Читать книгу Wendungen des Schicksals: Höher und Weiter - Sloane Kennedy, Lucy Lennox - Страница 9
Kapitel 4
ОглавлениеLucky
Ich war dankbar, dass Zach es geschafft hatte, mir mitzuteilen, was mit ihm los war. Sonst wäre ich vielleicht in Panik geraten. So aber kämpfte ich nur gegen die Übelkeit in meinem Bauch an, als ich Zeuge der fürchterlichen Schmerzen wurde, denen Zach ausgesetzt war. Glücklicherweise machte es mir meine Ausbildung und meine Qualifikation als Rettungssanitäter etwas leichter, Zachs Zustand zu beurteilen. Nach einer kurzen Überprüfung seiner Vitalfunktionen war mir klar, dass er nicht in die Notaufnahme musste. Und da er bereits zu wissen schien, was das Problem war und auch die entsprechenden Medikamente dagegen hatte, war das Wichtigste, was er brauchte, um sich zu erholen, ein bequemerer Ort als diese dreckige Straße.
Ich vergaß mein Auto und konzentrierte mich auf Zach, während ich mich über ihn kniete.
„Zach, du musst ein bisschen für mich aufwachen, okay?“ Ich konnte selbst das Zittern in meiner Stimme hören, aber ich unterdrückte es, so gut ich konnte.
Zack murmelte etwas und bewegte träge seinen Kopf hin und her. Mit einer Hand stützte ich seinen Nacken, dann drückte ich ihm eine der Tabletten auf die Zunge und gab ihm einen Schluck aus der kleinen Colaflasche, die ich in seinem Truck gefunden hatte, der glücklicherweise nicht verschlossen gewesen war.
Etwas von der Flüssigkeit lief aus Zachs Mund, aber er schaffte es, die Tablette zu schlucken. Einen Moment lang barg ich seinen Kopf an meiner Brust. „Versuche, tief einzuatmen, okay? Und lass deine Augen zu.“ Ich wartete nicht, bis Zach mir antwortete, sondern schob die Medikamente und das Getränk in meine Taschen und richtete ihn behutsam auf, um ihn tragen zu können.
„Zu schwer“, murmelte Zach. „Gehen.“
Trotz der Schmerzen, die er hatte, hatte seine Stimme immer noch diesen Befehlston. Ich war halb versucht, ihn trotzdem zu tragen, nur um ihm zu zeigen, dass ich es konnte. Aber ich hatte Angst, dass er sich wehren würde, sobald ich ihn auf der Schulter hatte. Also schob ich ihn neben mich, wobei ich den Arm um ihn legte und mit der anderen Hand seine Hand auf meiner eigenen Schulter festhielt und ihn stützte. So machten wir uns auf den Weg in mein Appartementhaus und hinauf zu meiner Wohnung.
Kaum hatte ich die Tür geöffnet, war Min da.
„Was zur Hölle? Was ist los mit ihm?“ Sie eilte herbei, um mir zu helfen, ihn an einem überquellenden Bücherregal vorbei zu dem abgewetzten Ledersofa im Wohnzimmer zu bringen.
Ich wusste, dass die Medizin, die er genommen hatte, ihn stundenlang (hoffentlich die ganze Nacht lang) ausschalten würde, und er würde diese Stunden nicht bequem auf unserem alten Sofa verbringen können.
„In mein Schlafzimmer“, sagte ich zu ihr und änderte die Richtung. Während wir ihn in mein kleines Zimmer und auf das Doppelbett verfrachteten, versuchte Zach uns zu sagen, dass es ihm gut ging, aber seine Leichenblässe und die fest geschlossenen Augen sprachen Bände.
Ich warf Min einen Blick zu. „Schließ die Jalousien und mach alle Lichter aus. Er braucht Dunkelheit und Stille. Migräne.“
Ihr Gesicht verkniff sich vor Sorge, während sie meinen Wünschen nachkam. Als der Raum dunkel und still war und Min noch einen kühlen Waschlappen für seine Stirn holte, sah ich auf Zachs Gesicht hinunter. Seine Augen waren zwar nicht ganz geöffnet, aber sie blinzelten trotzdem zu mir auf.
„Bin okay“, murmelte er. Ich konnte mir ein Schnauben nicht verkneifen.
„Bist du nicht, aber du wirst es wieder“, versprach ich flüsternd und kniete mich auf das Bett neben ihm. „Bevor du einschläfst, muss ich wissen, ob du vorbeugend ein Migränemittel nimmst.“
Seine Brauen zogen sich verwirrt zusammen und ich ertappte mich dabei, dass ich die Hand ausstrecken und sie glattstreichen wollte. „Die Medizin in deinem Truck ist ein Triptan – ein Mittel, das die Attacke aufhält oder abschwächt, wenn sie begonnen hat. Nimmst du täglich ein Medikament, um sie zu verhindern?“
Zach schloss mit einem kurzen Kopfschütteln die Augen. „Mag ich nicht. Macht mich schläfrig. Kann nicht fliegen.“
Ich erinnerte mich daran, dass ich mitbekommen hatte, wie er mit seinem Bruder über Starrflügler und Hubschrauber in der Armee sprach. Obwohl ich nicht genau wusste, was Zach bei der Armee gemacht hatte, wusste ich, dass er irgendeine Art von Flugtraining absolviert hatte.
Wieder verzog sich sein Gesicht vor Schmerz und ich erlaubte mir endlich, meine kühle Hand auf seine warme Stirn zu legen. Sobald ich ihn berührte hatte, schien sein ganzer Körper sich zu entspannen.
„Lass los“, flüsterte ich. Zachs Körper schien sich kurz wieder anzuspannen, dann drehte er plötzlich seinen Kopf zur Seite und ich spürte, wie seine Finger mein Bein berührten. Es war, als wollte er sich vergewissern, dass ich wirklich da war. Kaum war mir der Gedanke gekommen, verwarf ich ihn sofort wieder. Zach war nur aus einem einzigen Grund hier: Weil meine Väter ihn geschickt hatten, um nach mir zu sehen.
Trotzdem ertappte ich mich dabei, dass ich seine Schläfe mit meinem Daumen massierte. Denn ich erinnerte ich mich an sein verzweifeltes Versprechen, mich zu beschützen, kurz bevor er ohnmächtig geworden war. Ich fragte mich, welche Art von Angst meine Väter und Zachs Bruder Jake ihm eingeflößt hatten, als sie ihn gebeten hatten, mir einen Besuch abzustatten. Was auch immer es gewesen sein mochte, es reichte aus, um mir klarzumachen, dass er sich nicht schonen würde, solange er glaubte, noch auf dieser Mission zu sein. Der Mann war schließlich ein Soldat. Er lebte dafür, ein bestimmtes Ziel zu haben.
„Ich bin in Sicherheit“, fügte ich hinzu. „Das sind wir beide.“
Zachs Hand hob sich, um die Finger zu umfassen, die ich auf seine Stirn gelegt hatte, und überraschte mich mit ihrem leichten Zittern. „Bleib.“
Gerade als mir bei dieser bittersüßen Bitte warm wurde und mein Herzschlag sich beschleunigte, schaffte er es, den Rest zu murmeln.
„Sicher. Bleib drinnen. In Sicherheit.“
Verdammte Scheiße.
Selbstverständlich hatte er mich nicht gebeten, bei ihm zu bleiben und ihm Gesellschaft zu leisten. Er hatte mich gebeten, dort zu bleiben, wo er mich im Auge behalten konnte. Wie ein Babysitter.
Min kam herein und sah Zachs Hand, die auf meiner lag, und seine andere Hand, die auf meinem Bein ruhte. Ich zuckte zurück, entzog mich seinem Griff und streckte die Hand nach dem Waschlappen aus, den sie mitgebracht hatte. Ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass ich mich auf ein paar ernste Worte einstellen durfte, sobald ich mit dem Sanitäter spielen fertig war.
Ich drehte mich um und legte ihm das kühle Tuch auf die Stirn, wobei ich hoffte, dass er keinen Eisbeutel oder ein Wärmekissen brauchen würde. Falls doch, würde ich eine Million Dollar darauf wetten, dass er einen Wutanfall bekommen und hinausstürmen würde, selbst wenn er kaum geradeaus gucken konnte.
Aber er schien gut einschlafen zu können. Wahrscheinlich war er halb betäubt von der Medizin. Als ich schließlich zu Min in die Küche kam, stellte ich fest, dass ihre Freundin auch da war. Die beiden hörten abrupt auf zu reden, als ich den Raum betrat, so dass es keinen Zweifel gab, über wen sie da gerade gesprochen hatten.
„Hallo Leah“, begrüßte ich sie und griff an Min vorbei, um den Wasserkrug aus dem Kühlschrank zu holen.
„Minna meint, du hast einen heißen Typen aufgegabelt. Hat das irgendwas damit zu tun, was mit deinem Auto passiert ist?“
Min ließ mich erst gar nicht antworten, sondern piekte mich mit ihrem Stummelfinger in die Brust. „Wann wolltest du mir eigentlich davon erzählen, hm? Was läuft da? War das Davis?”
Die Erinnerung an mein Auto landete wie ein Bleigewicht direkt in meinem Bauch.
Leah legte beschwichtigend eine Hand auf Mins Schulter. „Lucky, du musst die Polizei rufen. Das ist ’ne verdammt ernste Sache.“
Ich stieß die Luft aus, dachte an Davis und daran, wie sehr er betont hatte, wie wichtig ich für ihn war. Obwohl er eine Freundin hatte und mir völlig ungeniert ins Gesicht gelogen hatte, wirkte der Mann nicht wie jemand, der dermaßen mit roter Sprühfarbe durchdreht. Und bisher waren seine Nachstellungen eher von der Sorte „Bitte gib mir noch eine Chance, damit wir weiter heimlich ficken können“ als von der „Stirb, Schlampe“-Einstellung gewesen, die der Vandale an den Tag zu legen schien.
„Ich glaube nicht, dass es Davis war. Ich denke, jemand hat einfach das falsche Auto erwischt“, erklärte ich. „Ihr wisst doch, wie viele Studenten hier wohnen. Es könnte die eifersüchtige Freundin oder der eifersüchtige Freund von irgendjemandem gewesen sein.“
Mins Augenrollen war beeindruckend. „Ja, zum Beispiel jemand wie Davis’ eifersüchtige Freundin? Wach auf, Lucky. Oh Mann.“
Ich schüttelte den Kopf, während ich mir ein Glas aus dem Schrank nahm. „Sie weiß nichts von mir. Genau darum ging es ja gerade. Er hat Angst, dass irgendjemand denkt, dass er schwul ist. Er behauptet, dass er nur mit ihr zusammen ist, um gegenüber seiner Familie und seinen Freunden den Schein zu wahren, weil er Angst hat, sich zu outen. Keiner seiner Leute weiß es.“
„Wer könnte es denn sonst sein?“, fragte Leah. „Hast du noch irgendwelche anderen seltsamen Nachrichten oder Drohungen bekommen?“
Ich konzentrierte mich darauf, mir Wasser einzugießen, so dass ich keinen Augenkontakt herstellen musste, als ich log. „Nein. Deswegen glaube ich, dass das Auto einfach verwechselt wurde.“
„Du musst trotzdem die Polizei rufen“, beharrte Min. „Denk an das eigentliche Opfer, Lucky. Die müssen das wissen.“
Sie hatte Recht, aber mittlerweile war es zu spät, um etwas zu melden, das kein Notfall war. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie verrückt diese Nachtzeit für die Einsatzkräfte sein konnte, und ein mit Farbe besprühtes, parkendes Auto war nicht gerade 911-würdig.
„Na gut, ich rufe morgen früh an. Aber ich bin sicher, es ist harmlos.“ Noch während ich diese Worte aussprach, überlegte ich, wie ich das alles meinen Vätern verheimlichen konnte. Das Auto lief zwar auf meinen Namen, aber sie zahlten die Versicherung. Und dann war da auch noch der Elefant im Raum … oder vielmehr im anderen Raum. Und das war nicht so sehr ein Elefant, sondern ein großer, attraktiver Soldat, der wild entschlossen war, seine jüngste Mission zu vollenden … mich.
Ich ignorierte die darauffolgende schneidende Stille, stellte den Krug zurück in den Kühlschrank und machte mich auf den Weg zum Kleiderschrank im Flur, um meine Notfalltasche zu holen. Solange Zach schlief, würde er nicht mitbekommen, wenn ich seine Temperatur maß und sein Herz und seine Brust abhörte, nur um sicherzugehen, dass da nichts anderes im Gange war.
Als ich das Zimmer betrat, reichte das Licht vom Flur aus, um mir zu zeigen, dass er immer noch nicht ansprechbar war. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte sich seine Gesichtsfarbe ein wenig gebessert, aber ich wollte trotzdem seinen Blutdruck messen, ohne ihn aufzuwecken.
Ich ging zum Fußende des Bettes, um seine Stiefel auszuziehen, und bemerkte zu meiner Überraschung eine dicke Narbe an seinem Unterschenkel. Ohne Licht war es ziemlich schwierig, sie zu untersuchen, also benutzte ich meine Hände. Die Berührung war viel zu intim, viel zu sehr wie in meinen Fantasien, in denen ich Zachs Körper so berühren durfte, wie ich es wirklich wollte. Ich versuchte krampfhaft, mir klarzumachen, dass dies eine rein medizinische Untersuchung war. Ich musste schließlich seine körperliche Verfassung beurteilen können, damit ich ihn richtig behandeln konnte.
Lügner.
Ich fuhr mit den Fingern seine behaarte Wade hinauf, die warm und muskulös war, bis ich auf weitere Narben stieß.
„Was ist mit dir passiert?“, murmelte ich.
Beim letzten Mal, als ich Zach gesehen hatte, hatte ich das besondere Vergnügen gehabt, ihn versehentlich beim Anziehen zu erwischen. Das war der Auslöser für meinen Plan gewesen, dem älteren Mann endlich meine Gefühle zu gestehen. Ich hatte seinen umwerfenden Körper gut fünfzehn Sekunden lang besabbert, bevor er meine Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte. Obwohl er schon damals mit einigen Narben des Krieges gezeichnet gewesen war, würde ich mich mit Sicherheit an die Verletzungen seines Beins erinnern, die ich gerade fühlen konnte.
Im Stillen schob ich die Schuld auf den Sanitäter in mir, während ich den Raum kurz verließ, um die Taschenlampe meines Handys auf die niedrigste Stufe zu stellen. Als ich in den Raum zurückkehrte, zog ich sein Hosenbein hoch und enthüllte stark vernarbte Haut vom Knöchel bis zum Knie. Das Gelenk selbst war sowohl mit gezackten als auch mit geradlinigen Narben übersät. Die Haut war rosa und sah wund aus – ein Beweis dafür, dass die Verletzung frisch und wahrscheinlich noch nicht verheilt war. Jemand mit so einem verletzten Knie wäre nicht in der Lage gewesen, auf dem Parkplatz gegen Davis zu kämpfen. Oder mit gezogener Waffe zu mir zu laufen, als er mich am Auto in Panik geraten sah.
Es sei denn, dieser Jemand wäre ein dickköpfiger Armeesoldat.
War er in einen Kampf verwickelt gewesen? War dies die Folge einer Bombenexplosion? Die Verletzungen an seinem Unterschenkel sahen auf jeden Fall wie das Resultat von Schrapnell aus, aber das Knie selbst schien noch mehr Schaden erlitten zu haben. Vielleicht eine Schusswunde? Oder war es vielleicht beides, Schuss und Schrapnell? Die Operationsnarben rund um Zachs Knie sprachen eine eindeutige Sprache.
Meine Finger strichen über die verdrehten Linien. Ich versuchte, mir die Schmerzen vorzustellen, die eine solche Verletzung verursachte. Wenn sein Bruder von einer derartigen Gefechtsverletzung erfahren hätte, hätte Jake es uns allen erzählt, denn wir waren im Laufe der Jahre zu einer Familie geworden. Selbst wenn Jake beschlossen hätte, es für sich zu behalten, hätten wir gewusst, dass etwas nicht stimmte, und zwar über das normale Maß an Sorgen hinaus, die Jake sich immer um seinen Bruder machte, nachdem er zu seinem neusten Einsatz aufgebrochen war. So, wie wir uns alle Sorgen machten …
Zach bewegte sich im Schlaf, drückte sein Bein fester gegen meine Berührung und stieß einen tiefen Atemzug aus. Am liebsten wäre ich bei ihm geblieben, hätte mich neben ihn gelegt und meine Arme um ihn geschlungen, um ihn festzuhalten und den Schmerz von ihm fernzuhalten. Aber ich war ein Nichts für ihn. Niemand. Das Kind eines Freundes, das war alles.
Nachdem ich seine Werte so vorsichtig wie möglich gemessen hatte, zwang ich mich, mich loszureißen und die Decke über ihn zu legen. Die einzige Schwäche, die ich mir gestattete, war, ihm Pistolenhalfter, Gürtel und Hose auszuziehen, damit er es bequemer hatte. Falls ich einen flüchtigen Blick darauf warf, wie er in seinen engen Boxershorts aussah, tja, das war nun mal ein fester Bestandteil der Arbeit eines Sanitäters. Das brauchte niemand zu wissen. Ich stopfte meine Ausrüstung zurück in die Tasche und schob sie unter das Bett, für den Fall, dass ich sie noch einmal brauchte, wenn ich in ein paar Stunden wieder nach ihm sah. Als ich aber ins Wohnzimmer ging, um mir auf dem alten Sofa mein Bett fertig zu machen, sah ich Min und Leah dort mittendrin in einer heißen, wilden Knutschsession.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück, um die beiden nicht zu stören und abzuwarten. Dort setzte ich mich gegenüber von Zach auf die andere Seite des schmalen Bettes. Ich wagte es nicht, das Licht anzumachen oder gar mein Telefon zu benutzen, aus Angst, ihn zu wecken. Und so hätte es mich eigentlich nicht überraschen dürfen, dass ich einschlief.
Was mich jedoch erstaunte, war, dass ich mit dem Gesicht an ein warmes, himmlisch duftendes T-Shirt geschmiegt aufwachte und meinen Arm um einen festen Körper geschlungen hatte. Mein Bein lag über einem von Zachs Beinen, und wäre ich nicht aufgewacht, hätte ich wahrscheinlich schon bald seinen Oberschenkel gevögelt.
Ich hörte mein Telefon piepsen. Ohne Nachzudenken lehnte ich mich über Zach, um es vom Nachttisch zu nehmen. In meiner Hektik, es zum Schweigen zu bringen, drückte ich mit den Fingern stattdessen auf den Schalter der Lampe. Ich versuchte, sie auszuschalten, brachte es stattdessen aber fertig, den Nachttisch anzustoßen, wodurch eines meiner Lehrbücher mit einem lauten Knall auf den Boden fiel. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, presste sich ein schwerer Arm gegen meine Kehle und drückte mich gegen die Matratze. Ich keuchte auf, als mir die Luft abgeschnitten wurde.
„Wer bist du?“, zischte Zach mich an. Ich erkannte seine Stimme nicht. Zum ersten Mal, seit ich den älteren Mann kannte, hatte ich Angst vor ihm. „Wo sind die anderen?“
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht genug Sauerstoff einatmen konnte, um etwas zu sagen.
„Wie viele sind es?“, verlangte Zach zu wissen, während er sich hektisch im Raum umsah. Die Härte seines Gesichtsausdrucks war beängstigend. Mir sprang das Herz fast aus der Brust, als mir klar wurde, dass er mich überhaupt nicht sah.
„Wie viele?“, schrie er.
Angst überkam mich, denn ich wusste, dass seine Stimme laut genug gewesen war, um Min oder Leah oder beide zu wecken. Ich versuchte, seinen Namen zu sagen, aber sein Griff um meinen Hals war zu fest. Einige lange Sekunden verstrichen. Als weder Min noch Leah an die Tür klopften, war ich erleichtert und erschrocken zugleich. Erleichtert, weil das bedeutete, dass die Mädchen wahrscheinlich beschlossen hatten, die Nacht bei Leah zu verbringen. Erschrocken, weil das bedeutete, dass ich Zach völlig hilflos ausgeliefert war.
Und in diesem Moment war der Mann über mir nicht Zach.
Nicht mein Zach, auf jeden Fall.
Er war der kampferprobte Soldat, wegen dem ich viele schlaflose und sorgenvolle Nächte verbracht hatte, seit er vor Jahren weggegangen war, um seinem Land ein weiteres Mal zu dienen.
„Mac! Teller! Bericht!“ Zach ruckte mit dem Kopf nach rechts, als erwartete er, dort jemanden stehen zu sehen. Ein weiterer Beweis für das, was ich bereits vermutet hatte.
„Zach“, versuchte ich herauszuwürgen, schaffte es aber nicht ganz.
Zu meiner Überraschung hob er seinen Arm etwas an. Mein Körper saugte instinktiv das kleinste bisschen Sauerstoff ein, das er kriegen konnte.
„Wie viele?“, wiederholte Zach mit tödlichem Ernst. „Ich frage dich zum letzten Mal.“
„Zach“, schaffte ich es endlich zu flüstern. Tränen schossen mir in die Augen, denn allein die Anstrengung, seinen Namen auszusprechen, ließ meinen Hals wie Feuer brennen. Aber ich wusste, dass im Moment meine Stimme die einzige Chance war … es war die einzige Möglichkeit, Zach dazu zu bringen, mich zu sehen und nicht den unter ihm liegenden Feind, von dem ihn sein Gehirn zu überzeugen versuchte.
„Zach, bitte …“
Zach saß bombenfest auf mir und hielt einen meiner Arme mit seiner freien Hand. Ich spürte, wie sich seine Finger ein klitzekleines bisschen lockerten. Ich nutzte den Moment und sagte: „Ich bin’s, Lucky. Wir … wir sind Freunde. Dein Bruder, Jake, kennt meine Väter. Du bist hergekommen, um nach mir zu sehen … um sicherzugehen, dass ich in Ordnung bin."
Ich war mir nicht sicher, ob es der letzte Teil meines Satzes oder die Erwähnung seines Bruders war, die endlich durchzudringen schien. Der Druck auf meinen Hals ließ weiter nach.
„Lucky?“, brummte Zach, seine Stimme klang genauso belegt wie meine eigene. Seine Verwirrung war mit den Händen zu greifen. Ich riskierte es und streckte meine Hand aus, um über seine stoppelige Wange zu streichen.
„Ich bin’s“, versicherte ich ihm. „Dir geht’s gut. Uns beiden geht es gut.“
„Lucky?“, wiederholte Zach. Seine Verwirrung wandelte sich schnell in Ungläubigkeit, dann in Entsetzen. „Nein!“, schrie er auf, dann stürzte er von mir herunter. Ich atmete so viel Luft ein, wie ich konnte, aber mein Körper widersetzte sich trotzdem meinem Befehl, sich aufzurichten. Ich konnte nur hilflos daliegen, während Zach in dem kleinen Raum immer weiter zurückwich, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. Ich konnte seine Gesichtszüge nicht erkennen, aber das brauchte ich auch nicht. So wie er immer wieder meinen Namen wiederholte, die Hände hob, um sich an den Kopf zu fassen, als sei er zu schwer für seinen Körper, wusste ich genau, was er durchmachte.
Sein Entsetzen gab mir die Kraft, die ich brauchte, um mich bewegen zu können. Ich rollte vom Bett und konnte mich gerade noch auffangen, bevor ich auf den Boden knallte.
„Du bist in Sicherheit, Zach. Wir sind beide in Sicherheit.“
Zach begann den Kopf zu schütteln. Ich hatte ihn noch nie so verzweifelt gesehen und um ehrlich zu sein, auch sonst noch niemanden. Ich stolperte zu ihm, nicht ganz sicher, ob ich ihn erreichen würde, ohne vorher platt aufs Gesicht zu fallen. Zu meiner Überraschung schnellten seine Hände hervor und legten sich fest um meine Taille, kurz bevor ich tatsächlich zu Boden ging.
Er zitterte heftig, zweifellos wegen des Adrenalins, das noch immer durch seine Adern strömte. Ich schlug alle Vorsicht in den Wind und legte meine Arme um seinen Hals. „Alles okay, atme einfach tief ein, tu es für mich.“ Als Zach meine Aufforderung ignorierte, wiederholte ich sie und trat einen kleinen Schritt zurück, so dass er mir zusehen konnte, wie ich gleichzeitig mit ihm ein- und ausatmete. Die Verletzlichkeit, die deutlich in seinen Augen zu sehen war, während er versuchte, seine Atmung zu beruhigen, ließ mein Herz in tausend Stücke zerspringen. Ich zog ihn an mich und flüsterte ihm irgendetwas ins Ohr, einfach, um ihn zu beruhigen und ihm zu versichern, dass es uns beiden gut ging und wir in Sicherheit waren. Ich spürte, wie meine eigene Kraft zurückkehrte, während Zachs zu schwinden schien. Sein Griff um meine Taille blieb unverändert. Sein warmer Atem strich über mein Schlüsselbein.
„Erinnerst du dich an den Abend, als ich dir Skifahren beibringen wollte?“, fragte ich. „Und du hast meinen Ski durchgebrochen.“
Erst reagierte Zach nicht, aber je mehr ich über den Abend sprach, an dem ich mich ganz und gar in ihn verliebt hatte, desto ruhiger wurde sein Atem und sein Griff lockerte sich so weit, dass es sich nicht länger so anfühlte, als würde er an mir wie an einem Rettungsanker hängen. Gute fünf Minuten lang redete ich über alles, was mit dieser Nacht zusammenhing, weil sich jeder Augenblick davon in mein Gehirn eingebrannt hatte.
„Du hast deinen Ski selbst kaputt gemacht“, unterbrach Zach mich leise, gerade als ich mich in einen weiteren unsinnigen Monolog stürzen wollte.
„Du bist mit deinem auf die Spitze getreten“, erinnerte ich ihn.
„Du hättest deine Skier nicht unter meine stellen sollen.“
„Ich wollte verhindern, dass du den Berg hinunterrutschst und auf deinem Hintern landest!“
Er schwieg lange Zeit, bevor er einen Schritt zurücktrat und so einen sehr unerwünschten Abstand zwischen uns brachte. Lange bevor er sprach, konnte ich in seinen Augen sehen, dass ich ihn schon wieder verlor, nur nicht auf die gleiche Art wie eben, als er mich auf dem Bett festgehalten hatte.
„Möglicherweise hätte mich ein Sturz auf den Hintern viel früher zur Einsicht gebracht“, konterte er ernst.
Ich biss mir auf die Unterlippe, als Zachs Arme sich weiter lösten. Seine unausgesprochene Botschaft war unüberhörbar. Die Erinnerung an diese perfekte Nacht unter dem Sternenhimmel wich der Erinnerung an den Moment, als ich ihm unter einem Mistelzweig meine Seele offenbart hatte.
„Ich liebe dich, Zach.“
Ich befreite mich ganz aus seinem Griff und trat zurück. Wie von selbst legten sich meine Arme um meine Taille. Im Geist verfluchte ich mich dafür, dass ich versucht hatte, Zachs Berührung zu imitieren, und ließ die Arme schnell wieder sinken.
„Du musst dich wieder hinlegen. Sonst wird dir vielleicht schwindelig und du verlierst das Gleichgewicht oder die Migräne könnte zurückkommen – “
„Mir geht’s bestens“, unterbrach mich Zach. „Ich brauche dich nicht, um auf mich aufzupassen – “
„Doch, das tust du, verdammt! Wenn ich das nicht getan hätte, würde dein Arsch jetzt auf der Straße liegen.“ Ich deutete auf das Bett. „Leg dich wieder hin.“
Das war genau das Falsche. Seine Augen weiteten sich kurz, bevor sie sich wieder verengten. „Zwing mich doch, Kleiner.“
In diesem Moment schien mein Körper zum Leben zu erwachen und ich vergaß komplett, dass er mein Patient war und ich ihn eigentlich schonen sollte. Ich packte seinen Arm und zog, zwang ihn zurück aufs Bett, bevor er seinen Schock über meine Bewegung überwinden konnte. Sobald er realisiert hatte, was los war, rang er mit mir, bis er mich fest im Griff hatte. Dieses Mal war da keine Angst, als er mich herunterdrückte, nur etwas … anderes.
Unsere beiden Brustkörbe hoben sich vor Anstrengung, während ich immer noch darum kämpfte, die Oberhand zu bekommen. Zachs Shirt war hochgerutscht und der Flaum auf seinem Bauch ließ meinen Schwanz reagieren. Ich holte tief Luft und versuchte, meine Hüften nach unten in die Matratze zu drücken, damit er es nicht merkte.
„Was zum Teufel ist hier eigentlich los?“, knurrte Zach. „Warum liege ich in deinem Bett ohne irgendwelche Scheißklamotten an?“
Die Tatsache, dass er anscheinend bequemerweise die kleine Episode vergessen würde, die ihn dazu gebracht hatte, mich anzugreifen, machte mich noch wütender. Da ich nicht über die körperliche Kraft verfügte, es mit ihm aufzunehmen, wählte ich eine andere Waffe, die hoffentlich ebenso gut ihren Zweck erfüllen würde.
„Tz, deine Ausdrucksweise, Zachary. Was würden meine Väter sagen, wenn sie hören würden, dass du so einen schlechten Einfluss auf ihren kostbaren kleinen Jungen hast?“
Feuer loderte in seinen Augen auf und machte es mir schwer, Luft zu holen. Ich sah, wie sich die kleinen Zahnräder in seinem Kopf drehten.
„Du hast dich um mich gekümmert“, sagte er langsam, als würde er sich gerade an ein paar Details erinnern. „Du … du hast mein Herz verdammt noch mal mit einem Stethoskop abgehört und hattest eine …“ Er spähte zur Seite des Bettes, dorthin, wo ich eigentlich meinen Krempel gut verstaut hatte (hatte ich gedacht). „Eine riesige Arzttasche? Lucky, was soll das?“
Mir sank das Herz. „Nichts. Das geht dich nichts an.“
Er studierte mich eingehend wie einen Käfer unter dem Mikroskop. „Sag es mir“, forderte er. Seine Stimme wurde tiefer, sank auf diese leise, sexy Stimmlage, die mich normalerweise dazu gebracht hätte, ihm sofort mein Herz auszuschütten. In diesem Moment sah er meinen Hals an und sog scharf die Luft ein. Ich nutzte diese kleine Verzögerung, um mich mit meinem ganzen Gewicht gegen ihn zu werfen und mich gleichzeitig dabei umzudrehen. Wir rangen wieder miteinander, bis er bäuchlings auf dem Bett lag und ich auf seinem Hintern saß. Seinem sehr runden, sehr strammen Hintern.
Fuck.
„Du willst Geheimnisse mit mir teilen?“, hauchte ich ihm ins Ohr. „Du zuerst.“
„Runter von mir“, warnte er mich mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich schleuderte ihm seine Worte von gerade entgegen, ohne mich darum zu kümmern, dass ich damit das Monster noch mehr reizte.
„Zwing mich doch.“