Читать книгу Elfenschimmer - Sissy Rau - Страница 7
ОглавлениеEs war ein Uhr morgens, als ich meine Augen öffnete und die leuchtenden Augen vor mir sah. Zuerst dachte ich, es wären die von Louis und schrak nicht zurück, doch dann erkannte ich das blasse Gesicht um diese Augen und rückte an die Wand hinter mir. Mein Atem blieb aus, Adrenalin wurde durch meine Adern gepumpt und mein Herz raste im doppelten Tempo weiter.
„Hab ich dich geweckt?“, hörte ich Antonys musikalische Stimme. Verkniff er sich ein Lachen? Ich konnte es nicht sagen. Also schüttelte ich den Kopf und setzte mich auf. Dann sah ich mich nach meinem Kater um.
„Was ist los?“, fragte er und folgte meinem forschenden Blick.
„Nichts.“, sagte ich mit gebrochener Stimme und räusperte mich. Langsam erhob er sich und setzte sich neben mich auf das Bett – anders als bei mir knarrte es nicht – darauf bedacht, dass zwischen uns die Bettdecke lag.
„Weißt du, Amalie, ich habe darüber nachgedacht und wollte es dir sagen. Aber jetzt, wo wir hier nebeneinander sitzen, kann ich es nicht. Du würdest flüchten wollen, aber das würde nicht funktionieren. Und deswegen werde ich es deinem … Instinkt, oder besser deiner natürlichen Wissbegier überlassen. Ich bin mir sicher, du findest es heraus.“, sagte Antony, blickte mir tief und bedeutungsvoll in die Augen, dann erhob er sich wieder.
„Aber ich weiß doch noch nicht mal, wo ich anfangen soll.“, sagte ich und folgte ihm.
„Es gibt Legenden. Such danach.“, sagte er und war verschwunden. Gerade hatte ich ihm noch in die Augen gesehen und im nächsten Moment war er weg. Hatte sich in Luft aufgelöst. Kopfschüttelnd sah ich erst aus dem Fenster, erkannte aber nichts. Also legte ich mich zurück in Bett und schlief neben Louis ein, nachdem ich noch einige Male verwundert den Kopf geschüttelt hatte.
Als ich am Morgen erwachte, glaubte ich, das Erlebte der letzten Nacht hätte ich nur geträumt.
Immer noch in Gedanken, schüttelte ich den Kopf und suchte mir frische Sachen aus dem Kleiderschrank. Dann leistete ich mit Louis meiner kleinen Schwester Elisabeth und Romeo im Badezimmer Gesellschaft.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte sie und sah mich wissend im Spiegel an.
„Ja, warum?“, fragte ich misstrauisch. Könnte sie etwas bemerkt haben?
„Du redest im Schlaf. Und ich will mich ja nicht beschweren – du kannst es schließlich nicht ändern – aber ich bin schon des Öfteren wegen dir aufgewacht.“, sagte sie und klang als wüsste sie über Antonys nächtlichen Besuch Bescheid. Ich zuckte mit den Schultern und als wir fertig waren, gingen wir schweigend ins Esszimmer, wo die restliche Familie bereits frühstückte.
In der Schule wartete Fabienne wie üblich auf mich und zusammen mit Louis gingen wir zum Deutschunterricht. Wir waren beide schrecklich müde, wahrscheinlich lag es auch daran, dass wir kaum miteinander redeten.
Wir setzten uns auf unsere Plätze und versuchten dem langweiligen Unterricht zu folgen. Fabienne und ich waren jedoch ziemlich abgelenkt; sie, weil sie in dieser Nach nicht viel geschlafen hatte – das vermutete ich – und ich, weil Antony nicht in der Schule war. Nervosität machte sich bei mir breit, aber ich redete mir ein, dass er noch auftauchen würde, so wie er es gestern getan hatte. So wie er es vermutlich immer tun würde.
Dabei fiel mir wieder unser Gespräch der letzten Nacht ein. Hatte er mir nicht einen Tipp gegeben? Konnte ich wirklich sein … nein das Geheimnis erraten? Was war es noch? Legenden?
Davon gab es jede Menge. Und jede Kultur hatte ihre eigenen. Wie sollte ich da die richtige, die eine finden, die mir sein Geheimnis erklärte?
„Amalie, wenn du nicht sofort mitkommst, dann gehe ich und lasse dich allein in diesem Raum sitzen.“, riss mich Fabiennes Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah mich um und erkannte, dass ich die Letzte war und dass meine Freundin, sowie mein Kater sehr ungeduldig an der Tür auf mich warteten.
Ich nahm meine Tasche – ich musste sie wie in Trance gepackt haben – und folgte den beiden zur Cafeteria. Was sie da wollte, wusste ich auch nicht so genau.
„Fabienne, ich will nicht zu spät zum Unterricht kommen.“, maulte ich und wunderte mich über die vielen Schüler, die uns begegneten.
„Bis dahin haben wir noch Zeit. Du hast anscheinend gar nichts mitbekommen, oder?! Es ist Pause. Komm, wir setzen uns zu deinen Geschwistern.“, erklärte sie und betrat den Raum. Wie selbstverständlich ging sie auf den vollbesetzten Tisch mit den vier spielenden Seelentieren zu. Doch ich hielt kurz inne. Sie war der einzige Mensch, dem es anscheinend nichts ausmachte, in unserer Nähe zu sein. Andere Menschen hielten sich von uns fern. Es machte ihnen Angst, dass wir so anders aussahen und uns anders verhielten. Ich seufzte, dann folgte ich ihr.
Ich hatte wirklich nicht bemerkt, dass auch die zweite Stunde schon vorbei war. Ich war so in Gedanken gewesen, dass ich nicht mal registrierte, dass wir den Raum gewechselt hatten.
Als wir auf den Tisch zugingen, an dem schon all meine Geschwister und ihre Seelentiere Platz genommen hatten, ließ ich meinen Blick durch das Zimmer wandern. Eine Spur von Hoffnung machte sich in mir breit. Doch ich wurde enttäuscht; Antony war nicht gekommen. Statt seine perfekte Gestalt an dem altbekannten Platz zu sehen, erleuchtete nur die einfallende Sonne den Tisch. Ich blickte zum Nachbartisch, an dem normalerweise Roxanne und Yann saßen, doch auch dieser war leer.
Mit einem halb unterdrückten Seufzer setzte ich mich neben Fabienne und gegenüber von Valerie, die gedankenverloren immer wieder ihre Haare über ihre Ohren kämmte. Dann blickte ich zu Elisabeth, die wunderlicher Weise zwischen Valerie und meinem Zwilling saß. Betrübt kritzelte sie auf dem Papier herum, das vor ihr lag. Neugierig sah ich zum anderen Ende des Raumes, wo normalerweise Dario mit seinen Geschwistern saß, doch auch niemand von ihnen war anwesend.
„Ein warmer Tag und die halbe Schule fehlt!“, meinte ich, bekam aber keine Reaktion.
Es war ein langer und sonnenreicher Tag gewesen, dennoch war die Stimmung meiner gesamten Familie betrübt.
Ich saß einsam in meinem Zimmer am Fenster und starrte bis spät in die Nacht auf unseren Vorgarten. Das Abendessen ließ ich ausfallen.
Als mich endlich die Müdigkeit überfiel, legte mich in mein Bett. Das Fenster ließ ich geöffnet, in der Hoffnung, Antony würde mich auch diese Nacht besuchen. Louis saß immer in meiner Nähe und beobachtete mich oder schlief.
Ich fand meine Hoffnung albern. Aber ich konnte sie auch nicht von mir schieben.
Er kam nicht. Und ich schlief nicht.
Auch in den folgenden Nächten wartete ich stundenlang auf ihn, genauso wie am Tag. Doch er kam nicht. Es war fast wie am Anfang, als er auch einfach verschwand und nach einer Woche wieder auftauchte. Doch diesmal war es anders. Die Zeit verging und bald war ich das Warten leid. Ich beobachtete, wie Roxanne und Yann jeden Mittag schweigend vor ihrem Essen saßen und ärgerte mich über meine ungewollte Enttäuschung über Antony. Einerseits war ich enttäuscht und gleichzeitig war ich stinkwütend, dass er mich verließ – zum zweiten Mal in der kurzen Zeit. Ich war mir sicher, dass es mit mir zu tun haben musste, dass er nicht kam.
Jeden Tag aufs Neue wurden meine Hoffnungen mit Füßen getreten und jedes Mal kämpfte ich gegen meine Tränen an. Jeden einzelnen Tag verfluchte ich – meistens schon nach dem Aufstehen und den endlosen und schlaflosen Nächten.
Louis machte die Situation nicht besser. Er versuchte mich aufzuheitern, doch als es ihm nicht gelang, wurde er sehr niedergeschlagen. Er wurde immer ruhiger. Genau wie ich und bald konnte ich nicht mal mehr mit ihm reden. Wie ich verlor auch er seine Stimme, und obwohl wir beide immer niedergeschlagen waren, spürte ich, dass es uns trennte. Wir waren nicht mehr eins. Waren nur noch Katze und Mensch. Die zusammen gehören wollten, aber es nicht konnten.
Jeden Morgen waren meine Augenringe dunkler, meine Augen ohne Glanz. Das Lächeln war ganz verschwunden und ich fühlte meinen Körper nicht mehr.
Wenn ich mich unbeobachtet fühlte, schlang ich meine Arme um meinen Körper, so als könne ich ihn dadurch zusammen halten. Als würde so das schwarze Loch in mir nicht größer werden.
Im Prinzip gab es mich nicht mehr.
Bald schon verloren sich Zeit und Raum ineinander und ich zog mich immer mehr zurück. Ich sprach sehr selten mit jemandem und bald verlor Fabienne das Interesse daran, mich in ein Gespräch zu verwickeln, dennoch blieb sie bei mir. Elisabeth hatte mittlerweile ganz der Gesellschaft unserer Familie entsagt und vertrieb sich ihre Zeit mit Dario. Selbst an den immer kürzer werdenden Tagen ging sie spazieren, wie sie meinen Eltern sagte.
Sie musste Dario nicht mal meinen Eltern vorstellen, weil diese glaubten mich sonst zu verletzen. Valerie hatte ihnen erklärt, dass Antony verschwunden war, diesmal scheinbar endgültig.
Ich hatte nicht mit ihnen darüber geredet. Eigentlich hatte ich mit niemandem darüber geredet und ich glaubte, Mum hatte zu viel Angst mich mit Fragen zu verletzen. Schließlich erinnerten wir beide uns gut daran, was das letzte Mal passiert war. Und da war Antony nicht mal einen Tag weg gewesen.
Valerie hatte sich nun vollends an ihr neues Äußeres gewöhnt und fand es auch gar nicht mehr so schlecht. Außerdem vertrieb sie sich die Zeit mit Mum, indem die beiden in Garten- oder Kochbüchern schnupperten. Ich sah sie oft zusammen im Garten und wunderte mich darüber. Es war als hätte Mum ihre eigene Natur wieder entdeckt und Valerie ihr unser Leben neu geschenkt. Ich seufzte jedes Mal.
Auch Iason und ich hatten es irgendwie geschafft, uns zu vertragen und er war sogar der erste gewesen, mit dem ich sprach.
Und dennoch, gern hätte ich dieses tiefe Loch, in dem ich mich befand, hinter mir gelassen, wäre so strahlend wie Elisabeth herumgelaufen, oder hätte mich so gut mit Mum verstanden wie Valerie. Manchmal glaubte ich, dass nur Edward mich wirklich verstehen konnte.
Mit Iason war es merkwürdig einfach zu reden. Er zeigte zwar kein Mitgefühl, aber er half mir, nicht ständig daran zu denken, wie ich innerlich zerfiel. Er konnte mich ablenken. Er schaffte es sogar, dass ich lächelte. Seine Art war einfach so herzlich, so verständnisvoll. Ich glaubte, er verstand mich, obwohl er immer wieder betonte, dass er es nicht konnte.
Iason war die Sonne in meinem tiefen schwarzen Loch. Er erhellte, wozu niemand anderes in der Lage war.
Nach einem Monat verbot ich es mir, seinen Namen auch nur zu denken. Ich versuchte seine Perfektion zu vergessen, was nicht so leicht war. Nicht nur, weil ich ständig seine Geschwister sah. Einmal wollte ich sie fragen, was mit Antony los war, aber an dem Tag waren sie nicht zur Schule gekommen und ich bildete mir ein, dass sie meinen Plan mitbekommen hatten.
Die Schule war das zweitschlimmste in dieser Zeit. Es war jedes Mal eine Qual für mich im Unterricht seine Abwesenheit zu spüren, oder zu wissen, dass die Lehrer immer heimlich andere Schüler fragten, warum er nicht zur Schule kam. Am Anfang hatten sie einfach laut gefragt, aber als sie merkten, dass ich bei seinem Namen immer zusammen zuckte und mich verkrampfte, fragten sie nicht mehr.
Am merkwürdigsten benahm sich Louis. Er wich nicht von meiner Seite, ließ aber den Kopf hängen, maute oder fauchte nicht. Er schnurrte nicht einmal.
Die Nächte waren das Schlimmste. Ich wachte immer wieder schweißgebadet auf. Ich hatte nichts wirklich geträumt. Es war vielmehr als wäre ich in der Schwärze des Nichts gefangen. Und das jede Nacht, mehrere Male, wenn ich denn überhaupt schlief. Irgendwann kam Elisabeth auf mich zu und fragte, was ich nachts denn träumte. Ich verstand nicht worauf sie hinaus wollte. Und dann erzählte sie mir, dass die gesamte Familie nachts nicht schlafen konnte, weil ich immer wieder schrie. So laut wie ich nur konnte. Ich entschuldigte mich bei ihr und hoffte, dass ich von nun an nicht mehr schreien würde, wenn ich darauf achtete. Das Ergebnis war aber, dass ich noch weniger schlief und wenn ich doch einschlief, erwachte ich von meinem eigenen Geschrei. Am Anfang waren Mum und Elisabeth im Wechsel zu mir ins Zimmer gekommen, um mich zu beruhigen, doch sie gaben es bald auf.
Irgendwann schien es auf seltsamer Art und Weise normal für alle anderen zu sein. Sie gewöhnten sich an mein Verhalten. Und dann schien auch ich mich irgendwie daran zu gewöhnen – an die Schmerzen, an das Geschrei, an das Gefühl vollkommener Leere.
Und gerade als ich mich an seine Abwesenheit annähernd gewöhnt hatte, und es nicht mehr ganz so wehtat, wenn ich sein Gesicht in meinen Gedanken sah. Ich glaube, es war Januar, eine Woche nach Schulbeginn und ich sprach seit einigen Tagen wieder mit anderen als Louis und Iason.
Ich kam gerade von einer Geburtstagsparty, die eine Tortur mit Louis an meiner Seite war, und wollte nichts, als mich in mein Bett fallen zu lassen und zu schlafen. Draußen war zum ersten Mal seit Jahren Schnee gefallen und hatte mich völlig überrumpelt. Völlig erschöpft, halb erfroren und meine Arme fest um meinen Körper geschlungen schloss ich meine Tür auf und hielt inne. Louis schlüpfte hinein, fuhr jedoch schnell zusammen und fauchte mein Bett an. Mein Herz ging erst gar nicht, dann doppelt so schnell und ich atmete flach. Ich schloss meine Augen und schluckte schwer.
Oh bitte lass es nicht wahr sein. Bitte lass mich aus diesem Alptraum erwachen! , dachte ich erschöpft. Er durfte mir das nicht antun. Nicht nachdem ich mich – mit all diesen Schmerzen – als normal abgestempelt hatte. Ich hatte mich doch gerade damit abgefunden, dass mein Leben reinste Zeitverschwendung war, dass ich nie wieder Glück erfahren durfte. Ich war Platzverschwendung.
Ich seufzte noch ein Mal. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen, schritt hinein und schloss die Tür hinter mir, ohne aufzusehen. Dann begrüßte ich meinen ungewünschten Gast.
„Ich bin froh, dass du nicht gleich davon läufst.“, meinte er und sah mich mit schwarzen Augen an. Seine Stimme nahm mir den Atem. Meine Erinnerungen an seine Stimme waren nicht mal annähernd so perfekt gewesen, wie sie in Wirklichkeit war. Ich hatte tatsächlich vergessen, wie fesselnd seine Augen waren. Und eigentlich war ich glücklich, als ich begriff, dass ich das geschafft hatte, was mir so unmöglich vorgekommen war. Und nun war er da, war Realität und die ganze Arbeit war völlig umsonst gewesen.
„Ich laufe nie davon.“, sagte ich ruhig, ging zum Kleiderschrank und suchte einen Jogginganzug heraus. Wahrscheinlich glaubte ich immer noch, dass er ein Trugbild war. Denn so sehr er mir auch den Atem nahm, meine Gedanken waren klar.
„Amalie, es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht verlassen, das musst du mir glauben.“, flehte er plötzlich direkt neben mir. Ich bekam eine Gänsehaut von seinem kalten Atem. Eine ganz natürliche Reaktion, was mich am meisten wunderte. Ich hatte nur in den letzten Wochen und Monaten keine normale Reaktionen mehr gezeigt.
„Ich soll dir glauben? Antony“ – mein Gesicht verzog sich vor Schmerz bei seinem Namen – „ ich … ich kann nicht. Ich glaubte, du würdest bei mir bleiben. Selbst in den Nächten warst du da.Und dann bist du plötzlich weg. Ohne ein Wort.“, sagte ich eisig und ging zum Fenster. Er sollte die Tränen nicht sehen, die in mir aufstiegen und den Kloß in meinem Hals mit sich brachten. Es war eine klare und kalte Nacht. Und ich hatte mich schon darauf eingestellt gehabt, dass ich in meinem warmen Bett liegen und ins Nichts starren konnte.
Er hatte alles zerstört. Und damit meinte ich nicht nur diese Nacht. Ich meinte jede Nacht, in der er nicht gekommen war, jede Nacht, in der er bei mir war, und eigentlich mein ganzes Leben, seit er mich verlassen hatte.
„Es tut mir so leid. Meine Eltern dachten, es sei das Beste. Und vielleicht wäre es das auch für dich gewesen, wenn es nicht schon zu spät gewesen wäre. Sie kennen dich nicht, sie wissen nichts von dir.“
„Ist das meine Schuld?“, unterbrach ich ihn und starrte in seine schwarzen Augen. Einen Moment sah er mich durchdringend an, seine Nasenlöcher blähten sich, dann wandte er sich ab und stellte sich neben Louis, der mal wieder aufgegeben hatte zu fauchen. Meine Tränen bahnten sich ihren Weg, verzweifelt wischte ich sie fort, in der Hoffnung, er würde sie nicht sehen. Dann schluckte ich schwer.
„Antony, ich sagte ja nicht, dass du alles für mich aufgeben solltest. Du sollst gar nichts für mich tun. Ich wünschte nur, du könntest mir sagen, was der Grund für dein Verschwinden ist.“, sagte ich und folgte ihm – den wütenden Blick Louis‘ ignorierend. „Ich wünschte, du könntest mir einen vernünftigen Grund nennen, warum du mich verlassen hast, warum du mein Herz heraus gerissen hast, warum du mein Leben zerstört hast. Seit du gegangen bist, bin ich nicht mehr ich. Ich bin nichts. Ein Niemand mit einem Loch, wo eigentlich das Herz schlagen sollte.Du hast keine Ahnung, was du mir angetan hast, was du meinem Umfeld angetan hast.“
„Amalie, es tut mir Leid. Aber ich kann es dir nicht sagen. Zumindest nicht so, dass du es verstehst. Es ist zu kompliziert.“, antwortete er und flüchtete zum Bett.
„Wieder das, Antony? Aber für mich kann es nicht zu kompliziert sein. Was soll an dir schon kompliziert sein? Nun gut. Du bist blass, aber das bin ich auch. Deine Augenfarbe ist nie wie am Tag zuvor; aber das ist mir egal. Deine Bewegungen sind so schnell und fließend, dass ich neidisch zusammen zucke; daran könnte ich mich gewöhnen. Du riechst zu gut, als dass ich es beschreiben könnte; ohne diesen Duft kann ich nicht mehr leben – das habe ich ja gezwungener Maßen versuchen müssen. Was ich aber nicht ignorieren kann, ist dein Verhalten. Deine Geheimniskrämerei. Dass du mir nicht einfach sagen kannst, was dich betrübt, was dir auf dem Herzen liegt und dass du mich damit verletzt.“ Da war noch so viel mehr, was ich sagen wollte, doch ich hielt mich davon ab. Ich hatte den wunden Punkt getroffen.
„Du bist viel aufmerksamer als ich dachte und du weißt noch viel mehr, als ich nur zu ahnen wagte. Aber dennoch hast du keine Ahnung. – Amalie, ich bin nicht das wofür du mich hältst. Ich bin mehr und doch weniger wert. Ich benötige nichts zu essen, in dem Sinne, den du dir denkst. Ich benötige keinen Schlaf, darum bin ich jede Nacht im letzten Sommer hier gewesen. Ich beobachte dich, um herauszufinden, wie es ist zu Schlafen und bekam dennoch nicht mal eine Ahnung davon. Amalie, ich bin kein Mensch.“, damit schloss er, kam auf mich zu und berührte meine Hände mit seinen eisigen Fingern. Ich war starr vor Schreck, unfähig mich zu bewegen. Er war kälter als in meiner Erinnerung. Hatte ich je eine Erinnerung an ihn, die ihn so beschrieb, wie er wirklich war?
Ich konnte nicht mal blinzeln, um mich von seinen schwarzen Augen abzuwenden. Meine Lippen bebten und so taten es seine. Louis jaulte erschrocken auf und warf sich gegen Antony, der nichts spürte.
„Ich wusste, du würdest es nicht ertragen, nur deshalb sagte ich nichts.“, begann er. Doch ich unterbrach seine musikalische Stimme, die von Schmerz getränkt war: „Was, wenn ich auch ein Geheimnis habe?“, fragte ich tonlos und sah ihn abwartend an.
Sein Blick hob sich, nachdem er ihn gesenkt hatte, um den Schmerz darin vor mir zu verbergen.
„Antony, jeder hat seine Geheimnisse. Und es ist mir egal, WAS du bist, solange du nicht erfahren willst, was ich bin!“, sagte ich und versuchte zu lächeln. Ob es mir gelang, wusste ich nicht. Sein Gesicht verriet nichts.
„Mir ist egal, was du bist.“, wiederholte Antony und lächelte. Seine Augen strahlten trotz der Finsternis, die in ihnen lag, Wahrheit und Vertrauen aus.
Eine Weile standen wir uns so gegenüber. Louis hatte das Jammern aufgegeben. Dann lösten wir unsere Blicke und unsere Hände voneinander und legten uns in mein Bett, dabei war Antony darauf bedacht, dass die dicke Decke zwischen uns lag und ich seine Kälte nicht spürte. Lange kreisten meine Gedanken darum, was ich ihm noch alles gegen den Kopf werfen konnte und eigentlich auch wollen sollte.
Aber ich konnte nicht. Es war als wäre ich wieder komplett. Als hätte er das riesige schwarze Loch in mir wieder gefüllt, und das nur mit seiner Anwesenheit. Wie hätte ich noch länger auf ihn sauer sein können, wenn er mir doch endlich das gab, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte – Glück, Zufriedenheit, und mein wahres Ich!?
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein und als ich am nächsten Morgen erwachte, saßen Louis und Antony nebeneinander vor meinem Bett und starrten mich an. Der eine glücklich, der andere wütend. Ich hatte meinen Traum bereits wieder vergessen, aber ich war mir sicher, dass es nicht der schwarze Traum vom Nichts war, der mich sonst jede Nacht durch meinen eigenen Schrei geweckt hatte.
„Hab ich dich vertrieben?!“, fragte ich mit gebrochener Stimme und sah von Louis zu Antony. Beide schüttelten den Kopf und der menschlichere von beiden sagte: „Ich musste sowieso aufstehen.“
Dabei fiel mir die Leuchtkraft seiner Augen auf, wobei der rote Reif um der Iris am stärksten leuchtete. „Weißt du wer noch die Nacht über geblieben ist?“, fragte Antony, als ich mich aus der Bettdecke schälte und er vom Schreibtischstuhl aus mir dabei zusah.
„Wer?“, fragte ich neugierig und schritt langsam auf ihn zu, da Louis sich immer wieder vor meine Füße warf.
„Dario. Es gefällt mir zwar nicht, dass er so viel Zeit mit deiner Schwester verbringt, aber wieso darf die eine sich ins Unglück stürzen, während der anderen es vergönnt bleibe?!“, sagte er. Ich wusste zwar nicht, was er damit meinte, doch war ich noch zu müde, um ihn zu fragen. Stattdessen kuschelte ich mich in seine Arme, an seinen eisigen und steinernen Körper. Ich wollte von nun an so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. So nah bei ihm sein, wie es irgend möglich war!
„Du willst heute also frieren?“, fragte er flüsternd und legte seine Arme um mich.
„Ich mag die Kälte.“, antwortete ich und beobachtete, wie Louis um uns herumschlich.
„Sie ist aber nicht gut für dich.“, flüsterte Antony und schob mich langsam von seinem Schoß, um mich dann auf seinen Armen zum Kleiderschrank zu tragen. Dort ließ er mich herunter und öffnete die Türen.
„Nein. Nicht gucken. Das Chaos darf niemand sehen.“, rief ich aus und schlug die Türen wieder zu.
„Amalie, ich weiß, wie es darin aussieht. Nun stell dich nicht so an, dann zeige ich dir vielleicht auch bald mal meinen Kleiderschrank.“, meinte er lachend und schob meine Hände mit Leichtigkeit zur Seite, um den Schrank erneut zu öffnen.
„Vielleicht?“, fragte ich und sah ihn mit großen und geschockten Augen an.
„Ja, vielleicht. Wenn du ganz lieb bist.“, lachte er nun noch lauter. Und plötzlich hörte ich ein Knurren von nebenan. Sofort dachte ich an Luna und Angel, die anscheinend gerade in Elisabeths Zimmer waren, doch auch Antony hatte dieses Knurren gehört, wodurch ich verunsichert wurde.
„Was war das?!“, fragte ich leise und sah zur Wand, als ob ich dort meine Antwort finden konnte.
„Ich denke, das war Dario, ich bin mir aber nicht ganz sicher.“, sagte er ernst und suchte in meinem Kleiderschrank nach Kleidung für mich. Ich starrte ihn verwirrt an. Hatte er das tatsächlich ernst gemeint?
„Und jetzt möchte ich, dass du ins Badezimmer gehst, dich fertig machst und dann deinen Eltern endlich ein Lebenszeichen von dir gibst. Sonst kommen sie noch in dieses Zimmer und erwischen mich in deinem Schrank.“, flüsterte er und schob mich mit den Sachen zur Tür.
„Das wäre nicht so gut.“, murmelte ich und schlurfte extra laut ins Bad.
So schnell ich konnte, duschte ich, putzte mir die Zähne und bürstete mein Haar, dann stürmte ich die Treppe hinunter und setzte mich an den Frühstückstisch, wo meine gesamte Familie bereits auf mich wartete.
„Felicia, du hast aber einen großen Hunger.“, bemerkte Mum, die Elisabeth auch schon öfter zum Brotkorb greifen sah, als irgendeinen anderen. Meine Schwester zuckte daraufhin nur mit den Schultern und biss von der nächsten Hälfte ab.
Als sie sich jedoch sicher war, dass sie niemand mehr beobachtete, ließ sie die andere Hälfte verschwinden.
Nachdem alle satt waren, bat Mum Dad und Valerie beim Abräumen zu helfen, sodass ich meiner Schwester folgen konnte.
„Ich weiß für wen die sind.“, flüsterte ich und deutete auf ihren Bauch – sie hatte unter ihrem Pullover die vielen Hälften versteckt. Ein Wunder, dass es außer mir niemandem auffiel.
„Was?“, fragte sie schockiert – wahrscheinlich auch, weil ich wieder mit ihr sprach – und so leise, dass ich die Worte eigentlich gar nicht hörte, sondern sie nur ahnte.
„Keine Sorge, ich verrate dich nicht, wenn du nicht verrätst, wer bei mir ist.“
„Aber ich weiß nicht, wer bei dir ist.“
„Du wirst es wissen, wenn er es dir gesagt hat.“, antwortete ich und schlüpfte in mein Zimmer, ohne dass sie hinein sehen konnte.
„Du hast es ihr gesagt.“, es war keine Frage.
„Wir sind beide im Unglück, weißt du noch?“, fragte ich lachend und setzte mich zu ihm aufs Bett. Wie konnte ich nur so glücklich sein, nachdem was er mir angetan hatte? Doch obwohl ich mir dessen bewusst war, konnte ich nicht unglücklich sein.
„Du solltest darüber keine Witze machen. Du weißt nicht, wie gefährlich euer Unglück sein kann.“, sagte er ernst und legte einen Arm um meine Schulter, sodass ich mich an seine Brust lehnen konnte.
„Mir ist egal, wie gefährlich du sein könntest. Du bist es nicht und das ist alles, was für mich zählt.“, flüsterte ich und horchte auf. Ich hatte nicht damit gerechnet, nichts zu hören, doch genau das war es. Nichts. Kein Herzschlag. Kein Rauschen des Blutes. Nicht mal Atemgeräusche, bis er tief einatmete und flüsterte: „Unheimlich, oder? Und das wird immer so sein.“
„Ich werde mich daran gewöhnen.“, antwortete ich und schloss die Augen, um die Stille zu genießen, die er mir nicht gönnte: „Du willst wirklich nicht wissen, was ich bin? Nicht mal jetzt?“
„Nein, mir ist es immer noch egal. Aber wenn du es nicht erträgst, dann sage es mir. Ich möchte dich nicht quälen.“
„Du quälst mich nicht. Die Wahrheit würde dich viel mehr betrüben, als mich dieses Geheimnis.“ Und damit war es wieder still.
Wie lange wir so dasaßen, wusste ich nicht, doch bald bekam ich Rückenschmerzen, während er nicht einmal atmete. Ich richtete mich auf und sah in seine immer noch leuchtenden Augen.
„Kannst du mir sagen, warum sie manchmal leuchten und dann immer dunkler werden, bis sie ein tiefes Schwarz erreichen?“, fragte ich und berührte seine Augenringe, doch mein Blick heftete immer noch in seinen Augen.
„Ich versuche, sie nicht schwarz werden zu lassen – vor allem in deiner Nähe – aber manchmal kann ich es nicht ändern.“
„Wie kannst du es verhindern?“
„Ich brauche etwas Bestimmtes zu trinken. Wenn ich dir mehr sage, dann kann ich dir auch gleich verraten, was ich bin.“ Er lächelte, doch erreichte es nicht seine Augen.
„Ach so. Na dann eben nicht.“, sagte ich und lehnte mich an seine Schulter.
„Ich bin erstaunt, wie hartnäckig du die Zeichen übersiehst. Mit welcher Sicherheit du alles ignorierst, was dir meine wahre Natur offenbart.“
„Ich ignoriere gar nichts.“, murmelte ich und sah entschuldigend zu meinem Kater, der uns immer noch zweifelnd beobachtete.
Tief in seiner Brust vernahm ich ein Lachen, doch es verschwand so schnell wieder, dass ich glaubte, es mir nur eingebildet zu haben.
Als es draußen zu dämmern begann, erhob ich mich wieder und machte den Computer an.
„Was hast du vor?“, fragte er und stellte sich hinter mich.
„Ich muss noch Hausaufgaben machen und benötige dazu das Internet. Tut mir Leid. Das lässt sich leider nicht mehr aufschieben.“, erklärte ich und starrte auf den blauen Bildschirm. Hinter mir hörte ich ein ungeduldiges Seufzen.
„Seufze nicht wegen meinem Rechner. Er ist alt, aber erfüllt seine Pflicht.“, meckerte ich und tätschelte den Monitor.
„Ich habe nicht deswegen geseufzt. Es war vielmehr ein Gedanke, ein Wunsch, eine Vorstellung über die ich meine Trauer und Ungeduld verkündete.“, sagte er förmlich und brachte mich zum Lachen. Er jedoch blieb ernst und sah mich nur verwundert an.
„Du klangst wie ein Verführer aus einem alten schnulzigen Liebesfilm. Das passt so gar nicht zu dir.“, lachte ich weiter und startete nun das Internet. Aber Antony drehte meinen Stuhl um und sah mich mit seinen wundervollen Augen an, sodass ich für einen Moment vergaß zu atmen. Als ich wieder nach Luft schnappte, schloss er seine Augen, atmete voller Trauer aus und drehte mich zurück zum Bildschirm. Sollte es genauso werden, wie zu der Zeit, bevor er gegangen war?
Als erstes überprüfte ich meine Mails, doch außer den vielen Werbungen hatte ich keine erhalten. Dann machte ich mich an die Suche nach einer Interpretation von Joseph von Eichendorffs Gedicht „Mondnacht“.
Fast eine Stunde saß ich da und er stand hinter mir, bis ich endlich alles erledigt hatte und meine Aufmerksamkeit wieder ungeteilt ihm zuwenden konnte. Ich drehte mich zu ihm und grinste.
„Alles geschafft?“, fragte er und grinste ebenfalls.
„Alles geschafft.“, antwortete ich.
„Lege deine Arme um meinen Hals und schließe deine Augen.“, flüsterte er plötzlich ernst und sah mir tief in die Augen. Erst war ich etwas geschockt, aber dann dachte ich; Was soll schon passieren?
Ich tat wie mir geheißen und wartete ab. Mein Herz raste, mein Atem ging flach. Natürlich hatte ich meine eigenen Vorstellungen, was nun passieren würde, doch hatte ich nicht gedacht, dass es so sein würde. Ich spürte, wie sein eisiger Atem immer schneller wurde und mir immer stärker entgegen blies. Ich genoss den Duft und spürte seine kalten Lippen auf meinen. Es kribbelte als wären sie eingeschlafen, es kitzele aber auch. Und dann wuchs der Drang mehr von ihm zu spüren. Er wurde immer stärker und ließ sich nicht mehr zügeln. Ich öffnete leicht meine Lippen und meine Zunge bahnte sich ihren Weg, bis sie auf eine kalte Mauer seiner Lippen prallte. Ich zog mich wieder zurück und sah ihn schweratmend an. Er hatte die Augen noch geschlossen und seine Nasenlöcher gebläht.
„Ich war zu stürmisch, oder?“, fragte ich flüsternd und brachte noch mehr Abstand zwischen uns.
„Ja, ein wenig. Aber ich bin doch selbst schuld.“, antwortete er und öffnete seine Augen. Sie waren merklich dunkler als zuvor und der rote Ring war breiter geworden.
„War es so schlimm?“ Ich starrte ihn an und hoffte er würde mir widersprechen.
„Amalie, es ist nur … deine Wärme und dein Geruch und ganz zu schweigen von deinem Herzschlag, das das frische Blut durch deine Adern pumpt …“, er hielt inne und zog mich näher an sich heran.
„Also zieht dich mein Blut an?“, fragte ich. Ich hatte von dem Wesen gehört, das nach menschlichem Blut dürstete, aber mir war es egal, ob er ein Vampir war oder nicht.
„Ja, dein Blut und dein Geruch und deine Wärme… Aber natürlich auch dein Wesen. Es ist schwierig.“
„Du musst es mir nicht sagen. Doch sag mir Bescheid, wenn ich zu weit gehe. Ich will dich nicht quälen, weißt du noch?!“, erklärte ich und kuschelte mich in seine Arme.
„Als ob du mich je quälen könntest.“, flüsterte er. Ich antwortete ihm nicht, denn er erwartete keine Antwort.
Eine Weile standen wir noch regungslos in meinem Zimmer, dann war er plötzlich verschwunden. Irritiert sah ich mich um, wurde aber von einem Klopfen abgelenkt. Ich sah zu Louis, der anscheinend sauer auf mich war, dann öffnete ich die Tür. Valerie stand zusammen mit Fairy vor mir und beide rümpften die Nase.
„Was ist los?“, fragte ich verwundert, als sie mich beiseiteschob und hinein trat. Fairy sprang sofort zu Louis auf das Bett und starrte mich ungläubig an. Valerie hingegen lief in meinem Zimmer umher und suchte anscheinend nach etwas.
„Valerie? Was ist los?“, wiederholte ich meine Frage, diesmal energischer.
„Ich bin dem Geruch gefolgt. Ein Glück ist Mum nicht da. Verdammt, Amalie. Ich dachte es wäre alles wieder gut. Ich hätte es ahnen müssen, als du diese Nacht nicht geschrien hast. Ich hätte wissen müssen, dass etwas anders ist. Wie konnte ich mich nur so täuschen?“, sagte sie und öffnete ruckartig meinen Kleiderschrank, um darin nichts zu finden.
„Ich weiß immer noch nicht, was du meinst.“, murmelte ich und setzte mich zu den Seelentieren auf das Bett.
„Dieser Geruch. Ich will endlich wissen, woher er kommt. Und warum er sich nicht mit dem anderen vereinbaren lässt. Übrigens hat mich Elisabeth deswegen aus ihrem Zimmer geschmissen. Ich hatte mich ja schon fast daran gewöhnt, dass sie stank, aber bei dir war der Geruch gerade vollkommen verblasst und nun ist er deutlicher als jemals zuvor.“
„Ich werde dich auch gleich rausschmeißen, wenn du mit der Schnüffelei nicht sofort aufhörst.“, unterbrach ich sie, sprang vom Bett auf und zog sie zur Tür.
„Ich werde eure Geheimnisse noch herausfinden. Keine Sorge.“, sagte sie und verschwand mit Fairy.
„Das war knapp.“, sagte Antony, der plötzlich auf meinem Bett saß, als ich die Tür geschlossen hatte.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte ich verstört und sah ihn durchdringend an. Ich traute mich nicht, auch nur einen Schritt zu machen.
„Was meinst du?“ Er war augenscheinlich irritiert.
„Du verschwindest einfach und dann bist du plötzlich wieder da. Und ich versteh nicht wie. Und vielleicht will ich es auch nicht verstehen.“
„Ich bin recht schnell. Deswegen kann ich auch nicht am Sportunterricht teilnehmen. Aber deine Schwester hat echt eine gute Nase. Wie sie mir folgen konnte. Normalerweise riechen Menschen das nicht.“, fügte er für sich hinzu und verwirrte mich damit.
„Was denn riechen? Warum um alles in der Welt meinen alle, dass es hier so stark riecht?“, ich seufzte und ließ mich auf mein Bett fallen, das unter mir bedrohlich kackte. Hatte es das auch bei ihm gemacht?
„Amalie. Für manche stinke ich eben. Aber die sind eigentlich so wenig Mensch wie ich es bin.“, grübelte er und seine Augenbrauen zogen sich zu einer strengen Linie zusammen.
„Ich will nicht wissen, was du bist, wenn du nicht mein Geheimnis wissen willst. Das war der Deal.“, sagte ich und gab ihm schnell einen Kuss auf die eisigen Lippen, damit er nicht auf die Idee kam, meine wahre Natur zu erraten. Als ich meine Augen wieder öffnete, starrte er mich verwirrt, aber glücklich an.
„Unpassend?“, fragte ich und brachte etwas Abstand zwischen uns.
„Das ist es nicht. Ich sollte jetzt nur gehen. Du bekommst gleich Besuch, den ich nicht ertragen kann.“, antwortete er und war verschwunden.
„Hey!“, schrie ich ihm noch nach, doch er kam nicht zurück. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Mit einem Seufzer drehte ich mich um und öffnete meiner Schwester Elisabeth und ihrem Freund Dario.
„Und was wollt ihr?“, fragte ich so unfreundlich wie möglich, schließlich hatten sie meinen Gast verscheucht.
„Ich glaube, ich komme nicht mit hinein.“, flüsterte Dario zu meiner Schwester und wandte sich schon um.
„Nein. Du kommst mit.“, sagte sie streng und zog den blonden, riesigen Jungen in mein Zimmer. Man konnte deutlich erkennen, wer die Hosen bei den beiden an hatte. Ich verkniff mir ein Grinsen. Romeo war ganz aufgebracht und wollte sich nicht mal auf die Stuhllehne setzen, so wie er es üblicherweise tat.
Ich folgte den beiden und setzte mich wieder neben Louis auf mein Bett.
„Also?“, brummte ich und begann Louis unauffällig zu streicheln, hörte aber auf, als Elisabeth mir einen missbilligenden Blick zuwarf. Dann begann sie: „Wir wissen, dass er hier war.Kein Wunder, dass du diese Nacht nicht geschrien hast.“ – ich seufzte – „Wir sind aber der Meinung, dass du dich weiterhin von ihm fern halten solltest. Ich meine, gerade wo du dich nicht mehr so gequält hast…“
„Was?“, unterbrach ich sie und stand auf. „Hast du überhaupt eine Ahnung was du da sagst? Jede einzelne Sekunde war die reinste Qual für mich. Ich habe Schmerzen erlebt, die ich nicht mal meinem Erzfeind wünschen würde. Ich war eine leere Hülle. Und erst er … er ist alles was ich zum Leben brauche. Er ist die Luft zum Atmen, er ist das Blut in meinen Adern, er ist mein Leben. Also sag mir nicht, ich soll mich von ihm fern halten. Sag mir nicht, dass ich ohne ihn besser dran bin. Warum sollte ich mein Glück opfern? Nur damit dein Glück weiterhin perfekt ist? Warum sollte ich das tun?“ Ich sah die beiden hasserfüllt an, wandte mich dann aber schnaubend dem Fenster zu. Im Augenwinkel sah ich, dass meine Schwester ihren Mund öffnete, doch Dario kam ihr zuvor: „Er ist böse.“
Überrascht blickte ich zu ihm: „Böse?“ Er sah zu Boden und nickte.
„Und wieso sollte er böse sein?“, fragte ich und verengte meine Augen. Elisabeth sah zweifelnd zu ihrem Freund, der kurz seinen Blick hob, mich entsetzt anstarrte und ihn dann wieder sinken ließ.
„Nun gut, da ihr anscheinend keine weiteren Beweise habt…“, begann ich, doch wurde von Elisabeth unterbrochen: „Dario, du musst es ihr sagen.“ Sie flehte regelrecht.
„Antony ist kein Mensch.“, platzte er heraus. Für einen Moment war ich wie versteinert, dann fasste ich mich wieder und antwortete ruhig: „Und das weißt du, weil …?“
„Weil … weil ich …“, stotterte er und sah zu Elisabeth, die anscheinend keine Ahnung hatte. Ich erkannte die Verwirrung in ihrem Blick. Er hatte nichts gesagt. Und eigentlich wusste ich nicht, was er ihr nicht gesagt hatte. Es war mehr ein Gefühl, das mich veranlasste weiter zu sprechen:
„Weil du auch keiner bist, richtig?“ Stand ihm direkt gegenüber und sah ihm tief in seine eisblauen Augen. Er wollte mich beschützen, das sah ich, aber er wollte sein Geheimnis nicht Preis geben. Und deswegen starrte er mich bittend an. Im Augenwinkel beobachtete ich weiter meine Schwester, die uns abwechselnd ansah und nicht begriff, worüber wir redeten.
„Du hast es ihr nicht erzählt. – Meinst du denn nicht, dass sie ein Recht hat, es zu erfahren?“, ich flüsterte kopfschüttelnd, doch selbstverständlich hörte Elisabeth mit.
„Was hast du mir nicht gesagt? Dario?“, sie blickte ihn an, ich sah Verwunderung, aber auch Enttäuschung in ihrem Blick.
„Ich … ich kann nicht.“, flüsterte er zurück und sah zum Fußboden.
„Du darfst nicht. Das ist es doch.“, sagte ich ruhig und als er nickte, fragte meine kleine Schwester fast schon hysterisch: „Was darfst du mir nicht sagen? Amalie, was weißt du, was ich auch wissen sollte?“
„Ich weiß so viel über ihn, wie du über Antony.“, antwortete ich, sah sie aber nicht an. Irritiert blickte sie zu Dario.
„Ich kann es dir nicht sagen. Ich muss erst … ich muss erst mit meiner Familie reden.“, antwortete er ihr.
„Deine Familie? Schon wieder? Was ist mit deiner Familie eigentlich los, dass ihr immer alles besprechen müsst?“, sie war wütend. Ihr Blick sagte mir, dass sie oft deswegen Streit hatten. Aber ich wollte davon nichts wissen.
„Was weißt du denn? Ich habe schon genug Regeln gebrochen.“, überrascht blickte ich auf. Regeln gebrochen? Irgendwie erinnerte mich das an Antony.
„Ist das meine Schuld?“, platzte meine Schwester in meine Gedanken.
„Elisabeth.“, ging ich dazwischen. Wutentbrannt schnellte ihr Blick zu mir.
„Denk an unsere Familie.“, sagte ich ruhig. Erst sah sie mich verwundert an, dann beruhigte sich ihr Blick und ihr Kopf wanderte mit einer leisen Entschuldigung zu Dario zurück. Er war irritiert, aber ich sah, dass er gar nicht so genau wissen wollte, was ich damit meinte. Also nahm er Elisabeths Entschuldigung an und mit einem vielsagenden Blick von meiner Schwester an mich verließen sie zusammen mit Romeo endlich mein Zimmer, sodass ich allein sein konnte.
Ich ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen, wo Louis mich lobend betrachtete. Es war mir nicht leicht gefallen, so ruhig zu bleiben. Es gab so viele Dinge, die ich Dario am liebsten gegen den Kopf geworfen hätte, aber die hätten nur zu noch mehr Unruhe geführt.
Mit einem Seufzer erhob ich mich wieder. Es war Abendessenzeit und ich wollte Mum bei den Vorbereitungen helfen.
„Ich kann wirklich nicht verstehen, wie du es schaffst, so zu stinken.“, hörte ich meine Mutter meckern und als ich die Küche betrat – Louis war schon vorgerannt – sah ich Elisabeth. Sie hatte mir den Rücken zugewandt.
„Das gleiche gilt für dich.“, richtete Mum an mich und rümpfte angewidert ihre Nase.
„Wenn ich herausfinde, dass das, was diese Gerüche auslöst, schlecht ist, dann könnt ihr euch aber auf etwas gefasst machen!“, donnerte sie weiter, um dann plötzlich ihre Stimmung zu ändern: „Essen gibt‘s in einer halben Stunde.“
„Können wir helfen?“, fragte ich. Mir war gerade eine Idee gekommen und ich musste diese Idee in die Tat umsetzten.
„Nein, Tara. Ihr solltet lieber duschen.“, antwortete Mum und schnitt den Salat. Ich drehte mich um und rannte mit Louis die Treppe hinauf. Oben im Flur hielt ich inne und wartete bis Elisabeth und Romeo bei mir waren und hielt sie auf.
„Was ist los?“, fragte sie und sah zu meiner Hand, die ihr Handgelenk umklammerte.
„Komm mit.“, flüsterte ich und zog sie den Flur entlang, bis wir vor der Tür zum Dachboden standen.
„Was willst du darin?“
„Vertrau mir.“, antwortete ich, drehte leise den Schlüssel um und öffnete die schwere Holztür. Romeo und Louis huschten als erste hinein.
Im ersten Augenblick war alles dunkel. Ich tastete nach dem Lichtschalter. Als der Raum erleuchtet war, zog ich meine Schwester hinein und schloss die Tür.
„Als ich noch ganz klein war, habe ich hier etwas gefunden.“, erzählte ich ihr und ging um eine Ecke. Irgendwo hörte ich Romeo schreien.
„Was hast du gefunden?“, flüsterte Elisabeth und kam mir nach.
„Eine Kiste. Ich wusste, dass ich sie mal brauchen würde, doch Mum hatte sie vor mir versteckt.“ Wir gingen weiter und kamen zu einem unbeleuchteten Teil.
„Amalie, ich glaube wir sollten umkehren.“
„Hast du etwa Angst?“, fragte ich und musste grinsen. Doch dann hielt ich inne. Meine Augen hatten sich gerade an die Dunkelheit gewöhnt, als ich die Kiste entdeckte. Elisabeth knallte gegen mich und sah sich fragend in der Dunkelheit um. „Was ist los?“
„Dort ist sie.“, flüsterte ich und deutete in eine Nische.
„Was? Wo? Ich sehe nichts.“, meckerte sie. In ihrer Stimme hörte ich ihre Angst. Ich reagierte aber nicht auf sie, sondern ging zur Kiste und zog sie ins Licht. Augenblicklich waren unsere Seelentiere bei uns und beobachteten uns ganz genau. Ich betrachtete das Schloss, dann öffnete ich es einfach. Es war nicht verschlossen, wie damals.
Mein erster Blick fiel auf eine kleine Schachtel, in der ich damals Steine gefunden hatte. Ich hatte mich nicht getraut, sie heraus zu nehmen. Ich nahm die Kiste und reichte sie meiner Schwester, die sie begierig öffnete.
Mein Blick wurde zur selben Zeit jedoch von etwas ganz anderem gefesselt. Ein Buch mit einem altrosa Einband schien zu leuchten. Es hatte die goldene Aufschrift „Genealogie“.
So vorsichtig wie möglich hob ich es heraus und öffnete es sanft. Auf den ersten Seiten war ein Stammbaum und als ich die letzten Namen – die Namen meiner Geschwister – las, wusste ich, dass es der meiner Familie war. Ich blätterte weiter. Die nächsten Seiten bestanden aus Beschreibungen und Bildern von Elben und Elfen und was ihre Natur ausmachte. Schnell überblätterte ich diese Seiten. Ich wusste, was ich war und woher das kam.
Das nächste Kapitel interessierte mich auch nicht. Unsere Fähigkeiten konnte ich mir schon ausmalen.
Erst das vierte Kapitel sprach mich an: „Andere Wesen“. Ich blätterte um. Das erste Wesen, das beschrieben wurde, war das Einhorn, wie man es finden konnte, wo es lebte, warum Menschen nicht mehr daran glaubten.
Das nächste Wesen war der Roch. Ich blätterte weiter, bis mir ein Bild ins Auge stach. Es war eine verzerrte Maske mit schwarzen Augen. Diese und die spitzen Fangzähne waren das einzige, was man wirklich erkennen konnte. Mein Atem setzte aus und ich blätterte weiter. Das nächste Wesen war der Werwolf. Das Bild zeigte einen aggressiven Wolf mit gefletschten Zähnen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Dann begann ich zu lesen:
„Der Begriff Werwolf bezeichnet das Mysterium, dass sich ein Mann unter besonderen Umständen in einen Wolf verwandelt. Diese besonderen Umstände sind auf die Gefühlslage des Mannes zurückzuführen. Gerät der junge Wolf in Wut oder riecht er einen Feind, beginnt er zu zittern und verwandelt sich. Je älter dieser Wolfsmann ist, desto besser kann er seine Wut kontrollieren.
Der erste Werwolf ist nach einer Legende von Zeus geschaffen worden. Seit dem wird das Gen für die Verwandlung vom Vater zum Sohn übertragen.
Das typische Alter für die erste Verwandlung liegt bei 16 Jahren. Doch kann dieses Gen auch schon früher ausbrechen. Dies geschieht meist dann, wenn der natürliche Feind – der Vampir – in dem Lebensraum auftaucht.
Das Gen kann aber auch Generationen überspringen, wenn keine Feinde in der Nähe sind. Die Eigenschaften des Werwolfs sind hohe Geschwindigkeit, guter Geruchsinn, gutes Gehör, außergewöhnliche Kräfte und Heilung von Verletzungen innerhalb kurzer Zeit.
Die Merkmale eines Werwolfes: die Haarfarbe entspricht meist der Fellfarbe, ab dem 16. Lebensjahr behalten sie eine Größe von ca. 1,90 Meter und sie haben eine erhöhte, aber konstante Temperatur.“, ich seufzte, sah kurz zu meiner Schwester, die gerade in ein anderes Buch vertieft war. Dann blätterte ich zurück und las den Eintrag über Vampire – diesmal leise:
„Vampire sind blutsaugende Nachtgestalten. Sie ernähren sich von dem Blut der Menschen, um sich am Leben zu erhalten. Dabei kümmert sie das Leben des Opfers nicht. Und dennoch fasziniert sie nichts mehr als diese. Sie suchen nach ihnen, halten sie manchmal sogar als Haustiere und Blutlieferant.
Alle Vampire erschaffen ihre Nachkommen durch einen Biss. Dabei wird das Blut des Opfers herausgesaugt und das Blut des Vampirs dem Menschen eingeflößt. Um die Verwandlung abzuschließen, muss der zukünftige Vampir sterben und ebenfalls Menschenblut trinken.
Bis heute gibt es keine aussagefähige Quelle, wie der erste Vampir entstand.
Die Eigenschaften eines Vampires sind hohe Geschwindigkeit, Heilung von Verletzungen innerhalb von Sekunden und außergewöhnliche Kraft. Merkmale eines Vampires: Augenfarbe wird immer dunkler, je größer der Durst wird; spitze Fangzähne, die nur bei Angriffen sichtbar werden; eisige, harte Haut, marmor-ähnlich; kein Herzschlag.“
Ich hielt die Luft an. Es waren noch andere Beiträge über andere Wesen vorhanden, aber die interessierten mich nicht.
Natürlich hatte ich mir schon gedacht, dass Antony ein Vampir war. aber es zu lesen, die Gewissheit zu haben, etwas ganz anderes.
Ich schnappte nach Luft.
„Was ist denn los?“, fragte Elisabeth und sah mich besorgt an.
„Nichts.“, antwortete ich und blätterte unauffällig weiter. Auf der letzten Seite hielt ich inne. Stand da wirklich das Wort Regeln? Ich begann zu lesen:
„Bei allen Wesen gibt es Regeln:
• Keinem menschlichen Wesen darf von der wahren Natur berichtet werden
• Nichtartgerechte Ehen dürfen nicht vorkommen und sind mit dem Tode zu bestrafen
• Kinder aus einer nichtartgerechten Partnerschaft sind ebenfalls zum Tode verurteilt. Geschieht dieser Vollzug nicht innerhalb von 18 Jahren, so verfällt das Urteil.“
„Sieh dir das an.“, flüsterte ich zu meiner Schwester und verwies auf den letzten Punkt.
„Nicht artgerecht? Meinen die damit …“, begann sie, doch sie konnte nicht weiter sprechen. Ihr stockte der Atem und ich sah, wie sie kurz zusammen zuckte, als ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief.
„Wir sind nichtartgerechte Kinder, Elisabeth. Und noch ist keiner von uns 18. Weißt du, was das heißt?“ Wir starrten uns mit großen Augen an. Gleichzeitig schluckten wir schwer.
„Wir könnten …“, sie brach ab und blickte wieder zu dem Buch in meinen Händen.
Ich nickte. Selbst wenn dieses Buch veraltet war, diese Regeln galten vermutlich immer noch. Was bedeutete, dass wir alle in Gefahr waren.
Plötzlich hörte ich Schritte und Louis sah ungeduldig auf. Ich schob das Buch unter meinen Pullover, packte alles andere in die Kiste und meine Schwester und ich stürmten mit unseren Seelentieren zum Ausgang. Vor der Tür auf dem Flur hörte ich Mum nach uns rufen. Als es wieder still wurde, stürmten wir vier hinaus. Ich warf schnell das Buch in mein Zimmer, dann gingen wir hinunter ins Esszimmer. Dad und Edward saßen bereits am Tisch und warteten. Wir setzten uns hinzu. Mum rümpfte wieder ihre Nase, doch sagte diesmal nichts. Sie setzte sich und starrte uns mit einem durchbohrenden Blick an.
Ich glaubte, dass sie nur auf den richtigen Moment wartete, bis sie uns fragen konnte, wo wir gewesen waren und was wir gemacht hatten. Ich spürte, wie ich mit jeder Sekunde bleicher wurde, bei dem Gedanken wie sie uns auf die Schliche kam.
Ich war erst froh, als Iason und Valerie das Zimmer betraten, doch als ich das angewiderte Gesicht meiner kleinen Schwester sah, fühlte ich mich noch unwohler.
Was hatte Antony gesagt? Ich rieche. Aber die sind eigentlich ebenso wenig Mensch, wie ich es bin. Und sollte er tatsächlich ein Vampir sein, dann war meine Familie ebenso wenig Mensch wie er.
Ich begann zu essen. Möhren und Erbsen, dazu Hühnchen und Kartoffeln. Nicht gerade mein Lieblingsessen, aber wenn man Hunger hatte, dann aß man es eben.
Ich stocherte also lustlos im Brei, als mir ein Licht aufging.
Antony und Dario konnten sich nicht riechen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und sie warnten uns gegenseitig voreinander, weil sie beide gefährlich waren. Selbstverständlich sind sie Erzfeinde. Und wenn Antony ein Vampir war – mittlerweile hatte ich daran keinen Zweifel mehr – dann war Dario ein … ein Werwolf.