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Kapitel 2

Oakland, Kalifornien, USA

Der alte Gewölbekeller der Kneipe, in die ihr älterer Bruder sie geführt hatte, war unfassbar gemütlich. Die Partymusik, die fröhliche Stimmung der Gäste, die leckeren Cocktails, es war herrlich. Audrey Kane fühlte sich wie berauscht. Es war lange her, dass sie so eine ausgelassene Zeit in den frühen Abendstunden hatte genießen können, ohne befürchten zu müssen, Zuhause auf eine bizarre Überraschung zu stoßen. Bei dem Gedanken musste sie grinsen.

„Was ist so witzig?“ Sean, der ihr gegenüber an einem Mojito schlürfte, lächelte.

„Ich habe mir gerade vorgestellt, wie unfassbar dämlich sich mein Ex angestellt hat, als ich ihm den Laufpass gegeben habe.“ Sie prustete los. „Du hättest sein Gesicht sehen müssen, als ich ihn mit dieser Blondine im Bett erwischt habe.“

„Das ist mittlerweile über zwei Monate her. Der Mistkerl hat es nicht verdient, dass du deine Gedanken an ihn verschwendest. Ich glaube, du hast schon zu viel getrunken.“ Sean wirkte ernst.

„Ich weiß.“ Audreys Grinsen erstarb und unterdrückte ein Aufstoßen. Sie stocherte mit dem Strohhalm in ihrem Caipirinha. „Ich habe das Gefühl, dass ich solche Kerle irgendwie magisch anziehe, seit–“

Sie hielt inne und sah auf. Zu schnell. Ihr wurde schwindelig. Sean durchlöcherte sie mit seinem Blick.

„Hast du Mitch seitdem wiedergesehen? Ich meine, Mitch ist bei dem Thema ziemlich, wie soll ich sagen, empfindlich wenn ich ihn darauf anspreche.“

Etwas zog schmerzhaft in ihren Eingeweiden. Es war unheimlich, dass ihr älterer Bruder genau wusste, wie sie tickte. „Nein. Wahrscheinlich wollte er sich einfach die Peinlichkeit ersparen, neben der kleinen Schwester seines besten Freundes aufzuwachen.“

Ganze drei Jahre war das schon her.

Sean griff nach ihrer Hand. „Hör schon auf. Das glaube ich nicht.“

„Wie erklärst du es dir dann, dass er mich erst in dieser Hotelbar umwirbt, dann mit mir schläft und… hiks… sich schließlich noch in der Nacht heimlich verdrückt? Aber ich habe damit abgeschlossen. Ich bin fertig mit ihm.“ Und doch schmerzten die Erinnerungen nach wie vor und Mitchs Gesicht vor ihrem inneren Auge ließ ihr Herz noch immer unruhig holpern.

„Vielleicht gibt es eine andere Erklärung.“

„Und welche?“

„Hast du nicht gerade gesagt, du hättest mit ihm abgeschlossen?“ Er zwinkerte und gab der Kellnerin ein Handzeichen.

„Eigentlich schon. Aber er geht mir irgendwie nicht aus dem Kopf.“ Sie tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. Ihr war schwindelig. Verdammt, das war zu viel Alkohol.

„Okay, Themenwechsel. Was macht dein freiberuflicher Job? Ist demnächst wieder ein Event geplant?“, wollte Sean wissen.

„Bisher nicht. Ich hoffe, dass bald wieder ein paar Aufträge reinkommen, deswegen bin ich dir dankbar, dass ich ein paar Tage auf deiner Couch schlafen kann, bis ich eine neue Bleibe gefunden habe. Ich wüsste sonst nicht, wie ich die Miete bezahlen soll. Meine Rücklagen sind so gut wie aufgebraucht.“

„Für dich bin ich immer da, mein Schwesterherz!“ Sean beugte sich über den Tisch und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ganz egal wobei, ich helfe dir.“

Sie liebte es, wenn er sie so nannte. Sie schloss kurz die Augen. Alles drehte sich um sie. „Ich danke dir, Bruderherz! Ach und scheinbar wirst du heute dieser Rothaarigen den Schlaf rauben“, neckte Audrey ihn und deutete mit einem Kopfnicken zum Tresen der Kneipe.

„Was für eine Rothaarige?“ Sean blickte über die Schulter. „Die mit den hohen Stiefeln und den Seidenhandschuhen. Die starrt schon die ganze Zeit zu dir rüber. Ich glaube, die will was von dir.“ Sie sah, wie die Fremde von dem Barhocker der Theke aufstand und auf sie zukam. „Oh, sie kommt.“

Die Frau kam an den Tisch und hatte bloß Augen für Sean, während sie eine Hand in die Hosentasche schob. „Hallo, haben Sie vielleicht Feuer? Ich habe bedauerlicherweise mein Feuerzeug vergessen.“

Audrey grinste, doch Sean wurde ernst und starrte sie an. So kannte sie ihren Bruder gar nicht. Sean wirkte verblüfft. Was war los mit ihm? Er war doch sonst immer der Coolere von ihnen beiden. Jemand, den niemand so leicht aus der Fassung brachte.

„Nein“, sagte Sean nur knapp. „Bedaure!“

Im Augenwinkel sah Audrey wie die lächelnde Fremde eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche zog. Etwas fiel ihr aus der Hosentasche. Es klirrte. Audrey schaute hinunter. Eine Ampulle mit einer grünen Flüssigkeit rollte über den Boden. Audrey stoppte sie mit dem Fuß und hob die Ampulle auf, um sie der Frau zurück zu reichen. „Die ist aus Ihrer Tasche gefallen.“

Als sie Audrey nun beachtete und die Ampulle entgegennahm, waren es die Augen, die sie fesselten. Sie glichen der Farbe eines Huskys. Kühl und blau. „Oh, danke. Dann frage ich woanders nach Feuer. Einen schönen Abend noch.“

Sie trat vom Tisch. Sean sah ihr nach.

„Hey, was ist mit dir?“, schmunzelte Audrey und boxte ihm gegen die Schulter. „Die war doch nett. Und du bist doch Single. Warum hast du sie nicht nach ihrer Nummer gefragt?“

Er war blass und still. Sean zückte sein Smartphone und tippte eifrig auf das Display. Eine Nachricht. Sie konnte jedoch nicht sehen, was er schrieb oder wem.

„Sean?“, fragte Audrey besorgt.

Als er das Handy zurücksteckte, zog er einen Bündel Geldscheine hervor. „Ich bin furchtbar müde. Können wir bitte gehen? Die Getränke gehen auf mich. Zahl doch schon mal und warte draußen auf mich. Ich gehe mich eben noch erleichtern.“

Audrey stutzte und sah vom halbvollen Cocktail zu Sean, der aufstand. „Klar, aber willst du nicht erst austrinken?“

„Ich habe genug und es war ein langer Tag.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lächelte. „Ich freu mich schon darauf, morgen mit dir im Café Petit zu frühstücken. Außerdem habe ich dort eine kleine Überraschung für dich vorbereitet.“

„Eine Überraschung? Was ist es?“

„Das wirst du noch früh genug erfahren.“ Er zwinkerte lächelnd.

Er kehrte ihr den Rücken zu. Sean verschwand Richtung Toilette und eine Kellnerin trat an den Tisch. Audrey zahlte die Rechnung und verabschiedete sich. Ihr Blick glitt zum Tresen. Die rothaarige Frau, die Sean vorhin noch so angehimmelt hatte, war verschwunden. Audrey sah auf die Armbanduhr. Wo blieb Sean? Was dauerte so lange? Da war sie wieder. Ihre Ungeduld. Sie schlürfte den Cocktail restlos aus und stellte das Glas zurück. Es reichte, sie hatte lang genug gewartet. Der Raum um sie herum schien leicht zu schwanken, als Audrey aufstand und sich durch die Menge wühlte. Ihr Magen grummelte. So betrunken kannte sie keine Scham und stieß die Tür zur Herrentoilette auf. Sean war nicht zu sehen.

Die Holztür schwang zurück ins Schloss. Zwei aufgemotzte Hühner mit zu viel Parfum und einem halben Malkasten im Gesicht stolzierten gackernd an ihr vorbei auf die Damentoilette. Dabei fiel Audreys Blick auf die Notausgangstür, die einen Spalt breit geöffnet war. Müsste die Notausgangstür in so einem gut besuchten Laden nicht eigentlich geschlossen sein? Oder hatte sich jemand herausgeschlichen, ohne zu bezahlen? Oder war einer der Barkeeper hier hinausgegangen, um während der Arbeitszeit heimlich zu rauchen? Neugierig schob Audrey die Tür weiter auf.

Die klare, frische Luft stieß ihr entgegen und ließ sie frösteln. Ihre Jacke hing noch über dem Stuhl. Es roch nach Alkohol. Leere Flaschen türmten sich in einem Container. Auf einem Berg von Mülleimern und schwarzen Müllsäcken wuselten Ratten. Dazwischen lugten ein Paar rote Sneaker hervor. Audrey grinste. Wie typisch.

„Sean? Was ist los?“, rief sie. „So viel hast du doch gar nicht getrunken, dass du dich in der Tür irrst und zwischen Müllsäcken pennst.“

Vorsichtig wankte sie ihm entgegen. Irgendwer musste Tomatensauce entsorgt haben. Sean lag mittendrin.

„Komm schon, ich will auch schlafen gehen.“

Sean rührte sich nicht. Audrey musterte ihn genauer. Er starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Langsam sickerte die Erkenntnis in ihr Bewusstsein. Es war Blut, das aus Seans Mundwinkeln, der Nase und den Augen lief, die zum sternenklaren Horizont starrten und den breiten, muskulös gebauten Körper zerbrechlich wirken ließen.

Da war wieder das Gegacker der beiden Hühner. Es wurde immer lauter. Audrey drehte sich zu ihnen um. Sie traten tatsächlich durch den Notausgang in den Hinterhof. Ohne Sean eines weiteren Blickes zu würdigen, rannte sie los. Kurz darauf gellte ein hysterischer Schrei durch die Nacht.

***

Die dunkle, verrauchte Unterkunft, in die die Rothaarige trat, stank bestialisch. Das Experiment war missglückt und sie wusste, dass ihr Auftraggeber nicht erfreut sein würde. Sie schritt den Gang entlang, vorbei an vier Türen, die von stämmigen Männern bewacht wurden. Am Ende des Ganges wurde sie von zwei Männern des gleichen Aussehens begrüßt. Sie trat ein und ließ über sich ergehen, dass sie ihre Taschen und den Körper nach Waffen abtasteten. Natürlich fanden sie die neun Millimeter im hinteren Hosenbund, die sie ihr kommentarlos abnahmen. Erst dann ließ man sie eintreten und führte sie in einen angrenzenden Raum. Es war ein stilvoll eingerichtetes Büro, dessen eine Wand komplett verglast war und die Sicht ins Labor freigab. Sie trat näher, um einen besseren Blick in das Labor auf der tieferliegenden Ebene zu bekommen, als sich die Scheibe plötzlich verdunkelte. Sie starrte in ihr eigenes Spiegelbild.

„Was haben Sie für mich?“ Wie aus dem Nichts rauschte ihr Auftraggeber an ihr vorbei und ließ sich in den Sessel hinter dem Schreibtisch fallen. Man schloss die Tür. Sie waren allein. Ihr fröstelte.

„Leider keine guten Nachrichten. Ein weiterer Fehlschlag.“

„Verflucht!“ Er schlug auf die Tischplatte.

„Der Proband ist unmittelbar nach der Injektion verstorben. Die gleichen Symptome wie bei den vorherigen Probanden.“

Der Auftraggeber erhob sich vom Stuhl und lief auf und ab. „Wir können die Rezeptur nicht wieder ändern. Es muss funktionieren. Der Deal ist in weniger als einer Woche. Finden Sie einen geeigneten Probanden und bringen Sie ihn mir.“ Er gab einen Wink in Richtung Glastür und die beiden Wachmänner traten ein.

„Wie soll das funktionieren? Wo soll ich jemanden aufspüren, der dem standhält, Don?“

„Das ist nicht mein Problem, Eyrin. Liefern Sie mir einen Probanden, sonst sind Sie eine tote Frau. Ich gebe Ihnen zwei Tage.“

Heart & Hazard Series - Schatten der Vergangenheit, Bd. 2

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