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Kapitel 5

Audreys Beine zitterten, als sie gegen die Tür hämmerte, sodass das Holz bebte. „Penny? Penny, mach auf!“

Sie wusste, dass Penny seit kurzem bei einem Detektiv wohnte. Erst vor ein paar Tagen hatte Audrey sie hergefahren und rausgelassen. Vielleicht konnte der Detektive ihr helfen. Es dauerte nicht lange, bis die Tür geöffnet wurde.

„Audrey“, entfuhr es ihrer Freundin, ehe sich das überrascht erfreute Antlitz schlagartig änderte. „Oh mein Gott, was ist passiert? Du hast vorhin so verstört am Telefon geklungen.“

Audrey schwieg. Ihre Lippen zitterten. Ihr platzte der Schädel. Penny Liva umarmte sie und zog sie in die Wohnung.

„Ich…“ Sie versuchte, ihre Stimme wieder zu erlangen. „Ich brauche Hilfe!“

„Jetzt setz dich erstmal. Möchtest du einen Tee?“

Audrey schüttelte den Kopf und ließ sich aufs Sofa fallen. Tränen brannten in ihren Augen. Sie spürte, wie Penny sie beobachtete.

„Was ist passiert?“

Sie wollte etwas sagen. Aber Audreys Magen rebellierte. „Toilette?“

Penny deutete in eine Richtung. Audrey sprang auf und stürzte ins Bad. Vor der Kloschüssel sank sie zu Boden und würgte, bis nichts mehr übrig war außer bitterer Galle. Ein Tuch schob sich in ihr Blickfeld. Penny hielt es ihr stumm entgegen.

Audrey griff zu und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie wollte es ihr erzählen, aber plötzlich waren da die starren Augen ihres Bruders. Und das Blut. So viel Blut. Sie plumpste auf den Hintern und starrte ins Leere. Im selben Moment klingelte es.

„Aud, ich bin sofort wieder bei dir“, sagte Penny. „Das ist bestimmt Pierré. Er hat heute Morgen seinen Haustürschlüssel vergessen.“

Audrey biss sich auf die Lippen, versuchte sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht, so sehr pochte es in ihrem Kopf.

„Penny. Gut, dass du da bist. Du bist doch Audreys Freundin. Hast du Audrey irgendwo gesehen?“, hörte sie eine Männerstimme. „Weißt du, wo sie steckt?“ Aber es war nicht Pierré. Die Stimme kam ihr bekannt vor.

„Mitch?“, hörte sie Penny fragen, „Du hier?“

Audrey hörte Schritte. Sekunden später blieb der Mann im Türrahmen stehen. Das Schlangen Tattoo auf seinem Hals verschwand in seinem schwarzen Shirt. Das dunkle Haar trug er neuerdings länger und zotteliger. Die braunen Augen fixierten sie voller Besorgnis. „Audrey.“

Seine vertraute Stimme zu hören, war wie Musik in ihren Ohren. Audrey brach in Tränen aus.

Prompt sank Mitch neben ihr auf die Knie und zog sie vertraut an sich, als sei niemals so eine lange Zeit vergangen. Sie schloss die Augen, als sie die kräftige Hand um ihre Schultern und den festen Oberkörper an ihrer Wange spürte.

„Aud, was hast du?“

„Sean“, wisperte sie gebrochen.

Penny reichte ein weiteres Taschentuch. „Habt ihr euch gestritten?“

Audrey nahm es und schniefte. „Er ist tot. Da war so viel Blut. Er hat geblutet. Aus seinem Mund, seiner Nase und sogar den Augenwinkeln. Warum ausgerechnet mein Bruder?“

„Oh mein Gott!“, rief Penny.

„Es tut mir leid“, raunte Mitch.

Sie vergrub das Gesicht in seinen Armen, konnte das Zittern ihres Körpers nicht unter Kontrolle bringen. Mitch strich ihr über den Kopf.

Vorsichtig löste sie sich von Mitch. Atmete tief durch.

„Ich kann mir nicht erklären, was passiert ist. Er wollte bloß auf die Toilette und als er nicht zurückgekommen ist, habe ich ihn gesucht. Die Tür zum Hinterhof stand offen. Ich weiß noch, wie seltsam ich das fand.“ Audrey stoppte. Dieses Bild. Wie sollte sie es je vergessen? „Er lag im Müll. Allein. Da war sonst niemand.“

Sie fühlte sich vollkommen leer. Der Verlust tat höllisch weh. Ihre Gedanken schweiften zu Seans letzten berührenden Worten. Audrey schluchzte, während sie spürte, dass Mitch sie an sich zog.

„Schon okay“, wisperte Mitch einfühlsam, „du musst nicht weiterreden.“

***

Minuten später saß Audrey zusammengekauert auf dem Sofa im Wohnzimmer. Um ihre Schultern lag eine Wolldecke. In der Hand hielt sie ein zerknülltes Taschentuch. Auch wenn die Hände noch ein wenig zitterten, hatte sie zumindest die Tränendrüsen unter Kontrolle bekommen. Sie fühlte sich erschöpft. Und müde. Sie zupfte ein paar Flusen von der Decke.

Aus der Küche hörte sie, wie Penny mit Geschirr klimperte.

Mitch hatte sich auf den Sessel gegenübergesetzt. Er wirkte bestürzt. Nachdenklich. Wie konnte es sein, dass er ausgerechnet jetzt auftauchte? Und weshalb fühlte sie sich so nervös in seiner Nähe?

„Was tust du eigentlich hier?“, fragte sie.

„Sean hat mir eine Nachricht geschickt und behauptet-“ Er hielt inne und räusperte sich. „Er wollte, dass ich euch vor der Kneipe abhole. Als ich euch nicht gefunden habe und Sean nicht erreichen konnte, bin ich hergekommen.“

„Sean wollte, dass du uns abholst?“

Er nickte.

„Davon hat er gar nichts erzählt.“

Penny trat mit einem bestückten Tablett näher. Es duftete nach Kamillentee. Bei dem Duft drehte sich Audrey der Magen um. Sie beobachtete, wie Penny den dampfenden Tee in Becher einschenkte und ihr einen reichte. Sie bedankte sich, pustete und nippte an dem Porzellan. Penny setzte sich neben sie. Übermüdet schloss Audrey für einen Moment die Augen. Alles drehte sich.

„Ich hab Pierré grade angerufen“, sagte Penny. „Er schaut sich in der Kneipe um. Wenn du magst, kannst du heute Nacht im Gästezimmer schlafen. Und morgen früh gehe ich mit dir zusammen zur Polizei. Dort melden wir das dann.“

Sie öffnete die Augen. Konnte immer noch nicht recht glauben, was sie heute Abend gesehen hatte. „Okay.“

Penny strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Keine Angst, wir sind für dich da.“

„Danke“, wisperte sie gerührt.

„Seit wann wohnst du eigentlich bei dem Detective?“, wollte Mitch wissen.

Penny grinste. „Eigentlich sollte es nur ein Abend sein. Aber aus einem Abend ist mittlerweile eine Wochen geworden. Seitdem die zwei Wohnungseinbrüche bei mir stattgefunden haben und ich entführt worden bin, fühle ich mich bei Pierré am sichersten.“

„Das freut mich, Cousinchen.“

„Danke.“

Audrey gähnte. „Ich bin platt. Ich würde mich gerne schlafen legen. Wo ist das Gästezimmer?“

„Den Flur runter. Es ist die letzte Tür auf der linken Seite.“

Audrey stand auf, hielt die Decke fest. Ihre Beine waren schwach. Sie wankte.

„Warte, ich bring dich.“ Mitch stellte seinen Becher ab und schnellte zu ihr. Ein Arm um ihre Taille bewahrte sie vor einem Sturz. Er war so warm.

Audrey sah ihn an. Es war ein wundervolles und zugleich schmerzhaftes Gefühl, Mitch in ihrer Nähe zu wissen. Und die Augen, dieses warme Braun. Sie erwischte sich selbst dabei, wie sie auf seine Lippen starrte. Die, die sie viel zu selten auf ihrem Mund und an anderen Körperstellen gespürt hatte. Es kribbelte in ihren Eingeweiden. Sie riss den Blick von ihm los und seufzte.

Gemeinsam gingen sie zum Gästezimmer. Sie ließ sich auf einer ausgebreiteten Schlafcouch nieder. Mitch deckte sie zu. Sie legte eine Hand auf seine Wangen. Er erstarrte.

„Danke“, raunte sie.

„Soll ich dir noch Wasser bringen?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Oder sonst irgendetwas?“

„Danke, nein.“

„Das mit deinem Bruder tut mir fürchterlich-“

Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. Spürte, wie ihr Tränen emporstiegen, die sie bis gerade erfolgreich verdrängt hatte. Sie wollte nicht wieder an den grausigen Fund denken. Mitch zu berühren, ließ die Schmetterlinge in ihr tanzen. Er war so nah. Fast so wie damals. Als wäre keine Zeit vergangen.

Sie brauchte sich bloß ein Stück vorlehnen, um ihn zu küssen und-

Er wandte den Blick ab und rutschte ein Stück ab. „Tut mir leid, dass wir uns unter solchen Umständen wiedersehen, Aud.“

Bei seiner Stimme durchzuckte sie eine kribbelnde Gänsehaut. Das letzte Mal, als sie Mitch gesehen hatte, war in jener Nacht gewesen, als sie miteinander geschlafen hatten. Am nächsten Morgen war sie allein im Hotelzimmer aufgewacht. Er war einfach gegangen und hatte sie allein zurückgelassen. Weder eine Nachricht, noch sonst etwas hatte er dagelassen. Es war ein furchtbar verletzendes Gefühl gewesen. Sie hatte sich so beschmutzt gefühlt. Und jetzt, drei Jahre später, ausgerechnet an dem Tag an dem Sean umkam, tauchte Mitch auf.

„Ich hätte mir auch andere Umstände gewünscht, nachdem du dich zuletzt nicht einmal verabschiedet hast.“

„Hast du den Notizzettel denn nicht gelesen?“

„Welchen Notizzettel? Da war keiner.“

Verwirrt sah er sie an. „Ich habe ihn auf der Nachtkonsole hinterlassen. Direkt neben der Wasserflasche. Ich habe ihn doch noch gesehen, als ich das Fenster neben dir ein wenig geöffnet hatte und als ich dann ging-“

Audrey gähnte. „Ich habe nichts gesehen.“

Mitch biss die Zähne aufeinander. Er richtete sich auf. „Wahrscheinlich gab es einen Durchzug, als ich die Tür geöffnet hatte. Er muss runtergefallen sein und-“ Er stoppte. „Na schön, dann hast du die Nachricht nicht gesehen. Ich werde dann jetzt mal gehen. Schlaf gut.“

Audrey griff nach seiner Hand. Sie konnte ihn kaum klar erkennen, weil ihr schon wieder schwindelig wurde „Danke, dass du heute Abend da warst.“

„Für dich immer.“

***

An der Tür stoppte Mitch. Er hatte das dringende Bedürfnis, mit Audrey zu reden. „Der Grund, warum ich damals gegangen bin, war, weil ein Freund von mir in Schwierigkeiten steckte. Er hatte meine Hilfe gebraucht.“ Er kehrte der Tür den Rücken zu. „Du und ich, wir waren so betrunken. Ich habe dich nie angerufen, weil ich Angst hatte, dass es dir peinlich sein könnte, dass du mit dem besten Freund deines Bruders geschlafen hast.“

Weil sie nicht reagierte, trat er zur Schlafcouch. Audrey hatte sich unter die Bettdecke gekuschelt und die Augen geschlossen. Die gleichmäßigen Atemzüge verrieten ihm, dass sie bereits eingeschlafen war und wahrscheinlich nichts von seinen Worten mitbekommen hatte. Er bemerkte, wie weich seine Knie bei ihrem Anblick wurden. Er ließ sich auf den Sessel gegenüber von der Couch fallen und seufzte tief. Aus der Hosentasche zog er ein Foto. Beim Anblick des lächelnden Gesichts mit den grünen Augen und dem feuerroten, gelockten Haar lächelte er. Das Foto von Audrey hatte Sean ihm einst zugeschoben. Sein Freund hatte immer gewollt, dass mehr aus ihm und seiner Schwester wurde. Aber er hatte sich vehement dagegen gewehrt.

„Monate später, nachdem ich es deinem Bruder erzählt hatte, hatte Sean mir erzählt, wie verletzt du warst, nachdem ich dich allein gelassen habe. Ich war einfach zu feige, mich nach der langen Zeit bei dir zu melden. Als ich dir vor drei Monaten auf der Straße fast begegnet bin und auf dich zugehen wollte, habe ich es nicht getan, weil ein anderer Kerl gerade einen Arm um deine Schultern gelegt und geküsst hatte. Ich war-“ Er hielt inne, als Audrey sich herumwälzte. Sie kehrte ihm den Rücken zu. Was tat er hier? Er schloss die Augen und atmete tief durch. Er hatte seine Chance vertan. Und ihr das jetzt zu beichten, obwohl sie überhaupt nichts mitbekam, war unsinnig. Mitch faltete das Foto zusammen und schob es zurück in die Hosentasche. Er musste mit ihr reden. Aber nicht jetzt. Und auch nicht hier.

Als es in der Hosentasche vibrierte, zog er sein Smartphone hervor. Ein verpasster Anruf von seiner Chefin. So spät am Abend?

Mit einem Wisch entsperrte er das Display und öffnete erneut die Nachricht, die ihn veranlasst hatte, alles stehen und liegen zu lassen. Eigentlich war er auf dem Heimweg gewesen, als ihn der knappe Hilferuf von Sean ereilt hatte.

Eisengel. Ich versuch sie abzulenken. Hol Aud. Alter Gewölbekeller. Sofort!"

Er hatte leichtsinnigerweise mitten auf der Kreuzung gewendet und glücklicherweise nur ein ohrenbetäubendes Hupkonzert hinter sich gelassen. Die Worte seines Freundes hatten sich in seinen Kopf gebrannt. Sean hatte den Feind ablenken wollen und war dabei umgekommen.

Mitch kämpfte mit dem Verlust, der höllisch wehtat. Zeitgleich war da aber auch die Angst, die ihn durchfuhr. Was, wenn der Eisengel mitbekommen hatte, mit wem Sean in der Kneipe gewesen war? Hatte sie Audrey gesehen? Schwebte Seans Schwester nun auch in Gefahr? Wobei ihm nicht klar war, wie Eyrin es geschafft haben sollte, einem verdeckten Ermittler aufzulauern. Hatte Sean nicht aufgepasst und war verfolgt worden?

Mitch schaute zu der schlafenden Person, die sein Blut noch immer in Wallungen brachte. Er musste mit ihr reden. Er musste wissen, was sich an diesem Abend abgespielt hatte. Das konnte bloß Audrey ihm beantworten. Mitch durchfuhr ein unangenehmes Gefühl bei dem Gedanken, sie in die Ermittlungen mit einzubeziehen, doch sie war die Einzige, die ihm seine Fragen beantworten konnte. Er musste bloß dafür sorgen, dass sie ein Gespräch unter vier Augen führten. Möglichst ohne auch noch seine Cousine Penny und deren Detective Pierré in eine Mission reinzuziehen, die der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag. Dann würde er sich um die Verantwortlichen kümmern und sie zur Rechenschaft ziehen. Sobald er seine Antworten hatte, würde er dafür sorgen, dass Audrey einen Personenschützer bekam, der sie überwachte. Und wenn er ihn selbst engagieren müsste, sollte seine Chefin nicht einwilligen. Die, die bereits das zweite Mal versuchte, ihn zu erreichen.

Mitch drückte einen Knopf. Der Bildschirm wurde schwarz. Dann stand er auf und sah sich nach einer Möglichkeit um, Audrey eine Nachricht zukommen zu lassen. Alles, was er fand, waren ein paar wenige Motorsportzeitschriften. Er griff nach einer, schnappte sich einen Kugelschreiber von dem Schreibtisch und schrieb auf einem Stück heller Fläche.

Mitch platzierte die Zeitschrift vorsichtig unter dem Kopfkissen, sodass eine Ecke hinauslugte. Audrey brummte und regte sich.

Mitch verharrte, bis sie wieder regungslos liegen blieb. Es war so furchtbar lange her, dass er sie aus der Nähe hatte betrachten können. Diese weichen Gesichtszüge. Die vollen, roten Lippen. Eine kleine Stupsnase. Die gelockte Haarsträhne, die ihr ständig ins Gesicht fiel. Er zögerte. Doch dann konnte er es nicht lassen und schob mit zittrigen Fingern die Locke hinter ihr Ohr. Die Wärme ihres Körpers, umhüllte ihn. Es traf ihn wie einen Schlag. Es kribbelte in seinen Eingeweiden. Mitch erwischte sich selbst dabei, wie er grinste. Verdammt, was tat er hier? Er sollte besser seine Schwärmerei in den Griff bekommen. Sicherlich war sie längst mit diesem Kerl verlobt, mit dem er sie zusammen gesehen hatte. Doch einen Verlobungsring konnte er nicht an ihren zierlichen Fingern erkennen. Und doch hatte er Audrey heute trauernd in die Arme gehalten. Höchstwahrscheinlich nur, weil sie gerade eine Schulter zum Anlehnen gebraucht hatte. Die Schulter, von der er sich wünschte, dass es seine war, an die sie sich stets schmiegen konnte.

Mitch schluckte und nahm seine silberne Kette mit dem Kreuzanhänger ab. Er betrachtete das Schmuckstück kurz und legte es schließlich neben der Schlafcouch auf den Tisch. Eigentlich legte er die Kette nie ab. Aber Audrey würde sie eher brauchen als er. Hoffentlich würde Audrey seine Botschaft verstehen.

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