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Kennicott hatte fünf Steckenpferde: die Medizin, Kapitalanlagen in Grundstücken, Carola, Automobilfahren und Jagen. In welcher Reihenfolge er diesen Steckenpferden seine Liebe zuwandte, läßt sich nicht mit Gewißheit sagen. So aufrichtig seine Begeisterung für medizinische Dinge auch war – seine Bewunderung für diesen großstädtischen Chirurgen, seine Verachtung für jenen, der Landärzte hinterlistig dazu überredete, ihre chirurgischen Fälle in die Stadt zu bringen, sein Unwille über Unlauterkeiten in Honorarfragen, der Stolz auf seinen neuen X-Strahlenapparat – alles das beglückte ihn nicht so wie das Automobilfahren.

Er pflegte seinen zwei Jahre alten Buick auch im Winter, wenn der Wagen im Garageschuppen hinter dem Haus stand. Er füllte die Schmierbüchsen auf, lackierte den Kotflügel und holte unter dem Vordersitz Überreste von Handschuhen, Dichtungsringe, zerdrückte Karten, Staub und ölige Lappen hervor. An Wintermittagen stapfte er hinaus und starrte den Wagen höchst klug und weise an. Das Automobilfahren war für ihn ein Glaube, an dem nicht gezweifelt werden durfte, eine hochkirchliche Kultangelegenheit mit elektrischen Funken statt Kerzen und Kolbenringen, die so heilig waren wie Altargefäße.

Das Jagen war gleichfalls eine Andachtsübung, voll metaphysischer Begriffe, die Carola unklar waren. Den ganzen Winter über las er Sportkataloge und gedachte bedeutsamer Schüsse in der Vergangenheit: »Weißt du noch, wie ich damals die zwei Enten von ziemlich weit heruntergeholt hab', grade bei Sonnenuntergang?« Mindestens einmal im Monat zog er seine Lieblingsflinte aus ihrem verschmierten Flanellfutteral hervor; er ölte das Züngel und verbrachte Augenblicke schweigsamer Ekstase, indem er auf die Decke zielte.

Er bewahrte noch immer die Geräte zum Patronenadjustieren auf, mit denen er als Junge gespielt hatte; wenn Carola in einem Anfall von Hausfrauenwahnsinn allerlei aus dem Haus geschafft haben wollte, ärgerlich wurde und fragte: »Warum gibst du denn das nicht fort?« verteidigte er seine Geräte ernst und würdevoll: »Ja, man kann doch nie wissen; vielleicht braucht man sie einmal wieder.«

Sie wurde rot. Ob er an das Kind dachte, das sie haben würden, sobald sie, wie er sich ausdrückte, »sicher wären, sich eins leisten zu können?«

In rätselhaftem Kummer, in unklarer Traurigkeit schlüpfte sie davon, halb, aber auch nur halb überzeugt, daß es fürchterlich und widernatürlich sei, dieses Verschieben der Erfüllung ihrer Muttersehnsucht, dieses Zugeständnis an seinen Eigensinn und seinen vorsichtigen Wunsch nach Wohlhabenheit.

Aber es wäre schlimmer, wenn er wie Sam Clark wäre – immer wieder Kinder haben wollte, überlegte sie, und dann: Wenn Will der Prinz wäre, würde ich das Kind dann nicht verlangen?

Kennicotts Landgeschäfte waren sowohl Vermögensverbesserung wie Lieblingsspiel. Wenn er über Land fuhr, beobachtete er, welche Farmen gute Ernte hatten; er hörte die Neuigkeit, daß dieser oder jener ruhelose Farmer »daran dächte, hier zu verkaufen und sich mit allen seinen Sachen nach Alberta aufzumachen«. Er erkundigte sich beim Tierarzt nach dem Wert verschiedener Viehrassen; er fragte Lyman Cass, ob Einar Gyseldson wirklich einen Ertrag von vierzig Scheffeln Weizen auf den Morgen hätte. Er beriet sich unaufhörlich mit Julius Flickerbaugh, der sich mehr mit Gütermaklerei als mit dem Gesetz beschäftigte, und mehr mit dem Gesetz als mit Gerechtigkeit. Er studierte Pläne und las Auktionsbekanntmachungen.

So war er in der Lage, hundertsechzig Morgen Land zu hundertfünfzig Dollar zu kaufen und nach ein oder zwei Jahren, wenn er den Fußboden in der Scheune zementiert und Wasser ins Haus eingeleitet hatte, zu hundertachtzig oder gar zweihundert zu verkaufen.

Diese Einzelheiten besprach er mit Sam Clark … ziemlich oft.

Carola sollte an allen seinen Spielen, an Automobilen und Flinten und Land Interesse zeigen. Aber er erzählte ihr nichts, was in ihr Interesse hätte wachrufen können. Er sprach nur von selbstverständlichen und langweiligen Dingen; nie von seinen finanziellen Zielen oder von den mechanischen Prinzipien, nach denen ein Motor arbeitet.

In diesem Monat der Romantik war sie voll Eifer, seine Steckenpferde zu verstehen. Sie zitterte in der Garage, während er eine halbe Stunde dazu brauchte, um sich zu entschließen, ob er den Kühler mit Alkohol oder mit einer nichtfrierenden Patentflüssigkeit füllen, oder ob er das Wasser ganz ablassen sollte. »Oder nein, dann würd' ich ihn nicht 'rausnehmen müssen, wenn's warm wird – trotzdem, natürlich, ich könnt' ja den Kühler wieder füllen – das würde ja gar nicht so fürchterlich lang dauern – 's sind ja nur ein paar Kannen Wasser – trotzdem, wenn's dann wieder kalt wird, bevor ich's abgelassen hab' – es gibt natürlich Leute, die Petroleum einfüllen, aber dann sollen ja wieder die Schlauchverbindungen zum Teufel gehen, und – wo hab' ich denn den Schlüssel hingetan?«

In diesem Augenblick gab sie es auf, Automobilistin zu sein, und ging ins Haus zurück.

Jetzt, da ihr Verhältnis inniger geworden war, erzählte er ihr mehr von seiner Praxis; er teilte ihr, mit dem unveränderlichen Gebot, nicht darüber zu sprechen, mit, daß Frau Sunderquist wieder ein Baby erwarte, und daß das »Dienstmädel von Howlands Pech gehabt habe«. Aber wenn sie nach technischen Dingen fragte, wußte er nicht zu antworten; wenn sie wissen wollte: »Aber wie nimmt man denn die Mandeln heraus?« gähnte er: »Mandeloperation – na, da muß man doch bloß – wenn's eitert, schneidet man. Man nimmt sie ganz einfach raus. Hast du die Zeitung gesehen? Wo hat die Bea sie denn schon wieder hingesteckt?«

Sie versuchte es nie wieder.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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