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Vorwort

Als Künstlerin war es mir ein Anliegen, die Umbrüche in der deutschen Kunst am Beispiel der Sammlung Bode aufzuzeigen. Zu beantworten war die Frage, ob die Kunst ein Spiegel der jeweiligen Zeit ist und die gesellschaftlichen Veränderungen in den Kunstwerken sichtbar werden. Aus einem Keilrahmen, Leinwand und Farbe entsteht ein Produkt, dessen Mehrwert frei erfunden ist, aus Kunst wird Kapital, deshalb resümierte Bode: »Alle Kunst ist Zauberei«.

Um zur richtigen Zeit die richtigen Kunstwerke zu erwerben, bedarf es einer großen Leidenschaft, der Gedanke der Geldvermehrung sollte nicht im Vordergrund stehen. Aus Überzeugung erwarb Hermann Bode umstrittene Bilder, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihren Wert verloren, um später zum gefragten Anlageobjekt zu werden. Er befasste sich mit Kunst, Astrologie, Philosophie und Musik. Aus dem Material seiner Bücher, Briefe und Notizen entstand das vorliegende Manuskript, in dem die wichtigsten Fragen zur Entwicklung zeitgenössischer Kunst beantwortet werden.

1916 wurde die Kestner Gesellschaft in Hannover gegründet; hier lernte Bode die Künstler Nolde, Schwitters, Klee, Lissitzky und Kandinsky persönlich kennen. Der Kunsthistoriker Alexander Dorner, der als Museumsdirektor die Vertreter der Abstrakten Kunst förderte, beeinflusste Bodes Kunstkäufe. Im Lauf von Jahrzehnten erwarb er mehr als 100 Werke der Moderne. Nach der Eheschließung mit seiner zweiten Frau Ilse Beindorff, deren Vater Eigentümer der Pelikan-Werke war, konnte Bode den Zahnarztberuf aufgeben und sich als Privatgelehrter seinen Interessen widmen. Er übersetzte Laudsis Daodö-jing aus dem Urtext und veröffentlichte mehrere Bücher.

Hermann Bode besuchte das Bauhaus erst in Weimar, dann in Dessau und stand in regem Kontakt mit dem Architekten Walter Gropius. Um seiner Kunstsammlung einen entsprechenden Rahmen zu geben, erbaute er ein Haus im Bauhausstil. Nach dem häufigen Wechsel der Reichskanzler in der Zeit der Weimarer Republik erhoffte er sich von Adolf Hitler, dass dieser die Ordnung im Land wiederherstellen würde, obwohl er dessen politischer Einstellung ambivalent gegenüberstand. Bode war kein Mitglied der NSDAP. Die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten und die Einschränkung der Kunstfreiheit widersprachen seinen Grundsätzen. Nachdem der Sammler die Ausstellung »Entartete Kunst« in München besucht hatte, verfasste er einen Essay, in dem er die verfemten Künstler verteidigte und die Rückkehr ihrer Werke in die Museen forderte. Bis zum Tod von Kurt, dem Sohn seiner Frau aus erster Ehe, war er loyal gegenüber der Reichsregierung. Der 22-Jährige hatte regimekritische Flugblätter verteilt und wurde zum Tode verurteilt. Als der jüngere Sohn Sindbert vier Wochen nach dem Bruder im Krieg ums Leben kam, brach für Bode die Welt zusammen. In einem Gedicht verdichten sich seine ganze Verzweiflung und die christliche Überzeugung, dass der wahre Mensch ein Leidender ist.

Nach 1945 bescherte das Wirtschaftswunder den Pelikan-Werken eine Blütezeit und der Familie Wohlstand. Bode beschenkte das Landesmuseum Hannover mit einem abstrakten Bild von Kandinsky, weitere Bilder gab er als Dauerleihgaben in das spätere Sprengel Museum. Zusammen mit Alexander Dorner besuchte er zahlreiche Ateliers und verfolgte mit Interesse, die verschiedenen Richtungen der Nachkriegskunst. Seine Tochter Maria, eine renommierte Gartenarchitektin, bereicherte sein Kunstverständnis um den Aspekt der Gartenkunst. Nach dem Tod von Hermann Bode wurde seine Sammlung zwischen der Ehefrau und den Töchtern aufgeteilt, deren Nacherben verkauften den Großteil der Bilder. Das Sprengel Museum, das Auktionshaus Villa Grisebach und der Kunsthändler Ernst Beyeler waren am Verkauf beteiligt. Der Konkurs des Familienunternehmens Pelikan, das Generationen von Schülern mit Farben und Füllern versorgt hat, markiert das Ende einer Ära.

Die Nationalsozialisten haben die Mehrheit der Werke von »Entarteter Kunst« verkauft. 74 Jahre nach dem Krieg versucht man die ehemaligen Eigentümer oder deren Erbberechtigte ausfindig zu machen. Der lange Weg der Restitution wird am Beispiel von zwei Bildern aus der Sammlung Lissitzky-Küppers in diesem Buch beschrieben.

Kunst hat sich als sichere Anlageform erwiesen, ein Wertzuwachs um das Vierhundertfache des Kaufpreises innerhalb von 20 Jahren ist im Kunsthandel nicht selten. Der Kapitalismus hat sich der Kunst bemächtigt, sie wurde ihrer Autonomie beraubt und wird als globale Währung gehandelt. Am Beispiel der Kunstsammlung Bode wird erkennbar, welchen erstaunlichen Wertschwankungen die Kunst der Moderne innerhalb der letzten 100 Jahre unterworfen war. Analysiert man den Umgang mit Kunst unter dem Gesichtspunkt der Vergegenständlichung gesellschaftlicher Tendenzen, dann wird eine erschreckende Banalisierung sichtbar.

Die Ansichten von Bode sind nicht in jedem Fall gleichbedeutend mit denen der Autorin. Aus 92 Briefen wurden zahlreiche Zitate in wörtliche Reden umgewandelt. Alle im Buch verwendeten Texte, Gedichte und Aufzeichnungen entstammen dem Familienarchiv und den Büchern von Hermann Bode. Die Rechte hierfür wurden recherchiert und erworben.

Sinda Dimroth 2020


Die Kunst ist das Einzige, was bleibt

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