Читать книгу Heart & Hazard Series - Verhängnisvoller Verrat - S.L. March - Страница 8

Оглавление

Kapitel 3

Nowhere

John Gruber hatte das Zeitgefühl vollständig verloren. Die Dunkelheit, die ihn umgab, ließ ihn nicht erkennen, ob es bereits Tag oder Nacht war. Die Zelle, in die sie ihn gesteckt hatten, nachdem er aus seiner Wohnung von zwei kräftigen Männern und einer rothaarigen Frau entführt worden war, war furchtbar kalt und beängstigend winzig. Die Kälte zerrte schmerzhaft an den blutigen Kratzern und offenen Wunden seiner Handgelenke, die er sich bei einem seiner zahlreichen Fluchtversuche zugezogen hatte. Irgendwie musste er sich befreien. Jedoch hatten sie ihm sämtliche elektronischen Gegenstände abgenommen, sodass er nicht mal die Chance hatte, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Verdammt, wieso er? Er lehnte mit dem Rücken an der kalten Steinwand, rieb sich die Stirn und versuchte, sich wieder zu beruhigen. John schluckte und bemerkte, wie trocken seine Kehle war. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie lange es her war, dass er einen Schluck Wasser zu sich genommen hatte.

Ein schabendes Geräusch ließ ihn herumfahren und er versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. War es eine Maus? Eine Ratte? Oder doch etwas anderes? Aber so schnell wie das Geräusch gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder.

„Ist da jemand?“, flüsterte John und tastete sich in Richtung des Geräusches vor, bis er mit dem Fuß gegen die Gitterstäbe stieß. Er fluchte. Da hörte er, wie die schwere Tür des Raums aufgeschlossen wurde.

Sein Herz raste. Der Adrenalinspiegel schoss von selbst in die Höhe. Instinktiv dachte er an die eiskalte Dusche, mit der sie ihn aus der Betäubung geholt hatten. Das mit Hochdruck gespritzte Wasser hatte wie tausend feine Nadelspitzen auf seiner empfindlichen Haut gestochen. Die blauen Flecken an Schulter und Oberschenkel meldeten sich automatisch und machten ihm erneut bewusst, dass man mit diesen Männern nicht verhandeln konnte. Er straffte die Schultern und blieb vorsorglich mit dem Rücken zur Wand gerichtet stehen. Mit der offenen Tür drang auch Licht in den dunklen Raum. Einer der massiv gebauten Kerle mit poliertem Glatzkopf näherte sich seiner schmalen Zelle. Das schmuddelig weiße Tanktop unterstrich seinen kräftigen Oberbau und die trainierten Oberarme. Die Boots glänzten im Lichtschein. In den mächtigen Pranken ging das Tablett, das er trug, fast unter. Darauf standen zwei weiße Plastikbecher. Der Kerl stellte das Kunststofftablett auf einem Treppenabsatz ab und nahm einen der Becher in die Hand. Damit drehte er sich zu Johns Zelle und zückte einen Schlüssel. John beobachtete ihn aufmerksam. Selbst wenn er es an dem Kerl vorbei schaffen sollte, was er mit seiner normalen Statur wohl kaum hinbekommen würde, wusste er nicht, mit wie vielen Leuten er es hinter diesem Raum würde aufnehmen müssen. Sein Gegenüber stellte den Becher vor den Gittern ab und schloss die Zellentür auf. Er trat ein und versperrte mit seiner Statur vollständig den Ausgang. Der Blick von John ruhte für einen Moment auf dem Inhalt des Bechers. Es war eine Flüssigkeit. Wasser. Seine Kiefermuskeln zuckten. Als er wieder zu dem fremden Kerl blickte, grinste dieser. „Du willst das? Dann verrate endlich, woher du die Tablettendose in deiner Wohnung hattest. Wer hat sie dir gegeben?“ Seine Stimme donnerte durch den Raum. Er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Niemand! Zum wiederholten Mal, ich habe sie aus einer Apotheke.“ John hielt dem verärgerten Blick stand. Er durfte nicht klein beigeben. Vielleicht war Hilfe bereits unterwegs. Unterstützung von Sebastian und Nadine, von denen er immerhin die Tablettendose bekommen hatte, um das Medikament zu analysieren.

„Und das Mittel in deiner Hand, als wir dich hergebracht haben? Woher hast du das?“ Er trat zwei Schritte näher und stand schon fast vor John, um ihm die Sicht auf den Wasserbecher zu versperren. John wusste, dass er auf die Gegenmittelampullen hinaus wollte.

„Aus der Apotheke.“

John ballte die Hände zu Fäusten. Er wollte ihn lediglich provozieren. Darauf durfte er nicht eingehen, wenn er nicht wollte, dass es zu weiteren Handgreiflichkeiten kam. Er antwortete nicht. Presste verärgert die Lippen zusammen. Ehe er sich versah, packte der Kerl ihn grob am Kragen seines Shirts und stieß ihn mit voller Wucht gegen die Wand. „Rede! Wo hast du es her?“

John schrie auf, als sich die spitze Ecke eines Steins in seinen Rücken bohrte. „Hab ich doch schon gesagt.“

Der Typ schlug zu. Die Faust landete direkt in Johns Gesicht. Es blitzte in seinem Kopf. Ein Auge pochte. Die Nase schmerzte. Seine Lippen brannten. John wusste, wenn er sich wehrte, würde die Tracht Prügel noch schlimmer werden. Stattdessen ließ er es über sich ergehen, dass noch zwei weitere Male auf ihn eingeschlagen wurde. Ein Hieb in seinen Magen ließ ihn vor Schmerz krümmen. Der Kerl rückte ab und versetzte ihm einen Schlag in den Nacken, sodass John auf die Knie fiel.

„Ich werde dich zum Singen bringen, darauf kannst du Gift nehmen! Es wird mir eine Freude sein, dich auszuquetschen. Irgendwann wird es dir wieder einfallen, wo du es her hast.“

John hustete und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Lippe, bevor er zu dem Kerl blickte, der sich abwandte und die Gittertür hinter sich schloss. Ein letztes Mal sah er zu John, schnappte sich den zweiten Becher und ging eine Zelle weiter. Sein Blick schweifte zurück zum Becher hinter den Gitterstäben. Das Kratzen im Hals wurde unerträglich. Er krabbelte herüber. Sein Arm griff durch die Stäbe und schnappte sich den Becher. Das Wasser floss erfrischend seine Kehle hinab. Er seufzte zufrieden, ließ den halbvollen Becher sinken und schloss entspannt die Augen. Er wusste nicht mehr, wie gut reines Wasser schmecken konnte. Zu der Nachbarzelle schloss der schreckliche Typ die Tür auf. Erst jetzt wurde John bewusst, dass er die ganze Zeit über nicht allein gewesen war. In der hintersten Ecke kauerte eine dunkle Gestalt. Jetzt wusste er, dass das Geräusch eben keineswegs von einem Nagetier gekommen war. Es war ein wenig erleichternd zu wissen, dass er nicht allein war. Vielleicht hätten sie zu zweit eine bessere Chance zu entkommen. Wie lange war er oder sie schon hier eingesperrt? Warum hatte John die Person weder gesehen noch gehört?

„Hier, trink!“ Der Typ streckte den Becher von sich, doch der Schatten rührte sich immer noch nicht.

John streckte den Hals, um an dem schweren Brocken vorbeizusehen und zu erkennen, mit wem er sich das Leid teilte. Vergebens.

„Du kannst nicht ewig ohne Wasser auskommen. Also los, trink gefälligst“, brüllte der Glatzkopf und packte den Gefangenen. John konnte erkennen, dass die Person viel kleiner war als er selbst. Dann versperrte der Brocken ihm wieder die Sicht. Plötzlich fiel der Becher Wasser zu Boden und jemand spuckte. Dann wurde die Person herumgewirbelt und gegen die Gitterstäbe gepresst. John starrte entsetzt in das eingefallene Gesicht einer zierlichen, jungen Frau, die mindestens einen Kopf kleiner war als er. Aufgeschürfte Hände krallten sich um die Stahlstäbe. Das blonde, lange Haar war zerzaust und strähnig. Sie trug ein langes Shirt, das vor Dreck starrte und ihren abgemagerten Körper gerade so umhüllte. Der Stoff rutschte nach oben, sodass weit mehr als ihre Oberschenkel zu erkennen waren. Die Beine sahen aus, als seien sie mal muskulös gewesen. Die Füße waren nackt. Wie lange war diese Frau schon hier? Und was hatten sie mit ihr angestellt? John war fassungslos. Er konnte nicht anders, als in das Gesicht der verängstigten Frau zu starren. Sie öffnete nicht einmal ihre Augen oder gab einen Mucks von sich. Machte auch keine Anstalten sich zu wehren.

„Oh, ich liebe es, wenn du versuchst, dich gegen mich aufzubäumen“, sagte der Kerl, der sie mit seinem ganzen Gewicht gegen das Gitter presste. Dabei schob er eine Hand unter ihr Shirt. „Dann macht es mir gleich viel mehr Spaß.“

Ihr Gesicht verzog sich angeekelt. John sah, wie sehr ihre angespannten Kiefermuskeln zuckten. Wie krampfhaft sie sich auf die Lippen biss und wie heftig sie die Augen zusammenkniff. Der Ausdruck blanker Furcht fraß sich in Johns plötzlich stechendes Herz. Er würde doch jetzt nicht wirklich diese Frau vergewaltigen? Vor seinen Augen? Das konnte er nicht zulassen. Das musste er mit allen Mitteln verhindern. John baute sich auf seiner Seite der Gitterstäbe direkt vor den beiden auf und starrte dem Mistkerl ins Gesicht. „Geh weg von ihr!“

Verdutzt blickte dieser auf, die Mundwinkel verzogen sich zu einem siegessicheren Grinsen. „Was sagst du da?“

„Lass die Finger von ihr.“ John trat noch näher und legte seine Hände um die Gitterstäbe, dabei streifte er unbeabsichtigt einen Finger der Frau. Die Berührung war pulsierend. Es war, als würde ein Funke zu ihm übergehen. Die Frau zuckte zusammen, riss die Augen auf und zog ihre Hand weg. John blickte in die blausten Augen, die er je gesehen hatte. Und erstarrte. Sein Herz machte einen Satz. Das Ozeanblau glänzte im schwachen Dämmerlicht. Automatisch reagierte der Kerl, griff nach ihrer Hand und drehte sie ihr auf den Rücken. Mit der anderen griff er in ihr Haar und zog ihren Kopf zurück, sodass er ihren Hals frei legte. Er war von Würgemalen übersät.

„Hast du das gehört?“, sagte der Typ grinsend. „Der Typ hat dich verteidigen wollen. Weißt du was das bedeutet?“

Sie schwieg. Erneut presste die Frau die Lippen aufeinander, als der Kerl sie an sich drückte. Wütend packte John die Gitterstäbe fester, sodass sich die Fingerknöchel weiß abzeichneten. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er ertrug es nicht, diese Frau so zu sehen. Ihm wurde übel.

„Ich habe mit dir ein Druckmittel gegen ihn gefunden.“ Seine Mundwinkel hoben sich und John wurde bewusst, was er für einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte.

Der Kerl stieß die Frau zu Boden, sodass sie unsanft auf dem Boden landete. Dann ging er und verschloss die Zelle hinter sich. Die Frau blieb erschöpft liegen, die Unterarme über dem Kopf verschränkt. Der Kerl warf John noch einen dreckigen Blick zu und verschwand dann aus dem Keller. Die Kellertür krachte ins Schloss und wurde verriegelt. Das Licht schwand. Als ob es nicht schon reichen würde, dass sie in diesen Zellen eingesperrt waren. Gebannt schaute John zu der Gestalt in der Dunkelheit. Er hörte ein schwaches Wimmern, das ihm das Herz zerriss. Er schluckte und fiel auf die Knie: „Hey, wer bist du?“

Das Wimmern verschwand. Sie antwortete nicht. Stattdessen kauerte sie sich zusammen und zog sich ein Stück von ihm zurück. Tiefer in die Dunkelheit. John starrte auf das Wasser im Becher. Sein Durst meldete sich. Der Hals kratzte. Wahrscheinlich hatte sie das Wasser aus Protest nicht angenommen. Doch so abgemagert wie sie aussah, hatte sie wohl schon länger nicht viel Wasser und Nahrung zu sich genommen. Verflucht, bei ihrem geschundenen Körper wollte er sich gar nicht vorstellen, wie lange sie bereits hier gefangen war und was sie alles durchgemacht hatte. Vor Übelkeit krampften sich seine Eingeweide zusammen. Ein kurzes Flimmern erschien vor seinen Augen. John blinzelte. Es verschwand.

„Hier, trink etwas“, bat er einfühlsam und reichte ihr den Becher durch die Stäbe. „Bitte.“

Sie reagierte nicht. Er konnte sie nicht deutlich erkennen, sondern nur einen dunklen Schatten. Er stellte den Becher auf den Boden und schob ihn soweit, wie sein Arm durch die Stäbe kam, in ihre Richtung. Wieder keine Reaktion. Keine Regung. Kein Ton.

„Ich bin übrigens John. Und du?“ Er versuchte mit ihr zu reden. Mit ihr zu kommunizieren, um zu spüren, dass er nicht alleine war. Aber sie tat ihm nicht den Gefallen. War sie stumm? Konnte sie deswegen nicht sprechen? Oder verstand sie seine Sprache nicht? Als durch irgendeinen Spalt ein Windzug fegte, zitterte er. Sie regte sich noch immer nicht, doch es war, als würde sie ihn ununterbrochen anstarren. Erneut flimmerte es vor seinen Augen. Sein Magen krampfte sich zusammen. Weshalb war ihm so schlecht? Kurz schloss er die Augen und atmete tief durch. Als er die Augen öffnete, rotierte mit einem Mal alles um ihn herum. Sein Blick glitt zum Becher. War da was drin gewesen? Er streckte seine Hand nach dem Becher aus. Er hörte ein unverständliches Murmeln. Ein Schwindelgefühl überkam ihn und seine Lider wurden schwer. Die Lippen der Frau bewegten sich und wiederholten die Warnung.

„Nicht trinken!“

Heart & Hazard Series - Verhängnisvoller Verrat

Подняться наверх