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Kapitel 6

UCSF Medical Center

Wie sehr sich das Leben innerhalb von einer Woche ändern konnte. Bis dahin war alles vollkommen normal gewesen. Alltag eben. Aber nach Seans Tod hatte sich alles geändert. Plötzlich gerieten ihre Gefühle ins Chaos, ihre Psyche ins Wanken und die Furcht nahm Überhand. Audrey fühlte sich allein. Im Stich gelassen. Sie musste sich wohl damit abfinden, dass nicht immer alles nach ihrem Plan lief. Und Veränderungen waren auch gut. Immerhin hatte sie so Mitch wiedergefunden. Als ein Handy piepte, verstummten ihre Schritte auf dem Vinylboden des Krankenhausflures. Sie griff in die Manteltasche und zog Seans Smartphone heraus. Es war eine Erinnerung für den morgigen Abend. Jimmy Baltimore, 20 Uhr, Worcester Street 56.

Wer war Jimmy Baltimore? Etwa auch eine Bekanntschaft, von der sie nichts wusste? Ein Arbeitskollege? Ein Freund? Sie ging die Kontakte durch, allerdings fand sie nirgends einen Kontakt oder Chatverlauf mit dem Namen Jimmy Baltimore. Merkwürdig. Sie schob das Handy zurück und ging langsam weiter über den Flur der Intensivstation. Wusste dieser Jimmy von Seans Tod? Sollte sie ihn darüber informieren? Weshalb wollte Sean sich mit ihm treffen? Gab es einen bestimmten Grund? Und was war in der Worcester Street? Ein Einkaufszentrum? Ein Kino, Restaurant oder Bar? Oder etwas völlig anderes? Schnell tippte sie die Adresse in eine Online Suchmaschine. Als Ergebnis starrte sie auf ein geschwärztes Gebäude. Verdammt, worüber dachte sie bloß nach? Ihre Gedanken sollten bei Mitch sein und nicht bei einem wildfremden Mann, den sie nicht mal kannte. Sie dachte an Chloé, die sicher angeschlagen Zuhause saß und Seans Tod verarbeiten musste. So wie sie vor über einer Woche. Kurz überlegte Audrey, ob sie sich noch einen Kaffee aus dem Automaten ziehen sollte, doch das seltsame Treffen hatte sie bereits so aufgewirbelt, dass sie so oder so heute Nacht kein Auge zu machen würde. Ein aufputschender Kaffee wäre also nicht nötig. Sie betrat Mitchs Zimmer. Das Krankenbett war leer. Schockiert riss sie die Augen auf.

„Mitch?“ Sie rannte zum Badezimmer und riss die Tür auf, die sich widerstandslos öffnen ließ. Auch dieser Raum war leer. Audreys Herz pumpte das Blut in heftigen Schüben durch den Körper. Wo war er? Er würde wohl kaum aufgestanden sein und das Zimmer verlassen haben. Hatte sich sein Gesundheitsstand verschlechtert und sie war nicht dagewesen, als er sie gebraucht hatte? Oder schlimmer noch, war er etwa nicht mehr-

Eine Gänsehaut ließ ihr die Haare zu Berge stehen. Sie stürzte zum Empfang. „Wo ist er? Wo ist Mitch Djukannon?“

Eine Schwester blickte konzentriert vom Bildschirm zu ihr auf. „Wer?“

„Mitch Djukannon. Der Patient, der gleich hier gegenüber im Koma lag. Wo ist er?“

„Oh, der ist aufgestanden und verschwunden, ehe meine Kollegin ihm ein Beruhigungsmittel verabreichen konnte.“

„Bitte was?“ Audrey fiel die Kinnlade runter. „Etwa alleine?“

„Tut mir leid, meine Kollegin hat seine Flucht erst bemerkt, als er bereits verschwunden war.“

Mit schlotternden Beinen kehrte sie dem Empfang den Rücken zu. Ihr wurde übel. Mitch war einfach aufgestanden und gegangen? Der Mann, der im Koma gelegen und erst vor Kurzem einen Herzstillstand erlitten hatte? Das war doch unmöglich. In ihren Gedanken spielte sich erneut der grausame Moment ab, als Eyrin Mitch das Gift in die Venen gejagt hatte. Was hatte das Zeug mit ihm angestellt?

***

Schweigend fuhren sie Richtung Süden. Das Freizeichen der Freisprechanlage machte Mitch nervös. Ungeduldig wippte er mit dem Fuß. Seine Finger trommelten im Takt gegen den Griff der Beifahrertür. Die Fahrt konnte ihm nicht schnell genug gehen. Er musste Audrey unbedingt sehen und sich selbst vergewissern, dass es ihr gut ging.

„Audrey geht nicht ans Telefon.“ James drückte einen Knopf. Das Freizeichen verstummte. „Bist du sicher, dass wir sie in Seans Wohnung antreffen werden?“

„Es ist der wahrscheinlichste Ort, der mir gerade einfällt.“

„Hm, okay.“ James warf seinen Blick zurück auf die Straße.

„Wieso die Zweifel?“

„Keine Zweifel, bloß unruhig. Ich fühle mich mitverantwortlich, dass dir nur noch wenig Zeit zum Leben bleibt.“

„Warum das?“

„Ich hätte im Fahrstuhl besser auf Audrey aufpassen müssen. Dann hätten uns die Anhänger von Blizzard nicht überwältigt und gefangen genommen. Letztlich hättest du dich dann nicht zwischen ihr und dir entscheiden müssen.“

Entsetzt, dass sein Freund sich die Schuld gab, schluckte Mitch. Er beäugte ihn. „Wären das Team und du nicht gewesen, wäre ich bereits tot.“

James starrte ihn an. „Und was ändert das?“, fragte er. „Wenn wir kein Gegenmittel finden-“

„Du weißt genauso wie ich, dass es kein Gegenmittel gibt“, unterbrach Mitch ihn zornig.

James fixierte ihn eindringlich. „Hör auf, sowas zu denken.“

„Und deswegen muss ich Audrey sehen“, fuhr Mitch fort, als hätte James nie etwas gesagt.

„Verflucht, vergiss doch mal kurze diese Frau! Lass uns das Gegenmittel finden und du kannst den Rest deines Lebens mit ihr verbringen“, schimpfte James.

„Hör auf!“ Mitchs Miene wurde hart. „Hör auf, mir Hoffnung zu machen. Ich werde sterben. Und ich will meine verschissenen letzten Stunden nicht damit verbringen, mir irgendwelche Gedanken über ein mögliches Heilmittel zu machen. Und schon gar nicht will ich mich in deinem Auto mit dir streiten. Alles, was ich will, ist Audrey noch ein letztes Mal in die Arme zu schließen und ihr sagen, was ich für sie empfinde.“ Mitch schluckte.

„Du hättest alle Zeit der Welt, wenn–“

„Komm, lass.“ Mitch winkte ab. „Du verstehst es nicht.“

„Und wie ich das verstehe! Aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben. Ich stehe tief in deiner Schuld. Immerhin hast du mich damals auch nicht aufgegeben, als ich knietief in der Scheiße gesteckt hab.“

„Das ist Jahre her.“

„Für mich ist es, als wäre es gestern gewesen“, sagte James. „Ich versuch dir bloß zu helfen“

„Ts, helfen.“ Mitch wandte den Blick ab. „Wärst du nicht gewesen, wäre ich allein geflüchtet.“

Plötzlich hielt der Wagen am Straßenrand und James beugte sich zu ihm herüber. „Natürlich, hättest wahrscheinlich erfolgreich ein Auto geknackt, so wie du mich in der Tiefgarage verprügeln wolltest.“

Mitch wurde still. In Gedanken dachte er an den Zusammenbruch im Parkhaus, bei dem er wütend auf James eingeprügelt hatte. Was war da nur in ihn gefahren?

„Dann bin ich nun mal nicht in der besten Verfassung. Na und? Wen juckt´s?“

James sah ihn schockiert an. „Hörst du dir eigentlich selber zu?“

Mitch verschränkte genervt die Arme vor der Brust und schwieg.

„Für mich klingt das, als hättest du mit deinem Leben schon abgeschlossen. Du musst doch wenigstens ein bisschen Hoffnung haben! Was ist bloß in dich gefahren? So kenne ich dich gar nicht“, fuhr James entsetzt fort. Die besorgte Stimme seines Freundes donnerte in seinem Kopf. Er hatte Recht. Schon wieder. Erneut überkam Mitch ein Schwindelgefühl. Er rieb sich über das Gesicht und ignorierte es. Währenddessen hörte er, wie sein Herz kräftig schlug. Hitzewellen durchfuhren ihn. In seinen Eingeweiden drehte sich alles. Er versuchte so gut wie möglich, seinen Frust zu verbergen.

„Alles, wofür du seither gekämpft hast, dein Stolz, deine Ehre, deine Ausbildung, die Elite und sogar Audrey sind für dich keine Gründe für Hoffnung?“

Bei ihrem Namen reagierte Mitch. „Weißt du was? Du triffst es genau auf den Punkt. Ich sollte jetzt eigentlich mit einer bezaubernden Frau im Garten meines Hauses sitzen und meinen Kindern beim Spielen zuschauen. Stattdessen sitze ich hier, weil ich Idiot mich bei Blizzard hab einschleusen lassen. Wäre ich der Einheit nie beigetreten, wäre mir Audrey niemals gefolgt und ich würde jetzt nicht vergiftet sein und mit dem Gedanken leben, dass jede Situation, jedes Gespräch, jeder Gedankenblitz, jeder Atemzug der letzte sein könnte. Doch der größte Fehler meines Lebens war nicht der Einsatz in der Organisation.“ Mitch rieb sich über die Augen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, hatte James ihn genau da getroffen, wo es wehtat und seinen Hunger nach Leben wachgerüttelt. „Die schlimmste Entscheidung war es, Audrey an jenem Abend allein im Hotelzimmer zurückzulassen und ihr damit das Herz zu brechen.“ Die Angst, nicht mehr die Möglichkeit zu bekommen, sich bei Audrey dafür zu entschuldigen, machte ihn fertig. Er wollte die Situation klarstellen. Er wollte nicht, dass sie schlecht von ihm dachte, bevor er abtrat.

„Komm schon, Mitch.“

„Ich will einfach meinen Fehler wieder gerade biegen und mit Audrey reden“, gab Mitch kleinlaut bei. „Ich habe doch keine andere Möglichkeit. Ein Heilmittel gibt es nicht.“

Mitch schloss die Augen. Vor seinem inneren Auge tauchte Audreys Gesicht auf: die lodernden, grünen Augen, das gelockte, rote Haar, die Stupsnase, das hinreißende Lächeln…

Eine Hand, die auf seine Schulter gelegt wurde und kräftig zudrückte, ließ ihn aufschauen. „Gib die Hoffnung nicht auf. Wir werden es finden. Ich habe auch schon eine Ahnung, wo wir einen Anhaltspunkt finden könnten. Dazu müssten wir einen Abstecher beim FBI machen. Das liegt quasi auf dem Weg zu Seans Bude.“

Auch, wenn er wusste, dass es nichts bringen würde, stimmte Mitch zu.

Heart & Hazard Series - Verhängnisvoller Verrat

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