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»Das Mädchen von Kankakee« fand sie noch fürchterlicher, als sie erwartet hatte. Es berichtete von dem Erfolg eines Bauernmägdleins, das seinen Bruder glücklich vom Verdacht, Fälschungen begangen zu haben, reinwäscht. Sie wird Sekretärin eines New Yorker Millionärs und Beraterin seiner Frau; nach einer gut abgefaßten Ansprache über die Mißlichkeiten des Geldbesitzes heiratet sie seinen Sohn.

Es kam auch ein humoristischer Laufbursche vor.

Carola merkte, daß sowohl Juanita Haydock wie Ella Stowbody die Hauptrolle spielen wollten. Sie besetzte sie mit Juanita. Juanita küßte sie und setzte überströmend, wie eben ein neuer Star, dem Komitee ihre Theorie auseinander: »Was wir an einem Stück haben wollen, ist Humor und Schwung. Und da sind eben auch die amerikanischen Theaterschriftsteller den dummen alten langweiligen europäischen Sachen über.«

Die von Carola gemachte und vom Komitee bestätigte Besetzung sah folgendermaßen aus:

???tabelle

John Grimm, ein Millionär Guy Pollock

Seine Frau Fräulein Vida Sherwin

Sein Sohn Dr. Harvey Dillon

Sein Konkurrent Raymond T. Wutherspoon

Freundin von Frau Grimm Fräulein Ella Stowbody

Das Mädchen von Kankakee Frau Harold C. Haydock

Ihr Bruder Dr. Terence Gould

Ihre Mutter Frau David Dyer

Eine Stenotypistin Fräulein Rita Simons

Ein Laufbursche Fräulein Myrtle Cass

Dienstmädchen bei Grimms Frau W. P. Kennicott

Regie: Frau Kennicott.

Zu den geringfügigeren Klagen gehörte, was Maud Dyer vorbrachte: »Also, ich glaub' ja recht gern, daß ich alt genug ausseh', um Juanitas Mutter sein zu können, obwohl Juanita acht Monate älter ist als ich, aber ich glaub', mir liegt nicht g'rade viel daran, daß alle es merken und –«

Carola bat: »Aber, meine Liebe! Ihr seht beide ganz gleich alt aus. Ich hab' nur Sie ausgesucht, weil Sie einen so entzückenden Teint haben, und Sie wissen doch, mit Puder und einer weißen Perücke sieht jeder doppelt so alt aus, als er ist, und die Mutter muß reizend sein, auf jeden Fall.«

Als Ella Stowbody, die Dame vom Fach, merkte, daß man ihr auf Grund einer eifersüchtigen Intrige eine kleine Rolle gegeben hatte, schwankte sie zwischen erhabenem Belustigtsein und christlicher Langmut hin und her.

Carola meinte, das Stück könnte durch Streichungen gewinnen, da aber alle Mitwirkenden außer Vida, Guy und ihr selbst über jede einzelne Zeile jammerten, die sie einbüßen sollten, wurde sie geschlagen. Sie sagte sich, schließlich ließe sich ja mit Regie und Bühnenbild doch sehr viel erreichen.

Sam Clark hatte seinem Schulkameraden, Percy Bresnahan, dem Generaldirektor der Velvet Motor Company in Boston, einen prahlerischen Brief über den Theaterverein geschrieben. Bresnahan schickte einen Scheck auf hundert Dollar, Sam fügte fünfundzwanzig hinzu, überbrachte das Kapital Carola und rief freudig: »Hier! Das wird Ihnen wunderschön über den ersten Anfang hinweghelfen!« Sie mietete für zwei Monate das zweite Stockwerk des Rathauses. Das ganze Frühjahr hindurch begeisterte sich die Gesellschaft in diesem trübseligen Saal an ihren eigenen Talenten.

Nur Kennicott, Guy und Vida halfen ihr. Sie dachten darüber nach, wie man Versatzstücke aneinanderbefestigen könnte, um eine Mauer zu bekommen, sie hängten krokusgelbe Vorhänge an das Fenster; sie polierten den schwarzen Eisenofen; sie banden sich Schürzen vor und fegten. Der Rest der Gesellschaft kam jeden Abend ins Theater und war literarisch und überlegen. Sie hatten sich Carolas Inszenierungshandbücher ausgeliehen und warfen mit den fabelhaftesten Theaterausdrücken um sich.

Juanita Haydock, Rita Simons und Raymie Wutherspoon saßen auf einem Sägebock und sahen Carola zu, die für den ersten Akt die richtige Stelle für ein Bild an der Wand suchte.

»Ich will mich selbst absolut nicht loben, aber ich glaube, im ersten Akt werd' ich blendend sein«, bekannte Juanita. »Wenn nur Carola nicht so alles besser wissen wollte. Sie versteht nichts von Kleidern. Ich möchte ein, oh, ein blendendes Kleid, das ich hab' – ganz scharlachrot – tragen, und da hab' ich zu ihr gesagt: ›Würd' es nicht einen fabelhaften Eindruck machen, wenn ich beim Auftritt in diesem engen scharlachroten Ding dasteh'?‹ Aber sie hat mich nicht gelassen.«

Die junge Rita stimmte zu: »Sie ist so von allen dummen Einzelheiten und von der Zimmermannsarbeit und von allem eingenommen, daß sie das Bild gar nicht mehr als Ganzes sehen kann. Also, ich hab' gemeint, es würde reizend sein, wenn wir eine Bureauszene hätten wie die, die ich in Duluth gesehen hab'. Aber sie hat mich überhaupt nicht anhören wollen.«

Juanita seufzte: »Ich wollte einen Monolog sprechen, wie es Ethel Barrymore in einem solchen Stück machen würde (Harry und ich haben sie mal in Minneapolis gesehen – wir haben blendende Plätze gehabt, Orchestersessel – ich weiß, daß ich sie kopieren könnte). Carola hat sich um meinen Vorschlag überhaupt nicht gekümmert. Ich will nicht kritisieren, aber ich glaube, Ethel versteht mehr vom Theater als Carola!«

»Sagen Sie, glauben Sie, Carola hat recht mit dem Kulissenlicht hinter dem Kamin im zweiten Akt? Ich hab' ihr gesagt, wir sollten Reihenlicht nehmen«, hatte Ramie zu sagen. »Und ich hab' ihr auch vorgeschlagen und gesagt, wie nett es wär', wenn wir vor dem Fenster im ersten Akt einen Rundprospekt hätten, und was meinen Sie, hat sie darauf gesagt? ›Ja, und es wär' auch nett, wenn wir Eleonora Duse die Hauptrolle spielen ließen‹, hat sie gesagt, ›und abgesehen davon, daß der erste Akt am Abend spielt, sind Sie ein großartiger Techniker‹, hat sie gesagt. Ich muß sagen, ich hab' sie recht ironisch gefunden. Ich hab' alles nachstudiert, und ich weiß, ich könnt' einen Rundprospekt bauen, wenn sie nicht alles dirigieren wollte.«

»Ja, und noch so was, ich meine, der Auftritt im ersten Akt sollte links vorne sein, und nicht links hinten«, meinte Juanita.

»Und warum will sie nur glatt weiße Soffitten haben?«

»Was sind Soffitten?« platzte Rita Simons heraus.

Die Wissenden schüttelten über diesen Mangel an Bildung den Kopf.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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