seiner Stimme zu packen wie mit der Hand, es zu packen, zu erschüttern und zu erheben. Der Debattierklub drängte ihn zum Eintritt, aber das waren kaninchengesichtige, bebrillte junge Männer, und es ekelte ihn, Statistiken über die Einwanderung und die Produkte San Domingos in der staubigen, schmutzigen Bibliothek aus staubigen, schmutzigen Büchern auszugraben.

Vor dem völligen Verbummeln blieb er nur bewahrt, weil Jim Lefferts ihn an seine Bücher schleifte.

Jim langweilte sich im College weniger. Der Duft der Gelehrsamkeit behagte ihm. Er wußte gern alles mögliche über Leute, die nun schon tausend Jahre tot waren, und vollbrachte gern chemische Tigelwunder. Elmer wunderte sich darüber, daß ein so tüchtiger Trinker, ein Mann, der es so glänzend verstand, »ein Mädel blendend dranzukriegen und sie wieder abfahren zu lassen«, Freude an römischen Triumphwagen und den langweiligen Liebesgeschichten spanischer Wicken finden konnte. Aber er – nein. Nicht ums Verrecken. Er würde fertigmachen, die Jura hinter sich bringen und nie wieder ein Buch aufschlagen – den Geschworenen was vorschwatzen und für die Schriftsätze irgendeinen alten Trottel engagieren.

Um sich vor einem völligen Zusammenbruch unter der Last zu bewahren, die das Gequake der Professoren für ihn war, machte er sich die Freude, mit Jim zu schwänzen und währenddessen verbotenerweise zu rauchen; stellte er Untersuchungen über die Lieblichkeit der Kommilitoninnen und der Bäckerstochter an; kultivierte er Saufereien und Streifzüge in die Welt. Aber er konnte sich nicht sehr oft Schnaps leisten, und die Kommilitoninnen waren größtenteils häßlich und ernst.

Es war ein Jammer, diesen breitschultrigen jungen Mann, der im Boxring, auf dem Fischmarkt oder der Effektenbörse so glücklich gewesen wäre, sich durch die spinnwebüberzogenen Korridore von Terwillinger bewegen zu sehen.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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