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SHACKLETONS IMPERIAL TRANS-ANTARCTIC EXPEDITION (1914–1917)
ОглавлениеNachdem Shackleton den Weg auf das Südpolarplateau gefunden hatte, war es nur eine Frage der Zeit, dass Scott ihn zur Vollendung seines Planes, als Erster den Südpol zu erreichen, nutzen würde. Aber er würde nicht allein bleiben, denn der bayerische Offizier Wilhelm Filchner stellte Anfang März 1910 auf einer Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin seinen Plan einer neuen deutschen Antarktisexpedition vor. Er wollte herausfinden, in welchem Zusammenhang die Westantarktis mit der wesentlich größeren Ostantarktis stand, die durch die tiefen Einschnitte des Weddellmeeres und des Rossmeeres voneinander getrennt wurden. Drei Theorien konkurrierten miteinander: Nordenskjöld vertrat die Meinung, dass beide Meere durch einen mit Eis bedeckten Meeresarm verbunden waren. Der norwegische Polarforscher Fridtjof Nansen glaubte hingegen immer noch, dass die Antarktis aus einer Ansammlung von Inseln am Südpolarkreis bestand und damit einem Atoll glich. In diesem Fall würde die Südpolarregion jenseits des Polarkreises wie die Arktis aus einem gefrorenen Ozean bestehen. Shackleton war jedoch mit Bruce der Ansicht, dass es sich bei der Antarktis um einen einzigen Kontinent handelte. Schon 1908 hatte Bruce begonnen, zur Lösung der Frage eine Durchquerung der Antarktis vorzubereiten. Filchner wusste offenbar nichts davon, als er mit seinem Plan hervortrat, vom Weddellmeer über den Südpol zum Rossmeer vorzudringen. Dabei hoffte er auf die Hilfe von Scotts Expedition, die ihm auf der Rossmeerseite Depots legen sollte. Schnell stellte sich heraus, dass Scott an einer solchen Kooperation keinerlei Interesse hatte. Nachdem Bruce seine Expedition nicht realisieren konnte und Shackleton erst seine finanziellen Verbindlichkeiten aus der »Nimrod«-Expedition klären musste, stand Scotts vorgegebenem Ziel nichts mehr im Wege, als Filchner im Sommer 1910 erst noch zu einer Übungsexpedition nach Spitzbergen aufbrach. Bekanntlich kam Amundsen Scott zuvor und setzte am 14. Dezember 1911 die norwegische Flagge auf den Südpol, während Scott, der Verlierer des Wettrennens, auf dem Rückweg mit seinen vier Kameraden kurz vor dem rettenden Depot umkam. Überraschenderweise tauchte am Winterquartier der Norweger in der von Shackleton entdeckten Bay of Whales eine japanische Expedition an Bord der »Kainan-Maru« auf, die unter der Leitung von Nobu Shirase das Schelfeis und King Edward VII Land erforschte. Filchner hatte inzwischen seinen unrealistischen Plan einer Durchquerung des Kontinents aufgegeben und wollte nur noch die Region im südlichen Weddellmeer erkunden. Nachdem er dort im Südosten auf eine Eisbarriere – das nach ihm benannte Filchnereisschelf – gestoßen war und die Errichtung einer Überwinterungsstation in der dort entdeckten Vahselbucht fehlschlug, wurde sein Expeditionsschiff »Deutschland« vom Eis eingeschlossen. Glücklicherweise kam das Expeditionsschiff nach einer neunmonatigen Drift im sogenannten Weddellwirbel 1912 wieder unbeschädigt heraus. Im Januar desselben Jahres erreichte Shackletons ehemaliger Expeditionskamerad Mawson auf der »Aurora« die Küste von Adelie Land östlich des Rossmeeres, gelangte bis zum Magnetpol der Südhemisphäre und erforschte das von ihm entdeckte Georg V Land.
Nachdem der Südpol nun kein Ziel mehr darstellte, wandte sich Shackleton der Planung einer »Imperial Trans-Antarctic Expedition« zu, für die Bruce das Vorbild gegeben und Filchners Expedition wichtige Informationen geliefert hatte. Mit der sogenannten Weddellmeergruppe wollte Shackleton im Südsommer 1914/1915 in der Vahselbucht an Land gehen, dort überwintern und dann zum Südpol vordringen. Für die in Neuseeland aufbrechende unabhängig von ihm agierende Rossmeergruppe kaufte er Mawsons »Aurora«. Diese Gruppe sollte auf Ross Island überwintern und mit Hunde- und Motorschlitten über das Schelfeis hinweg nach Süden in Richtung Beardmore-Gletscher für seine Durchquerung Lebensmitteldepots anlegen.
Als die finanziellen Probleme bei der Ausrüstung der Expedition immer noch nicht geklärt waren, spendete glücklicherweise der schottische Philanthrop Sir James Caird £ 24 000 für die Expedition in der Hoffnung, dass es ihm andere nachmachten. Tatsächlich bekam Shackleton genügend Geld zusammen, um seine Vorbereitungen voranzutreiben. Um Expeditionsteilnehmer zu finden, verschwieg seine Stellenausschreibung keine der möglichen Schwierigkeiten, aber dass sie auch wirklich eintreten würden, ahnte damals niemand.
»Men wanted for Hazardous Journey. Small wages, bitter cold, long months of complete darkness, constant danger, safe return doubtful. Honour and recognition in case of return.« (Huntford 1985, S. 365)
»Männer für riskante Reise gesucht. Kleines Gehalt, bittere Kälte, lange Monate in kompletter Dunkelheit, ständige Gefahr, sichere Rückkehr ungewiss. Ehre und Anerkennung im Falle der Rückkehr.«
Bei der Auswahl der Expeditionsteilnehmer aus 5000 Bewerbungen verfuhr Shackleton völlig unkonventionell, indem er ganz spontan seinem Bauchgefühl folgte, denn angeblich dauerten die Vorstellungsgespräche nie länger als fünf Minuten. Am 1. August 1914 konnte die »Endurance« Segel setzen. Als Shackleton unterwegs von der allgemeinen Mobilmachung nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs erfuhr, stellte er nach Zustimmung der Mannschaft das Schiff samt Besatzung für militärische Einsätze zur Verfügung. Die Admiralität in London befahl jedoch, die Expedition fortzusetzen.
Über Südgeorgien nahm die »Endurance« Kurs auf die Vahselbucht, wurde aber angesichts des von Filchner entdeckten Prinz-Regent-Luitpold-Landes im Südwinter 1915 vom Eis eingeschlossen. Leider war ihr nicht ein so glückliches Schicksal beschieden, wie Filchners »Deutschland«, sondern ein ähnliches wie der schwedischen »Antarctic«. Für Shackletons Expedition begann eine mehrmonatige Drift, die sie erst an Bord der »Endurance«, dann nach ihrem Untergang in mehreren Camps auf Eisschollen verbrachten. Als auch die letzte Scholle zu unsicher wurde, versuchten sie schließlich, Paulet Island zu erreichen, um – einer Ironie des Schicksals folgend – das zwölf Jahre zuvor von Shackleton angeregte Lebensmitteldepot zu nutzen. Leider wurden sie durch die Drift zu weit abgetrieben, sodass die Gruppe letztendlich auf Elephant Island, der nördlichsten der South Shetland Islands landete.
Von dort aus holte der »Boss« mit fünf Kameraden auf dem einigermaßen hochseetüchtig gemachten Rettungsboot »James Caird« von der rund 1500 km entfernten Walfangstation Stromness auf Südgeorgien Hilfe. Aber erst im vierten Anlauf gelang es Shackleton, auf dem kleinen, von der chilenischen Regierung bereitwillig zur Verfügung gestellten Dampfer »Yelcho« die gesamte Weddellmeergruppe am 30. August 1916 abzuholen. Der stellvertretende Expeditionsleiter Frank Wild hatte es über viereinhalb Monate hinweg geschafft, bei seinen Kameraden die Hoffnung auf ihre Erlösung wachzuhalten. Zuletzt hatten sie nur noch Nahrung für maximal vier Tage. Auf dem Rückweg zur chilenischen Hafenstadt Punta Arenas an der Magellanstraße ließ Shackleton unterwegs in Río Seco anhalten, um den Gouverneur über die Rettung aller Expeditionsmitglieder zu informieren. Das hatte natürlich beabsichtigterweise zur Folge, dass bei ihrer Ankunft in Punta Arenas am 3. September 1916 die gesamte Bevölkerung auf den Beinen war, um ihnen einen unvergesslichen Empfang zu bereiten. Luis Pardo Villalón, Kapitän der »Yelcho«, wurde als »Piloto Pardo« zum Nationalhelden und 1966 mit einer Briefmarke geehrt. Außerdem wurde ihm zu Ehren von der chilenischen Antarktisexpedition 1987/88 auf Elephant Island seine Büste errichtet, die in dieser einsamen Gegend wie ein Grenzpfahl wirkt.
Das Lager der gestrandeten »Endurance«-Mannschaft lag rechts von der vorgelagerten Felsgruppe auf Elephant Island. (Foto: C. Lüdecke)
Ende der 1930er-Jahre wurde diese Rettungsaktion für Chile ein wichtiges geopolitisches Argument, als sich nun auf der Antarktischen Halbinsel argentinische, britische und chilenische Besitzansprüche überlagerten. Bis heute ist das sogenannte »ABC-Problem« ungelöst, aber im Rahmen des geltenden Antarktisvertrags sozusagen auf Eis gelegt.
Über das Schicksal der Rossmeergruppe war bei Shackletons Rettung nur bekannt, dass sich die »Aurora« während eines starken Blizzards, kurz nachdem die Rossmeergruppe zur Einrichtung der Überwinterungsstation an Land gegangen war, von ihrer Verankerung im Rossmeer losgerissen hatte. Dann driftete sie zehn Monate im Packeis langsam nach Norden und kam erst am 14. März 1916 wieder frei. Wegen der beschädigten Ruderanlage musste die »Aurora« zur Reparatur nach Neuseeland zurückkehren. Alle hofften, dass sich die zehn an Land verbliebenen Expeditionsmitglieder für die Überwinterung im Jahr 1915 notdürftig einrichten konnten. Allerdings hatte man es bei der Landung verabsäumt, neben den Kisten für die Lebensmitteldepots, die Shackleton die Reise vom Pol zum Rossmeer gewährleisten sollten, auch Vorräte für die Landgruppe auszuladen. Die »Aurora« lag einfach zu nah am Ufer, als dass man an solche Vorsichtsmaßnahmen gedacht hätte. Außerdem fehlten aus diesem Grund weitere Ausrüstungsgegenstände und Ersatzkleidung. Dennoch bemühte sich die Gruppe, Shackletons Auftrag zu erfüllen und legte zwischen 80° S und 83° S vier Depots an, die sie nicht einmal anrührten, obwohl sie selbst kaum noch etwas zu essen hatten. Erschwerend kam für sie hinzu, dass in dieser Region so schlechtes Wetter herrschte, wie es dort frühere Expeditionen nie erlebt hatten.
Die Rettung der Rossmeergruppe mit der wieder instand gesetzten »Aurora« war nun Shackletons oberstes Ziel. Von australischer Seite wurde ihm jedoch zu verstehen gegeben, dass seine Anwesenheit nicht vonnöten sei. Dies bedeutete insbesondere, dass er an Bord der »Aurora« nicht erwünscht war. Der Hintergrund war, dass Shackleton nach seiner Rettung wie jedes Mal nach einer Expedition große Schulden angehäuft hatte und man in Australien mit seinem undurchsichtigen Geschäftsgebaren nichts zu tun haben wollte. Auch trug es ihm sein australischer Expeditionskamerad von der »Nimrod«, der Geologe Edgeworth Davis, zu allem Überfluss nach, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Expedition immer noch nicht veröffentlicht worden waren. So hatte sich der Expeditionsleiter selbst unwissentlich ins Aus manövriert. Als er schließlich doch nach Neuseeland reiste, um die »Aurora« für seine Leitung der Abholexpedition zu beanspruchen, traf er auch mit Davis zusammen. Dieser beschrieb seinen alten Expeditionsleiter als »gealtert, bitter, voller Ressentiments und voller Selbstmitleid«, der dem »Iren mit großer Überzeugungskraft, dem sich keiner entziehen konnte« in keinster Weise mehr glich (Huntford 1985, S. 631f). Dass die Welt zu Zeiten des Ersten Weltkriegs – als von deutschen Zeppelinen Bomben auf London und Südengland fielen und im Frühjahr 1916 die britische Flotte in der Seeschlacht bei Skagerrak der deutschen Flotte unterlegen war – andere Sorgen hatte als die Rettung von ein paar gestrandeten Männern in der Antarktis, war dem besorgten Expeditionsleiter nicht bewusst. Nachdem die Rossmeergruppe offenbar ohne ausreichende Finanzen ausgestattet war, hatten die britische, australische und neuseeländische Regierungen letztlich beschlossen, die Rettung auf ihre Kosten durchzuführen. Die australische Regierung wollte eigentlich schon die erste Ausfahrt der »Aurora« im Jahr 1915 nicht unterstützen, als sie für Shackletons Depotlegung aufbrach. Eine Untersuchung hatte nämlich aufgedeckt, dass die dortigen Vorbereitungen für die zweite Expeditionsgruppe unter »krimineller Inkompetenz und schludriger Organisation« litten (Huntford 1985, S. 633). Um jedoch Shackletons Durchquerung des Kontinents nicht zu gefährden, half die australische Regierung damals mit dem Nötigsten aus. Schließlich durfte Shackleton 1916 als zusätzlicher Offizier die Rettungsexpedition nach Süden begleiten. Er fühlte sich noch immer verantwortlich für seine Expeditionskameraden und wollte sie persönlich abholen. Noch war es ungewiss, ob alle die beiden Winter 1915 und 1916 überlebt hatten. Am Ende stellte sich heraus, dass während der bis zu 90 Tage dauernden Schlittenreisen für die Depotlegungen alle Beteiligten wegen des Mangels an geeigneten Lebensmitteln Skorbut bekommen hatten und einer der Männer tragischerweise kurz vor der Rückkehr zu ihrer Station auf Cape Evans daran gestorben war. Zwei weitere Männer hatten leichtsinnigerweise bei einem aufkommenden Schneesturm das noch viel zu dünne Meereis auf dem McMurdo Sound zwischen Hut Point, wo sie schon fast zwei Monate festgehalten wurden, und Cape Evans überqueren wollen und waren seitdem verschollen. Trotz der Verluste wurde Shackleton bei der Rückkehr mit den überlebenden Kameraden der Rossmeergruppe in Wellington von der Öffentlichkeit als Held gefeiert.
Frank Hurleys Filmaufnahmen der äußerst dramatischen Expedition kamen nach dem Ersten Weltkrieg als Stummfilm »South. Sir Ernest Shackleton’s Glorious Epic of the Antarctic« mit der Musikbegleitung von Neil Brand in die Kinos. Shackletons Expeditionsbericht »South« erschien 1919. Schon Anfang 1917 hatte er in Neuseeland und Australien in bewährter Manier dem Ghostwriter Saunders sein Buch diktiert, sich dann aber nicht mehr weiter darum gekümmert. Dieser Umstand erklärt nicht nur den uneinheitlichen Schreibstil, die Wiederholungen im Text und die vielen ergänzenden Zitate aus den Tagebüchern anderer Expeditionsteilnehmer, sondern auch die manchmal unterbrochene Chronologie der Ereignisse. So kam es auch, dass trotz der befohlenen Beschränkung der persönlichen Dinge auf ein Gewicht von zwei Kilo die von Shackleton veranlasste Mitnahme des Banjos unerwähnt blieb, obwohl die Musik sehr zum Wohlbefinden der gestrandeten Gruppe beitrug. Leonard Hussey, Meteorologe der Weddellmeergruppe, kümmerte sich schließlich um die Herausgabe des Buches. Shackletons Expeditionsbericht »South« wurde 2013 für die Edition Erdmann von Axel Monte erstmals vollständig übersetzt und mit Anmerkungen versehen.