Читать книгу Elfenschimmer - Sissy Rau - Страница 5

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Am Montagmorgen, nachdem mich mein Wecker schrill aus dem Schlaf gerissen hatte, war ich viel zu hibbelig.

Und ich dachte schon, ich sei vielleicht doch krank geworden als mir Elisabeth – genauso aufgedreht wie ich - entgegen stürmte und vor Freude in die Hände klatschte.

„Was hast du denn?“, fragte ich und beobachtete wie Romeo unschlüssig hin und her flog.

„Ich weiß es nicht.“, flötete sie und ihre Augen glänzten. „Ich bin heute so aufgewacht. Und ich finde es toll.“ Es war schon fast ein Singsang.

Ich verdrehte die Augen und ging wippend in das gerade frei gewordene Badezimmer.

Ich sah nicht annähernd so müde aus, wie ich es erwartet hatte und meine Augen schienen den Gleichen Glanz in sich zu tragen wie die von Elisabeth. Konnte es sein, dass sich Dad’s Gene doch noch durch setzten und wir zu den Frühaufstehern mutierten?

Das Frühstück war seltsam. Während Elisabeth und ich fröhlich eine Tasse Tee nach der anderen tranken – was ein Fehler war – schliefen die anderen Personen beinahe über ihren Cornflakes, dem Müsli oder den Brötchen ein. Selbst Mum, die einem sonst schon in aller Herrgottsfrühe ein fröhliches „Guten Morgen“ entgegen trällerte, schaffte es heute nicht mal ihre Augenlider offen zu halten.

„Euer Vater bringt euch heute zur Schule.“, sagte sie gähnend, als es Zeit war aufzubrechen. Überrascht drehte ich mich zur Treppe, wo Dad pfeifend hinunter getanzt kam.

„Guten Morgen. Und freut ihr euch schon auf die Schule?“, fragte er rhetorisch.

Die Fahrt war ruhig. Bis auf Dad, Elisabeth und mir dösten meine anderen Geschwister immer wieder ein und schreckten an jeder Ampel alarmierend hoch. Nur als wir auf dem Schulparkplatz ankamen, schliefen sie weiter.

Es war merkwürdig einfach das gereizte Gemurmel unserer Geschwister zu ertragen, während wir Fünf über den Schulhof zum Foyer schlenderten.

Dort wartete bereits ungeduldig meine Freundin Fabienne, die misstrauisch die Augen zusammen kniff, als ich mein breites Lächeln nicht verstecken konnte.

„Was ist passiert?“, fragte sie, kaum dass ich sie erreicht hatte.

„Sie hatte ein Date.“, warf Elisabeth lachend ein und stürmte davon. Grimmig sah ich ihr nach, dann sah ich hochrot wieder zu meiner Freundin. Ihre Augen verrieten alles. Sie wollte wissen, was geschehen war und warum sich meine Einstellung zu einem Montagmorgen geändert hatte. Und vor allem, warum ich sie nicht direkt nach dem Date angerufen und jedes Detail vor ihr ausgebreitet hatte.

„Mit dem Antony? Ich glaub es ja nicht!“, sagte sie gedehnt, als ich ihr alles – außer dem kleinen Ohnmachtsanfall – erzählt hatte. Bei der Reaktion warf sie passend zu den aufgerissenen Augen die Arme hin und her. Ich lief natürlich rot an. Aber sie war ganz begeistert.

Wir waren mittlerweile am Englischraum angekommen. Ich war froh, dass nun eine Stunde ohne lästige Blicke – außer die meines Katers – und lästige Fragen bevor stand. Denn wie ich schon in der aller ersten Stunde feststellen musste, hasste Mrs Newton Unaufmerksamkeit.

Doch leider verging der Unterricht viel zu schnell – ich fing an, Mrs Newton zu mögen – und ich war wirklich erstaunt über die Zurückhaltung von Louis. Er hatte es geschafft, eine Stunde lang mich nicht völlig entgeistert oder misstrauisch zu beäugen. Außerdem war ich Stolz auf Fabienne; sie hatte es geschafft, in der ganzen Zeit kein einziges Wort zu mir zu sagen.

Schweigend und mit dem Gefühl, als müsse ich mich gleich übergeben, setzte ich mich neben meinen mürrischen Bruder für den Mathe-Unterricht.

Mittlerweile fragte ich mich ernsthaft, was er an Antony auszusetzen hatte und beschloss ihn in einer ruhigen Minute darauf anzusprechen. Aber vorerst konzentrierte ich mich auf den Unterricht.

Endlich kam die Pause. Ich stürmte fast schon in die Cafeteria, während Louis mit einem wütenden Blick neben mir her rannte. Er mochte es nicht, dass ich glücklich war – das musste es sein.

Als ich den noch fast leeren Raum betrat, saßen Antonys Bruder und Schwester in der hinteren Ecke – Louis fauchte, als ich sie entdeckte. Ich ließ meinen Blick weiter wandern und entdeckte ihn dann hinten links. Seine Augen funkelten wie eh und je und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie auch mal anders aussehen könnten.

Ich atmete tief durch, überhörte Louis’ Knurren und schlenderte schwungvoll auf den Wartenden zu.

„Hi.“, sagte er mit seiner viel zu schönen Stimme und ich schmolz dahin. Nur mit großer Anstrengung bekam ich einen Ton heraus. Verlegen und Rot – wie immer – setzte ich mich ihm gegenüber und betrachtete sein perfektes Gesicht. Wie konnte es jemandem erlaubt sein, so gut auszusehen? Das war doch nicht fair – den Models gegenüber.

„Keinen Hunger?“, fragte er samtweich und sah auf den leeren Tisch vor mir.

„Oh. Äh ... Nein. Ich … ich denke nicht.“, stotterte ich und kam mir dabei sehr dumm vor.

„Na gut, dann nicht. Und wie waren deine ersten Stunden?“ Er sah mich mit einem schalkhaften Blick an. Ich atmete tief durch und antwortete dann – zum Glück wieder mit einer normalen Stimme: „Anstrengend und langweilig wie immer.“

„Also nicht zu deiner Zufriedenheit?“

„Das sind sie doch nie. Und wie waren deine?“, fragte ich.

„Nicht der Rede wert.“, antwortete er und lächelte ein schiefes Lächeln.

Ich sah mich in dem mittlerweile gut gefüllten Raum um und bereute es sofort, denn Iason saß mit Luna an seiner Seite unweit von mir entfernt und beide starrten mich finster an, während meine kleinere Schwester anscheinend ohne verurteilende Blicke bei Dario sitzen durfte. Es verwunderte mich nur, dass Romeo nicht wie üblich auf ihrer Schulter saß, sondern vor ihr. Seinen Blick konnte ich nicht sehen, aber es schien, als würde er in Angriffsstellung vor ihr hocken.

„Das ist nicht fair.“, murmelte ich und drehte mich wieder zu Antony, der mich fragend ansah. Auch Louis – das sah ich im Augenwinkel – beobachtete mich verwundert, sah dann aber wieder kauernd zu Antony.

„Unfair? Willst du wieder bei deinen Geschwistern sitzen?“, fragte er und klang tatsächlich etwas enttäuscht.

„Nein, das meine ich nicht. Es ist nur ... mein Bruder mag es nicht, wenn ich bei dir sitze, aber Elisabeth darf bei Dario sitzen.“, meckerte ich. Ich war überrascht, dass sich mein Körper ganz normal benahm, während ich in seine schöne Augen sah. Und als mir das bewusst wurde, durchströmte mich all das Adrenalin, das zuvor seinen Einsatz verpasst hatte. Ich schnappte nach Luft und errötete, weil Antony sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.

„Kannst du dir einen Grund vorstellen, warum er mich nicht mag?“, fragte Antony mit einer plötzlichen Ernsthaftigkeit, dass ich sofort wieder erblasste. Ich schüttelte langsam den Kopf. Wie gern würde ich den Grund kennen, warum Iason und all unsere Seelentiere so gegen Antony waren. Aber leider konnten oder wollten sie nicht mit mir sprechen.

„Naja, ist ja auch nicht weiter schlimm. Meinst du, er wird seine Einstellung mir gegenüber irgendwann ändern?“ Seine glühend rot-braunen Augen durchbohrten mich, aber ich blieb standhaft und antwortete mit einer einigermaßen kräftigen Stimme: „Ich weiß nicht. Ganz ehrlich. Er ist in letzter Zeit … schwieriger als sonst. Ich weiß nicht, ob du wirklich der Grund dafür bist. Es kann auch sein, dass ich etwas falsch gemacht habe und er es mir nur nicht sagen will.“, dazu zuckte ich mit den Schulter. Und mein Gegenüber tat es mir gleich, bevor er ein perfektes Lächeln aufsetzte.

„Was ist los?“, fragte ich irritiert.

„Ich denke, wir sollten zum Unterricht gehen.“, antwortete er und erhob sich elegant. Verwundert blickte ich durch den Raum und sah, dass wir die Letzten waren. Das würde Ärger geben.

„Mit dir vergesse ich irgendwie immer die Zeit.“, murmelte ich, als wir durch die ausgestorbenen Flure schritten und wurde sofort wieder rot. Wieso hatte ich das bloß gesagt?

„Ist das schlimm?“, fragte er, als wir um die Ecke bogen und vor der richtigen Tür innehielten. Ich schüttelte den Kopf und schritt dann durch die Tür, die er mir aufhielt.

Im Zimmer herrschte das reinste Chaos; unsere Lehrerin war noch nicht da. Doch als meine Mitschüler erkannten, wer eingetreten war, wurden sie still. Niemand traute sich etwas zu sagen, sie starrten uns nur ungläubig an.

Hochrot und mit meinem Kater an der Seite schlurfte ich zu der staunenden Fabienne und setzte mich neben sie.

„Warum gucken die denn so?“, fragte ich sie flüsternd und packte meine Deutsch-Sachen auf den Tisch.

„Du bist mit Antony in dieses Zimmer gekommen! Was hast du denn gedacht?“, fragte sie und es klang etwas neidisch, obwohl sie doch davon gewusst hatte.

„Ja, aber in der Cafeteria hat uns niemand so angestarrt.“, murmelte ich, während alle anderen unsere Lehrerin begrüßten, die mittlerweile auch zum Unterricht erschienen war.

Einen Moment war es ganz still, dann drehte sich Frau Glorus zur Tafel. Schnell kramte Fabienne einen Zettel aus ihrem Block und einen Stift aus ihrer Schultasche, dann schrieb sie: In der Cafeteria haben dich wohl alle angestarrt, du hast es nur nicht bemerkt. Das Getuschel war kaum zu überhören, aber du hattest ja nur Augen für ihn.

Sie schob mir den Zettel zu, damit ich antworten konnte. Ich sah kurz auf, um mich zu vergewissern, dass es auch niemand sah. Dabei traf ich den Blick von Antony und natürlich wurde ich wieder rot. Schnell nahm ich Fabienne den Stift aus der Hand und schrieb: Ich habe nicht nur Augen für ihn! Es ist eher so, dass alles um mich herum verschwimmt, wie in einem Traum, bis ich plötzlich wieder aufwache und in der Realität bin.

Augenblicklich zog sie mir das Papier unter dem Stift weg und antwortete: Für mich klingt das ganz so, als wärest du verliebt.

Sofort entriss ich ihr den Zettel und schrieb schnell: So ein Quatsch. Ich verstehe mich nur gut mit ihm.

Ach und deshalb hattet ihr ein Date?! , antwortete sie und lächelte. Und mein missbilligender Blick ließ dieses Lächeln noch breiter werden.

Das war kein Date. Es war ein Treffen unter Freunden.

Natürlich. , schrieb sie voller Ironie zurück, packte dann aber den Zettel weg, weil Frau Glorus wollte, dass wir eine Aufgabe erledigten.

Die restliche Stunde verging schnell und nachdem es geklingelt hatte, gaben wir unsere bearbeiteten Aufgaben ab und schlenderten hinaus.

„Amalie?“, hörte ich Antonys Stimme hinter mir. Abrupt blieb ich neben Louis stehen, der missbilligend fauchte.

„Wir sehen uns dann morgen, ja?“, rief mir Fabienne noch über die Schulter zu und ging mit der Menge die Treppe hinab.

Kaum dass sie verschwunden war, tauchte Antony neben mir auf, verharrte aber mit einigem Abstand. Zum Glück, denn Louis hatte sich kampfbereit vor mich gestellt und wäre sicher getreten worden.

„Ich dachte mir, dass wir doch zusammen zum Französisch-Unterricht gehen könnten.“, sagte mein neuer Begleiter mit seiner perfekten Stimme und brachte mich so sehr aus dem Konzept, dass ich nur nicken konnte. Dann folgten auch wir den anderen Schülern durch die Flure und traten in den Fachraum.

„Welche Fächer hast du denn nach der Mittagspause?“, fragte er, als Herr Boleo seinen Monolog begann.

„Kunst und Politik. Und du?“, fragte ich immer darauf bedacht, dass der Lehrer uns nicht erwischte. Und darauf konzentriert, Louis zu ignorieren, der schon wieder ungeduldig fauchte.

„Ich habe Englisch. Doppelstunde. Wollen wir dann in der Pause wieder zusammen sitzen?“, er rückte ein Stück näher, was nicht nur mich verunsicherte, sondern auch Louis fast zum Ausrasten brachte.

Schnell schubste ich meinen Kater an, wodurch ich mir einen finsteren Blick von ihm einfing und nickte. Dann versuchte ich mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Vergeblich. Neben Antony konnte man sich einfach nicht konzentrieren, ständig lenkte mich sein Aussehen oder sein Benehmen ab. Und dazu kam noch seine außerordentlich saubere Handschrift, die mich vor Neid erröten ließ. Seine Perfektion war wirklich kaum noch auszuhalten.

Nach dem Unterricht schlenderten wir hinter den anderen zur Cafeteria und schwiegen. Ich suchte wild in meinem Kopf nach einem geeigneten Gesprächsthema, fand jedoch nichts und dann waren wir da. Ich wandte mich schon den Tischen zu, als mich plötzlich seine eisige Hand zurückzog. Im Augenwinkel sah ich nur noch, wie Louis zum Sprung ansetzte und ihn verfehlte.

„Du solltest etwas essen.“, meinte mein Begleiter und ließ mich wieder los. Verwundert starrte ich ihn an. Gekonnt ignorierte er meinen Blick und schaufelte ungewöhnlich viel von dem Kartoffelbrei und vom Spinat auf meinen Teller, dann brachte er es zu unserem Tisch und stellte es vor mir ab.

„Und was ist mit dir?“, fragte ich verwundert und schob den Teller in die Mitte.

„Ich esse nichts. Ich habe keinen Hunger.“, nuschelte er und blickte zu seinen Geschwister, die ein paar Tische von uns entfernt saßen. Vor jedem von ihnen stand ein Teller, doch rührten sie nichts an. Ungewöhnlich fröhlich saß seine Schwester ihrem Bruder gegenüber und starrte ins Nichts.

„Dein Bruder scheint nicht besonders glücklich zu sein.“, murmelte ich, als mich plötzlich der grimmige Blick von dem sonst sehr hübschen jungen Mann traf.

„Ach, er hat nur eine Wette verloren.“, lachte Antony und schob meinen Teller wieder zu mir.

„Aber dein Bruder ist auch nicht viel besser gelaunt.“, fügte er hinzu und beugte sich dabei leicht vor. Mit großen Augen und vollem Mund drehte ich mich um und begegnete den verschiedenen Blicken meiner Geschwister. Mein Bruder Edward sah desinteressiert aus, während Valerie vor Begeisterung strahlte. Iason guckte wie auch schon in der letzten Pause. Und Elisabeth war nicht da. Ich drehte mich noch ein Stück weiter und erblickte sie dann an Darios Seite. Sie sah sehr glücklich aus zwischen den viel zu großen Jungs und dem kleinen, zierlichen Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und den satten grünen Augen. Sie erinnerte mich stark an das Kinderbild meiner Mutter, das im Schlafzimmer meiner Eltern hing.

„Siehst du das? Sie beobachten mich.“, maulte ich und drehte mich wieder zurück. Ich ließ die Gabel in den Brei plumpsen und schob den Teller zur Seite.

„Hast du keinen Hunger mehr?“, fragte mein Gegenüber ungläubig und starrte zum Essen.

„Mir ist der Appetit vergangen.“, murrte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mach dir nichts draus. Meine Geschwister sehen es auch nicht gerne, wenn wir hier alleine sitzen.“, sagte er betont nebensächlich.

„Wieso das?“, fragte ich laut, ließ meine Arme sinken und hoffte, dass sie nichts gegen mich persönlich hatten.

„Ach, es ist nur ungewohnt für sie. Normalerweise hält unsere Familie sehr stark zusammen und sie verstehen nicht, warum ich so viel Zeit mit dir verbringen möchte.“, antwortete er schulterzuckend.

„Das verstehe ich auch nicht.“, begann ich und als ich Antonys fragenden Blick traf, ergänzte ich: „Naja, es ist doch offensichtlich. Du bist ganz unerreichbar, egal für wen. Und ich bin ganz unscheinbar und übersehbar für alle.“

„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört.“, lachte er.

„Wieso Unsinn? Sieh dich doch an. Du siehst aus, als kämest du direkt aus einer Modezeitschrift.“, dabei deutete ich unnötigerweise auf ihn.

Sein Blick wurde ernst, doch er überging meinen Einwand und konzentrierte sich auf etwas hinter mir.

„Meinst du deine Schwester wird noch lange mit diesen … Leuten zusammen sein?“, fragte er und seine Augenbrauen zogen sich zu einer Linie zusammen. Ich drehte mich um und sah Elisabeth mit den vier Jungs und dem zierlichen Mädchen lachen.

„Scheint ganz so. Ist das schlimm?“, fragte ich und drehte mich wieder zurück.

„Ich weiß nicht. Irgendetwas an denen ist falsch.“, antwortete er und sah kurz zu seinen Geschwistern, doch noch bevor ich seinem Blick folgen konnte, betrachtete er mich wieder.

„Weißt du eigentlich, dass du dich nicht besonders gut einschätzen kannst? Ich finde nämlich, dass du wunderschön bist.“, murmelte er und lächelte sanft, um wieder auf das vorherige Thema zu sprechen zu kommen.

Fast schon hysterisch begann ich zu kichern und fühlte die Röte in mein Gesicht steigen.

„Das sagst du doch nur so.“, meinte ich und lenkte mich mit einem Blick durch den sich leerenden Raum ab. „Hat es schon geklingelt?“, fragte ich irritiert und sah nun wieder mit meiner normalen Hautfarbe zu Antony.

„Ich glaube schon. Wir sollten gehen.“, sagte er enttäuscht.

„Na dann werde ich mich hier von dir verabschieden. Morgen wieder in der Pause?“, wir waren im dritten Stockwerk stehen geblieben. Ich nickte, dann wandte ich mich der nächsten Treppe zu.

Die letzten beiden Stunden waren schrecklich langweilig, vor allem weil ich sie allein absitzen musste.

Aber dann hatte ich es endlich überstanden und rannte fast schon zum wartenden Auto meiner Mutter. Ich war die Erste, was meine Mutter etwas überraschte: „Hallo Schatz. Wie war der Tag?“

„Ganz gut.“, antwortete ich und setzte auf meinen Stammplatz. Louis setzte sich neben mich, sah jedoch beleidigt aus. Und dann sah ich meine Geschwister kommen. Elisabeth und Valerie redeten noch mit mir. Doch die anderen und auch die Seelentiere beachteten mich nicht.

„Was ist denn los?“, fragte ich meine Schwester und brachte überrascht Abstand zwischen uns als Romeo seinen Kopf wegdrehte.

„Ich weiß es nicht. Also Iason und Edward beachten mich auch nicht, nur Valerie redet noch mit mir, obwohl auch Fairy mich ignoriert.“, antwortete sie.

„Was ist eigentlich mit den Tieren los?“, fragte ich und wollte gerade erklären, wie sich Louis in Antonys Gegenwart verhielt, als Mum uns unterbrach: „Riecht ihr das auch? Das ist ja seltsam.“

Verwundert sahen wir zu ihr. Warum fragte sie das ständig? Mein Blick traf ihren im Rückspiegel und plötzlich wurde sie ernst.

„Mum? Alles in Ordnung?“, fragte ich.

„Ja, kein Problem.“, sagte sie, doch ihre Augen sagten etwas anderes. Sie hatte etwas herausgefunden, von dem wir Kinder nichts erfahren sollten.

Als wir Zuhause ankamen, stürmte Ma auf den Dachboden und schloss sich ein, während wir Kinder uns in unseren Zimmern verbarrikadierten.

Ich versuchte mich an meinen Hausaufgaben, eigentlich nur um mich abzulenken und es half tatsächlich etwas, wenigstens die erste Stunde, dann legte ich mich zu Louis auf mein Bett und versuchte mit ihm zu reden.

„Was ist denn so falsch an Antony, dass du ihn ständig angreifen willst?“, fragte ich, doch wurde aus seinen Augen nicht schlau. Dann klopfte es plötzlich. Ich richtete mich auf und rief „Herein“.

Zu meiner Überraschung steckte mein Zwilling seinen Kopf durch den Spalt.

„Kann ich kurz mit dir reden?“, fragte er und kam zusammen mit Luna herein getrottet, als ich nickte.

„Also, ich wollte mit dir über … deinen Freund reden.“, begann er, doch ich unterbrach ihn sofort: „Von wem bitte redest du?“

„Na dieser Anton.“

„Antony.“

„Ja, sag ich doch. Also, er hat irgendetwas an sich, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass er nicht gut für dich ist. Und das ist nicht nur meine Meinung. Auch Edward sieht das so, ganz zu schweigen von unseren Seelentieren.“

„Und was stört dich an ihm? Du kennst ihn ja nicht mal richtig.“, motzte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich weiß es nicht. Es ist einfach so ein Gefühl.“, antwortete er und beobachtete, wie Louis vom Bett sprang und sich neben Luna setzte. Ich riss mich zusammen, um ihm nicht die Zunge herauszustrecken und sah meinen Bruder wieder an.

„Spürst du gar nichts in seiner Gegenwart?“, fragte er verwundert und setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl.

„Selbstverständlich spüre ich etwas in seiner Gegenwart. – Verwirrung. Es ist kaum auszuhalten.“, antwortete ich wahrheitsgemäß und wurde ganz zappelig. Es war seltsam mit meinem Bruder über meine Gefühle für Antony zu reden.

„Verwirrung? Das ist seltsam. Denn auf mich wirkt er irgendwie … bedrohlich. Er ist nicht gut für dich. Für niemanden.“

„Iason, ich glaube, ich kann noch selbst entscheiden, ob er gut ist oder nicht.“

„Ich rieche dasselbe wie Mum.“, platzte er plötzlich heraus und überrumpelte mich damit.

„Bitte?“

„Sie fragt doch immer, ob wir etwas riechen und ich tu nur so, als verstünde ich sie nicht. Dieser Geruch ist so penetrant. Als wärest du in einen Topf mit Zucker gefallen. Und Elisabeth stinkt neuerdings immer nach nassem Hund. Das ist alles so seltsam.“ Sein Gesicht war gequält und in seinen Augen meinte ich Hoffnungslosigkeit zu erblicken.

„Und was sagt dir dieser Geruch?“, fragte ich leise.

„Ich weiß es nicht. Und das bringt mich um den Verstand. Ich grüble immer und immer wieder darüber nach, doch ich finde einfach nichts, woran es mich erinnern könnte. Aber ich wollte erst mit dir darüber reden, bevor ich zu Mum gehe.“

„Du willst zu Mum?“

„Ja, bevor sie glaubt, wahnsinnig zu werden.“, antwortete er, stand auf und ging zur Tür.

„Aber, aber …“, stotterte ich, fand aber keinen Grund, der ihn aufhalten konnte. Und dann war es zu spät; die Tür war hinter Luna ins Schloss gefallen, während Louis noch immer neben dem Schreibtisch thronte.

„Sieh‘ mich nicht so an.“, fauchte ich und legte mich wieder hin, um ihn nicht zu sehen. Doch er durchkreuzte meinen Plan und legte sich direkt vor mein Gesicht.

„Was soll das, Louis?“, fragte ich und schob ihn weg. Wütend maute er, legte sich dann jedoch auf den Boden.

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, hockte Elisabeth vor mir auf dem Boden und hatte eine Hand auf meine Schulter gelegt.

„Was ist los?“, fragte ich mit rauer Stimme und sah mich um.

„Wir wollen zu Abend essen.“, antwortete sie und erhob sich. Ich richtete mich auf und sah Louis an der Tür warten.

„Wo ist Romeo?“, fragte ich, als ich hinter Elisabeth die Treppe hinunter schritt.

„In der Küche. Er mag nicht mehr in deiner Nähe sein, er faucht immer ganz merkwürdig, wenn ich deinen, Antonys oder Darios Namen nenne.“, antwortete sie und sah mich entschuldigend an.

Ich wollte sie noch fragen, warum er das machte, doch wir waren bereits auf den Weg zum Esszimmer und ich wollte nicht riskieren, dass meine Mutter dieses Thema beim Abendessen ansprach.

Das Essen verlief unangenehm ruhig. Mein Vater versuchte zwar am Anfang noch die Stimmung etwas anzuheben, doch als er bemerkte, dass ihm das nicht gelingen würde, verstummte auch er. Mum und Iason warfen sich überraschend viele Blicke zu, während wir anderen meist den Kopf gesengt hielten.

Nach dem Essen verschwanden meine jüngeren Geschwister, während Iason und ich noch mit Dad beim Aufräumen halfen. Dad und ich wollten wahrscheinlich nur herausfinden, warum es heute so anstrengend gewesen war, ein Gespräch zu führen. Mum und Iason hingegen, wollten sich ungestört unterhalten. Nachdem der Tisch abgeräumt und das Geschirr abgewaschen war, hielt Dad und mich nichts mehr in der Küche und so schlenderten wir in das Wohnzimmer und setzten uns auf die Couch.

„Weißt du, was mit denen los ist?“, flüsterte Dad, als mein Zwilling und Mum auch nach zehn Minuten nicht die Küche verließen.

„Nein, keine Ahnung.“, murmelte ich und kraulte Louis hinter dem rechten Ohr, was gegen seine Verstimmung half.

Noch über eine halbe Stunde hielten sich die beiden in der Küche auf, dann schleppte sich mein Bruder zusammen mit Luna die Treppe hoch. Schnell sprang ich auf und folgte ihm.

„Worüber habt ihr geredet?“, fragte ich, kaum dass ich ihn eingeholt hatte.

„Das geht dich nichts an.“, antwortete er launisch und Luna fauchte mich über ihre Schulter hinweg an.

„Hey!“, beschwerte ich mich und hielt ihn am Arm fest, weswegen sich Luna angriffslustig auf den Boden kauerte. Louis tat es ihr gleich, um mich im Notfall zu beschützen.

„Ich will doch nur wissen, was mit dir los ist.“

„Ich habe dir bereits gesagt, welche Gründe ich habe.“, antwortete er jetzt ruhiger und entzog mir seinen Arm.

„Aber ich verstehe sie nicht.“, meinte ich und wollte wieder nach ihm greifen, als Luna absprang und mich zu Boden riss. Sofort stürzte sich Louis auf die viel größere Luchsdame und die beiden verwickelten sich in einen unausgeglichenen Kampf.

„Louis! Hör auf!“, schrie ich, immer noch am Boden liegend. Doch mein Kater hörte nicht auf mich, also rief ich zu meinem Bruder, er solle gefälligst sein Seelentier zur Ordnung rufen, doch er beachtete mich gar nicht, drehte sich nur um und verschwand in seinem Zimmer. Sofort stürmte ich zu den ungleichen Katzen und versuchte sie – erfolglos – auseinander zu bekommen.

„Was ist denn hier los?“, hörte ich erst Valerie, dann Elisabeth rufen. Irgendwo erklangen auch der Schrei von Romeo und das Bellen von Angel, doch ich konnte nicht ausmachen von wo. Ich versuchte nur, meinen kleinen Kater vor den riesigen Pranken des Luchses zu schützen.

Dann kamen weitere Paar Hände dazu und gemeinsam schafften wir es, die Kämpfenden zu trennen. Kaum hatte ich Louis schützend auf meinem Arm, tauchten Mum und Dad hinter uns auf. Dad sah irritiert aus, Mum verärgert.

„Was ist hier los?“, fragte sie streng und sah uns der Reihe nach an. Als sie Luna in Elisabeths und Valeries festem griff sah, blickte sie sich nach meinem Zwilling um. „Wo ist Juno?“

Ich nickte zu seiner Zimmertür und sie stürmte los. Sie klopfte nicht mal an, dann zog sie ihn an seinem Ohr auf den Flur.

„Was soll der Unsinn?“, fragte sie ihn nun und deutete auf Luna.

„Frag doch Amalie!“, murrte er. Ich sah kurz zu Dad, der immer noch nichts verstand und dann zu Mum, sie wartete.

„Ich wollte mit Iason reden, er aber nicht mit mir und da hat mich Luna angegriffen. Louis wollte mich nur beschützen.“, erklärte ich ruhig und untersuchte meinen Kater nach Verletzungen.

Mum sah kurz zu Iason, der seinen Blick gesenkt hatte.

„Noch nie gab es solche Kämpfe unter Seelentieren. Nicht mal Hunde würden Katzen oder Katzen Vögel jagen. Und ihr schafft es, dass eine Katze und ein Luchs gegeneinander kämpfen. Unfassbar. Das wird Konsequenzen haben.“, meinte Mum, dann schickte sie unsere Schwestern zurück in ihre Zimmer und stellte Iason und mich in verschiedene Ecken, um sich mit Dad zu beratschlagen, der anscheinend keine ganz so große Sache daraus machte.

Ruhig gestikulierte er, während Mum aufgebracht immer mal wieder lauter wurde, bevor sie sich wieder zusammen riss und leise weiter sprach. Doch Bella zeigte ganz offen, wie aufgebracht Mum war. Sie hüpfte von einer Schulter zur anderen, ließ meinen Bruder und mich dabei nicht aus den Augen. Und ich ließ Luna nicht aus den Augen. Zwar saß sie nun weit von mir entfernt neben den Füßen meines Zwillings, doch ihre Augen waren immer noch wild.

Louis kuschelte sich Trost suchend in meine Arme.

„Also gut. Wir haben uns entschieden.“, sagte Mum nach einer halben Ewigkeit und stellte sich neben unseren Vater so vor uns, dass wir beide die Wut in ihrem Blick erkennen konnten. Ich schluckte schwer, dann lauschte ich und hoffte, sie würde nicht zu laut schreien.

Elfenschimmer

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