Читать книгу Wendungen des Schicksals: Körper & Seele - Sloane Kennedy, Lucy Lennox - Страница 7

Kapitel 2

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Jake

Gott, ich war immer so gerne nach Hause gekommen. Jedes Mal, wenn ich die lange Bergstraße zu der weit abgelegenen Hütte entlanggefahren war, hatte sich dieses Gefühl der Ruhe und Sicherheit in mir ausgebreitet. Natürlich war das erst so, seit ich gelernt hatte, wie man all die negativen Gefühle abkapselte. Die Einsamkeit. Die Angst. Die erdrückenden Schuldgefühle. Ich atmete tief durch und schob die Bilder weg, die begannen, durch meinen Kopf zu rasen. Genau in diesem Moment fuhr ich an der Stelle vorbei, wo ich vor vier Tagen das rote Cabriolet entdeckt hatte. Seitdem war so viel Schnee gefallen, dass die Reifenspuren kaum noch zu sehen waren.

Oz. Er war der Grund dafür, warum ich in letzter Zeit nicht mehr gerne nach Hause kam. Ich wollte Xander anrufen und ihn fragen, was zur Hölle er sich dabei gedacht hatte. Warum vermietete er seine Hütte an diesen süßen, aber schrecklich naiven jungen Mann, der außerhalb der Stadt nichts verloren hatte? Und schon gar nicht hier, mitten im Nirgendwo. Aber wenn ich Xander anrief, hieß das, dass ich mit ihm reden musste. Das wollte ich einfach nicht. Es war schon schwer genug, ihm in der Stadt manchmal über den Weg zu laufen. Wenn ich ihn anrief, würde er mich sicher wieder zu irgendwelchen sozialen Interaktionen drängen. Dafür, dass er als mein Nachbar immer so still gewesen war, hatte Xander Reed sich zu einem überaus geselligen Menschen entwickelt. Und er wollte aus mir offensichtlich auch einen geselligen Menschen machen. Auch wenn ich mich mit Zähnen und Klauen wehrte. Aber mein Freund ging wirklich perfide vor. Er benutzte oft sein Kind dazu, mich einzulullen, bevor er die Falle zuschnappen ließ. Verdammt, ich hatte bereits zugestimmt, Thanksgiving bei ihm, seinem Verlobten Bennett und seinem Adoptivsohn Lucky zu verbringen. Lucky hatte darauf bestanden, dass ich kam. Ihre Freunde aus New York, Aiden und Ash, kamen nämlich nicht zu Thanksgiving, sondern stattdessen zu Weihnachten. Und der siebzehnjährige Lucky hatte mir die Ohren vollgejammert. Sollte ich nämlich nicht kommen, würden Xanders Tante Lolly und ihr Freund sich noch vor dem Abendessen ausziehen. Sie waren nämlich überzeugte Nudisten. Wenn jedoch ein fast völlig Fremder dabei war, könnte sie das eventuell davon abhalten. Zumindest bis nach dem Dessert. Ich hatte Tante Lolly und ihren verrunzelten Freund selbst schon getroffen, letzten Sommer bei einem Picknick zum Labor Day. Ich wusste, dass Lucky nicht übertrieb. Damals hatte ich das ältere Paar kennengelernt, als es gerade in einem kleinen Teich neben dem Picknickplatz nackt gebadet hatte. Zum Glück hatten sie es nicht geschafft, mich zum Mitmachen zu überreden. Ich hatte vorgetäuscht, dass ich dringend Feuerholz suchen musste.

Nein, Xander anzurufen, stand nicht zur Debatte. Ich freute mich für ihn, aber hatte immer noch Probleme damit, unser Verhältnis zueinander zu akzeptieren. Ich wusste, dass er einfach wieder mit mir befreundet sein wollte, aber das war schwierig für mich. Ich hatte keine Gefühle für ihn entwickeln wollen. Und ich hätte auch nie einen Versuch gestartet, ihm näherzukommen. Doch nun, da er wusste, dass ich ihn in einem anderen Licht sah, war alles so verkrampft. Sein Verlobter Bennett hatte kein Problem damit, dass wir Freunde waren. Und ich kam damit klar, dass sie mir ab und zu mitleidige Blicke zuwarfen. Das war also nicht das Problem. Es war der ganze Rest, mit dem ich nicht klarkam. Der Neid. Ich würde nie haben, was Xander und Bennett hatten. Nicht einmal, wenn ich das wollte. Es war einfach zu gefährlich. Ich war nicht grundlos in diese abgelegene Stadt in Colorado gezogen, wo ich Menschen nicht zu nahe kommen konnte.

Ich zwang mich dazu, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken, und konzentrierte mich darauf, die Straße zu meiner Hütte entlangzufahren. Der Schnee fiel nun dichter und ich wusste, mindestens ein oder zwei Tage lang würden wir eingeschneit sein. Sofort wanderten meine Gedanken zu Oz. Hoffentlich hatte er warme Kleidung, Feuerholz und Lebensmittel besorgt. Unsere Hütten waren zwar an das Stromnetz der Stadt angeschlossen, aber es war schon vorgekommen, dass Bäume umgestürzt waren und die Stromkabel gekappt hatten. Stromausfälle zu dieser Jahreszeit kamen in den Hütten häufig vor. Vielleicht hätte ich Xander anrufen und ihn fragen sollen, ob er Oz schon erklärt hatte, wie der Generator funktionierte. Ich schüttelte den Kopf. Nein, Oz war nicht mein Problem. Je schneller der Junge kapierte, dass er hier draußen nichts zu suchen hatte, desto schneller würde er nach New York zurückfahren. Dort gehörte er hin, eindeutig.

Ein Gefühl der Scham machte sich in mir breit, als mir wieder einfiel, was ich zu ihm gesagt hatte. Ich hatte ihn ziemlich von oben herab behandelt, als ich gesagt hatte, dass hier niemand für ihn Salz streute. Dabei hatte ich selbst einige Jahre in Großstädten gelebt. Ich wusste besser als jeder andere, wie sehr man sich daran gewöhnte, dass die Straßen geräumt und die Bürgersteige gestreut wurden. Also warum war ich so ein Arsch zu ihm gewesen?

Fast hätte ich gelacht. Stellte ich mir gerade ernsthaft diese Frage? Ich wusste ganz genau, warum ich ihn so behandelt hatte. Wie sollte ich ihn sonst von mir fernhalten? Mit Xander war es einfach gewesen. Wir waren beide nicht daran interessiert gewesen, etwas Ernstes anzufangen. Auch wenn sich ein kleiner Teil von mir das vielleicht gewünscht hatte. Mein Bauchgefühl sagte mir jedoch, dass es bei Oz etwas anderes war. Sogar, wenn er nicht diesen Witz über meine Kronjuwelen gerissen hätte. Auch wenn er mich nicht so ansehen würde, wenn er meinen Namen sagte, mit diesen umwerfenden Augen und den vollen Lippen … Ich würde ihn trotzdem scharf finden. Verdammt, ich hatte sogar einen Ständer bekommen, als ich ihn nach Verletzungen abgetastet hatte! Und das war noch nie passiert. Gott, ich war doch eigentlich ein Profi! Nun ja, zumindest war ich das mal gewesen. Keine Ahnung, was ich jetzt war.

Ein unhöflicher Arsch, der seinem neuen Nachbarn eine Entschuldigung schuldet.

Ich verdrehte die Augen, als sich meine innere Stimme meldete. Auch wenn sie recht hatte.

Die Sonne versank schon hinter dem Horizont, als ich um die letzte Kurve vor der Hütte bog, und in diesem Moment sah ich es. Mein Herz machte einen Satz, als ich den schwarzen Rauch erblickte, der aus der Hütte drang.

Was zur Hölle?

Ich bremste ruckartig und stürzte förmlich aus dem Auto, so eilig hatte ich es, zu Oz zu gelangen. »Oz!«, rief ich und stellte mir vor, wie er von Flammen eingekesselt war.

Ich sah nicht viel, als ich in die Hütte rannte. Doch bevor ich erneut nach ihm rufen konnte, hörte ich jemanden schreien: »Aua, Scheiße!«

Es war Oz’ kleine Hündin, die mich zu ihm führte. Sie fing nämlich an, wie verrückt zu bellen.

»Es ist okay, Boo-Bär. Daddy geht es gut«, sagte er zu dem Hund, obwohl ich den Schmerz in seiner Stimme hören konnte.

Ich hustete. Der Rauch kratzte in meiner Kehle und ließ meine Augen tränen. »Oz!«, rief ich.

»Hier«, rief er zurück. »Hier drüben.«

Wir trafen uns in der Mitte, und gerade als ich ihn erreichte, lichtete sich der Rauch ein wenig. Erleichterung breitete sich schlagartig in mir aus, als ich ihn erblickte. »Oh, Gott sei Dank. Bist du okay, Ba…?« Ich hielt inne, als ich merkte, dass ich ihn beinahe Baby genannt hätte.

Jesus.

Ich griff nach seinen Armen, bereute es aber sofort, als er schmerzerfüllt aufschrie. »Bist du verletzt?«, fragte ich, schlang die Finger um seinen Oberarm und zog ihn aus der Hütte. Erst, als wir auf der Veranda standen, konnte ich ihn genauer in Augenschein nehmen.

»Nein, ich bin okay«, erwiderte er. »Habe mich nur verbrannt«, murmelte er dann. Er klang wütend. »Ich bin so ein Idiot.«

Er drehte seinen Arm, sodass ich die gerötete Haut an seinem Unterarm erkennen konnte. »Was ist passiert?«, fragte ich und führte ihn vorsichtig die Stufen hinunter, darauf bedacht, nicht auf dem Eis auszurutschen.

»Nichts, es ist dämlich«, sagte Oz und wich meinem Blick aus. »Alles wieder gut, es tut mir leid wegen der Umstände.«

Er wandte sich tatsächlich von mir ab. Ich griff erneut nach ihm, diesmal nach dem unverletzten Arm. »Lass mich mal sehen«, sagte ich und hielt sein Handgelenk fest, während ich die Verbrennung begutachtete. »Was ist passiert?«, fragte ich erneut.

Oz atmete tief durch. »Ich kriege dieses verdammte Ding nicht zum Laufen«, antwortete er endlich.

»Was?«

»Die Heizung«, presste er hervor und machte eine Handbewegung in Richtung Hütte. »Oder den Kamin.« Er schnaubte und sagte: »Ich habe die Temperatur höher und höher gedreht, aber es wurde nur immer kälter.«

»Hast du …?«

»Nachgesehen, ob sie überhaupt an ist?«, unterbrach Oz mich. »Ja. Ich weiß, dass du mich für einen Idioten hältst, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Heizungen in Colorado genauso funktionieren wie in New York.«

»Ich wollte fragen, ob du schon den Sicherungsschalter überprüft hast. Vielleicht ist er kaputt.«

»Den was?«, fragte er und schnitt eine Grimasse.

»Nicht so wichtig. Ich kann schnell mal nachsehen«, schlug ich vor. »Was ist mit dem Kamin?«

Oz blieb stumm. Ich wusste, weshalb. Sein bissiger Kommentar wegen der Heizung hatte Bände gesprochen. Er wartete nur darauf, dass ich ihn auf einen Fehler aufmerksam machte. Ich hatte schon eine starke Vermutung, was geschehen war.

»Was ist passiert, Oz?«, fragte ich und bemühte mich um einen einfühlsamen Tonfall.

Oz lachte verächtlich. »Ich dachte, das funktioniert ganz einfach«, murmelte er. »Einmal, als ich in Aspen war, gab es dort auch einen Holzofen statt eines Gasofens. Also dachte ich, dieser hier würde genauso simpel funktionieren. Einfach anzünden und fertig. Ich habe es geschafft, ein Feuer zu entfachen. Dann bin ich kurz mit Boo raus, weil sie ihr Ding gemacht hat, weißt du?«

»Ihr Ding?«, fragte ich und fürchtete mich fast vor der Antwort.

»Ihren Tanz ... Ihren Pipi-Tanz. Wenn sie Pipi machen muss, dann …«

»Dann macht sie einen Tanz«, sagte ich mit einem Grinsen. »Alles klar.«

Oz schien sich ein wenig zu entspannen. »Wie auch immer, ich habe sie nach draußen gebracht. Sie braucht immer ein wenig, um den perfekten Platz zu finden. Als wir zurückgekommen sind, war die Hütte voller Rauch. Ich habe versucht, Xander anzurufen, aber er hat nicht abgehoben. Meine Freundin Zoey wusste auch nicht, was los ist. Aber sie hat es gegoogelt und mich gefragt, ob ich den Abzug geöffnet habe. Ich wusste nicht, was das ist, und sie hat mir erklärt, wie man ihn findet, also habe ich nach oben gegriffen, um danach zu suchen. Und als er offen war, gab es eine Stichflamme und das Feuer … hat mich quasi angefallen.« Er versuchte, seine Hand aus meinem Griff zu befreien. »Es ist okay, es geht schon wieder. Danke, dass du gekommen bist, um nach mir zu sehen.«

Die Sache war ihm eindeutig peinlich, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich war ihm schließlich schon zweimal wegen ähnlicher Fehler über den Mund gefahren. »Ich habe einmal Motoröl in den Benzintank meines Vaters getan«, platzte es aus mir heraus, als er erneut versuchte, sich aus meinem Griff zu winden.

»Was?«, fragte Oz verdattert.

Ich nickte. »Ich habe keine Ahnung von Autos. Wir waren unterwegs, auf unserem alljährlichen Ausflug nach Chicago, die ZooLights ansehen, also den weihnachtlich beleuchteten Zoo. An der Tankstelle hat er mich gebeten, Öl nachzufüllen. Also habe ich Öl in den Tank gegossen. Nach etwa dreißig Minuten hat das Auto begonnen, schwarzen Rauch zu spucken. Dann ist der Motor einfach abgeschmiert. Als mein Vater gefragt hat, ob ich Öl nachgefüllt habe, habe ich ja gesagt. Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als er die Motorhaube statt des Benzintanks geöffnet und gemeint hat, dass kein Öl mehr drin ist.«

Oz’ Grimasse verwandelte sich in ein Lächeln. »Wirklich?«, fragte er.

Ich nickte und musterte wieder sein Handgelenk, da mich irgendetwas an seinem Anblick ganz wirr im Kopf machte. Ich mochte sein Lächeln. Es war so warm, scheu und niedlich.

»War er sauer?«, wollte Oz wissen. »Ich meine, Kinder machen nun mal Fehler, oder?«

»Ich war zweiundzwanzig«, gab ich zu.

Für einen Moment herrschte Schweigen, dann erklang Oz’ leises Lachen. Ich riskierte einen Blick auf ihn und sah, dass seine Wangen gerötet waren. Mein Körper reagierte sofort auf ihn. Und es katapultierte mich schlagartig in die Realität zurück. Ich konnte das hier nicht haben.

»Lass uns in meine Hütte gehen, dann kann ich mir deine Verbrennung besser ansehen«, meinte ich. »Wir warten, bis sich der Rauch verzogen hat. Dann schaue ich mir die Heizung mal an.«

Oz musste meinen Stimmungswandel bemerkt haben. Seine Stimme war leise, als er sagte: »Bist du dir sicher? Es geht mir wirklich gut. Ich will dir keine Umstände machen.«

Er machte tatsächlich Umstände, aber nicht so, wie er dachte. »Es ist okay«, erwiderte ich. Mir war klar, dass mein Tonfall zu kurz angebunden war, aber ich konnte nicht anders. Ich würde tun, was getan werden musste, und ihn dann wieder wegschicken. Alles andere musste ich ignorieren. Das musste ich einfach.

Ich ließ Oz keine Gelegenheit zum Antworten. Stattdessen griff ich nach seinem Arm und führte ihn zu meiner Hütte. Als er die Türschwelle überschritt, krampfte sich mein Magen zusammen. Es war, als hätte ich etwas Dummes getan, einfach nur, weil ich ihn mein Refugium betreten ließ. Etwas wirklich Dummes. Und das letzte Mal, als ich etwas Dummes getan hatte, hatte es jemand mit seinem Leben bezahlt.

Wendungen des Schicksals: Körper & Seele

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