Читать книгу Wendungen des Schicksals: Höher und Weiter - Sloane Kennedy, Lucy Lennox - Страница 10

Kapitel 5

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Zach

Es dauerte weniger als zehn Sekunden und zwei Handgriffe, ihn wieder auf den Rücken zu bekommen. Aber jetzt musste ich vorsichtig sein und nicht mein ganzes Gewicht auf ihn verlagern – hauptsächlich deshalb, weil mein Schwanz entschieden hatte, dass ihm das Gefühl von einem Lucky, der mit gespreizten Beinen auf meinem Hintern saß, ein bisschen zu sehr gefiel. Schließlich benutzte ich meine Beine, um ihn festzuhalten und ruhig zu stellen. Und dann musste ich nur noch abwarten.

Während der süße, unschuldige Lucky mir genug Flüche an den Kopf warf, um einen ganzen Müllcontainer damit füllen zu können, versuchte ich, alles, was passiert war, nachdem ich über die Straße gerannt war, um Lucky vor dem unsichtbaren Bösen zu beschützen, nachzuvollziehen.

Das Auto war beschmiert worden.

Daran erinnerte ich mich.

Lucky hatte etwas von Nachrichten gesagt …

Mein Schädel begann zu pochen, als ich versuchte, mich an den Moment vor dem Blackout zu erinnern. Ich gab diesen Gedankengang auf und konzentrierte mich auf den sich windenden jungen Mann unter mir. Leider wanderte mein Blick sofort zu seinem Hals.

Der Anblick des hässlichen Blutergusses, der auf seiner Haut zu erblühen begann, ließ meinen Magen protestierend knurren. Sofort ließ ich Lucky los und wich nach hinten zurück. Seine Tirade endete mitten im Satz und er setzte sich genauso schnell auf.

Ich hatte ihn angegriffen.

Mein Blick huschte wieder zu seiner Kehle. Er musste es gesehen haben, denn seine Finger wanderten zu seinem Hals.

„Was ist passiert?”, stieß ich hervor und senkte die Augen, damit ich nicht länger auf die verfluchten Flecken starren musste, deren Ursache ich selbst war.

„Mir geht es gut, Zach. Du hast mich nicht verletzt.“

Fast hätte ich gelacht. Seine Antwort war so typisch Lucky. Die blauen Flecken an seinem Hals waren schon zu sehen, dennoch kümmerte er sich nur darum, mich zu beruhigen.

„Was ist passiert?“, wiederholte ich, dieses Mal etwas sanfter. Ich hasste es, mich ihm gegenüber noch verletzlicher zu zeigen, als ich es eh schon getan hatte, aber ich wollte unbedingt wissen, was passiert war. „Ich erinnere mich an das Auto und dass du mir hier hoch geholfen hast. Du … du hast mich durchgecheckt.“ Ich sah zur Arzttasche und warf dann Lucky einen schnellen Blick zu.

Oh ja, das würden wir später ansprechen.

„Woran erinnerst du dich noch?“, fragte Lucky. Der mitleidige Ausdruck in seinen Augen ließ mich schnell aufstehen. Mein Knie protestierte gegen die hastige Bewegung, aber das war mir egal. Auf gar keinen Fall würde ich ihn jetzt ansehen können.

„Du hast meinen Namen gesagt“, gab ich zu. „Ich dachte, es wäre ein Albtraum gewesen – dass ich dich so festhalte …“ Ich verstummte, als ich mich an Luckys blasse Gesichtszüge erinnerte, während er nach Luft rang.

In meinem Griff.

„Du hast geschlafen. Ich wollte nur so lange auf dem Bett sitzen, bis Min und ihre Freundin schlafen gingen, und dann wollte ich auf das Sofa umziehen, aber ich glaube … ich glaube, ich bin eingeschlafen. Als ich aufwachte, waren du und ich … wir waren …“ Lucky hielt inne und schlug die Augen nieder. Seine Wangen verfärbten sich. „Ich wollte nicht, dass du mit mir aufwachst … so.“

In diesem Moment hätte ich dafür getötet, ganz genau zu wissen, wovon er sprach. In den vergangenen zwei Jahren hatte ich unzählige Fantasien darüber gehabt, wie es wohl wäre, in einem Bett neben Lucky aufzuwachen.

Jetzt musste ich mit dem Albtraum dessen leben, was ich getan hatte.

„Ich habe versucht, an mein Telefon zu kommen, ohne dich zu wecken, aber ich muss dich angerempelt haben oder so, und du …“

„Hast angegriffen“, beendete ich den Satz für ihn.

Lucky schüttelte den Kopf. „Nein, du – du warst nur verwirrt.“

„Verwirrung hinterlässt keine blauen Flecken, Lucky!“, stieß ich hervor. Ich begann, auf und ab zu laufen. Denn wenn ich mich nicht bewegte, würde ich meine Faust einfach gegen die Wand schlagen, so wie ich es eigentlich wollte. Der blanke Horror, den Lucky empfunden haben musste …

„Hey.“ Lucky krabbelte aus dem Bett und stellte sich direkt vor mich. Als er die Hand ausstreckte, wahrscheinlich um mich näher an sich zu ziehen, wich ich zurück. Ich hasste die Traurigkeit, die in seinen hübschen braunen Augen zu sehen war, aber ich wagte es nicht, die Nähe zuzulassen, die ich eigentlich wollte. Auch, wenn ich ihn zwar nicht körperlich verletzen würde, war mein Körper immer noch völlig überreizt und der Anblick von Lucky in seiner Schlafhose war eine zu große Versuchung. Wenn ich ihn jetzt wieder vor mir auf dem Rücken liegen hätte, würde er mit Sicherheit so lange liegen bleiben, bis ich jeden Zentimeter von ihm gekostet hätte.

„Ich versichere dir, Zach, es sieht viel schlimmer aus als es ist“, sagte er bedrückt und berührte seinen Hals. „Ich fühle mich gut. Und ja, ich hatte Angst, aber ich wusste, dass du mich nicht …“

„Verletzen würdest?“, bot ich an, denn genau das hatte ich getan. Die Schuld lag mir wie Blei im Magen.

„Ich musste dich nur dazu bringen, mich zu sehen. Ich wusste, wenn du das tust …“

Ich machte mir nicht die Mühe, diesen Satz für ihn zu vervollständigen. Wir wussten beide, dass er auf gar keinen Fall sicher gewusst hatte, dass er mich aus diesem Schub würde herausholen können.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis Lucky schließlich einen Schritt auf mich zu ging. „Es ist eine Posttraumatische Belastungsstörung, richtig?“

Ich nickte, denn es war sinnlos, es zu leugnen. Verdammt, ich hatte quasi mit einer Fahne vor ihm hin- und hergeschwenkt und ihn darauf aufmerksam gemacht.

„Ist es während deines letzten Einsatzes passiert?“

Ich beantwortete diese Frage nicht, denn ich wusste, wie die nächste lauten würde. Er würde die Einzelheiten darüber hören wollen, was genau mit mir passiert war. Nein, lass mal.

„Weiß Onkel Jack das?“, fragte Lucky.

Als er meinen Bruder als ‚Onkel‘ bezeichnete, hätte ich am liebsten über die Absurdität des Ganzen gelacht. Wie zur Hölle hatte ich es nur so weit kommen lassen?

„Weiß er es?“, insistierte Lucky. Er stand ganz nah. Es wäre so einfach gewesen, die Entfernung zwischen uns zu überbrücken und ihn zu nehmen, wie auch immer es mir gefiel. Er würde mich lassen. Ich war mir sicher. Trotz allem, was ich ihm angetan hatte: Ich wusste, wenn ich seinen Namen auf eine bestimmte Art und Weise aussprechen oder ihn mit der sanftesten Liebkosung berühren würde, würde er mir gehören.

Nur für eine Nacht oder so lange ich es wollte.

Vertraute Worte, die von einer Stimme kamen, die nicht annähernd so süß war wie Luckys, wiederholten sich zum millionsten Mal in meinem pochenden Kopf.

Du gehörst mir, Zach. Auch wenn du sagst, dass es nicht so ist, wir beide kennen die Wahrheit.

Erst als Lucky meinen Namen flüsterte, tauchte ich ruckartig aus der Vergangenheit wieder auf, in die mich diese Worte gezogen hatten.

Nein.

Auf gar keinen Fall würde ich es zulassen, dass Lucky die gleichen Fehler beging wie ich.

„Nein“, antwortete ich schließlich und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. Mein Körper hatte die seltsame Angewohnheit, Lucky immer näherzukommen, ohne dass ich es überhaupt bemerkte.

„Du solltest es ihm sagen. Er ist dein Bruder, Zach. Er liebt dich. Du brauchst keine Geheimnisse vor ihm zu haben …“

„So in etwa, wie du keine Geheimnisse hast?“, fragte ich und stupste seine Arzttasche an.

Lucky machte ein Gesicht, als hätte ich ihn wieder körperlich angegriffen. „Das ist etwas anderes.“

„Wieso?“, fragte ich. „Inwiefern ist es anders?“

Ich wusste, dass er die Arme verschränkte um mir zu trotzen, aber in seinen Augen las ich etwas anderes.

Schuld.

Einen verdammten Riesenhaufen an Schuld.

„Es ist nicht dasselbe, weil ich nur ein paar Reanimationskurse gemacht habe. Die habe ich auch zu Hause ständig gemacht. Ich muss meinen Vätern nichts erzählen, was sie sowieso schon wissen.“

Irritiert griff ich nach der Tasche und begann, die medizinische Ausrüstung auf das Bett zu werfen.

„In wie vielen Kursen werden Stethoskope an die Absolventen ausgegeben?“, fragte ich. Ich sah mir die Gegenstände auf dem Bett genauer an. „Das sieht aus wie eine Notfalltasche. Tatsächlich hat Jake eine, in der dieselben Instrumente drin sind.“

„Na schön“, schnauzte Lucky. „Ich habe ein paar Fortgeschrittenenkurse belegt.“

Ich schmiss die leere Tasche aufs Bett. „Versuch es noch einmal“, erwiderte ich. Es überraschte mich nicht, dass Lucky versuchte, an mir vorbei aus dem Zimmer zu kommen.

„Geh weg“, knurrte er, als ich mich ihm in den Weg stellte.

„Du brauchst keine Geheimnisse vor ihm zu haben …“, begann ich und äffte Lucky nach, aber er schnitt mir das Wort ab.

„Fick dich, Zach!“

Er gab mir einen kräftigen Stoß, der mich daran erinnerte, dass er viel kräftiger war, als er aussah. Instinktiv packte ich ihn an den Oberarmen und drückte ihn nach hinten, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Ich liebte es, wie wütend er jedes Mal wurde, wenn ich ihn grob anfasste, obwohl ich keine Ahnung hatte, warum mir das so gut gefiel.

Weil es beweist, dass er mit dir umgehen kann ...

Ich befahl meiner inneren Stimme, sie solle die Klappe halten, und wartete einfach ab, bis Lucky sich beruhigt hatte. Die Muskeln seines Bizepses erfüllten meine Hände. Seine Haut fühlte sich heiß an, und ich fragte mich, ob das immer so war, oder ob es nur daran lag, dass er stinksauer war.

Wenn das der Fall wäre, wie würde sie sich erst anfühlen, wenn er erregt war? Ich verfluchte die Richtung, die meine Gedanken nahmen, besonders, als ich feststellte, dass ich ihm schon wieder näher gerückt war. Uns trennten nur noch Zentimeter und irgendwann hatte Lucky aufgehört, sich gegen mich zu wehren. Er atmete keuchend und seine herrlichen Lippen waren weit geöffnet, um die Luft entweichen zu lassen. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, meine Zunge in seinen heißen Mund gleiten zu lassen … und dann meinen Schwanz. Würde er mich eifrig oder eher schüchtern nehmen?

Ich musste wohl ein Geräusch gemacht haben, denn Luckys Blick glitt von meinen Augen zu meinem Mund und wieder zurück.

„Zach“, hauchte er.

Nein … bettelte.

Er bettelte.

Genau wie mein Körper mich anbettelte, von der Kette gelassen zu werden, mit der ich ihn fest im Zaum hielt.

Bevor ich wusste, was ich tat, strich ich mit dem Daumen die Konturen seines Mundes nach. Die Berührung ließ Lucky scharf einatmen. Sein Körper krümmte sich gegen meinen. Ich konnte sehen, dass er die Hand, die ich losgelassen hatte, zur Faust geballt hatte.

Wahrscheinlich, um sich davon abzuhalten, mich zu berühren.

Fast hätte ich ihm gesagt, er solle es nicht tun, aber ein letztes Fünkchen Verstand hielt mich davon ab. Doch diese Vernunft ließ mich im Stich, als es darum ging, Luckys schönen Mund mit meinem viel zu rauen Finger zu erforschen. „Hat er dich geküsst?“

Als Lucky meine Frage nicht beantwortete, knurrte ich noch einmal. „Hat er?“

„W-Wer?“, brachte er hervor.

„Das Arschloch im Designer-Polohemd.“

„Davis?“, fragte Lucky, eindeutig verwirrt.

Ich brachte nur ein Nicken zustande. Natürlich wusste ich, dass meine Frage unsinnig war. Welcher Kerl würde sich schon weigern, Luckys perfekten Mund zu küssen? Aber das hielt mich nicht davon ab, auf eine Antwort zu drängen.

Mein Magen verkrampfte sich, als Lucky den Kopf schüttelte. „Das würde er niemals tun.“

Am liebsten hätte ich dem Wichser noch einmal eine reingehauen, aber Luckys nächste Worte erwischten mich kalt und ließen mich innehalten.

„Bin nicht mehr geküsst worden seit dem einen Mal, als ich fünfzehn war. Ein paar Typen hätten schon gewollt, aber ich wollte …“

Luckys Augen glänzten voller Emotionen und seine Stimme brach.

„Wolltest was?“ Mein Herz machte einen Sprung.

„Ich wollte, dass der Nächste du …“

Weiter kam er nicht, weil plötzlich sein Telefon laut zu piepsen begann. Es erinnerte mich an die Zeit, als die Leute noch Pager mit sich herumtrugen.

Lucky schloss die Augen, und das brach den Bann. Schnell ließ ich ihn los und trat einen Schritt zurück. Mein Körper fühlte sich wie ausgeknipst.

Lucky ging an mir vorbei und nahm sein Telefon vom Nachttisch. Er sah niedergeschlagen aus, wie er so mit dem Rücken zu mir stand. Es dauerte nur ein paar Sekunden, denn dann griff er nach den Sachen auf dem Bett und stopfte sie in seine Tasche. „Ich muss gehen“, sagte er nur.

„Gehen? Wohin?“

Er antwortete mir nicht. Ich sah zu, wie er sich eine marineblaue Hose und eine Art Uniformhemd überstreifte. Erst als er eine Jacke aus dem Schrank holte, auf deren Rücken das Wort „Sanitäter“ prangte, wurde mir klar, welches Geheimnis er vor seiner Familie verbarg. Lucky vermied meinen Blick, als er sich anzog und dann in seine Schuhe schlüpfte. Als er sich zur Tür wandte, stellte ich mich ihm in den Weg.

„Ich muss gehen, Zach. Ich bin das jüngste Mitglied des Teams, sie rufen mich nur an, wenn sie mich wirklich brauchen.“

„Warum hast du deinen Vätern nichts erzählt?“, fragte ich. Lucky sah in seiner Sanitäter-Kleidung so erwachsen aus, dass ich ihn kaum wiedererkannte.

„Du warst lange weg“, murmelte Lucky. „Ich habe die besten Eltern der Welt, aber ich weiß, dass es Tage gibt, an denen sie mich am liebsten in Luftpolsterfolie einpacken würden …“

Mir dämmerte es. Ich erinnerte mich an die Worte meines Bruders über Luckys Verhalten, als ich fortgegangen war.

Jake hatte es eine „schwierige Phase“ genannt.

Rettungssanitäter zu sein war zwar nicht der gefährlichste Job der Welt, aber er würde auf jeden Fall in einige prekäre Situationen mit Drogenabhängigen, entsetzlichen Autounfällen und Opfern von Schussverletzungen geraten. Und aus seiner Bemerkung, dass seine Väter ihn am liebsten in Luftpolsterfolie einpacken würden, schloss ich, dass Lucky wusste, wie sie reagieren würden, wenn sie herausfänden, was er vorhatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Xander und Bennett nicht sehr stolz auf ihren Sohn wären. Aber was wusste ich schon? Seit ich gemerkt hatte, dass er etwas für mich empfand, hatte ich mich aus allem herausgehalten, was irgendwie mit Lucky zu tun hatte.

Ich trat einen Schritt zurück.

„Du solltest dich noch etwas ausruhen“, murmelte Lucky, während er sich an mir vorbei schob.

Ich ignorierte die Wärme, die sich in mir ausbreitete, als er trotz allem was geschehen war, seine Fürsorge für mich zeigte. „Das werde ich“, entgegnete ich.

„Lügner.“ Lucky grinste kurz. Ich konnte nicht anders, als selbst zu lächeln. Doch dann kehrte die Realität zurück.

„Wir müssen darüber reden, was mit deinem Auto passiert ist. Und über diese Nachrichten.“

Lucky hielt in der Tür inne, antwortete aber nicht sofort. Als er es tat, sagte er nur: „Tschüss, Zach“, und dann war er weg.

Wendungen des Schicksals: Höher und Weiter

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