Читать книгу Heart & Hazard Series - Verhängnisvoller Verrat - S.L. March - Страница 6

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Kapitel 1

UCSF Medical Center, San Francisco,

Kalifornien, USA, 2016

Der Geruch von Desinfektionsmittel überstieg den Kaffeeduft aus dem Automaten bei weitem und hinterließ in Audrey Kanes Nase einen seltsamen Duft. Kurz nachdem Mitch Djukannon ins Krankenhaus eingeliefert worden war, hatte er durch die Vergiftung das Bewusstsein verloren und war ins Koma gefallen, aus dem er bisher nicht erwacht war. Sie konnte es immer noch nicht recht fassen. Es war mittlerweile eine Woche vergangen, seit sie aus dem Höllenloch von Blizzard entkommen waren. Dem Ort, an dem an Menschen experimentiert worden war. Niemals würde sie die kalten, leeren Augen vergessen, die sie dort gesehen hatte. Das Blut, das aus den Augenhöhlen gelaufen war. Audrey wurde übel. Ein Schwindelgefühl überkam sie, schwarze Punkte flimmerten vor ihren Augen. Sie tastete nach einem sicheren Halt und stützte sich an der Wand ab. Die Luft im Flur war mit einem Mal furchtbar stickig. Sie schloss die Augen und gönnte sich einen Moment Ruhe. Konzentrierte sich auf eine ruhige Atmung. Direkt neben ihr erscholl ein tosender Lärm. Audrey zwang sich, die Augen zu öffnen. Ein Arzt und vier Schwestern rannten über den Flur. Das sah nach einem Notfall aus. Direkt hinter dem Empfang verschwanden sie in einem Krankenzimmer. War das nicht-

Audreys Herz setzte einen Schlag aus. Sie verlor die Kraft in den Händen. Der heiße Kaffee fiel zu Boden. Dann rannte sie den plötzlich immer länger werdenden Flur entlang. Sie stürzte ins Zimmer, auf das Schlimmste gefasst. Ein Gerät gab einen ununterbrochenen, monotonen Laut von sich. Der behandelnde Arzt stand vor dem Patienten und tastete nach dessen Hals. Eine der Schwestern schnitt den Krankenhauskittel über dem Brustkorb auf, während zwei andere ein schweres Gerät aus der Ecke des Zimmers zogen. Als der Arzt zur Seite trat, gab er den Blick auf Mitch frei. Mit einem Mal war es ruhig. Der gewaltige Lärm und das Piepen des Geräts waren verschwunden. Ohne zu blinzeln starrte Audrey auf Mitchs blasses Gesicht. Die geschlossenen Augen. Der Ansatz des Vollbarts ließ ihn älter erscheinen, als er war. Sein schlaffer Körper bäumte sich unter der Wucht der Elektroschocks auf. Jedoch tat sich nichts. Audrey liefen Tränen über das Gesicht. Ihr Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Er durfte sie nicht verlassen. Er musste stark bleiben. Das Gift in seinem Körper durfte nicht gewinnen.„Mitch, bitte“, flüsterte sie. „Bleib bei mir!“

Erneut jagte der Strom durch Mitchs Brust. Sein Körper sackte zurück aufs Bett. Ehe sie in Mitchs Gesicht sehen konnte, versperrte eine Schwester ihr die Sicht. Sie redete auf Audrey ein, unverständliche Worte, und schob sie aus dem Zimmer. Die Tür wurde zugeknallt. Sie starrte auf das verschwommene Holz. Nein! Irgendwer zog sie zu einem Stuhl. Mit schlotternden Beinen ließ sie sich darauf sinken und starrte auf den bunten Vinylboden. Die Punkte auf dem Boden zerflossen zu einem großen, bunten Kreis. Sie faltete die zitternden Hände und fing an zu beten. Es war, als würde das Herz ihr den Brustkorb zerfetzen. Sie hörte eine Stimme neben sich, doch sie verstand kein Wort. Sie kniff die Augen zusammen. Sofort hatte sie wieder das blasse Gesicht von Mitch vor sich. Er durfte nicht auch noch sterben. Das würde sie nicht verkraften. Es genügte, dass sie bereits ihren geliebten Bruder Sean an die Organisation verloren hatte. Aber jetzt auch noch Mitch? Sie presste die Lippen zusammen, um nicht loszuschreien. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre. Erschrocken sah sie auf. „James“, krächzte sie atemlos.

James Catcher, FBI-Agent und Freund von Mitch, kniete vor ihr und beobachtete sie genau. „Er ist stark. Er schafft das!“

Sie starrte ihn durchdringend an und nickte stumm. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Zimmertür geöffnet wurde. Die Krankenschwestern gingen wieder ihrer Arbeit nach. Audrey ging dem Arzt entgegen, der einen ernsten Eindruck machte. Ihr Puls schnellte in die Höhe. „Wie geht es ihm?“, fragte sie eifrig.

„Wir konnten ihn zurückholen“, sagte der Arzt ruhig. Erleichtert atmete Audrey aus. Die Anspannung wich ein wenig, doch das donnernde Herz kam nicht zur Ruhe. „Aber solange wir nicht wissen, womit er vergiftet wurde, können wir nichts weiter tun, als zu versuchen, ihn am Leben zu halten, bis wir ein Gegenmittel haben“, fuhr er fort. „Unser Labor hat noch keine vielversprechenden Ergebnisse. Wir versuchen alles Menschenmögliche, doch es könnte sein, dass wir den Kampf gegen die Zeit verlieren werden.“

Sie ballte verärgert die Hände zu Fäusten und hielt seinem Blick stand. „Danke“, hauchte sie. Der Arzt nickte und ging. Eine Hand wurde auf Audreys Schulter gelegt. „Willst du nicht zu ihm?“, fragte James. Schweigend nickte sie und betrat das Zimmer. James folgte ihr und schloss die Tür. Man hatte Mitch an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Seine Brust war freigelegt. Das Gesicht war immer noch blass und krank. Es versetzte ihr einen Stich, Mitch so zu sehen. Ein Gerät neben dem Bett informierte sie über die Herztöne, die im Moment beruhigend gleichmäßig aussahen. Vor dem Bett blieb sie stehen. Audrey griff nach der Decke und zog sie Mitch bis über die Brust. Kurz ließ sie ihre Hand dort liegen und fühlte seinen Herzschlag. Ihr wurde bewusst, wie schnell sie auch ihn verloren hätte, ohne mit ihm reden zu können.

„Wir müssen ein Gegenmittel finden und zwar schleunigst“, sagte James ernst.

„Das ist mir bewusst! Aber woher?“ Sie sah nicht auf, legte die Hand auf Mitchs kalte Stirn, und strich ihm zärtlich durchs Haar. „Wir wissen nicht mal, wo sie das Gift produziert haben, geschweige denn, was es für Bestandteile hat. Und dann geht nochmal einiges an Zeit drauf, bis ein Gegenmittel hergestellt wird. So viel Zeit hat er wahrscheinlich nicht mehr. Oder bist du schon weitergekommen?“ Sie presste die Zähne zusammen.

„Leider nicht. Aber ich werde es finden. Ich gebe ihn nicht auf.“

„Das würde ich auch niemals tun“, sagte Audrey. „Aber ich fürchte, das Gift wird uns zuvorkommen.“

„Du irrst dich. Ich werde es finden!“ Er ging zur Tür und drehte sich noch einmal zu Audrey um. „Mitch hat dich damals im Hotel nicht verlassen wollen. Er hat mich aus der Scheiße holen müssen, die ich verbockt habe. Jetzt werde ich mich dafür revanchieren. Und falls ich es nicht rechtzeitig schaffen sollte…“ James stoppte.

Sie starrten einander an. Lange. Bis er die Tür öffnete.

„Viel Glück, James“, sagte Audrey.

James nickte und schloss die Tür hinter sich. Erneut ruhte ihr Blick auf Mitchs geschlossenen Lidern. Wünschte so sehr, er würde sie öffnen.

„Bitte Mitch.“ Ihre Stimme brach. „Wach auf!“

Audrey verschränkte ihre Finger mit denen von Mitch. Erwartete fast, er würde es ihr gleichtun und ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchen. So, wie er es schon oft getan hatte. Doch da war keine Regung. Keine sanfte Berührung. Kein prickelnder Kuss. Ihr verschwommener Blick verharrte auf Mitchs ruhigem Gesicht. Ihre Augen brannten. Die Nase kribbelte. Ihre Gedanken schweiften zu jenem Moment in der Organisation zurück, an dem ihm das Gift in die Adern gespritzt worden war und sie hilflos dabei hatte zusehen müssen. An jenen Augenblick, als Mitch ihr seine Gefühle gestanden hatte. Und sie hatte nicht mal die Möglichkeit gehabt, ihm eine Antwort zu geben. Entkräftet brach Audrey vor dem Krankenbett zusammen.

Heart & Hazard Series - Verhängnisvoller Verrat

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